Das Erste, ZDF, Dritte (WDR, NDR etc.), Spartensender von ARD & ZDF (One, ZDFneo, ZDFinfo etc.)
von magister wigbold
#1496078
Vielleicht interessiert sich der eine oder andere für die Problematik „Drehbuch“ oder würde gerne mal ein solches für eine Fernsehserie schreiben. Hier meine persönlichen Erfahrungen. Ich habe zwei Romane veröffentlicht und ein Hörspiel geschrieben, das sehr erfolgreich war. Lief unter anderem auch im Deutschlandfunk. Und da ich Filmfreak bin, lag es auf der Hand ...
Um es gleich zu vorweg zu nehmen: Es ist mir nicht gelungen. Aber die Gründe dieses Scheiterns sind – euphemistisch formuliert – erzählenswert.
Es gibt, die Thematik Drehbuch betreffend, jede Menge Lehrgänge, Wochenendseminare usw. Spart euer Geld! Es gibt exzellente Literatur, völlig ausreichend, um sich das nötige theoretische Rüstzeug zu verschaffen. Mittlerweile ist es auch Studienfach. Frage mich, was die Leute dort jahrelang machen. Es gilt, was Nietzsche über die Qualitäten guten Stils sagte „… dass man etwas zu erzählen habe. O – das ist schon viel!“
Hat man als Autodidakt und Quereinsteiger überhaupt eine Chance? Ich fragte bei den Produktionsfirmen einiger Serien an. Nein, erklärte man mir, man sei „voll“ und nehme überhaupt nur Autoren, die bereits verfilmte Drehbücher vorzuweisen hätten. Wie bitte? Wie sollen sich dann neue Talente etablieren, jeder müsse ja mal anfangen. Ja, erklärten sie, das stimme schon, aber so sei das nun mal. – Und dies bei Vorabendserien des gebührenfinanzierten ZDF – ein Skandal! Nur bei den Privaten, die knallhart kalkulieren müssen, wäre ein solches Gebaren nachvollziehbar. Und so kommt es eben, dass bei den Vorabendserien immer dieselben Leute dieselben grottigen, öden Drehbücher wie am Fließband schreiben. Beziehungen sind alles, vermutlich mehr als in irgendeiner anderen Branche.
Schließlich stieß ich auf eine Serie, die dringend Autoren benötigte („das können nur wenige“). Eine Ensembleserie, für die man auch – sagen wir mal im weitesten Sinne – naturwissenschaftliche Spezialkenntnisse benötigte. Ich rief dort an, wurde eingeladen, schickte dann mehrere Exposés ein, gleich das erste wurde angenommen. Der Dramaturg stimmte begeistert zu. Ich arbeitete ein Treatment aus – die Sache war so gut wie entschieden. Ich war drin! Sagenhaft! Man kriegt für eine 45-Minutenserie 12000 Euro und bei Wiederholungen noch einmal das gleiche Honorar! (bei den Privaten läuft‘s etwas anders, da gibt’s nur ein einmaliges, aber wesentlich höheres Honorar) Dann kommen noch die Tantiemen der VG Wort hinzu. Wer da im Geschäft ist und im Jahr mehrere Drehbücher schreibt, verdient nicht schlecht …
Ich war im siebenten Himmel! Dieses Drehbuch war die Eintrittskarte, eine Meisterprüfung sozusagen. Nur eine kleine Hürde gab es noch zu bewältigen: eine Endabstimmung in der Produktionsfirma, in der sämtliche Stoffe vorgestellt wurden und über die dann von den Mitgliedern der Produktionsfirma per Handzeichen abgestimmt wurde, wobei sich auch der Produzent selbst nur eine Stimme gab – sehr demokratisch!
Reine Formsache. O-Ton Produzent „Lange nicht mehr ein so originelles Drehbuch gehabt.“
Am Tag nach der Abstimmung rief mich der Dramaturg an und war sichtlich geknickt: Der Stoff war abgelehnt worden. Er konnte es selbst nicht fassen.
Was war passiert? Ein Jahr später bekam ich es durch einen Zufall raus: Ich wohnte in einem extrem hellhörigen Haus. Irgendwann erzählte ich einem Kumpel am Telefon von meinem Projekt. Über mir wohnte ein grenzdebiler, perniziöser Vollpfosten, der Tag und Nacht mit den Lauschern am Boden hing. Dieser Mensch wollte mir eins auswischen, rief einfach bei der Firma an, bekam auch gleich die Executive Producerin (zwei Studienabschlüsse, aber dumm wie ein Sack Badewannenstöpsel) an die Strippe – und vertickte ihr einfach, ich hätte die Serie schlecht gemacht. Erstunken und erlogen! Und ohne mir überhaupt Gelegenheit zu geben, mich zu rechtfertigen und ohne es dem Produzenten und dem Dramaturgen zu sagen, instruierte sie ihre Leute, bei der Abstimmung gegen mich zu stimmen. Und so geschah es.
Die Story geht noch weiter, aber es reicht erstmal … :cry:
von P-Joker
#1496082
Schöner Aufsatz.

