- So 23. Feb 2014, 18:56
#1339555
Puh … mal sehen.
Es gibt keinen Grund, warum John jahrelang glauben muss, Sherlock sei tot: Meiner Meinung nach die ekligste Ecke, in die sich die Autoren geschrieben haben. In den Originalgeschichten ergibt das (halbwegs) Sinn, hier aber nicht mehr, und im Grunde verbringt man die ganze Staffel damit, das immer wieder hervorzuheben, wie unsinnig die Geschichte eigentlich ist. Jeder Depp ist eingeweiht, von Mycroft nebst Mitarbeitern (denen man wohl noch am ehesten zutrauen kann, wirklich dicht zu halten) über Molly und ein paar Dutzend Obdachlose bis hin zu Sherlocks Eltern – die es daraufhin noch nicht mal für nötig gehalten haben, zur Beerdigung zu erscheinen. Das ist also alles kein Risiko, aber ausgerechnet John soll eins sein? Und das so sehr, dass man ihn selbst nach den ersten Wochen/Monaten nicht einweihen kann? Weil einer unachtsamen Bemerkung von ihm vielleicht mehr Glauben geschenkt werden würde als allen Medien, zig anderen Zeugen und dem Totenschein?
Ganz absehen davon, dass Moriarty tot(*) und sein Scharfschütze längst unter Kontrolle gebracht war (gebracht sein musste, sonst hätte man das ganze Schauspiel gar nicht glaubhaft durchziehen können – selbst wenn John von seiner Position aus nicht sehen kann, was wirklich passiert, der Scharfschütze könnte es) – Sherlock hätte gar nicht erst springen müssen, um glaubhaft seinen Tod vorzutäuschen. Das hätte Mycroft ab dem Punkt bestimmt eleganter erledigen können, dann hätte man die anderen zig Leute auch gar nicht erst einweihen müssen, wenn Geheimhaltung angeblich so wichtig war.
* oder Moriarty ist doch nicht tot beziehungsweise sein Netzwerk in irgendeiner Form noch aktiv, wie am Ende der Staffel angedeutet – dann ist es erst recht unsinnig, weil Sherlocks öffentliche »Auferstehung« trotzdem gar keine weiteren Konsequenzen hatte
Moriartys Netzwerk: Kein Logikfehler an sich, aber wahnsinnig lahm. Da wird das ganze Netzwerk mal nebenbei zwischen den Staffeln ausgehoben – so gründlich, dass Sherlock problemlos wieder in London unter die Lebenden zurückkehren kann – und dann stellt sich heraus (oder wird angedeutet), dass es in London offensichtlich doch immer noch agiert. Aha.
Moran und die Bombe: … da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Eine ferngezündete Bombe mit praktischem zweieinhalb-Minuten-Countdown ( :roll: ) und leicht erreichbarem Ein-/Aus-Schalter ( :roll: :roll: :roll: ). Wofür auch immer man das als Terrorist braucht, wenn man sich der Bombe überhaupt nicht nähern muss. Entweder die stümperhafteste Bombe aller Zeiten oder bewusst so gebaut und geplant, dass sie eben noch rechtzeitig entschärft wird – dann müsste das einem Kaliber wie Sherlock aber zwingend auffallen.
Entweder ist Moran also der letzte Amateur oder die ganze Geschichte ist Teil irgendeines Masterplans von Moriarty, um Sherlock wieder nach London zu holen (Moran ist in den Originalgeschichten die rechte Hand von Moriarty), dann sind wir aber wieder beim Problem von oben: Erstens müsste das Sherlock auffallen, zweitens müsste Moriarty/sein Netzwerk wissen, dass Sherlock lebt und das hätte längst Konsequenzen haben müssen und der ganze vorgetäuschte Tod war von Anfang an völlig sinn- und zwecklos.
Sherlock und Janine: Meh. Einerseits wird Sherlock als komplett Emptahie-unfähiger Soziopath dargestellt, der die Reaktionen seiner Mitmenschen nicht im Geringsten abschätzen und verstehen kann, gleichzeitig soll er einer Frau eine komplette Liebesbeziehung bis hin zum glaubwürdigen Heiratsantrag vorspielen können.
Mary: Das ist allgemein eine Farce. Sherlock kann an den Schuhen eines Mannes, den er nie zuvor gesehen hat, dessen gelegentlich erektile Dysfunktion ablesen, aber dass Marys kompletter Lebenslauf von vorne bis hinten erlogen ist, entgeht ihm, obwohl er augenscheinlich jede Menge Zeit mit ihr verbringt und einem die Hinweise förmlich ins Gesicht treten. Sehr praktisch, aber nicht sehr glaubhaft.
