Deine einzelnen Punkte kommentiere ich nicht, denn sie gehen komplett an meinen Aussagen und am Kern der Sache vorbei und sind, ehrlich gesagt, nicht wirklich relevant. Das Problem ist wiederum, dass du nicht in Alternativen denkst: Du nimmst an, dass der Status quo bestehen bleibt, nur dass Leute eben mehr verdienen. So funktionieren Volkswirtschaften aber nicht.
Die Eigenschaften, die ich benutzte, um den Mindestlohn zu charakterisieren, lassen sich auf einen einfachen gemeinsamen Nenner bringen: Der Mindestlohn diskriminiert Ungelernte oder anderweitig benachteiligte Gruppen, deren Produktivität unter der Mindestlohngrenze liegt. Also: Immigranten, Schulabgänger sowie die Altersgruppe 16-25. Dieser Zusammenhang ist nicht neu, sondern wird seit mindestens 50 Jahren rege diskutiert.
Glaubst du nicht?
John F. Kennedy 1957 hat geschrieben:Of course, having on the market a rather large source of cheap labor depresses wages outside of that group, too – the wages of the white worker who has to compete. And when an employer can substitute a colored worker at a lower wage – and there are, as you pointed out, these hundreds of thousands looking for decent work – it affects the whole wage structure of an area, doesn’t it?
(Vorsicht libertärer Blog, im Moment habe ich aber keine Lust die Originalquelle für Kennedys Aussage zu suchen, wenn es eh nicht gelesen wird. Quelle ist also widerlegbar, aber auch nicht wichtig, da nur ein "Aufhänger")
Schon in den 30ern wurde der Mindestlohn in den USA (wissentlich?) eingeführt, um die schwarze Bevölkerung der Südstaaten vom Arbeitsmarkt in den Nordstaaten fern zu halten, da Schwarze bereit waren für deutlich weniger Geld zu arbeiten als Weiße.
Bis zu diesem Zeitpunkt lag die Arbeitslosenquote Schwarzer und Weißer etwa auf dem gleichen Level. Danach explodierte die Arbeitslosigkeit der Schwarzen.
Bis heute geht man davon aus, dass der überdurchschnittlich große Anteil arbeitsloser Schwarzer u.a. auf hohe Mindestlöhne zurückzuführen ist, weil diese, aus verschiedenen Gründen, häufiger ein niedrigeres (Aus)bildungsniveau erreichen als andere Gruppen und somit überdurchschnittlich stark vom Wegfall von Niedriglohnjobs betroffen sind.
Dieses Problem gilt aber nicht nur für ethnische Gruppen, sondern für ungelernte Arbeiter generell. Insbesondere Jugendliche ohne Ausbildung sind massiv von dieser Diskriminierung betroffen: Frankreich gilt hier als Vorzeige-Negativbeispiel.
Seit der Einführung des flächendeckenden Mindestlohns während der 80er ist die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen, die vorher unter dem Mindestlohn verdienten, in Frankreich deutlich gestiegen. In Frankreich wurde versucht die Jugendarbeitslosigkeit vor allem durch staatliche Maßnahmen zu beseitigen - ohne Erfolg. Jugendliche, die in solchen Maßnahmen die Arbeitslosenquote "bereinigen" sollten, galten nach Ablauf der Maßnahmen als schwer vermittelbar, da sie keine Ausbildungen vorweisen konnten oder stigmatisiert wurden.
Für den gleichen Zeitraum lässt sich hingegen für die USA zeigen, dass die Reduzierung des realen Mindestlohns zu einem Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit führte.
Ein aktueller Vergleich der beiden Länder zeigt, dass der Mindestlohnanstieg im Zeitraum von 2007 bis 2009 in Frankreich zu einem Viertel zum gesamten Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit beitrug. Hier geht es übrigens nicht um Schulabbrecher, sondern um Jugendliche mit Abschlüssen im sekundären Bildungsbereich. Gleiches Argument hier auch: Die Unerfahrenheit und fehlende on-the-job-Ausbildung rechtfertigt die höheren Löhne für Unternehmen nicht. Daher wird z.B. zu Gunsten berufserfahrenerer Menschen entschieden oder nach anderen Alternativen gesucht. Der Kreislauf setzt sich fort: Ohne Anstellung keine Möglichkeit zum Sammeln von Berufserfahrung.
