#1350582
Trötenflöter hat geschrieben:Was heißt denn moralisch in diesem Zusammenhang überhaupt und wer entscheidet was moralisch ist, wenn es Trade-Off-Problematiken gibt, die Personen zu Lasten anderer besser stellen?
Mal ein Gedankenexperiment zum Thema Umverteilung: Was würdest du wählen?
1. Unseren Status quo oder
2. eine Situation, in der jeder das doppelte seines Realeinkommens bekäme und folglich die Kluft zwischen arm und reich extrem wachsen würde (weil die Verdoppelung von Realeinkommen der Reichen sich natürlich viel stärker auswirkt)
Ich würde wahrscheinlich eher gar keinen der beiden Varianten wählen.

Aber wenn ich mal beim Friseurbeispiel bleiben darf: Die Gesellschaft freut sich natürlich, wenn der Friseur weiterhin nur 11 Euro verlangt. Sie blendet dabei zwar aus, dass der Friseur selbst von diesen 11 Euro kaum was hat, aber sie hat einen günstigen Haarschnitt und glaubt, dass das ein Prozeß ist, der wohl Marktwirtschaft heisst und weil der Friseur nicht der einzige Friseur ist, der 11 Euro verlangt, hat das wohl seine Richtigkeit.

Der Friseur freut sich wiederum darüber, wenn er das Doppelte seines bisherigen Gehaltes bekommt. Er muss dafür zwar die Preise erhöhen, weil die Erhöhung des Durchlaufs nicht reichen wird. Aber er freut sich über die Gehaltserhöhung. Auf der anderen Seite freut er sich vielleicht aber auch nicht mehr so sehr, wenn die anderen Friseure nicht das Gehalt ihrer Mitarbeiter erhöhen. Sie können weiter für 11 Euro Haare schneiden. Und die Kundschaft wird sich überlegen, ob sie nun zum gleichen Friseur geht, der nun 16 Euro nimmt oder zu einem anderen Friseur, der 11 Euro nimmt.

Ich glaube schon, dass dieses Problem auch ein moralisches Problem ist, gerade dann, wenn wir die Diskussion um den Wert der Dienstleistung, die der Friseur erbringt, führen. Wenn wir am Ende die Frage stellen müssen, welchen Wert es nun hat, dass der Friseur die Haare für 11 Euro schneidet.

Ich glaube schon, dass dieses Problem auch ein moralisches Problem ist, wenn wir die Person nehmen, die am Ende die Haare schneidet. Dass die eine Dienstleistung erbringt, damit sie am Ende des Monats sich Brot und Wasser kaufen kann und ein Dach über dem Kopf hat.

Beides eine Frage der Wertzuschreibung. Und eine Frage, die von der Marktwirtschaft und dem Gedankengut der Marktwirtschaft entsprechend beeinflusst wird.
#1350617
baumarktpflanze hat geschrieben:Ich würde wahrscheinlich eher gar keinen der beiden Varianten wählen.
Das war nicht die Frage. Tatsächlich würde mich deine Antwort hier interessieren.
Ich glaube schon, dass dieses Problem auch ein moralisches Problem ist, wenn wir die Person nehmen, die am Ende die Haare schneidet. Dass die eine Dienstleistung erbringt, damit sie am Ende des Monats sich Brot und Wasser kaufen kann und ein Dach über dem Kopf hat.
Es ist nicht die Verantwotung des Konsumenten dafür zu sorgen, dass der Frisör was zu essen hat. Das ist einzig die Verantwortung des Frisörs. Du unterstellst dem Konsumenten eine Verantwortung, die er gar nicht hat und die er auch niemals selbst überblicken könnte: Dem Frisör kannst du ja einfach noch 5 Euro Trinkgeld in die Hand drücken, aber was machst du mit dem Sicherheitspersonal einer Veranstaltung? Was mit dem Amazon-Packer? Dein Beispiel hat eben nichts mit Moral zu tun, da niemand gezwungen wird, eine Frisör-Ausbildung zu machen. Ich bin weder für den Frisörbetrieb, noch den Frisör selbst verantwortlich - genausowenig wie es "der Markt" oder "der Staat" ist.
Ich glaube schon, dass dieses Problem auch ein moralisches Problem ist, gerade dann, wenn wir die Diskussion um den Wert der Dienstleistung, die der Friseur erbringt, führen. Wenn wir am Ende die Frage stellen müssen, welchen Wert es nun hat, dass der Friseur die Haare für 11 Euro schneidet.
Du stellst die Frage, was ein Haarschnitt "wert" ist und die Frage ist total einfach zu beantworten: Es gibt keinen festgeschriebenen Wert für ein Produkt oder eine Dienstleistung. Der Preis den du zahlen wirst, hängt vom Umfeld ab, in dem du lebst. Darum sind Aussagen wie "10 Euro ist zu wenig für einen Haarschnitt" auch unsinnig, denn offensichtlich sieht der Großteil der Konsumenten das ganz anders. Nochmal: Es hat nichts mit Moral zu tun, jemandem vorzuschreiben was er zu verdienen oder zu bezahlen hat, wenn seine Betätigung nicht unter Zwang ausgeübt wird. Man darf Moral nicht mit Aktionismus verwechseln - schon gar nicht, wenn man durch vermeintlich gute Absichten für eine Personengruppe anderen Personengruppen schadet.
#1350638
baumarktpflanze hat geschrieben:Möchtest Du damit sagen, dass der Konsument keine Verantwortung für sein Verhalten trägt oder verstehe ich Dich da falsch?
Ich glaube, dass du den Begriff Verantwortung hier einfach falsch benutzt. Der Konsument hat die Freiheit mit seinem Verhalten zu entscheiden, welche Produkte gewollt sind oder nicht - natürlich bestimmt er durch sein Verhalten welche Produkte am Markt bestehen. Dadurch hat sein Verhalten Konsequenzen. In deinem konkreten Beispiel hat der Konsument aber eben nicht die Verantwortung über das Gehalt eines Frisörs zu bestimmen - Gott sei Dank, denn kein Konsument ist informiert genug, die Konsequenzen seines Handelns vollständig abschätzen zu können.
Worauf ich hinaus will: Entscheidungen sind niemals schwarz oder weiß. Wer sagt dir, dass du, durch deine Entscheidung einen teureren Frisör zu besuchen, die Lebensgrundlage für andere Frisöre nicht verschlechtert hast? Wer sagt dir, dass Frisörläden dein höheres Trinkgeld nicht explizit schon antizipieren und ihren Mitarbeiten dadurch noch weniger Fixgehalt bezahlen? Die Entscheidung für solche Prozesse dem Konsumenten zu überlassen bzw. ihm sogar diese Verantwortung explizit zu übertragen, ist einfach kein guter Ansatz - zumal das praktisch ohnehin unmöglich ist, da jeder unterschiedliche Wertvorstellungen hat. Das ist der Punkt, den ich mit dem Aktionismus ansprach: Nur weil bestimmte Ziele moralisch sind (z.B. jeder sollte sich ausreichend Lebensmittel leisten können), heißt das noch lange nicht, dass die Mittel und Wege dafür moralisch, effektiv oder überhaupt sinnvoll sind. Fair Trade ist ein Beispiel dafür wie gut gemeinte Konsumentenvorstellungen zu völlig gegenteiligen Effekten führen können.
#1350700
Ich weiß nicht, ob das so richtig ist mit der Verantwortung.

Natürlich habe ich als Konsument nicht die Verantwortung für das Gehalt des Frisörs. Aber ich habe als Konsument die Entscheidungsfeiheit, zum Frisör zu gehen, der für 11 Euro die Haare schneidet oder der mehr nimmt als 11 Euro. (Und selbst bei den Herren ist die Schere nach oben sehr weit offen.)

