- Fr 25. Sep 2015, 18:22
#1443041
Für eine andere Diskussion habe ich vorhin meine Pilotkritik zu Blindspot noch um einen Mustervergleich mit The Blacklist erweitert, den ihr vielleicht auch ganz lesenswert findet. Passt als Diskussionsanregung über die etwas müßig gewordene Mystery-Crime-Pilot Schablone eigentlich am besten hier in den Plauder-Thread. Vorausgeschickt sei die Warnung, dass es milde Spoiler für die jeweils erste Folge von Blacklist und Blindspot enthält (aber nichts, was man nicht schon aus den Upfront-Trailern hätte ersehen können):
Pilot Reviews #3: Blindspot (NBC)
Die Pilotfolge ist ein wahnsinnig überladener Mix aus Blacklist, Memento und Bourne Identity. Während das FBI die gedächtnislose und mit rätselhaften Tatoos übersähte Jane Doe noch untersucht und befragt (und dabei keine Gelegenheit auslässt die schöne Jaimie Alexander so nackt zu zeigen, wie es die Regeln des Network TV nur erlauben), hatte ich noch Hoffnung: man nimmt ihr die Verletzlichkeit und Überforderung ab und beginnt Empathie für die arme Frau aufzubauen. Wäre man hier einfach bei einer Frau geblieben, die (noch) keine Ahnung (mehr) davon hat, Teil welchen Spiels sie geworden ist, und neben den Tatoos mit nur kleinen bits and pieces Relevant genug bleibt, um sie konstant in der Story zu halten, hätte mir das besser gefallen. Aber schon nach 40 Minuten hat man ihr dermaßen viele Kenntnisse und Fähigkeiten angedichtet, dass es mich nur langweilt. Sprachen, Martial Arts, Beobachtungsgabe... das volle Superagenten-Programm. Noch dazu wurden wieder gefühlt 5 Plot Points zu viel in die kurze Laufzeit gepresst. Die Gedankensprünge, mit denen hier von winzigen Hinweisen auf Orte und Personen geschlossen wird, um bloß schnell am nächsten Wendepunkt anzukommen, sind einfach abenteuerlich - um nicht zu sagen: absurd bis total Banane.
Fazit: Temporeich, aber nicht wirklich fesselnd und für eine Pilotfolge einfach zu viel auf einmal gewollt. Etwas mehr Ruhe und Fokus auf die Figuren wäre der Serie an dieser Stelle weit besser bekommen.
Nun fallen in dieser Pilotfolge frappierende Ähnlichkeiten in Struktur und Storydesign zu The Blacklist auf, die umso weniger zufällig erscheinen, da beide Shows auf NBC laufen und The Blacklist vor 2 Jahren deren letzter nennenswerter Hit war. Sogar die Reihenfolge, in der die Plotelemente eingeführt werden sind nahezu deckungsgleich und offenbaren dabei ein Standard-Schnittmuster für diese Art von Shows:
1) Eröffnungsszene: Enter the Mystery Man/Woman
Den Behörden wird auf dem Präsentierteller ein unwahrscheinlicher Fund als Mysterium hingeworfen. Bei Blacklist stellte sich ein Most Wanted Crime-Mastermind in einer FBI Zentrale, bei Blindspot findet man eine große Reisetasche auf dem Times Square mit der Aufschrift: Call the FBI. Inhalt der Tasche: eine Frau ohne Erinnerungen, übersäht mit Tattoos.
2) The Companion's Name: Das Bindeglied zum 2nd Lead herstellen
Bei Blacklist will der Verbrecher Reddington explizit nur mit einer Person sprechen, die keine Ahnung hat warum, weil sie den Mann noch nie gesehen hat: FBI-Jungagentin Elizabeth Keen.
Bei Blindspot ist das einzige unrätselhafte Tattoo ein großer Name im Nacken der Frau: FBI Agent Kurt Weller, der die Frau noch nie in seinem Leben gesehen hat.