Ohne Zweifel wirken sich Mindestlöhne in verschiedenen Ländern oder Branchen unterschiedlich stark aus. So mag es Branchen geben, die nur geringe Anpassungen zu erwarten haben, insbesondere natürlich wenn ohnehin schon über dem Mindestlohn gezahlt wird. Neben der Ausgestaltung des Mindestlohns ist dies z.B. von länderspezifischen Regelungen zur Arbeitsmarktflexibilität abhängig. So wird die Wirkung in Frankreich, im Gegensatz zu den USA z.B., mitunter dadurch verstärkt, dass die Arbeitsmarktflexibilität durch verschiedene andere Regelungen, insbesondere durch starke Gewerkschaften, begrenzt ist (ähnlich wie in Deutschland). Das ist von besonderer Bedeutung, wenn sich daraus geringere Aufstiegschancen ergeben. So sind in den USA z.B. Mindestlohnjobs traditionell eher "Entry Level Positions", die mit einer hohen Lernkurve einhergehen. Zwei Drittel dieser Angestellten bekommen aufgrund ihrer Produktivitätszuwächse bereits im ersten Jahr Lohnerhöhungen. Ein flächendeckender Mindestlohn begrenzt hier die "Durchlässigkeit nach oben", wenn weniger solcher Positionen auf Arbeitgeberseite nachgefragt werden.
In Deutschland betrifft der Mindestlohn bisher nur bestimmte Branchen. Daher hört man hierzulande nichts von der Debatte um "Entry Level Positions", weil hier eher dauerhafte Arbeitsverhältnisse betroffen sind. Dies wird sich natürlich ändern, sobald wir auch hier flächendeckende Mindestlöhne einführen. Dennoch kann man auch hierzulande schon
Aussagen über Wirkungszusammenhänge treffen (allerdings muss ich gestehen, dass mir die Methodik dieser Studien teilweise ein wenig suspekt ist): Im Dachdecker- und Baugewerbe sind die Wiederbeschäftigungswahrscheinlichkeiten zurückgegangen. Insbesondere ostdeutsche Arbeitnehmer sind davon betroffen, da hier vermutlich nicht ohnehin schon der Mindestlohn gezahlt wurde. In Branchen mit Fachkräftemangel, wie im Pflegebereich, haben sich Mindestlöhne logischerweise nicht negativ ausgewirkt. In anderen Bereichen lässt sich keine eindeutige Aussage treffen. Dies mag unter anderem darin begründet sein, dass Branchenmindestlöhne individuelle Verhandlungen ermöglichen, die zweckmäßige Vergütungen erlauben, die keinen Arbeitsmarktschock hervorrufen. Auch dies wird sich mit der Einführung flächendeckender Mindestlöhne ändern.
Insgesamt unterstützt die überwältigende Mehrzahl der Studien über verschiedene Zeiträume in verschiedenen Ländern von verschiedenen Autoren mit verschiedenen Methoden die These, dass Mindestlöhne sich (stark) negativ auf die (Jugend)arbeitslosigkeit auswirken. Das entspricht der klassischen Argumentation, die nun schon seit Jahrzehnten gegen Mindestlöhne vorgebracht wird.
Nun noch zur Antwort auf die Frage, ob Mindestlöhne überhaupt Armut bekämpfen oder sich "selbst finanzieren", indem der Binnenkonsum angekurbelt wird.
In beiden Fällen gibt es Hinweise,
dass das nicht so ist. (Hier beachten: Die Seite ist irgendein konservativer Think Tank. Die Autoren haben zum gleichen Thema aber auch in neutralen Journals veröffentlicht, allerdings finde ich dazu gerade keinen Zugang) Die Argumentation folgt der gleichen Logik wie oben: Der Mindestlohn diskriminiert diejenigen, denen er eigentlich helfen soll und führt zu ineffektiver Allokation. Oder um mit Hayek zu sprechen:
Friedrich August von Hayek hat geschrieben:"[t]he curious task of economics is to demonstrate to men how little they really know about what they imagine they can design."