Ich kann diese Entscheidung jetzt nach verschiedenen Kriterien treffen. Ich kann zum Beispiel sagen, dass ich mir einen teureren Haarschnitt einfach nicht leisten kann und kann deswegen zum Frisör gehen für 11 Euro. Ich kann sagen, dass meine Haare es mir einfach nicht wert sind, zum teureren Frisör zu gehen und ich gehe deswegen zum Frisör für 11 Euro. Ich kann das Gegenteil behaupten und sagen, dass ich deswegen niemals zu einem 11 Euro-Friseur gehen würde. Die Gründe sind ja mannigfaltig und in der Hand jedes Einzelnen. Das alleine bringt natürlich das Gehalt des Friseurs noch nicht ins Spiel.

Es gibt aber noch eine weitere Komponente: Ich glaube, man kann jedenfalls einem großen Teil der Gesellschaft zutrauen, dass sie um die schlechte Bezahlung der Friseure weiß. Und ich traue einem Teil dieses Teils auch zu, dass er darüber reflektiert, dass 11 Euro einfach nicht das Geschäft so tragen können, dass es für eine anständige - was auch immer das bedeutet - Bezahlung des Friseurs reicht. Wenn ich also weiß, dass der Friseur, der mir die Haare schneidet, schlecht bezahlt wird, und ich dennoch zu einem 11 Euro Friseur gehe, habe ich einen Teil der Verantwortung zu tragen, dass es dieses System der 11 Euro-Friseure überhaupt gibt. Ich gehe ja selbst hin und in dem Wissen, dass das Gehalt des Friseurs sein Leben nicht tragen wird.
#1350707
Ich beziehe mich hier jetzt mal auf eure letzten Beiträge hier im Thread.

Man muss sagen, dass ihr bezogen auf die Verantwortungsfrage und deren Konsequenzen beide richtiges schreibt. Es gibt da gewisse Schnittmengen.

Die Konsumenten, dass habe ich an anderer Stelle in einem anderen Thread schon mal näher ausgeführt stehen definitiv in der Verantwortung und sie bilden unter dem Strich Märkte bzw. sie definieren diese und haben dadurch eine große Macht und erheblichen Einfluss, von den sie vielfach aber nur geringfügig oder gar nicht geltend machen, was sich in manchen Fällen auf Uninformiertheit zurückführen lässt, überwiegend aber besteht schlichtweg ein Desinteresse an Hintergründen. Da steht dann ausschließlich der subjektive kurzfristige Vorteil im Vordergrund, auch wenn diese Haltung langfristig jedem zunächst augenscheinlichen Profiteur schadet, aber das ist sehr schwer den Leuten zu verdeutlichen.

Wenn man das mal auf einzelne Einheiten runterbricht, hat dann natrürlich aber auch Tröti recht. Bleiben wir mal beim Beispiel eines Friseurs. Ein einigermaßen aufmerksamer Kunde wird eventuell wissen welche Umstände in dieser Branche herrschen ansonsten bestehen bei Interesse aber auch vielfältige weitere Möglichkeiten, die Umstände wie die Arbeitssituation der Beschäftigten zu ergründen, dass ist nicht schwer. Aber der Kunde hat im einzelnen tatsächlich nicht die Verantwortung dafür, wie jetzt der Arbeitgeber seine Mitarbeiter entlohnt und wie sich die Arbeitsbedingungen gestalten. Er kann indirekt Fehlverhalten strafen und somit für Ausgleich sorgen aber zunächst mal ist er im einzelnen für die Umstände nicht verantwortlich. Auch muss er nicht alle Hintergründe kennen eine Informationspflicht besteht nicht. Man muss hier die rechtliche von einer gesellschaftlichen bzw. ethischen Verantwortung abgrenzen.

Umgekehrt im Einzelfall ist der Einfluss des Konsumenten auch begrenzt, Tröti hat es ausgeführt wenn man bsp. zu einem Firseur geht der etwas mehr bezahlt als seine Mitbewerber, dann muss man sich das eigentlich auch näher anschauen, denn das heißt in der Tat nicht automatisch, dass hier die Arbeitnehmer unmittelbar profitieren. Das Geld kann ja auch direkt in die Kasse des Inhabers wandern, wenn die Gelder bspw. in betriebserhaltende oder geschäftsfördernde Posten investiert würden, dann wäre dies natürlich aber auch unter Umtänden, dass ist von zusätzlichen Faktoren abhängig, für die Mitarbeiter vorteilhaft.

Zunächst mal brauchen wir gesamtgesellschaftlich breite tiefgründige Diskussionen bezüglich Werte und Konsumverhalten, dass ist unerlässlich. Man muss aufklären und den Konsumenten ihre zentrale Mochtposition verdeutlichen.

Die Konsumenten entscheiden letztlich über sehr vieles. Ein Umdenken wäre wünschenswert. In gewissen Teilen der Bevölkerung lassen sich auch Änderungen beim Konsum feststellen, dass betrifft bisher aber tendenziell junge gebildete Personen, die meist den wolhhabenderen Schichten zugehärig sind, dort findet sich vielfach eine neue bewusste ökologisch nachhaltig orientierte Kaufhaltung. Die Gruppe der Vegetarier und Veganer wächst auch kontinuierlich und auch dort basiert dies vielfach auf einer werteorientierten Grundhaltung bzw. einem neuen Bewusstsein.

Im krassen Widerspruch dazu stehen die kürzlich erfolgten Preissenkungsrunden bei ansich hochwertigen und sehr relevanten Lebensmitteln, wie Fleisch und Geflügel sowie Milchprodukten. Hier haben die Ketten massiv gesenkt und damit gegen ihren eigenen, vor einiger Zeit aufgestellten Kodex verstoßen, der ja besagt, dass den Erzeugern mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen, damit man dem Tierwohl und einer nachhaltigen Erzeugung besser gerecht werden könne. Das wird hiermit natürlich völlig unterlaufen. Man kann schon von einer Farce sprechen.

Fakt ist auch bei einem Großteil der Bevölkerung finden sich bisher keine Ansätze für ein Umdenken. Die meisten fokussieren sich auf ihren eigenen Vorteil, die Produktionsfaktoren und Herstellungsbedingungen interessieren sie nicht. Diese Haltung besteht schichtenübergreifend.

Mal schauen wie das alles weitergeht.
#1350718
Trötenflöter hat geschrieben: Mal ein Gedankenexperiment zum Thema Umverteilung: Was würdest du wählen?
1. Unseren Status quo oder
2. eine Situation, in der jeder das doppelte seines Realeinkommens bekäme und folglich die Kluft zwischen arm und reich extrem wachsen würde (weil die Verdoppelung von Realeinkommen der Reichen sich natürlich viel stärker auswirkt)
Verstehe ich ehrlich gesagt nicht so ganz (und um das gleich klarzustellen - das ist wirklich ernst gemeint, kein subtiler Zickerei-Versuch oder ähnliches): Was genau bringt es denn, bei JEDEM das Einkommen zu verdoppeln? Im Verhältnis geht es denen, die wenig verdienen, dann doch keinen Deut besser, weil das Geld natürlich auch an Wert verliert, wenn doppelt so viel da ist... Mit Umverteilung hat das meiner Meinung nach wenig zu tun.

Und was die Verantwortung des Konsumenten angeht: Da bin ich größtenteils schon auch der Meinung, dass man sich da nicht komplett rausnehmen kann. Natürlich weiß man als Konsument, dass der Billigfrisör von seinen Preisen nicht vernünftig leben, geschweige denn seine Angestellten anständig bezahlen kann. Natürlich weiß man, dass T-Shirts für einen Euro bei Kik nicht von Näherinnen mit vernünftigem Mindestlohn hergestellt und von gut bezahlten Verkäuferinnen an den Mann gebracht werden. Die Frage ist halt nur auch - gerade unter dem Aspekt Umverteilung bzw. Schere zwischen Arm und Reich etc - wie weit es sich der einzelnen Konsument leisten kann, auf solche Dinge zu achten. Ich denke, jeder Konsument, der sich für solche Fragen interessiert, sucht sich ein paar Punkte raus, die er persönlich als besonders wichtig empfindet, und achtet da darauf, über sein Verhalten soweit möglich zu steuern, was läuft.

