Ich liebe "Lost Highway", "Mulholland Drive" und die ersten beiden "Twin Peaks" Staffeln (alles mehrfach gesehen). Ich habe Frosts "The Secret of Twin Peaks", Jennifer Lynchs "Tagebuch der Laura Palmer" und die Dale Cooper Biografie gelesen, "Fire Walk with me" und "Twin Peaks: The missing Pieces" gesehen.
Ich höre gern Lynchs Musikarbeiten. Ich habe eine über 300 seitige filmanalytische Abhandlung von Lynchs Werk bis zum Ende der 1990er Jahre gelesen, "David wants to fly gesehen" und mich kritisch mit TM auseinander gesetzt. Ich habe mich sogar durch "Inland Empire" gequält.
Aber...nach drei Episoden des "Twin Peaks" , muss ich sagen, dass geht schon sehr stark in die Richtung "ungenießbar". Teilweise hat es was wie eine Lynch Diawerkschau (leider auch genauso spannend). Ich wollte mir schon eine Buzzword-Bingokarte machen, wann immer eins von Lynchs Klischees auftaucht, die Karte wäre nach Part 1+2 vermutlich schon voll gewesen.
Und wenn das mir so geht, die sich mit Lynchs Werk auseinander gesetzt hat, wie geht es da dem Normalzuschauer?
Leider hat das bis bisher auf ein paar bekannte Gesichter und Orte mit dem Original "Twin Peaks" fast gar nichts zu tun, was die Atmosphäre und vor allem das verlogene Kleinstädtige und schmutzigen Geheimnisse angeht. Einige Amazon-Reviewer finden "American Gods" langatmig und wirr? Die sollen sich mal Staffel 3 von "Twin Peaks" antun und dann reden wir noch mal.
Ich vermisse vor allem Sheriff Truman und die Bromance mit Cooper und Coopers spleenige aber doch optimistische Art. Wo sind die Eulen? Wo die schrägen aber dennoch liebenswerten Charaktere mit den dunklen seelischen Abgründen? Wo ist die Stimme von Julie Cruise? Und wie geht es Annie?
Lynchs Bildkomposition, Architekturen und Möbel sind toll eingefangen, die würde ich mir dann aber lieber in einem Coffeetable Kunstband oder in einer Lynch Museums-Werkschau anschauen wollen als gefühlt 5 Minuten lang in sich wiederholenden, verschiedenen Einstellungsgrößen und dafür den Plot vorwärts bewegen.
Auf der positiven Seite: Bei Episode 3 habe ich mehr gelacht als bei allen in den letzten 5 Jahren auf ProSieben ausgestrahlten Sitcoms zusammen (nach dem die ersten ca. 20 nervtötenden Minuten überstanden waren). MacLachlan ist großartig. Schade das bisher von Badalamentis Score noch nicht all zu viel zu hören war, dafür viel Lynches Sounddesign.
Ich schaue weiter in der Hoffnung, dass Lynch es irgendwie schafft mich zu packen wie in damals in "Lost Highway", "Mulholland Drive" oder "Twin Peaks S1-2"
...ich stelle mich aber seelisch und moralisch schon mal drauf ein, dass das nicht eintreten wird, da mir momentan jede emotionale Bindung zu den Charakteren fehlt, die ich im Original Twin Peaks hatte.
Und diese "In Memoriam" Einblendungen am Ende der Credits sind jedes Mal wie ein Schlag in die Magengrube. So viele Talente sind da schon von uns gegangen und ich sehe nicht, dass in der Qualität was nachwachsen würde.