#1351002
Stimmt. Die Frau scheint da gut Lobbyarbeit zu machen. Zumindest anfangs war sie aber scheinbar noch für den Mindestlohn. Bis sie dann wohl merkte, dass es sie auch selbst betrifft :lol: . Die Wahrheit liegt wohl, wie immer, irgendwo in der Mitte. Es ist aber dennoch bezeichnend, dass die Innung in Thüringen so vehement auftritt, während die in BaWü das komplett gelassen sieht, da dort eh schon über Mindestlohn gezahlt wird. Bestätigt nur die Theorie, dass der Mindestlohn entweder unwirksam oder eben marktverzerrend wirkt.
Zuletzt geändert von Trötenflöter am Do 10. Apr 2014, 01:26, insgesamt 2-mal geändert.
#1351006
Hab gerade den anderen Post nochmal gelesen:
Sie freut es ja, dass Beschäftigte möglichst wenig Geld verdienen und die Billigfriseure boomen.
Eigentlich behauptet sie genau das Gegenteil. Sie freut es, dass die Billiganbieter jetzt pleite gehen, weil sie dann weniger Konkurrenz hat und mit ihren eh schon höheren Gehältern mehr Azubis locken kann. (Stand September 2013)
Mittlerweile sieht sie das wohl anders, da die Preise stärker gestiegen sind als gedacht und die Billiganbieter alternative Beschäftigungsmodelle gefunden haben (30-Stunden-Wochen, Schwarzarbeit oder ganz übel: Beschäftigung auf 450-Euro-Basis) (Stand heute).
Klar, man muss sich jetzt hier nicht in den Details der Aussagen irgendeiner Frau, die offensichtlich eigene Interessen verfolgt, verfangen und es gilt das, was ich im vorherigen Post schrieb. Mir fiel das nur gerade nochmal auf und ich wollte es nicht unkommentiert lassen, da es die realen Risiken ganz gut aufzeigt.
#1351025
Um mal wieder zurückzukommen zur eigentlichen Diskussion:
Trötenflöter hat geschrieben:Der Mindestlohn ist bildungsfeindlich, integrationsfeindlich, diskriminierend und behindert Aufstiegschancen.
Bildungsfeindlich: Der Mindestlohn soll ja gerade auch Arbeitnehmer unterstützen, die vielleicht mangels einer Ausbildung bisher kaum von dem Geld am Ende des Monats leben können. Sie sind eine der Bevölkerungsgruppen, die mehr als andere einen Job annehmen müssen.

Auf der einen Seite ist die Quote der Menschen ohne Ausbildung in Deutschland immer noch erschreckend hoch. Und insofern ist es in vielen Industriezweigen dann auch erschreckend einfach, entsprechend niedrige Löhne zu verlangen, weil der nächste Interessent für den Job bereits in der Tür steht. Auf der anderen Seite wird aber kein Arbeitnehmer, nur weil er jetzt den Mindestlohn bekommt, auf eine Umschulung verzichten. Wer die Umschulung vorher schon nicht wollte, wird sie jetzt auch nicht lieber nehmen. Wer aber durch den Mindestlohn sich ein kleines finanzielles Polster erarbeiten kann, denkt vielleicht wirklich nochmal über eine Umschulung nach.

Diskriminierend: Der Mindestlohn setzt Menschen auf eine Stufe, die vorher mehr verdient haben als diejenigen, die vorher zu einem sehr niedrigen Lohn arbeiten mussten. Ich kann verstehen, dass ein Arbeitnehmer, der eine vielleicht qualifiziertere Arbeit erledigt, dadurch irritiert ist. Auf der anderen Seite darf das aber kein Argument sein, dass die anderen Arbeitnehmer weiter unter der Mindestlohngrenze verdienen.