Natürlich kann man sagen "ist doch nicht meine Verantwortung, der Markt ist halt so". Aber auf der anderen Seite will ja auch jeder für seine Arbeit anständig bezahlt werden und flucht, wenn der Lohn nicht zum Leben reicht. Da verstehe ich dann den Gedanken nicht so ganz, zu ignorieren bzw. sich trotz eigener Steuerungsmöglichkeiten überhaupt nicht dafür verantwortlich zu fühlen, dass andere eine solche Bezahlung nicht bekommen. Es gehört doch irgendwo zu einem sozialen Zusammenleben, sich nicht ausschließlich für sich zu interessieren bzw. verantwortlich zu fühlen.
#1350723
Ergänzung zu meinem obrigen Beitrag

Einen Aspekt möchte ich nochmal Anfügen. Ich knüpfe hier erneut beim Beispiel des Friseurs an. Ich persönlich vertrete die Meinung, ein Arbeitnehmer der regulär beschäftigt ist, muss von seinem Lohn angemessen leben können, alles andere wäre Ausbeutung und somit inakzeptabel. Jetzt gibt es natürlich auch arbeitnehmerseitig eigentlich gewisse Bereinigungsmechanismen die einer solchen systematischen Ausbeutung entgegenwirken könnten.

Ein Friseurmeister betreibt in einer Stadt ein Geschäft zunächst mal war der Konkurrenzdruck nicht ganz so hoch und er zahlte seinen Mitarbeitern angemessene Löhne mit der Zeit wollten die Kunden aber immer weniger zahlen, was auch durch einen Konkurrenzdruck begünstigt wurde. Der Friseurmeister entschied sich schließlich dazu die Löhne stark zu senken und vielfach auf alternative Beschäftigungsmodelle zurückzugreifen.
Die Zufriedenheit der Mitarbeiter verringerte sich drastisch die Motivation ebenso, die Mitarbeiterinnen darunter auch junge Mütter können von ihrem Einkommen nicht mehr leben, teilweise sind sie jetzt auf Aufstockung durch den Staat angewiesen. Der Kundenstamm stabilisierte sich dadurch das Geschäft wurde weiterbetrieben aber große Gewinne wurden nicht erzielt, dass Geschäft unterhielt sich lediglich selbst. Eine ehemalige Mitarbeiter schied aus und arbeitet derzeit schwarz als mobile Friseurin.

So was finden wir jetzt hier vor:

Ein Geschäft dessen Modell im Grunde nur noch durch Ausbeutung besteht ansich aber nicht tragfähig ist und für die Gesellschaft keinen Mehrwert mehr bietet auch im Hinblick auf die Steuern. Im Gegenteil dieser Betrieb kostet indirekt den Staat Geld. Kosten für die Gesellschaft

Wir haben ehemals Angestellte, die jetzt eine Schwarztätigkeit ausüben und somit aus der Steuerleistung ausscheiden und ihrerseits wiederum der Branche schaden. Kosten für die Gesellschaft

Mitarbeiter die jetzt Sozialleistung zusätzlich beziehen müssen. Geringe Kaufkraft keum Teilnahme am Binnenmarkt. Ausgaben durch Sozialleistungen. Indirekte Subvensionierung. Kosten für die Gesellschaft.

Wäre man hier ganz Konsequent dann würden alle potenziellen Kandidaten sagen, ja nein zu diesen Bedingungen und Löhnen arbeite ich nicht. Dann würde ein solcher Friseur keine Mitarbeiter mehr bekommen und er müsste das Geschäft, dass ja so schon nicht mehr tragfähig ist schließen. Würde eine solche Bereinigung fortschreiten wäre der Markt konsolidiert, dass würde zunächst zu einer Entspannung führen, da ja auch der Bedarf bestehen bliebe. Wären auch dann die Leute nicht bereit für Leistungen zu zahlen, dann wäre dieser Markt verschwunden, was aber hier unwahrscheinlich ist.

Aber eine solche Konsolidierung wäre volkswirtschaftlich dann tatsächlich besser. Vorallem bezogen auf den Markt und die Branche würde man sich einem Gleichgewicht annähern.

Das Problem ist aber das es immer Personen gibt die aufgrund einer sehr schwachen Position solchen Beschäftigungen annehmen, somit dreht sich dieses System immer weiter.

Ein weiteres Beispiel wo man eine Verlagerung feststellen kann ist das Handwerk. Das Handwerk insgesamt hat mit ganz großen strukturellen Problemen zu kämpfen, dort findet man teilweise kaum noch Auszubildende, dass Handwerk gilt insgesamt als unattraktiv auch wenn man gerade hier derzeit nicht gänzlich von einer konsequenten Abwärtsspirale sprechen kann, da die Knappheit zu einer Stärkung der Handwerksbetriebe führt. Der Auszubildenenmangel ist hier aber faktisch zunehmend ein existenzbedrohender Faktor. Aber es gibt noch einen anderen Trend nämlich auch hier gibt es massive Verschiebungen. Bereits angesprochen finden sich immer weniger Menschen die im Handwerk arbeiten möchten, was an diversen Aspekten liegt, so greift man hier vielfach auf Arbeiter aus osteuropäischen Staaten zurück, die hier Arbeiten für ganz geringe Löhne verrichten, weil das im Verhältnis für diese Personen immernoch viel Geld ist so verlagert sich das immer weiter auf die nächst schwächere Position. Die Schwarzarbeit ist auch ein großes Problem im Handwerksbereich.

Tendenziell gehe ich hier aber mal davon aus, wenn sich aktuell Leute für eine Ausbildung in einem relevanten Handwerksberuf entscheiden, dann sollten sie ind en nächsten Jahren eigentlich ganz gute Aussichten haben. Denn in der Tat gibt es viele Bereiche wo man qualifizierte Fachkräfte braucht und diese werden immer knapper. Somit sollte es zumindest ein bisschen sowas wie eine ausgleichende Gerechtigkeit geben für zukünftige Handwerker, die eine Ausbildung im Handwerk einem Studium vorziehen.

Vielen Handwerkern hier kann ich jezt für meine Region sprechen, geht es wirtschaftlich gut, das sind meist kleinere bis mittelständische Betriebe, wo auch Ausbeutung im Regelfall nicht besteht. Wenn man hier die Inhaber fragt, sagen sie meist, ja wir haben sehr viel zu tun, der Betrieb läuft wirtschaftlich gut aber wir kommen den Anfragen kaum noch nach. Viele Betriebe darunter Heizungs und Sanitärbetriebe, Dachdecker, Maurer usw. suchen dringend nach Auszubildenen aber sie finden keine.

Auch hier sind die Entwicklungen spannend, da teilweise entgegengesetzt.

