So brillant gelöst!
Der Fight Club Twist wurde ja schon von Anfang an von vielen vermutet. Dass man Mr Robot mit anderen Charakteren interagieren sah und die Wendungen der letzten Woche mit der ganzen Familiensache haben daran aber doch immer wieder geschickt Zweifel gestreut. Zwischenzeitlich war die Frage aber auch gar nicht mehr wichtig, weil so viele andere bedeutsame und erschütternde Dinge passiert sind (Shayla!!). Und nun startete diese Folge mit einem Rückblick auf das noch reale Vater-Sohn Verhältnis und erdet uns dafür, dass jetzt die wirkliche backstory der beiden ausgerollt wird. Es scheint als würde Elliot von seinem Vater endlich aus der Nebelwand seiner von Psychosen, Medikamenten und Drogen verhüllten Erinnerungen geführt werden. Tatsächlich aber ist es die entgegengesetzte Richtung, wovon wir durch den hochalarmierten Besorgniszustand von Rettungsteam Darlene und Angela einen Eindruck bekommen. Als Mr. Robot auf dem Friedhof dann die Mädels herankommen sieht, lassen seine Worte überdeutlich ahnen, was gleich kommen wird:
"It won't be long now. I have been trying to protect you son but they caught up to us [...] I will always be here with you. I will not let them break us apart again. [...] They will be trying to get rid of me again and I need you to not let them."
Überwältigende Gewissheit dann, als er sich an seinen eigenen Grabstein lehnt: beim nächsten Wechsel des Kamerawinkels wird er weg sein.
Das wirklich bemerkenswerte ist hier wie und wichtiger wem gegenüber dieser Twist aufgezogen wurde.
"It's happening, isn't it? And you knew all along, didn't you?" schnappt Elliot nach Luft.
Hier haben wir keinen großen "Reingelegt!" Moment gegenüber dem Zuschauer. Der Schlag in die Magengrube ist, dass wir unsere dunkle Ahnung bestätigt bekommen und nun sehen müssen, wie Elliot davon getroffen wird - und zwar hart! Seit Staffelbeginn hat man ihn uns als labil näher gebracht. Emotionale Nähe und Bindung zu anderen Menschen machen ihm Angst, weil er sich nicht gegen soziale Verletzungen abschirmen kann wie andere Leute. Wir haben gesehen wie er durch eine Drogenabhängigkeit ging, um dieses Manko zu lindern. Wir haben Teile seiner Therapie miterlebt, die fruchtlos auf der Kippe steht, weil er sich schwer öffnen kann und es sogar schier unmöglich für ihn war, über bestimmte Dinge zu reden. Über diese Verletzbarkeiten haben wir ihn trotzdem gern gewonnen als jemanden, der sich zwar nicht an Regeln und Konventionen hält, aber über einen starken, übergeordneten Gerechtigkeitssinn verfügt. Umso mehr, weil er daraus eine Mission gefunden hat, die diesen kaum stabil auf eigenen Füßen stehenden Menschen gegen einen Megakonzern in den Ring wirft, in dem sogar intern geradezu kannibalistische Machtkämpfe ausgetragen werden.
Der Twist trifft ihn und es tut weh das zu sehen, obwohl wir - mit mehr oder weniger großen Zweifeln - geahnt haben, dass es so kommen würde. Und die Show hat das phantastisch ausgerollt, es nicht wie die Auflösung eines großen Zaubertricks zu zeigen. Keine großen schockstun-flashbacks, wo wir Elliot an Stelle von Robot sehen, sondern einen jungen Mann, der im Kreis seiner engsten Angehörigen und langjährigsten Freundin gerade begreift, dass sein Realitätssinn schon vor längerer Zeit den Bach runter gegangen ist. Die self awareness der Serie, in diesem Punkt dem Zuschauer nicht voraus gewesen zu sein und das mit dem "you knew all along" voice over an Elliots imaginären Zuschauer auch freimütig einzugestehen, ist da einfach perfekt gesetzt. Das ist umso köstlicher, wenn man die Ironie bemerkt, dass er uns bei seinen Ansprachen immer als imaginär bezeichnet hat und wir im Gegensatz zu Mr Robot wirklich da sind. Sam Esmail hat hier den eher plotgerichteten Twist von Fight Club übernommen und ihn zu einen ganz intim privaten umgebaut. Dabei trifft er uns nicht so überraschend, dafür aber umso härter. Das war weniger ein
mind-fuck-moment, sondern ein emotionaler
gut-punch einer doch überwiegend charakterlastigen Drama-Serie.