verhindert Aufstiegschancen: Das Argument erinnert mich daran, dass Jugendliche lieber für den Mindestlohn arbeiten und eine Ausbildung sein lassen. Das könnte ich sogar verstehen, gerade, wenn man sich anschaut, was Auszubildende in manchen Berufen am Ende des Monats bekommen - dafür, dass sie mehr oder weniger Vollzeit arbeiten. Dennoch machen sehr viele Menschen auch heute schon eine Ausbildung, auch wenn sie mit Gelegenheitsjobs weitaus mehr Geld verdienen können. Das scheint also kein Argument zu sein. Und seien wir ehrlich: Schließlich ist es auch Aufgabe der Eltern, ihre Kinder in die Spuren des Erwerbslebens einzuweisen.
#1351299
Deine einzelnen Punkte kommentiere ich nicht, denn sie gehen komplett an meinen Aussagen und am Kern der Sache vorbei und sind, ehrlich gesagt, nicht wirklich relevant. Das Problem ist wiederum, dass du nicht in Alternativen denkst: Du nimmst an, dass der Status quo bestehen bleibt, nur dass Leute eben mehr verdienen. So funktionieren Volkswirtschaften aber nicht.

Die Eigenschaften, die ich benutzte, um den Mindestlohn zu charakterisieren, lassen sich auf einen einfachen gemeinsamen Nenner bringen: Der Mindestlohn diskriminiert Ungelernte oder anderweitig benachteiligte Gruppen, deren Produktivität unter der Mindestlohngrenze liegt. Also: Immigranten, Schulabgänger sowie die Altersgruppe 16-25. Dieser Zusammenhang ist nicht neu, sondern wird seit mindestens 50 Jahren rege diskutiert.
Glaubst du nicht?
John F. Kennedy 1957 hat geschrieben:Of course, having on the market a rather large source of cheap labor depresses wages outside of that group, too – the wages of the white worker who has to compete. And when an employer can substitute a colored worker at a lower wage – and there are, as you pointed out, these hundreds of thousands looking for decent work – it affects the whole wage structure of an area, doesn’t it?
(Vorsicht libertärer Blog, im Moment habe ich aber keine Lust die Originalquelle für Kennedys Aussage zu suchen, wenn es eh nicht gelesen wird. Quelle ist also widerlegbar, aber auch nicht wichtig, da nur ein "Aufhänger")

Schon in den 30ern wurde der Mindestlohn in den USA (wissentlich?) eingeführt, um die schwarze Bevölkerung der Südstaaten vom Arbeitsmarkt in den Nordstaaten fern zu halten, da Schwarze bereit waren für deutlich weniger Geld zu arbeiten als Weiße. Bis zu diesem Zeitpunkt lag die Arbeitslosenquote Schwarzer und Weißer etwa auf dem gleichen Level. Danach explodierte die Arbeitslosigkeit der Schwarzen. Bis heute geht man davon aus, dass der überdurchschnittlich große Anteil arbeitsloser Schwarzer u.a. auf hohe Mindestlöhne zurückzuführen ist, weil diese, aus verschiedenen Gründen, häufiger ein niedrigeres (Aus)bildungsniveau erreichen als andere Gruppen und somit überdurchschnittlich stark vom Wegfall von Niedriglohnjobs betroffen sind.

Dieses Problem gilt aber nicht nur für ethnische Gruppen, sondern für ungelernte Arbeiter generell. Insbesondere Jugendliche ohne Ausbildung sind massiv von dieser Diskriminierung betroffen: Frankreich gilt hier als Vorzeige-Negativbeispiel. Seit der Einführung des flächendeckenden Mindestlohns während der 80er ist die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen, die vorher unter dem Mindestlohn verdienten, in Frankreich deutlich gestiegen. In Frankreich wurde versucht die Jugendarbeitslosigkeit vor allem durch staatliche Maßnahmen zu beseitigen - ohne Erfolg. Jugendliche, die in solchen Maßnahmen die Arbeitslosenquote "bereinigen" sollten, galten nach Ablauf der Maßnahmen als schwer vermittelbar, da sie keine Ausbildungen vorweisen konnten oder stigmatisiert wurden.
Für den gleichen Zeitraum lässt sich hingegen für die USA zeigen, dass die Reduzierung des realen Mindestlohns zu einem Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit führte.