Mal schauen wie das weitergeht
#1350726
Sicher hat man als Konsument auch eine Verantwortung. Nur kann ich doch nicht immer und überall auf die schöne Moral achten, weil ich's mir gar nicht leisten kann. Deshalb kommt für mich der mindestens genau so große Anteil der Verantwortung den Anbietern/Unternehmen zu.
Außerdem kann man ja nun nicht überall dahinterschauen. "Das ist billig, das mu8ss automatisch schlecht sein", ist mir auch zu einfach. Bloß am Preis lässt sich das für mich gar nicht ablesen. Wenn ich hier einen 11-Euro-Friseur habe, dessen Laden brummt, weil er für den Preis eine gute Leistung liefert, und da einen doppelt so teuren Friseur, wo aber über den Tag nur fünf Kunden kommen, dann kann ich mir doch gar nicht sicher sein, ob und wo die Angestellten besser bezahlt werden. Außerdem kommen noch Lage, Miete etc. dazu. Ergo will ich mich als Kunde eigentlich auch darauf verlassen können, dass der Dienstleister seine Preise vernünftig kalkuliert, wo eine ordentliche Bezahlung der Angestellten enthalten ist.
#1350729
Kaffeesachse hat geschrieben:Sicher hat man als Konsument auch eine Verantwortung. Nur kann ich doch nicht immer und überall auf die schöne Moral achten, weil ich's mir gar nicht leisten kann. Deshalb kommt für mich der mindestens genau so große Anteil der Verantwortung den Anbietern/Unternehmen zu.
Aber ist das dann der Punkt, an dem man mit einem Mindestlohn eingreifen muss, weil die Unternehmen oder Anbieter scheinbar ihrer Verantwortung nicht nachkommen und weil die Konsumenten den Markt der Billigfriseure mitunterstützen? Oder ist genau das dann auch eine Form des Aktionismus, den der Trötenflöter beklagt?
#1350730
Vorweg, mit einem eher kurzfristig profitorientierten Konsumverhalten schwächt man die Gesellschaft und stärkt wenige Wohlhabende.
rosebowl hat geschrieben: Natürlich kann man sagen "ist doch nicht meine Verantwortung, der Markt ist halt so". Aber auf der anderen Seite will ja auch jeder für seine Arbeit anständig bezahlt werden und flucht, wenn der Lohn nicht zum Leben reicht. Da verstehe ich dann den Gedanken nicht so ganz, zu ignorieren bzw. sich trotz eigener Steuerungsmöglichkeiten überhaupt nicht dafür verantwortlich zu fühlen, dass andere eine solche Bezahlung nicht bekommen. Es gehört doch irgendwo zu einem sozialen Zusammenleben, sich nicht ausschließlich für sich zu interessieren bzw. verantwortlich zu fühlen.
Fakt ist in Wolhstandsgesellschaften wo ergänzend Stabilität herrscht, nimmt die Emphatie und das Verantwortungsgefühl des Einzelnen für die Gesamtheit immer weiter ab. Die Leute interessieren sich, man kann das nicht pauschal auf alle beziehen, dass sollte klar sein, immer weniger für andere Menschen. In Kulturen wo deutlich mehr Armut und instabilität herrscht scheinen soziale Verantwortung für andere Menschen ausgeprägter zu sein.

Kommen wir nochmal zum Konsum einige Aspekte diesbezüglich habe ich ja im Beitrag, wo ich mich ebenfalls dem Beispiel, des Friseurs bediene schon angesprochen. Man könnte jetzt sagen, wenn Konsumenten Preisdruck ausüben und immer alles noch billiger haben möchten, dann ist das rational aber egoistisch. Ja richtig, es ist egoistisch aber auch naiv und absolut nicht rational. Denn eine solche konsequente Entwicklung führt zu immer mehr prekären Beschäftigungsverhältnissen, sinkenden Einkommen, und damit in der Konsequenz zu gesellschaftlicher Instabilität, Unfrieden und einem massivem Einbruch beim Konsum. Und zu was führt dies ? Richtig das führt dazu, dass diese Entwicklung bzw. Konsumhaltung auch irgendwann den eigenen Arbeitsplatz erreicht und bedroht, dass verstehen nur die meisten nicht. Wenn man also bewusster konsumiert und Wert auf soziale Aspekte legt, dann ist auch das egoistisch aber zugleich auch förderlich für Arbeitnehmer, die Gesellschaft, Stabilität und es ist rational.
#1350734
BungaBunga hat geschrieben: Jetzt gibt es natürlich auch arbeitnehmerseitig eigentlich gewisse Bereinigungsmechanismen die einer solchen systematischen Ausbeutung entgegenwirken könnten.
...
Wäre man hier ganz Konsequent dann würden alle potenziellen Kandidaten sagen, ja nein zu diesen Bedingungen und Löhnen arbeite ich nicht. Dann würde ein solcher Friseur keine Mitarbeiter mehr bekommen und er müsste das Geschäft, dass ja so schon nicht mehr tragfähig ist schließen.
Blöd ist halt nur, dass die Arbeitnehmer alle von irgendwas leben müssen. Theoretisch ist das natürlich ein guter Ansatz, aber praktisch muss halt jeder Miete und Lebensmittel bezahlen und verdient daher lieber 5 Euro die Stunde als gar nichts... Solang es Leute gibt, die die Stelle auch mit schlechter Bezahlung annehmen (müssen), funktioniert das nicht. Und dass es die immer geben wird, ist eins der besten Argumente für einen Mindestlohn...
Denn eine solche konsequente Entwicklung führt zu immer mehr prekären Beschäftigungsverhältnissen, sinkenden Einkommen, und damit in der Konsequenz zu gesellschaftlicher Instabilität, Unfrieden und einem massivem Einbruch beim Konsum. Und zu was führt dies ? Richtig das führt dazu, dass diese Entwicklung bzw. Konsumhaltung auch irgendwann den eigenen Arbeitsplatz erreicht und bedroht, dass verstehen nur die meisten nicht. Wenn man also bewusster konsumiert und Wert auf soziale Aspekte legt, dann ist auch das egoistisch aber zugleich auch förderlich für Arbeitnehmer, die Gesellschaft, Stabilität und es ist rational.
Da ist sicher was dran - aber wer denkt in dem Moment, in dem er beim Frisör den Geldbeutel zückt, so weit?
#1350735
Kaffeesachse hat geschrieben:Sicher hat man als Konsument auch eine Verantwortung. Nur kann ich doch nicht immer und überall auf die schöne Moral achten, weil ich's mir gar nicht leisten kann.
Und genau, dass ist ein oft vorgetragenes Rechtfertigungsargument, dass im grunde meist nicht standhaft ist. Denn zum einen gibt es eine große Gesellschaftsmehrheit, die ein solch eingeschränktes Konsumverhalten tatsächlicht nicht nötig hat. Ich habe das an anderer Stelle schon geschrieben in den Discountern bei uns setzt sich die Käuferschaft hauptsächlich aus Personen der Mittel und Oberschicht zusammen und teilweise reihen sich da Edelkarossen aneinander, also nun ja.

Jetzt schreibst du "ich kann nicht mehr zahlen, weil ich mirs nicht leisten kann" Das kann ja zunächst mal ein Fakt sein und auch zutreffen aber wieso erzwingt man einen Konsum wenn man sich diesen nicht leisten kann ? Beispiel: Jemand geht doch nicht zum Bahnhof mit dem wissen mein Geld reicht gar nicht für die Zugfahrt. Er muss also Alternativen finden. Beim Haare schneiden heißt dies, entweder Haare wachsen lassen und in der Quantität die Besuche reduzieren. Mit Haircutter selbst schneiden. Oder aber was im Grunde das naheliegenist, diesem Bedürfniss einen entsprechenden Wert beimessen und somit dafür sparen oder auf was anderes verzichten.

Man kann nicht einfach alles entwerten, weil man es haben will, so funktioniert das nicht.

Arbeitnehmer und Beschäftigung müssen einen Wert haben
Tiere, Tierwohl und Tierhaltung müssen einen Wert haben
Hochwertige Lebensmittel wie Fleisch, Obst und Gemüse müssen einen Wert haben

Hinter Arbeit und Leistungen stehen Menschen

Alles bedarf einer angemessenen Wertschätzung das gilt insbesondere für Menschen aber auch für Tiere und erzeugte Lebensmittel bzw. Dienstleistungen.