Mary und Magnussen: Sie hätte ihn einfach erschießen können, als sie die Gelegenheit dazu hatte. Die Erklärung, dass sie es nicht konnte, weil Sherlock und John in der Wohnung waren, ist keine. Der Verdacht wäre niemals auf die beiden gefallen, erst recht nicht, wenn sie Sherlock angeschossen und mit der Waffe verschwunden wäre. Sherlock hätte bezeugen können, nicht der Täter zu sein, Janine hätte es bezeugen können (selbst wenn sie nicht weiß, wer sie niedergeschlagen hat, weiß sie zumindest, dass Sherlock zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit dem Aufzug oben angekommen war – er hat ihr gerade einen Heiratsantrag gemacht, da wird sie wohl kaum gemütlich in ihrem Büro gewartet haben, sondern ein Auge auf den Aufzug gehabt haben), es hätte kein Mordwaffe gegeben und der Notruf kam von Mary, sprich von einem unbekannten Handy, das niemandem vor Ort zugeordnet werden konnte.
Mit dem Vorwurf des Einbruchs mussten sich Sherlock und John trotzdem herumschlagen – nachdem Sherlock angeschossen worden war und ärztliche Hilfe brauchte, gab es keinen Weg, unbemerkt zu verschwinden. Wenn sie John in der Beziehung einen Gefallen hätte tun wollen, hätte sie Sherlock gar nicht erst anschießen dürfen.
… naja, und dann darf man sich natürlich noch fragen, weshalb Janine Sherlock überhaupt erst in die Wohnung lässt, wenn sie gar nicht wirklich alleine ist. Neben einem Security-Typen war schließlich auch Magnussen selbst(!) anwesend. (… obwohl Sherlock doch die Information hätte, er wäre gar nicht da, worauf der ganze Plan basierte … naja.)
Magnussen entführt John: Komplett unnötig und ohne jede Aussagekraft. Sherlock hätte auch jeden anderen in der Situation gerettet (oder es versucht), noch dazu braucht es keine Entführung, um herauszufinden, dass John für Sherlock die vielleicht wichtigste Person darstellt. Moriarty hat das auch so gewusst und man muss wohl auch ziemlich beschränkt sein, wenn man das nicht erkennt – was Magnussen sicher nicht ist. Ohne jede Motivation hat Magnussen also riskiert, Sherlocks »pressure point« ungewollt umzubringen. Ja, er hat gesagt, er hätte für den Fall der Fälle Leute in der Nähe gehabt – aber die haben nicht mal eingegriffen, als das ganze Ding schon in Flammen stand. John hätte mit ein bisschen Pech genauso gut sterben können. Das passt überhaupt nicht zu einem Mann wie Magnussen.
Schön ist auch, dass sich anschließend keiner mehr für die Entführung (und versuchten Mord) interessiert. Kein Polizeischutz für John, keine Ermittlungen – man geht einfach mal davon aus, dass es schon nicht noch mal vorkommen wird :roll:
Magnussen und die leeren Appledore-Archive: Warum das eine komplett unsinnige Idee ist, zeigt das Ende der letzten Episode ja deutlich. Entweder besitzt man Beweise, mit denen man Druck auf Menschen ausüben kann, oder nicht – Dinge nur zu »wissen«, ohne sie auch belegen zu können, reicht eben nicht aus, erst recht nicht, wenn das Wissen mit einem selbst stirbt. Kugel in den Kopf und alle Probleme sind gelöst, weil’s nichts mehr gibt, was ans Licht kommen könnte. Mary wusste das offenbar schon, dann kann man davon ausgehen, dass es auch andere gewusst haben; dass Magnussen bei seinem Verhalten dann überhaupt so lange überlebt hat, ohne eine »Versicherung« zu haben, grenzt an ein Wunder.
---
Das sind jetzt nur die größeren Dinge, die mir im Gedächtnis gelieben sind (und die ganzen »Kleinigkeiten« hab ich mal ausgelassen), da gibt es aber sicher noch viel mehr.
Was nicht heißt, dass es eine schlechte Serie wäre – aber inhaltlich in meinen Augen eben die schwächste Staffel.
Trotzdem freue ich mich auf die Fortsetzung. Hoffentlich hört man dann mehr von (Moran und) Moriarty, Irene Adler und (vielleicht) dem berüchtigten »Sherrinford Holmes« – die letzten beiden wurden ja zumindest ein bisschen angedeutet.
Zauberland ist abgebrannt.