Beide werden auf Grund dieses Verbindung sofort aus einem aktiven Einsatz zurückgerufen. Der Dramatik wegen mit größtmöglichem Pomp: Weller wird nicht etwa angetextet, sondern pronto mit einem Heli vom Einsatzort abgeholt. Obwohl es an dieser Stelle keinerlei zeitkritische Komponente in der Story gibt. Noch...
3) Ticking Clock: Zeitkritische Bedrohung formt ungleiches Ermittlerduo
Reddingtons Blacklist wie auch Janes Tattoogewirr deuten einen ganzen Stapel von Fällen und damit Folgeninhalten an. Der erste Brocken, der vom Mystery-Haufen fällt, deutet aber auf ein unmittelbar bevorstehenden Anschlag hin. Hier ist ein kleines Tattoo in chinesischen Schriftzeichen hinter ihrem Ohr, auf dessen Bild Janes Auge zufällig fällt und bei dem sie zufällig bemerkt, dass sie fließend chinesisch beherrscht. Inhalt: eine Adresse und das heutige Datum. Na ein Glück hat sie sich diesen Teil der ganzen Tattoos nicht erst morgen angesehen.
4) Unverzichtbares Skillset hält Mystery Man/Woman konstant in der Story
Eigentlich hätten weder Reddington noch Jane irgendwie in den laufenden Ermittlungen oder gar in vor-Ort-Gefahrensituationen zu suchen. Weil man sich aber überzeugen lässt, dass sie kleine Indizien als einzige richtig einordnen könnten, nimmt man sie zunächst wider Willen doch mit, was sich als goldrichtige Entscheidung erweist und mit ein paar Positivbeispielen als normaler Operationsmodus für die weitere Serie begründet wird.
5) Pflichtübung Kriminalfall: Don't really have time but let's solve a crime!
Auch wenn die Folge schon immens vollgestopft ist mit der ganzen Exposition dieser High-Concept-Prämisse muss ja irgendwie noch irgendein Verbrechen vereitelt werden. Also springt man im Eiltempo durch wildeste Hinweisketten jenseits aller logischen Deduktion bis zum dramatischen Showdown mit dem Attentäter.
6) No Ordinary Woman: geheimnissvolle Backstory im Nebel der Vergangenheit
Weder Agent Keene noch Jane Doe werden als zufällige Opfer der Umstände in den Strudel der Ereignisse gezogen. Schnell beweisen beide einzigartige Verbindungen und Skills als Ergebnis einer rätselumwitterten persönlichen Vergangenheit, die mit der ganzen Sache zu tun haben kann.
7) Die Angelhaken: Verschwörung im Schatten anteasern
Wer bei der Pilotfolge angebissen hat, soll auch für den Rest der Season am Haken bleiben. Also werden dicke Mysteryfragen aufgeworfen. Blacklist: Warum hat Reddington sich gestellt? Was ist seine Agenda, die Liste aufzuräumen? Und in welcher Verbindung steht er wirklich zu Agent Keene?
Blindspot: Wer ist für Jane Does Tattoos verantwortlich? Warum so eine verrätselte Hinweisform? Wer ist sie wirklich? Wie ist sie in diese Lage geraten?
Um das anzuheizen ist es obligatorisch, in der Pilotfolge schon irgendwelche namenlosen Beobachter zu zeigen, die am besten aus der Ferne Fotos schießen oder bei Zeugen bestimmter Ereignisse auftauchen und diese losen Enden eleminieren. Irgendwo muss auch noch jemand in einer Machtposition kryptische Dinge in einem Hinterzimmer sagen und auf Akten blicken, wo der größte Teil geschwärzt ist und man nur noch den Namen der jungen Frau sehen kann. Auf jeden Fall weiß irgendwer irgenwie mehr über irgendwas, was wir noch nicht verstehen, und läuft irgendwo bereits durchs Bild.
Dramatischer Cliffhanger: Ende der Pilotfolge.
"And in that moment, I swear we were infinite."