Vieles hat in unserer Gesellschaft aber keinen Wert mehr und entsprechend irgnorant und egoistisch verfahren viele Leute.
#1350758
Ich möchte hier mal klar stellen, dass ich natürlich nicht dagegen bin, dass die Menschen in unserem Land sich am Ende des Monats Essen leisten können. Ganz im Gegenteil: Ich möchte explizit, dass es allen Menschen (ökonomisch) besser geht als gestern und niemand durch bestimmte Eingriffe schlechter gestellt wird. Darauf baut meine komplette Argumentation hier auf. Jeder, dem die Angelegenheiten der wirtschaftlich Schwächsten in unserer Gesellschaft egal sind, handelt gegen die Gesellschaft. Ich denke also, dass wir alle hier das gleiche Ziel verfolgen. Doch wie ich oben schon erwähnte, heiligen die Mittel eben nicht den Zweck bzw. können falsche Mittel sogar dazu führen, dass der Zweck niemals erreicht wird. Ich bin auf eurer Seite, aber ihr seid es nicht :wink: .

Das große Problem hier ist, dass ihr dem Konsumenten, dem Staat und dem Unternehmer eine Rationalität unterstellt, die in der Realität nicht vorhanden ist. Es mag ja sein, dass der Großteil der Menschen über das Gehalt eines Frisörs Bescheid weiß (auch wenn ich mir da persönlich nicht ganz sicher bin), das heißt aber noch lange nicht, dass er überblicken kann, welche Konsequenzen sein Handeln hat.

Hier wird dem Konsumenten vorgeworfen, dass er egoistisch ist, dem Unternehmer, dass er ausbeutet und dem Staat, dass er nicht hilft, doch die Person, die am besten Bescheid weiß, wird völlig außen vor gelassen: Der Betroffene selbst. Kein Mensch wird in Deutschland gezwungen eine Frisörausbildung zu machen. Im Gegenteil: Andere Branchen suchen händeringend nach guten Azubis.
Diejenigen, die behaupten, dass der Großteil der Frisöre "gezwungen" ist, diesen Job anzunehmen, leben weit weg von der Realität (und verstoßen gegen "Schritt eins"). Das mag, insbesondere bei älteren Frisören, teilweise der Fall sein, gilt aber längst nicht für die <40-Jährigen, die wenigstens einen Realschulabschluss haben. Ich habe selbst zwei Frisöre im Umfeld, die mitten im Berufsleben umschulten und jetzt deutlich mehr verdienen.
Der erste Schritt sollte also zunächst sein, die Entscheidungsfreiheit der Betroffenen anzuerkennen, denn nur diese können wirklich die Konsequenzen des Handelns abschätzen. Je weniger Frisöre es gibt, desto mehr ist deren Arbeit wert.

Der zweite Schritt ist, Aktionismus zu unterbinden. Wenn auch nur ein Arbeitnehmer seinen Job aufgrund der eigenen Konsumentscheidung (zu einem teureren Frisör zu gehen), die nicht durch eine höhere Qualität begründet ist, verloren geht, ist das eigentliche Ziel niemanden schlechter zu stellen, gescheitert. Wer Verbraucher hier als naiv bezeichnet, sollte sich zunächst einmal an die eigene Nase fassen. Kein Mensch hat die Fähigkeit die exakten Auswirkungen auf eine Volkswirtschaft zu planen. Naiv ist der, der glaubt er könne es dennoch und das ist sehr viel gefährlicher als gänzliche Uninformiertheit.
Um die obige Frage zu beantworten: Eben deswegen, und weil die Erfahrung es vielerorts zeigt, ist der Mindestlohn purer Aktionismus und Klientelpolitik. Nur, dass die Klientel nicht die Ärmsten sind, sondern die Mittelschicht, die endlich mal wieder eine "gute Tat" auf dem Rücken der Unterprivilegierten vollbringen konnte. Ich habe diesen Ansatz schon in einem anderen Thread ausführlich erläutert: Der Mindestlohn ist bildungsfeindlich, integrationsfeindlich, diskriminierend und behindert Aufstiegschancen.
rosebowl hat geschrieben:Verstehe ich ehrlich gesagt nicht so ganz (und um das gleich klarzustellen - das ist wirklich ernst gemeint, kein subtiler Zickerei-Versuch oder ähnliches): Was genau bringt es denn, bei JEDEM das Einkommen zu verdoppeln? Im Verhältnis geht es denen, die wenig verdienen, dann doch keinen Deut besser, weil das Geld natürlich auch an Wert verliert, wenn doppelt so viel da ist... Mit Umverteilung hat das meiner Meinung nach wenig zu tun.
Darum schrieb ich Realeinkommen, die Preise bleiben stabil, es wird nichts entwertet. Wir brauchen nicht über die Realitätsferne dieses Beispiels zu diskutieren. Es geht hier um einen ganz einfachen Zusammenhang, der einen wesentlichen Punkt der Umverteilungsproblematik verdeutlichen soll.
#1350762
Trötenflöter hat geschrieben:Der zweite Schritt ist, Aktionismus zu unterbinden. Wenn auch nur ein Arbeitnehmer seinen Job aufgrund der eigenen Konsumentscheidung (zu einem teureren Frisör zu gehen), die nicht durch eine höhere Qualität begründet ist, verloren geht, ist das eigentliche Ziel niemanden schlechter zu stellen, gescheitert. Wer Verbraucher hier als naiv bezeichnet, sollte sich zunächst einmal an die eigene Nase fassen. Kein Mensch hat die Fähigkeit die exakten Auswirkungen auf eine Volkswirtschaft zu planen. Naiv ist der, der glaubt er könne es dennoch und das ist sehr viel gefährlicher als gänzliche Uninformiertheit.
Warum sprichst Du denn den Konsumenten jetzt indirekt seine Entscheidungsfreiheit ab? Er kann doch jederzeit seinen Frisör wechseln, wenn er das möchte und aus welchem Gründen auch immer er das möchte. Warum bin ich als Verbraucher naiv, wenn ich den Frisör wechsle, weil der Frisör seine Angestellten schlecht bezahlt? Soll ich also extra oft hingehen, damit der Laden irgendwie läuft? Und wie kann der Konsument entscheiden, ob der Preis, den der neue Frisör verlangt, wirklich durch eine höhere Qualität begründet ist?

Anders gefragt: Was soll ich als Konsument machen? Scheinbar ja gar nichts, aber das ist doch keine Lösung!
#1350767
Trötenflöter hat geschrieben: Kein Mensch wird in Deutschland gezwungen eine Frisörausbildung zu machen. Im Gegenteil: Andere Branchen suchen händeringend nach guten Azubis.
Diejenigen, die behaupten, dass der Großteil der Frisöre "gezwungen" ist, diesen Job anzunehmen, leben weit weg von der Realität.
Der Frisör war ja nur ein Beispiel. Es geht ja um das allgemeine Problem, dass in vielen Branchen miese Löhne gezahlt werden, es aber immer Leute geben wird, die einen Job annehmen müssen (bzw. wollen, weil sie nicht nur vom Staat leben wollen - diese Leute gibt es nämlich deutlich häufiger, als manche Politiker und Stammtischbesucher glauben).