Beim Wechsel zurück auf die Handlungsebene der Mission, folgt dann aber auch noch die wunderbar eingewobene, kleine Verneigung vor Fight Club. Als Elliot und Tyrell die Spielhalle betreten startet eine Piano-Version des Pixies Klassikers "Where is my mind". Jener Song, zu dem Tyler Durden am Ende von Fight Club die Konzern-Wolkenkratzer einstürzen ließ. Genau das Cyber-Equivalent zu dieser Tat wird nun wieder in den Vordergrund gerückt. White Lotus hat zur Spurenbeseitigung sogar schon eine E Corp Filiale in Brand gesetzt. Tyrell legt vor Elliot ein Mordgeständnis ab und kommt an Bord. Bei all dem, was in dieser Folge bei Elliot los war, ist es absolut bemerkenswert, was nebenbei noch auf den anderen Story-Ebenen eingefädelt wurde. Dass Tyrell die Lager wechseln könnte, hatte man auch schon geahnt. Aber da lag es näher, dass er der inside man werden könnte, was urplötzlich näher in Angelas Reichweite liegt. Nun aber ist er plötzlich gekickt. Job verloren und damit auch seine Familie, eigentlich alles. Dass seine kühle, fordernde Gattin Ernst macht und ihm für sein Scheitern als unwürdig verstoßen wird, bezweifle ich keine Sekunde. Auch hier ist "Mirroring" ein treffender Episodentitel. Elliot hat die Mission von FSociety gestartet, nachdem die Taten von Evil Corp ihm seinen Vater entrissen haben. Nun steigt Tyrell ein, weil er trotz wirklich grenzenloser Hingabe für die Firma gefeuert wurde und ihm in Konsequenz daraus sein neugeborener Sohn genommen wird. Damit wird aber schon ein ergiebiges, neues Spannungsfeld geschaffen. Beide sind auf Vergeltung gegen Evil Corp aus, aber ich glaube nur Elliot hat begriffen, dass die wirklich ein zu bekämpfendes Übel im globalen Maßstab sind. Für Tyrell dürfte es eher um die erlittene Schmähung gehen, während er nicht wirklich einen moralischen Kompass besitzt.
Gleichzeitig bekommen wir über Elliots Boss auch eine andere Facette gezeigt: wer Evil Corp angreift, wird auch immer Kollateralschäden anrichten und die Existenzen von Menschen gefährden, die einfach nur hart arbeitend einen Lebensunterhalt verdienen wollen. Als Angela das Job Angebot unterbreitet wird, hören wir das von der anderen Seite auch nochmal. Will sie wirklich jeden Job ausschließen, wo der darüberstehende Konzern für Leid auf der Welt verantwortlich ist? Dann bleibt da nicht mehr viel übrig. Und aus der Logik kann man auch die Menschen, die einfach irgendwie Geld verdienen müssen, nicht dafür verurteilen, für einen auf einer für sie abstrakten, weit entfernten Begriffsebene bösen Konzern zu arbeiten.
Immens dicht gepackte Folge also, wo der emotionale Effekt aber dadurch keinesfalls geschmälert wurde. Und das alles war dann auch wieder noch so exzellent gespielt, geschrieben und photographiert. Ich weiß, wir rollen hier bei "würde diese Show auf Sender X laufen..." Satzanfängen nur noch kollektiv die Augen. Aber hier muss ich doch noch einen loswerden: Wäre Mr Robot auf AMC gestartet und nicht dem für derartige Qualität eher unverdächtigen USA Network, würde die Show eine noch viel größere Beachtung finden und von allen Seiten wesentlich hörbarer die hochverdienten Jubelstürme einheimsen. Wenn sie das Niveau nächste Woche im Staffelfinale und dann in der Gott sei Dank schon bestellten Season 2 halten, ist das nicht nur der für mich beste Serienneustart des Jahres sondern könnte sogar als Kandidat für die alltime favorite Liste auf qualitativer Augenhöhe mit Knallern wie Damages, Breaking Bad oder Six Feet Under mitspielen.
10/10!
Und jetzt nochmal Where is my Mind auf dem Piano:
https://www.youtube.com/watch?v=4NZdggNUvq0