Fernsehfohlen hat geschrieben:Was wären das denn für Veränderungen, die du dir wünschst?
Hm, das lässt sich wahrscheinlich nicht so stichpunktartig abhandeln, das ist in erster Linie eine Veränderung der Mentalität. (Von grundlegenden Veränderungen am politischen System mal abgesehen, aber ich glaube nicht, dass ich eine Abkehr vom effektiven Zwei-Parteien-System noch erleben werde.) Ich hab’s vor den Wahlen glaube ich hier schon mal ausführlicher beschrieben, wo ich die Probleme in der Politik beziehungsweise im Umgang mit der Politik durch die Medien und die Politiker sehe.
(Ich hab jetzt auch dreimal angefangen, aber das entwickelt sich jedesmal wieder zu ner ellenlangen Abhandlung, die wahrscheinlich niemand lesen und die ich eigentlich auch nicht schreiben will ^^)
Vielleicht hab ich morgen ein bisschen mehr Muse dafür, aber man muss sich doch im Grunde nur anschauen, welche beiden Kandidaten das aktuelle System ausgespuckt hatte. Den populistischen Clown, bei dem sich alle einig sind, dass er eine Katastrophe für das Land wäre, aber den man trotzdem bereitwillig und für umsonst 24/7 in alle Wohnzimmer, auf alle Zeitungstitelseiten und sämtliche Nachrichtenportale projiziert hat, weil’s Profit versprochen hat – und auf der anderen Seite die Politikerin, die wahrscheinlich das schlechteste Image und die größte Vorbelastung mit Skandalen und Glaubwürdigkeitsproblemen hat, die es überhaupt gab, und die man von Anfang an als alternativlos behandelt hat.
Zu Trump muss man wahrscheinlich nicht viel sagen, dessen Kampagne hätte – rein inhaltlich betrachtet – nie aus den Startlöchern kommen dürfen, stattdessen hat man ihn auf den Händen der Medien direkt ins Weiße Haus getragen, weil Quote und Sensationsgier allen wichtiger waren als politische Inhalte und mögliche Konsequenzen.
Bei Clinton kann man sich meinetwegen streiten, ob ihr Image nun gerechtfertigt oder nur das Ergebnis einer jahrzehntelangen Schmierenkampagne ist – nur wusste man ja
vorher wie schlecht ihre Außenwirkung ist und hat sie trotzdem ohne Rücksicht auf Verluste als Kandidatin forciert. Und mit »forciert« meine ich jetzt auch nicht irgendwelche Wahlmanipulationen oder so was, sondern einfach die Tatsache, dass das ganze DNC und die ganze politische Maschinerie der Demokraten seit Jahren darauf ausgelegt war, Clinton zur Präsidentin zu machen und alles unter der Prämisse operierte, dass sie es auch werden wird. Und weil das seit Jahren allen klar war, war Priorität #1 immer schön in der Clintonschen Gunst zu bleiben, damit man nach der Wahl seine Belohnung abholen kann. Da kann gar kein brauchbarer interner Wahlkampf dabei herauskommen, weil niemand, dem was an seiner Politikerkarriere liegt, als ernsthafter Gegenkandidat auftreten würde und sich auch niemand ernsthaft für einen Gegenkandidaten aussprechen würde – damit bringt man sich ja nur in Ungnade und steht nach dem unausweichlichen Clinton-Wahlsieg dann dumm da. Das will niemand und entsprechend ist man jetzt damit auf die Schnauze gefallen, dass sich alles an dem Machtversprechen eines Namens orientiert hat und jeder Widerstand schon Jahre im Voraus getilgt wurde. Das Beste, was man hätte machen können, wäre gewesen, Clinton gar nicht erst als mögliche Kandidatin aufzustellen.
Also würde ich mir als Veränderungen konkret wünschen, dass sowohl die Medien als auch die Politiker ihre eigentlichen Aufgaben wieder ernstnehmen und sich der Verantwortung bewusst werden, die sie gegenüber dem Volk tragen – und dass verantwortungsloses Handeln auch außerhalb von Quoten und persönlichen Karrieren Konsequenzen hat.
Davon abgesehen sehe ich zumindest eine kleine Chance darin, dass ein totaler Unsympath im Weißen Haus sitzt, den niemand mit Samthandschuhen anfasst. Das bietet viel mehr Angriffsmöglichkeiten als zum Beispiel ein Obama, der vormittags mal ein paar Länder bombardiert, nachmittags den Überwachungsstaat ausbaut und dann abends ne nette Rede hält und zusammen mit seiner Bilderbuchfamilie mal charismatisch in die Kameras lächelt, sodass ihm keiner böse sein kann. Ich glaube, das wird schnell vergessen, dass die USA nicht erst seit Trump zum Teil ziemlich fragwürdige Innen- und Außenpolitik machen. Wenn Trumps fehlende Professionalität und seine dummdreiste Direktheit dafür sorgen, dass ein paar mehr Bürgern bewusst wird, was ihr Land da eigentlich veranstaltet, wäre das bestimmt nicht das Schlechteste. Vielleicht reicht’s ja noch, um das Ruder in den nächsten Jahren noch mal rumzureißen und sich wieder auf ein paar Werte zu besinnen.