Und dieses "dann mach halt was anderes" ist meiner Meinung nach auch nicht die Lösung. Zum einen ist mir das zu einfach - dann muss ich ja kein Problem mehr lösen, weil wem es nicht paßt, der soll halt gehen. Zum anderen dürfte es auch einige geben, die eben nicht einfach was anderes machen können - weil sie keine andere Arbeits-/Ausbildungsstelle finden, weil sie vielleicht von ihren Fähigkeiten her gar nicht in der Lage sind, einen Job zu machen, für den gerade Leute gesucht werden, weil die den Job eigentlich machen wollen oder warum auch immer...
Trötenflöter hat geschrieben:Darum schrieb ich Realeinkommen, die Preise bleiben stabil, es wird nichts entwertet. Wir brauchen nicht über die Realitätsferne dieses Beispiels zu diskutieren. Es geht hier um einen ganz einfachen Zusammenhang, der einen wesentlichen Punkt der Umverteilungsproblematik verdeutlichen soll.
Ok, dann weiß ich jetzt, was du meinst. Letztendlich würde ich mich dann wohl tatsächlich für die zweite Variante entscheiden, weil das Problem für die meisten nicht ist, dass andere noch mehr haben, sondern dass sie selbst für einen ganz normalen Lebensstandard zu wenig haben. Ich denke auch, dass sehr oft das Totschlagargument "Neid" komplett fehl am Platz ist. Natürlich stört es jemanden, der sich kaum die Miete für eine kleine Wohnung leisten kann, mehr, wenn andere Millionen scheffeln, als jemanden, dem es richtig gut geht. Aber das hat meiner Meinung nach nichts mit Neid, sondern mit tatsächlicher Ungerechtigkeit zu tun. Wenn es dem Durchschnitts-Arbeitnehmer gut geht, ist die eigene Zufriedenheit deutlich höher. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es die meisten dann auch viel weniger interessiert, ob andere noch mehr haben.

Naja, aber da nun mal nur eine begrenzte Menge an Geld da ist, kann man eben nicht einfach den unteren Einkommensschichten mehr geben, ohne das wo anders wieder reinzuholen. Also ist man doch wieder an dem Punkt, dass man irgendwie eine Umverteilung erreichen muss.
#1350798
baumarktpflanze hat geschrieben: Warum sprichst Du denn den Konsumenten jetzt indirekt seine Entscheidungsfreiheit ab? Er kann doch jederzeit seinen Frisör wechseln, wenn er das möchte und aus welchem Gründen auch immer er das möchte. Warum bin ich als Verbraucher naiv, wenn ich den Frisör wechsle, weil der Frisör seine Angestellten schlecht bezahlt? Soll ich also extra oft hingehen, damit der Laden irgendwie läuft? Und wie kann der Konsument entscheiden, ob der Preis, den der neue Frisör verlangt, wirklich durch eine höhere Qualität begründet ist?
So wie du es bei jedem Produkt machst. Jede Entscheidung, die du triffst, ist eine Kosten-Nutzen-Abwägung. Wenn dir der 29ct-Joghurt schmeckt, müsste dir der 49ct-Joghurt schon sehr viel bieten, damit du ihn kaufst. Den netten Plausch und die Wohlfühl-Atmosphäre bei deinem Lieblingsfrisör goutierst du dann eben mit 20 Euro statt mit 10. Ich spreche dir diese Entscheidungsfreiheit nicht ab, ich sage nur, dass es hier deine einzige Verantwortung als Verbraucher ist, Kosten-Nutzen-Abwägungen zu treffen.
Natürlich kannst du darüber hinaus noch abwägen, ob du lieber zu einem Frisör gehst, der seinen Angestellten mehr bezahlt. Du solltest aber eben nicht der Illusion erliegen, dass du damit etwas Gutes tust, da du das große Ganze nicht beurteilen kannst.
baumarktpflanze hat geschrieben:Anders gefragt: Was soll ich als Konsument machen? Scheinbar ja gar nichts, aber das ist doch keine Lösung!
Es gibt ohne Zweifel viele Situationen, in denen der Verbraucher eben doch der beste Kontrolleur ist und eine Verantwortung ausleben kann. Der Boykott von Tierquäler-Betrieben ist ein Beispiel dafür, dass der Konsument moralisch überlegene Entscheidungen treffen kann, wenn keine Negativ-Alternativen zu erwarten sind.
In diesem Frisör-Beispiel ist es aber nicht deine Aufgabe etwas zu tun. Du wirst als Konsument keine Lösung erzielen können, die nicht einem Anderen, vielleicht Bedürftigeren, schadet, weil zuviele Alternativen bedacht werden müssen. Dadurch verkommt deine Entscheidung hier zum Aktionismus.
rosebowl hat geschrieben:Ok, dann weiß ich jetzt, was du meinst. Letztendlich würde ich mich dann wohl tatsächlich für die zweite Variante entscheiden, weil das Problem für die meisten nicht ist, dass andere noch mehr haben, sondern dass sie selbst für einen ganz normalen Lebensstandard zu wenig haben. Ich denke auch, dass sehr oft das Totschlagargument "Neid" komplett fehl am Platz ist. Natürlich stört es jemanden, der sich kaum die Miete für eine kleine Wohnung leisten kann, mehr, wenn andere Millionen scheffeln, als jemanden, dem es richtig gut geht. Aber das hat meiner Meinung nach nichts mit Neid, sondern mit tatsächlicher Ungerechtigkeit zu tun. Wenn es dem Durchschnitts-Arbeitnehmer gut geht, ist die eigene Zufriedenheit deutlich höher. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es die meisten dann auch viel weniger interessiert, ob andere noch mehr haben.

Naja, aber da nun mal nur eine begrenzte Menge an Geld da ist, kann man eben nicht einfach den unteren Einkommensschichten mehr geben, ohne das wo anders wieder reinzuholen. Also ist man doch wieder an dem Punkt, dass man irgendwie eine Umverteilung erreichen muss.
Erstmal: Ganz richtige Einschätzung. In einem Land, in dem es dem ärmsten Menschen (du sprichst von Durchschnitts-Arbeitnehmern, ich erweitere das einfach mal) objektiv gut geht, sollte Ungleichheit keine Rolle spielen. Ergo ist die Schere zwischen Arm und Reich nicht das Kernproblem (tatsächlich sogar äußerst unwichtig), sondern die Generierung von Wachstum und Realeinkommen (also die "Erhöhung" des "begrenzten Geldes", wie du sagst) für alle.

Umverteilungsinstrumente stehen diesem Ziel häufig diametral gegenüber, weil sie Produktivitätseinbußen, sei es durch Bürokratie und Verwaltung, gestiegene Arbeitslosigkeit, Investitionsmangel o.ä., mit sich bringen und Rechtfertigungsdruck erzeugen: Ich schrieb es bereits in einem anderen Thread - das Problem des ALG II ist nicht dessen Höhe, sondern die absurde implizite Besteuerung von Hinzuverdienstmöglichkeiten, die einzig darauf beruht, dass die "Einzahler" es nicht akzeptieren würden, wenn Menschen Transferleistungen oberhalb des Existenzminimums bekämen (insofern gibt es also auch "Sozialneid" nach unten). Eine eigenartige Vorstellung von Gerechtigkeit, die Barrieren für die schafft, denen eigentlich geholfen werden soll.
Umverteilung ist nur Symptom- und nicht Ursachenbehebung. Die Schlüssel zur Armutsbekämpfung sind "Durchlässigkeit nach oben", Bildung (insbesondere on-the-job) und Aufstiegschancen, sowie Innovation und Kapitalbildung. Nicht das Verteilen der begrenzen Ressourcen sollte Ziel einer guten Sozialpolitik sein, sondern die Erweiterung der Ressourcenbasis, damit jeder am Ende des Tages mehr hat.
#1350820
Dein Konsumentenbild ist mir viel zu passiv.

Ich kann natürlich als einzelner Konsument nicht viel ausrichten. Den Tierquälerbetrieb wird es wenig interessieren, wenn ich sein Fleisch nicht mehr kaufe. Apple wird es wenig interessieren, wenn ich kein IPhone kaufe. Und den Friseurchef wird es wenig interessieren, wenn ich dort nicht mehr hingehe. Alle haben keinen wirklichen Schaden und ich ein vielleicht besseres Gewissen.