Ein aktueller Vergleich der beiden Länder zeigt, dass der Mindestlohnanstieg im Zeitraum von 2007 bis 2009 in Frankreich zu einem Viertel zum gesamten Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit beitrug. Hier geht es übrigens nicht um Schulabbrecher, sondern um Jugendliche mit Abschlüssen im sekundären Bildungsbereich. Gleiches Argument hier auch: Die Unerfahrenheit und fehlende on-the-job-Ausbildung rechtfertigt die höheren Löhne für Unternehmen nicht. Daher wird z.B. zu Gunsten berufserfahrenerer Menschen entschieden oder nach anderen Alternativen gesucht. Der Kreislauf setzt sich fort: Ohne Anstellung keine Möglichkeit zum Sammeln von Berufserfahrung.

Ohne Zweifel wirken sich Mindestlöhne in verschiedenen Ländern oder Branchen unterschiedlich stark aus. So mag es Branchen geben, die nur geringe Anpassungen zu erwarten haben, insbesondere natürlich wenn ohnehin schon über dem Mindestlohn gezahlt wird. Neben der Ausgestaltung des Mindestlohns ist dies z.B. von länderspezifischen Regelungen zur Arbeitsmarktflexibilität abhängig. So wird die Wirkung in Frankreich, im Gegensatz zu den USA z.B., mitunter dadurch verstärkt, dass die Arbeitsmarktflexibilität durch verschiedene andere Regelungen, insbesondere durch starke Gewerkschaften, begrenzt ist (ähnlich wie in Deutschland). Das ist von besonderer Bedeutung, wenn sich daraus geringere Aufstiegschancen ergeben. So sind in den USA z.B. Mindestlohnjobs traditionell eher "Entry Level Positions", die mit einer hohen Lernkurve einhergehen. Zwei Drittel dieser Angestellten bekommen aufgrund ihrer Produktivitätszuwächse bereits im ersten Jahr Lohnerhöhungen. Ein flächendeckender Mindestlohn begrenzt hier die "Durchlässigkeit nach oben", wenn weniger solcher Positionen auf Arbeitgeberseite nachgefragt werden.

In Deutschland betrifft der Mindestlohn bisher nur bestimmte Branchen. Daher hört man hierzulande nichts von der Debatte um "Entry Level Positions", weil hier eher dauerhafte Arbeitsverhältnisse betroffen sind. Dies wird sich natürlich ändern, sobald wir auch hier flächendeckende Mindestlöhne einführen. Dennoch kann man auch hierzulande schon Aussagen über Wirkungszusammenhänge treffen (allerdings muss ich gestehen, dass mir die Methodik dieser Studien teilweise ein wenig suspekt ist): Im Dachdecker- und Baugewerbe sind die Wiederbeschäftigungswahrscheinlichkeiten zurückgegangen. Insbesondere ostdeutsche Arbeitnehmer sind davon betroffen, da hier vermutlich nicht ohnehin schon der Mindestlohn gezahlt wurde. In Branchen mit Fachkräftemangel, wie im Pflegebereich, haben sich Mindestlöhne logischerweise nicht negativ ausgewirkt. In anderen Bereichen lässt sich keine eindeutige Aussage treffen. Dies mag unter anderem darin begründet sein, dass Branchenmindestlöhne individuelle Verhandlungen ermöglichen, die zweckmäßige Vergütungen erlauben, die keinen Arbeitsmarktschock hervorrufen. Auch dies wird sich mit der Einführung flächendeckender Mindestlöhne ändern.

