- Fr 28. Okt 2016, 23:33
#1491228
Dieser Sachverhalt weist unterschiedliche Aspekte auf, die man auch unterschiedlich einordnen muss. Wenn man sich den Vorgang im Hinblick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen anschaut, dann haben da eigentlich alle Beteilligten keinen guten Eindruck gemacht. Auch sollte man da bei manchen Belangen nochmal prüfen ob das eigentlich rechtsstaatlich und verfassungskonform ist. Auf der einen Seite hast du eine Kontrollbehörde, deren realer Einfluss zu hinterfragen wäre, die dann eine Übernahme untersagen, dann kann sich da aber der Minister darüber hinwegsetzen, irgendwie alles etwas willkürlich und nicht ganz den Ansprüchen unseres Staatsystems angemessen.
Wenn man es wirtschaftlich betrachtet, dann handelt es sich erneut einfach um einen strukturell bedingten Prozess der Marktbereinigung. Sowas ist insbesondere für Arbeitnehmer immer ärgerlich aber das ist in der Wirtschaft ein sehr konstanter Vorgang. Eventuell werden einige sich umorientieren müssen, denn auch durch eine Übernahme würde bezogen auf die Arbeitsplätze sicherlich ein Negativüberschuss entstehen durch organisatorische Aspekte. Da die wirtschaftliche Lage aber insgesamt derzeit sehr robust und positiv ist, sollten sich da viele Möglichkeiten ergeben.
Es ist auch immer sehr schwer konkret dann von Schuld zu sprechen, in der Wirtschaft gewinnt in der Regel immer jemand während einer verliert, so ist das. Man kann das mit einem Fussballspiel vergleichen, wenn eine Mannschaft mehrere Spiele nicht gewinnt, dann wird dem Trainer eine schlechte Mannschaftsführung und eine ineffiziente Taktik vorgeworfen, wieder übertragen auf die Wirtschaft und den Fall Kaisers Tengelmann kann man also sagen, dass Management ist den Herausforderungen nicht mit der angemessenen Motivation und Strategie begegnet. Früher gab es mal den Discounter Plus, der gehörte auch zu Tengelmann, viele der Plus Märkte gingen aus Kaisers Tengelmann Filialen hervor, mit Plus war man überregional und in der Fläche in relevanter Form vertreten, aber schon dort schien man nicht in der Lage diesen Geschätftsbereich wirtschaftlich zu führen und entwickeln, stattdessen strebe man dann einen Verkauf an die Edeka an, die daraus die heutigen Netto Märkte machte. Bei Plus bestand damals objektiv gesehen Potenzial, entweder wollte man nicht an dieser Sparte festhalten oder man war überfordert. Bei Kaisers Tengelmann hat man ganz grundsätzlich völlig den Anschluss verloren, hier hätte man den Einkauf anderweitig organisieren müssen, um überhaupt wettbewerbsfähig sein zu können. Da gibt es ja viele Möglichkeiten selbst Kooperationen mit den großen Wettbewerbern, Joint-Ventures usw. Auch hat man lange nicht mehr in die Kaisers Tengelmann Märkte bzw. diesen Geschäftsbereich investiert. Die Präsenz dieser Kette ist heute zu gering, das Absatzpotenzial zu klein. Aufgrund dieser und weiterer Faktoren, bei gleichzeitig nicht bestehenden strategischen Konzepten, resultiert ein weiterer zentraler Wettbewerbsnachteil, nämlich eine zu schwache Position im Einkauf und damit verbunden deutlich höhere Preise. Kaisers Tengelmann ist konstant seit Jahren teurer als die Wettbewerber.
Das Kartellamt hat eigentlich die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Märkte offen bleiben und Chancen auch für neue Wettbewerber bestehen, sowie möglichst eine Ausgewogenheit auf den Märkten bestehen bleibt, mit den entsprechenden Mechanismen bei der Preisbildung. Heute haben wir im klassischen Lebensmitteleinzelhandel einen abgeschotteten Markt, bei dem es sehr schwierig ist überhaupt einen Zugang zu erhalten. Da bedarf es schon sehr großer Anstregungen bei potenziellen neuen Wettbewerbern. Das Kartellamt kann hier eigentlich nur noch dafür sorgen, dass diese im Kern vier großen Haupt Player untereinander noch im Wettbewerb bleiben und das sie nicht ihre Marktposition zum Nachteil der Lieferanten und Verbraucher ausnutzen, was übrigens gelegentlich vorkommt.
Eine sehr große Marktdominanz hat sich auch in anderen Bereichen der digitalen Wirtschaft bereits manifestiert, auch dort sind die Verhältnisse sehr unausgewogen, auch wenn dort die Dynamiken weitaus stärker ausgeprägt sind als im stationären Lebensmitteleinzelhandel.
Die Aussage, dass Edeka und Rewe generell sehr teuer sind, ist einfach so nicht zutreffend, selbst wenn man die Eigenmarken und die generellen Niedrigpreis Segmente außen vor lässt, so kann man eigentlich feststellen, auch wenn das ebenfalls nicht für jedes Produkt gilt, dass die Preise in Relation doch nicht so hoch sind. Die Menschen in unserem Land haben ein bisschen das angemessene Gespür für den Wert von Lebensmitteln verloren. Das Preisniveau ist in vielen Bereichen zu gering, das wird eben auch deutlich wenn man mit den Erzeugern wie Landwirten oder Herstellern aus der Lebensmittelindustrie spricht. Früher als die Discounter der Schwarz Gruppe sowie Aldi noch nicht am Markt mitmischten, da war das noch eine andere Situation und auch eine andere Zeit, ein anderes Konsumverhalten usw. Heute sind die Preise für Lebensmittel tendenziell zu günstig, da kann man auch gerne mal im europäischen Umfeld schauen.
Natürlich soll und muss Wettbewerb herrschen und damit können eben auch Vorteile verbunden sein wie sinkende Preise für Verbraucher, aber auch hier muss man das gesamtheilich betrachten, wenn der Preisdruck zu enorm ist, dann entfällt die Wertschöpfung, dass wiederum ist dann alles sehr welchselwirksam. Also auch dort muss eine gewisse Ausgewogenheit bestehen. Momentan hat sich die Lage im Gegensatz zur Landwirtschaft in der Industrie etwas entspannt, weil man durch Automatisierung, Kapazitäts und Effizienzsteigerungen ebenfalls die Produktionskosten reduzieren konnte, daher sind bei vielen gewisse Spielräume enstanden, aber auch diese sind stets fragil, wenn der Preisdruck durch den Handel wieder stärker wird.
Die Kunden sollten insgesamt schon auch ihr Konsumverhalten hinterfragen, was aber ja seit einigen Jahren auch zunehmend zu beobachten ist. Man kann ja durchaus dem Bedürfnis nachgeben, möglichst günstig einzukaufen, sofern man auch hier auf Ausgewogenheit achtet und nicht überall generell die Entscheidung vom Preis abhöngig macht. Bei Trend und Markenprodukten, wo die Preise meist völlig fern des angemessenen Niveaus liegen, sind die Leute ja auch bereit etwas mehr zu zahlen, dass sollte vielleicht auch bei Lebensmitteln so gehandhabt werden.