Ich kann aber etwas anderes tun: Ich kann andere Leute überzeugen, mit anderen Leuten darüber sprechen und ich kann somit ein Stück Politik machen. Ich kann mich als Konsument ein Stück engagieren und nicht alles dem überlassen, dass du einen Markt mit Angebot und Nachfrage nennst.

Der Markt alleine wird das Problem des Frisörs, der nicht genug verdient nicht lösen. Ich werde, in dem ich da nicht mehr hingehe, das Problem auch nicht lösen. Aber ich kann andere auf das Problem aufmerksam machen und dadurch helfen, entsprechende Lösungen zu finden. Ich kann anderen ins Bewusstsein rufen, was da gerade passiert. Für den einzelnen Frisör, der dadurch vielleicht erstmal arbeitslos wird, ist das vielleicht nicht sehr gut. Vielen anderen wird dann aber vielleicht geholfen. Und das ist dann auch eine Kosten-Nutzen-Abwägung.

Was ich mich frage, ist auch: Wenn die Lösung so einfach ist, wie du sie nennst mit Bildung und Aufstiegschancen und Durchlässigkeit - alles schöne politische Schlagworte, die jede Regierung mit sich führt -: Warum ist dann der Markt eigentlich immer noch so wie er ist? Weil Friseure nicht genug Bildung haben und aus Dummheit oder Hilflosigkeit bei einem 11 Euro Friseur anstellen lassen? Oder nicht eher, weil es eine Gesellschaft gibt mit entsprechenden Konsumenten, die solche Missstände hinnehmen?
#1350844
baumarktpflanze hat geschrieben:Dein Konsumentenbild ist mir viel zu passiv.

Ich kann natürlich als einzelner Konsument nicht viel ausrichten. Den Tierquälerbetrieb wird es wenig interessieren, wenn ich sein Fleisch nicht mehr kaufe. Apple wird es wenig interessieren, wenn ich kein IPhone kaufe. Und den Friseurchef wird es wenig interessieren, wenn ich dort nicht mehr hingehe. Alle haben keinen wirklichen Schaden und ich ein vielleicht besseres Gewissen.

Ich kann aber etwas anderes tun: Ich kann andere Leute überzeugen, mit anderen Leuten darüber sprechen und ich kann somit ein Stück Politik machen. Ich kann mich als Konsument ein Stück engagieren und nicht alles dem überlassen, dass du einen Markt mit Angebot und Nachfrage nennst.

Der Markt alleine wird das Problem des Frisörs, der nicht genug verdient nicht lösen. Ich werde, in dem ich da nicht mehr hingehe, das Problem auch nicht lösen. Aber ich kann andere auf das Problem aufmerksam machen und dadurch helfen, entsprechende Lösungen zu finden. Ich kann anderen ins Bewusstsein rufen, was da gerade passiert. Für den einzelnen Frisör, der dadurch vielleicht erstmal arbeitslos wird, ist das vielleicht nicht sehr gut. Vielen anderen wird dann aber vielleicht geholfen. Und das ist dann auch eine Kosten-Nutzen-Abwägung.
Naja, ich kann es auch noch dreimal schreiben, ohne dass du darauf eingehst: Das Problem ist nicht die Untätigkeit oder Unlust der Konsumenten etwas zu ändern (sonst würden Eier aus Freilandhaltung wohl kaum existieren), sondern die eingeschränkte Rationalität der Verbraucher. Toll, dass du dich in der Verantwortung siehst und dass du auch andere Leute darauf aufmerksam machen willst. Das ändert nichts daran, dass du die Konsequenzen deines Handelns nicht abschätzen kannst. In dem Moment, in dem du schreibst "vielleicht wird einer arbeitslos, vielleicht wird anderen damit aber geholfen" entscheidest du für Andere - auf welcher Grundlage? Du kannst nicht einschätzen, wieviele Leute durch dein "aktives Handeln" ihren Job verlieren - und selbst wenn: 2 Leute werden arbeitslos, dafür verdienen 2 Leute mehr. Ist das fair? Ist es fair, wenn 5 mehr verdienen? Bei 10? Inwiefern ist es moralisch, dass du solche Abwägungen anstellst?
Was ich mich frage, ist auch: Wenn die Lösung so einfach ist, wie du sie nennst mit Bildung und Aufstiegschancen und Durchlässigkeit - alles schöne politische Schlagworte, die jede Regierung mit sich führt -: Warum ist dann der Markt eigentlich immer noch so wie er ist? Weil Friseure nicht genug Bildung haben und aus Dummheit oder Hilflosigkeit bei einem 11 Euro Friseur anstellen lassen? Oder nicht eher, weil es eine Gesellschaft gibt mit entsprechenden Konsumenten, die solche Missstände hinnehmen?
1. Die Lösung ist nicht einfach und vor allem gehört zur Lösung viel Zeit. Kein Land dieser Erde hat es geschafft allein durch Umverteilung die Lebensqualität ihrer Bewohner nachhaltig zu verbessern. Wirtschaftswachstum und Reallohnsteigerungen benötigen Zeit, damit Produktivitätsforschritte erzielt werden können. Der Grund, warum Schwellenländer sich rasanter entwickeln als die heutigen Industriestaaten ist, dass Wissen und Kapital bereits vorhanden sind und transferiert werden können. Neues Wissen und Kapital zu schöpfen ist hingegen ungleich schwieriger. Daher sind Lösungen in Industrieländern niemals kurzfristiger Natur.
2. Legst du mir Worte in den Mund. Das ist absolut unnötig. Ich trete hier ausdrücklich für die Entscheidungsfreiheit der Menschen ein anstatt sie bevormunden wollen - wie kann ich sie dann für "dumm" und "hilflos" halten?
Doch gerade auf dem Arbeitsmarkt haben wir eben keine freie Marktwirtschaft. Die Aufstiegschancen sind begrenzt, die kalte Progression verhindert "Durchlässigkeit" nach oben und Investitionen (in Bildung) und Kapitalakkumulation. Auch wenn Geringverdiener eine geringe Steuerlast haben, bezahlen sie zumindest Sozialversicherungsbeiträge in gleicher prozentualer Höhe wie ihre wohlhabenderen Mitbürger. Arbeitsmarktflexibilität wird politisch nicht gefördert. Dazu kommt die Produktivitätsdiskussion, die wir im anderen Thread bereits hatten und die ich jetzt nicht wiederholen möchte.
#1350849
Aber entsprechende Handlungen werden immer Konsequenzen haben. Politische Handlungen sind nicht rational, weil sie nicht alle Folgen abschätzen können und parteipolitisch motiviert sind. Handlungen von Konsumenten sind nicht rational, weil sie nicht alle Konsequenzen einschätzen können. Die vollständige Sicherheit, dass niemand bei einem bestimmten Prozess zu schaden kommt, gibt es nunmal nicht.

Nicht einmal du kannst einschätzen, ob durch deine Vorschläge 2 Leute arbeitslos werden und 2 mehr verdienen. Vielleicht kannst du es besser als ich, aber auch du bist da auf Spekulationen angewiesen.

Natürlich geht es nicht darum, blind irgendwelche Aktionen zu starten. Es geht auch nicht darum, dass ich sage, dass der Verbraucher mehr Macht hat als der Markt, der Staat oder wer auch immer. Das hat er nicht und das ist vielleicht manchmal auch gut so. Es geht aber auch nicht , dass der Verbraucher, weil er eben nicht rational ist, gar nichts tut oder die Kosten-Nutzen-Abwägung nur auf den Joghurt für 29ct. abschwächt.

Und insofern kann das Konsumentenbild auch ziemlich aktiv sein.


Ob der Mindestlohn nun bei der Problematik der niedrigen Löhne des Friseurs hilft - ich weiß es nicht. Ich halte den Mindestlohn momentan eher für eine Mischung aus Experiment, Versuch, ein Wahlversprechen einzuhalten und irgendwie auch als gute Tat. Ob er was bewirkt, kann ich nicht sagen. Insofern ist die Diskussion ja hier auch so interessant.