Insgesamt unterstützt die überwältigende Mehrzahl der Studien über verschiedene Zeiträume in verschiedenen Ländern von verschiedenen Autoren mit verschiedenen Methoden die These, dass Mindestlöhne sich (stark) negativ auf die (Jugend)arbeitslosigkeit auswirken. Das entspricht der klassischen Argumentation, die nun schon seit Jahrzehnten gegen Mindestlöhne vorgebracht wird.

Nun noch zur Antwort auf die Frage, ob Mindestlöhne überhaupt Armut bekämpfen oder sich "selbst finanzieren", indem der Binnenkonsum angekurbelt wird. In beiden Fällen gibt es Hinweise, dass das nicht so ist. (Hier beachten: Die Seite ist irgendein konservativer Think Tank. Die Autoren haben zum gleichen Thema aber auch in neutralen Journals veröffentlicht, allerdings finde ich dazu gerade keinen Zugang) Die Argumentation folgt der gleichen Logik wie oben: Der Mindestlohn diskriminiert diejenigen, denen er eigentlich helfen soll und führt zu ineffektiver Allokation. Oder um mit Hayek zu sprechen:
Friedrich August von Hayek hat geschrieben:"[t]he curious task of economics is to demonstrate to men how little they really know about what they imagine they can design."
#1351424
Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort und vielen Dank für die vielen Quellen, die Du angibst.

Da sich Mindestlöne, wie Du selbst sagst, sich in unterschiedlichen Ländern auch unterschiedlich stark auswirken, habe ich mir die einzige Quelle, die auf Deutschland angeht, genauer angeschaut: Die Studie, die Aussagen über Wirkungszusammenhänge treffen soll, wurde von Institut der deutschen Wirtschaft erstellt. Das ist eine arbeitgebernahe Denkfabrik, die von Privatunternehmen finanziert wird, die wirtschaftsliberale Positionen vertreten. Ich glaube nicht, dass ein solcher Studienersteller tatsächlich eine relevante und unabhängige Studie zum Thema erstellen kann.

Aber auch bei anderen Studien habe ich Zweifel an der Relevanz und Unabhängigkeit:

William Edward Even, Autor dieser Studie, mit der du zeigen möchtest, dass man bis heute davon ausgeht, dass der Anteil der arbeitslosen Schwarzen auf Mindestlöhne zurückzuführen ist, wird unterstützt vom IZA (Institut zur Zukunft der Arbeit), der sich gegen Mindestlöhne ausspricht und ein privates Wirtschaftsinstitut ist, gegründet von der Deutschen Post. Und die spricht sich schon seit Jahren gegen den Mindestlohn aus.

Auch David Blanchflower, Autor dieser Studie, die Du verlinkst, wird unterstützt vom IZA. Ebenso bei Aspen Gorry, Autor dieser Studie und des aktuellen Vergleiches. Und David Neumark, Autor dieser Studie, die Du auch verlinkst, wird auch unterstützt vom IZA.

Damit haben fast alle Ersteller der Studien, die Du verlinkst, einen entsprechend gefärbten Hintergrund!
Zuletzt geändert von baumarktpflanze am Fr 11. Apr 2014, 19:07, insgesamt 7-mal geändert.
#1351440
Ich weiß gar nicht mehr zu welchem Thema das war aber ich habe kürzlich mehrere Interviews von Herrn Hüther gesehen und da wirkten seine Ausführung tatsächlich sehr sachlich nüchtern und objektiv, da ist manche Politikerrede von CDU oder SPD Funktionären wirtschafts-liebkosender hehe

Naja der Herr Hüther und sein Team sind auch nicht wirtschaftsnaher als das bspw. unter dem Strich die meisten Parteien sind. Die meisten Parteien in unserem Land verstehen die Wirtschaft und ihre Akteure und Interessensvertreter als Partner, was im Grunde auch eine absolut vorteilhafte Haltung ist. Politik und Wirtschaft sollten schon zusammenarbeiten aber sie müssen auch jeweils als Gegengewicht fungieren. Das heißt die Gesellschaft, die Wirtschaft sowie die Politik müssen gleichberechtigte Parteien sein, die jeweils die anderen Parteien kontrollieren und dortige Fehlentwicklungen kompensieren.

Und ich muss sagen, dass hier in der letzten Zeit die Ausgewogenheit abgenommen hat momentan sind mit die politischen Entscheidungsträger der Wirtschaft ein bisschen zu nahe hehe...

Es gibt hier immer wieder Beispiele, wo sich eine fehlende Motivation zur Behebung politischer bzw sozialer Missstände offenbart, und das meist weil man tatsächlich hier mehr die Wirtschaft im Sinn hat, als die jeweillig benachteilligten Gesellschaftsgruppen und Menschen. Das ist inakzeptabel.

Beispiele sind hier Zeitarbeit, prekäre Arbeitsverhältnisse, Ausuferungen in der Immobilienwirtschaft, viele Aspekte im Bereich der Renten und Gesundheitspolitik sowie aktuell auch die Energiepolitik.

Zwar hat man hier in manchen Bereichen angefangen zumindest ein bisschen was zu ändern aber wenn man sich das genau anschaut und vorallem auch zwischen den Zeilen liest und vieles aus der Vergangenheit betrachtet, dann wird schnell klar das man hier im Grunde nur widerwillig Anpassungen angeht und eigentlich keinen großen Handlungsbedarf sieht.

Diese Haltung findet sich parteiübergeifend.

Eine Ausgewogenheit ist wichtig. Ich selbst würde mich als wirtschaftsnah bezeichnen allerdings sind mir die Kombination bzw. die Integration sozialer Strukturen und Maßnahmen in die Marktwirtschaft wichtig. Heißt ich möchte eine freie Marktwirtschaft, die im besonderen Maße soziale Aspekte und Belange berücksichtigt und diesen gerecht wird.

Aus meiner Sicht muss sich soziale Verantwortung und Wirtschaft vereinbaren lassen, die Wirtschaft muss den Menschen dienen und einen breiten Wohlstand generieren an dem optimalerweiße alle Menschen teilhaben sollten.

Soziales, Wohlstand und Stabilität ist ohne Wirtschaft unmöglich, daher muss man die Wirtschaft auch fördern.

Umgekehrt gelten Regeln an die sich die Wirtschaftsakteure zu halten haben und eine Wirtschaft die soziale Aspekte außen vor lässt und der Gesellschaft nicht dient ist asozial und überflüssig.

Hatte zwar jetzt wenig mit dem Threadthema ansich zu tun aber wollte es dennoch mal einbringen...
#1351478
baumarktpflanze hat geschrieben:Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort und vielen Dank für die vielen Quellen, die Du angibst.

Da sich Mindestlöne, wie Du selbst sagst, sich in unterschiedlichen Ländern auch unterschiedlich stark auswirken, habe ich mir die einzige Quelle, die auf Deutschland angeht, genauer angeschaut: Die Studie, die Aussagen über Wirkungszusammenhänge treffen soll, wurde von Institut der deutschen Wirtschaft erstellt. Das ist eine arbeitgebernahe Denkfabrik, die von Privatunternehmen finanziert wird, die wirtschaftsliberale Positionen vertreten. Ich glaube nicht, dass ein solcher Studienersteller tatsächlich eine relevante und unabhängige Studie zum Thema erstellen kann.
Hat er ja auch nicht. Das IdW hat die Ergebnisse der Studien, die von der Regierung in Auftrag gegeben wurden, nur zusammengefasst. Die Zusammenfassung ab Seite 22 ist sehr neutral geschrieben und zeigt auch, dass die Ergebnisse in Deutschland bisher keinesfalls eindeutig sind. Ich kann dir aber natürlich auch die einzelnen Studien verlinken, wenn du Lust hast, dich durch die jeweils 400 Seiten zu quälen. Da das IdW sich auf diese Studien bezieht, findest du sie auch in den Quellenangaben der IdW-Studie.
Aber auch bei anderen Studien habe ich Zweifel an der Relevanz und Unabhängigkeit:

William Edward Even, Autor dieser Studie, mit der du zeigen möchtest, dass man bis heute davon ausgeht, dass der Anteil der arbeitslosen Schwarzen auf Mindestlöhne zurückzuführen ist, wird unterstützt vom IZA (Institut zur Zukunft der Arbeit), der sich gegen Mindestlöhne ausspricht und ein privates Wirtschaftsinstitut ist, gegründet von der Deutschen Post. Und die spricht sich schon seit Jahren gegen den Mindestlohn aus.

Auch David Blanchflower, Autor dieser Studie, die Du verlinkst, wird unterstützt vom IZA. Ebenso bei Aspen Gorry, Autor dieser Studie und des aktuellen Vergleiches. Und David Neumark, Autor dieser Studie, die Du auch verlinkst, wird auch unterstützt vom IZA.

Damit haben fast alle Ersteller der Studien, die Du verlinkst, einen entsprechend gefärbten Hintergrund. Insofern würde es mich freuen, wenn auch Du mehr in Alternativen denken würdest - das sagst Du ja auch selbst: :wink:
Fast alle Autoren sind anerkannte Professoren und Leiter von Lehrstühlen an Universitäten. Viele Ökonomen sind darüberhinaus Mitglied in Forschungsinstituten, leiten diese oder werden von ihnen unterstützt. Zum Netzwerk des IZA zählen hunderte Wissenschaftler, Nobelpreisträger, Gewerkschaftler und Politiker. Die Unabhängigkeit steht in der Satzung, es ist nicht weisungsgebunden und die Forscher finanzieren sich selbstständig. Du verwechselst hier die Kausalität: In der Regel wird jemand Mitglied in einem solchen Netzwerk, wenn er vorher bereits wissenschaftliche Erfolge erzielt hat und nicht umgekehrt. Ehrlich gesagt, sieht das auch kein seriöser Wissenschaftler problematisch und das hat u.a. folgende Gründe:

1. Publikationen in renomierten Journals "des Forschens wegen" sind überaus selten. Dennoch haben Ökonomen Interesse daran, ihre Forschungsarbeit zu veröffentlichen, sich auszutauschen und ihre Bekanntheit zu erhöhen.
2. Ausreichendes Personal an Universitäten ist ebenso selten. Viele Lehrstühle verfügen über weniger als eine Hand voll Mitarbeiter, die ihre eigenen Forschungsschwerpunkte setzen. Forschung ist immer großer Zeit- und Personalaufwand, Institute bieten die Möglichkeit Personal auf anderem Wege zu finden.
3. Gerade staatliche Universitäten bieten häufig nicht die gewünschte Datenbasis oder die Mittel um Forschung zu betreiben. Die Finanzierung ist ein Hauptproblem der Wissenschaft. Dennoch besteht ein Anliegen der Wissenschaft neutral zu sein, da sonst die eigene Glaubwürdigkeit sehr schnell verloren geht.

Der Großteil der Artikel ist peer-reviewed, was noch ein besonderes Kriterium an die Qualität der Wissenschaft darstellt. Insbesondere dieser Artikel genießt sehr breite Anerkennung in der Forschung und wurde auch in Journals veröffentlicht. Das was du tust - die Quellen zu hinterfragen - ist auf jeden Fall eine gute Sache und zeugt von Medienkompetenz. Allerdings solltest du deine Kritik in diesem Fall auf etwas anderem aufbauen als "die sind Teil des Post-Netzwerks". Das ist nämlich ein wenig albern. Insbesondere die großen Namen dort dürften sich wohl einen Scheiß darum kümmern, ob dem CEO der Post ihre Veröffentlichungen gefallen ;).
Zuletzt geändert von Trötenflöter am Fr 11. Apr 2014, 20:21, insgesamt 1-mal geändert.
#1351486
Ich sage ja auch nicht, dass die Studien falsch sind. Es ist aber sehr auffällig, dass in den Studien, auf denen Du Deine Argumentation aufbaust, fast alle Autoren einen entsprechend gefärbten Hintergrund haben. Und das weckt entsprechende Zweifel. :wink:

Außerdem wird es dem ehemaligen Postchef nicht egal sein, was seine Leute sagen, wenn er dafür auch bezahlt. :wink:
Zuletzt geändert von baumarktpflanze am Fr 11. Apr 2014, 20:24, insgesamt 2-mal geändert.
#1351492
baumarktpflanze hat geschrieben:Ich sage ja auch nicht, dass die Studien falsch sind. Es ist aber sehr auffällig, dass in den Studien, auf denen Du Deine Argumentation aufbaust, fast alle Autoren einen entsprechend gefärbten Hintergrund haben. Und das weckt entsprechende Zweifel. :wink:
Ja und ich sage dir, dass das in diesem Fall eben ein falscher Schluss ist. Nicht die Autoren haben einen gewissen Hintergrund, sondern der Hintergrund hat die Autoren ;). Das IZA ist an den meisten Studien doch nicht einmal beteiligt. Ich hoffe du verstehst was ich meine, denn deine Zweifel sind unbegründet.
Zuletzt geändert von Trötenflöter am Fr 11. Apr 2014, 20:33, insgesamt 1-mal geändert.
#1351500
baumarktpflanze hat geschrieben:Nunja...
Ja und? Der Originalaufsatz wurde dem IZA zur Verbreitung zur Verfügung gestellt. Mal unabhängig davon, dass das selbst wenn es eine IZA-Studie wäre, kein Problem darstellen würde, ist das doch gerade der Sinn eines Forschungsnetzwerkes. Inwiefern wurde da was von der Post bezahlt? So ein Unsinn.
#1351503
Trötenflöter hat geschrieben:
baumarktpflanze hat geschrieben:Nunja...
Ja und? Der Originalaufsatz wurde dem IZA zur Verbreitung zur Verfügung gestellt. Mal unabhängig davon, dass das selbst wenn es eine IZA-Studie wäre, kein Problem darstellen würde, ist das doch gerade der Sinn eines Forschungsnetzwerkes. Inwiefern wurde da was von der Post bezahlt? So ein Unsinn.
Es wäre aber ein Problem: Wenn ein unabhängiges Institut sich offen gegen den Mindestlohn stellt, ist das ein Problem für eine Studie, wenn sie von diesem Institut erstellt wird.

Wenn ich das richtig sehe, wurde die Studie zuerst 2007 im Journal " Foundations and Trends(R) in Microeconomics" veröffentlicht. Jedenfalls steht das auf der Homepage des Autors. Der Autor ist aber schon seit 2004 beim IZA. Und der Editor des englischen Journals ist W. Kip Viscusi. Der hat nur leider auch mit dem IZA zu tun.