Und wenn es der Mindestlohn nicht ist, was ist es dann? Das bedingungslose Grundeinkommen? Oder doch nur der Markt, der es aber die letzten Jahrzehnte auch nicht geschafft hat?
#1350860
baumarktpflanze hat geschrieben:Aber entsprechende Handlungen werden immer Konsequenzen haben. Politische Handlungen sind nicht rational, weil sie nicht alle Folgen abschätzen können und parteipolitisch motiviert sind. Handlungen von Konsumenten sind nicht rational, weil sie nicht alle Konsequenzen einschätzen können. Die vollständige Sicherheit, dass niemand bei einem bestimmten Prozess zu schaden kommt, gibt es nunmal nicht.

Nicht einmal du kannst einschätzen, ob durch deine Vorschläge 2 Leute arbeitslos werden und 2 mehr verdienen. Vielleicht kannst du es besser als ich, aber auch du bist da auf Spekulationen angewiesen.
Jop. Das ist genau mein Punkt. Kein Mensch und keine Institution kann das. Das einzige, was man ansatzweise machen kann, um eine Situation einzuschätzen, ist, sich auf Studien zu berufen, die solche Phänomene untersuchen.
Natürlich geht es nicht darum, blind irgendwelche Aktionen zu starten. Es geht auch nicht darum, dass ich sage, dass der Verbraucher mehr Macht hat als der Markt, der Staat oder wer auch immer. Das hat er nicht und das ist vielleicht manchmal auch gut so. Es geht aber auch nicht , dass der Verbraucher, weil er eben nicht rational ist, gar nichts tut oder die Kosten-Nutzen-Abwägung nur auf den Joghurt für 29ct. abschwächt.
Aber das ist eben widersprüchlich. Einerseits willst du nicht "blind" Aktionen starten, andererseits machst du aber genau das, wenn du Alternativen-Abwägungen, die du nicht einschätzen kannst, verlangst.
Wohlgemerkt, wir reden hier immernoch vom Frisörbeispiel. Wie ich schon sagte, gibt es andere Bereiche, in denen allein das Drohpotential des Verbrauchers im Falle von Skandalen schon ausreicht, um Institutionen wie Unternehmen zu moralischen Handlungen zu "erziehen". Auf den Frisör-Fall trifft das aber aus vielen Gründen (u.a. die erwähnte Alternativen-Betrachtung) nicht zu.
#1350866
Mal by the way bemerkt: So richtig es ist, sich auf Studien zu berufen, sich vorher ein Bild der Lage zu machen und vor allem entsprechende Abwägungen zu tätigen, damit möglichst wenige Menschen unter eine Entscheidung in irgendeiner Form leiden müssen, so sehr widersprüchlich ist es dann, dass man die Menschen gerade mit dem Argument, dass die Lösungen Zeit brauchen, auf die lange Bank schiebt oder mit liberalen Parolen mit mehr Brutto vom Netto vertröstet.

Wenn ich mit jungen Leuten rede und sie frage, was sie von Politik halten, kann ich manchmal ziemlich gut verstehen, dass sie sich dafür nicht interessieren, weil sie glauben, dass die da oben entweder für sich selbst arbeiten oder nichts machen. Dass der Eindruck völliger Käse ist, brauche ich hier nicht zu betonen, aber im Rahmen dieser Bürokratie, der Studien, der Parteipolitik wird am Ende das Anliegen des Friseurs, der einfach nur leben möchte von seinem Lohn, aufgefressen. Und am Ende kommt bei den jungen Leuten an, dass sie scheinbar nichts erreichen können.

Insofern bin ich sehr dafür, dass man das Bild des Konsumenten nicht so passiv zeichnet.

Wie gesagt: Ich weiß nicht, ob der Mindestlohn der richtige Weg ist. Es ist aber immerhin eine neue Idee. Denn ich glaube nicht, dass der Markt die Probleme des Friseurs auch mit noch mehr Zeit regeln wird. Bildung und Chancengleichheit und Durchlässigkeit usw. sind natürlich richtig und wichtig, aber im Grunde aus politischer Sicht auch nur gut klingende Schlagworte. Aber Schulpolitik ist ein weites anderes Feld und gehört nicht hier her.
#1350955
baumarktpflanze hat geschrieben:Mal by the way bemerkt: So richtig es ist, sich auf Studien zu berufen, sich vorher ein Bild der Lage zu machen und vor allem entsprechende Abwägungen zu tätigen, damit möglichst wenige Menschen unter eine Entscheidung in irgendeiner Form leiden müssen, so sehr widersprüchlich ist es dann, dass man die Menschen gerade mit dem Argument, dass die Lösungen Zeit brauchen, auf die lange Bank schiebt oder mit liberalen Parolen mit mehr Brutto vom Netto vertröstet.

Wenn ich mit jungen Leuten rede und sie frage, was sie von Politik halten, kann ich manchmal ziemlich gut verstehen, dass sie sich dafür nicht interessieren, weil sie glauben, dass die da oben entweder für sich selbst arbeiten oder nichts machen. Dass der Eindruck völliger Käse ist, brauche ich hier nicht zu betonen, aber im Rahmen dieser Bürokratie, der Studien, der Parteipolitik wird am Ende das Anliegen des Friseurs, der einfach nur leben möchte von seinem Lohn, aufgefressen. Und am Ende kommt bei den jungen Leuten an, dass sie scheinbar nichts erreichen können.
So funktionieren Volkswirtschaften eben. Egal, ob Sozialismus oder Kapitalismus drauf steht - vor dem Umverteilen kommt erstmal das Erwirtschaften. Du kannst deinen jungen Gesprächspartnern gern vermitteln, dass sie sehr wohl kurzfristig etwas erreichen können. Es wird nur in der Regel nicht das sein, was sie erreichen wollten. Wir leben nicht mehr im 18. Jahrhundert. Unsere Volkswirtschaften sind offen und unglaublich komplex. Sich hinzustellen und zu sagen "wir müssen etwas tun" oder "wir probieren das jetzt", ohne sich vorher ausführlich damit zu beschäftigen bzw. die Meinung schon im Vorfeld zu bilden und sich dann nur selektiv damit zu beschäftigen, ist ignorant und gefährlich. Wenn dich dutzende Chemiker davor warnen, 2 Substanzen nicht zu vermischen, machst du es trotzdem, denn man kann ja nicht einfach nichts tun?
Parteipolitik, Bürokratie und das Lesen von Studien haben übrigens überhaupt nichts gemeinsam. Ganz im Gegenteil - wenn die Politik häufiger auf Studien hören würde, gäbe es viele Missstände überhaupt nicht.
Wie gesagt: Ich weiß nicht, ob der Mindestlohn der richtige Weg ist. Es ist aber immerhin eine neue Idee. Denn ich glaube nicht, dass der Markt die Probleme des Friseurs auch mit noch mehr Zeit regeln wird. Bildung und Chancengleichheit und Durchlässigkeit usw. sind natürlich richtig und wichtig, aber im Grunde aus politischer Sicht auch nur gut klingende Schlagworte. Aber Schulpolitik ist ein weites anderes Feld und gehört nicht hier her.
Der Mindestlohn ist absolut keine neue Idee. Es gibt ihn in vielen anderen Ländern seit Jahrzehnten. Auch in Deutschland gibt es Branchenmindestlöhne seit Jahren. Deren Auswirkungen wurden sogar schon untersucht. Deswegen kann man Lehren aus der Vergangenheit ziehen - oder eben nicht. Aber wahrscheinlich bilde ich mir das alles nur ein. (Wohlgemerkt: Wir sprechen hier von bisher absolut niedrigen Mindestlöhnen, von denen niemand irgendwelche Auswirkungen erwartete.)