Das sind ein paar viele Zufälle....
Zuletzt geändert von baumarktpflanze am Fr 11. Apr 2014, 21:34, insgesamt 1-mal geändert.
#1351507
baumarktpflanze hat geschrieben:
Trötenflöter hat geschrieben:
baumarktpflanze hat geschrieben:Nunja...
Ja und? Der Originalaufsatz wurde dem IZA zur Verbreitung zur Verfügung gestellt. Mal unabhängig davon, dass das selbst wenn es eine IZA-Studie wäre, kein Problem darstellen würde, ist das doch gerade der Sinn eines Forschungsnetzwerkes. Inwiefern wurde da was von der Post bezahlt? So ein Unsinn.
Es wäre aber ein Problem: Wenn ein unabhängiges Institut sich offen gegen den Mindestlohn stellt, ist das ein Problem für eine Studie, wenn sie von diesem Institut erstellt wird.
Nö, da auch hier keine originäre Forschung angestellt wird, sondern nur andere Studien ausgewertet werden. Damit können sogar du und ich die Ergebnisse replizieren...
Ich hoffe das verlangst du jetzt nicht von mir.
Der Autor ist aber schon seit 2004 beim IZA. Und der Editor des englischen Journals ist W. Kip Viscusi. Der hat nur leider auch mit dem IZA zu tun.
Und nochmal: Ja, und? Der Autor hat auch 1992 schon den Mindestlohn in Studien untersucht. Das ist doch gerade der Punkt: Leute werden eingeladen, wenn sie bereits auf ihrem Gebiet erfolgreich tätig geworden sind. Es ist ein Forschungsnetzwerk, in dem sich Menschen zusammenfinden, die an ähnlichen Themen arbeiten, um sich auszutauschen. Du wirst wahrscheinlich noch auf sehr viel mehr Autoren treffen, die Mitglied in diesem Netzwerk sind, einfach weil es für alle Beteiligten sinnvoll ist. Was ist denn bloß so schwierig daran zu verstehen, dass die nicht in irgendeinem Auftrag handeln, sondern (zumindest der Großteil) völlig unabhängig von dem Institut publiziert?
Wenn es dich so sehr in deiner Grundüberzeugung erschüttert, dass du dir mehr Gedanken darüber machst, den Fehler im System zu finden als den Inhalt zu reflektieren, dann liegt das Problem vielleicht nicht am System.
Zuletzt geändert von Trötenflöter am Fr 11. Apr 2014, 22:00, insgesamt 1-mal geändert.
#1351515
Wenn Dir die bereits genannten Zufälle nicht reichen: Wir können auch gern mit der nächsten Studie weitermachen.

Herr William Edward Even, der wie gesagt vom IZA unterstützt wird und die sind ja offen gegen den Mindestlohn, hat seine Studie beim Employment Policies Institute veröffentlicht. Die sind aber leider auch offen gegen den Mindestlohn.
#1351519
Wenn es dich so sehr in deiner Grundüberzeugung erschüttert, dass du dir mehr Gedanken darüber machst, den Fehler im System zu finden als den Inhalt zu reflektieren, dann liegt das Problem vielleicht nicht am System.
Ich sehe die vielen Zufälle. Und sehe, dass fast alle deiner Studienautoren entsprechend eine Färbung haben. Zum Inhalt sage ich doch gar nichts.

Außerdem bin ich, wie ich hier ja schon sagte, bisher weder für oder gegen den Mindestlohn. Ich weiß schlicht nicht, was ich davon halten soll.
#1351520
Welche Zufälle denn bloß? Dass alle in einem der größten Netzwerke ihrer Zunft vertreten sind? Ja hm.. oh Wunder. Aber erklär mir doch mal bitte, inwiefern da eine Abhängigkeit von diesem Institut besteht, wenn es die Studien nicht in Auftrag gibt. Insbesondere wenn das Studien sind, die keine originäre Forschung betreiben, sondern "bloß" 150 andere Studien auswerten?
#1351521
Also wenn ein Forscher, der von einem Institut unterstützt wird, dass offen gegen den Mindestlohn ist, eine Studie veröffentlicht, die kritisch zum Mindestlohn eingestellt ist, bei einer Zeitschrift veröffentlicht, dessen Editor auch von jenem Institut unterstützt wird, das gegen den Mindestlohn ist, dann ist das wirklich ein bemerkenswerter Zufall :!:
#1351524
...und wenn bei fast allen der Autoren, deren Studien du verlinkst, man solche Zufälle findet, ist das auch bemerkenswert.

Und nochmal: Zum Inhalt sage ich nichts. Ich bemerke nur. Und jetzt lass uns gern wieder inhaltlich diskutieren.
Zuletzt geändert von baumarktpflanze am Fr 11. Apr 2014, 22:37, insgesamt 1-mal geändert.