Aber was hat das ganze hier mit dem ZDF zu tun?

Wäre das nicht im Forum "Sonstiges zum Thema Fernsehen" besser aufgehoben?
von magister wigbold
#1496089
Da hast du wohl recht, lieber Joker. Allein es bleibt festzuhalten: In der Überschrift steht eindeutig, dass es um Drehbücher geht. Wen es interessiert, der klickt es an. Wer kein Interesse an der Thematik hat, der klickt es nicht an. :wink:
Aber um dich zu beruhigen: Es ging ausschließlich um ZDF-Serien.
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von rosebowl
#1496104
magister wigbold hat geschrieben:Mittlerweile ist es auch Studienfach. Frage mich, was die Leute dort jahrelang machen.
Ein sehr guter Freund von mir hat genau das studiert - und die machen da deutlich mehr als schauen, ob man was zu erzählen hat... Es geht um die ganzen Hintergründe des Geschäfts, aber auch um Erzähltechniken, Aufbau von Geschichten, wie erreicht ich bestimmte Zielgruppen, Analyse verschiedener Serien, Filme und so weiter, Entwicklung von Konzepten, Pitches, sprachliche Fähigkeiten etc etc etc... Das ist schon ein Unterschioed, ob man sich das aus einem Buch anliest, oder ob man das im Lauf eines Studiums mit enorm viel Feedback von Kommilitonen, Dozenten etc und anhand der Entwicklung von verschiedenen Konzepten über eine längere zeit lernt. Es hat schon seinen Grund, warum man nicht unbedingt bei den Produktionsfirmen mit offenen Armen empfangen wird, nur weil man mal ein Buch übers Drehbücher schreiben gelesen hat.
Ich finde es übrigens so gar nicht skandalös, dass jemand, der da wenig Qualifikationen vorzuweisen hat, beim "gebührenfinanzierten ZDF" wenig Chancen hat.

Dass eine Geschichte, die erstmal begeistert aufgenommen wird, dann doch durchfällt - oft sogar wegen irgendwelcher Änderungen, die man auf Wunsch der ersten Kontaktleute aufgenommen hat - ist auch nicht so ungewöhnlich. Da würde ich nicht direkt eine Verschwörung wittern. Die Branche hat tatsächlich ein extrem hohes Frustpotential...
von magister wigbold
#1496119
Na, das ist doch mal ein konstruktiver Beitrag. Beim guten Joker wäre ich am liebsten in den Monitor gesprungen. :mrgreen: Vor einiger Zeit verlor ich mal einen Satz über eine skandinavische Fernsehserie. Es war mindestens eine Woche lang der einzige Beitrag in der Rubrik „ZDF“ …

„Verschwörungstheorie wittern“ – Das ist freilich dummes Zeug. Es hat sich exakt genauso abgespielt wie geschildert.

„da kann es schon mal vorkommen, dass der eine oder andere Stoff …“

Der Spruch des Produzenten war ein Zitat! Es war das beste Manuskript, das sie seit Jahren auf dem Tisch hatten. Im Übrigen überschätzt du offenbar das Procedere. Ich habe das seinerzeit verfolgt. Für eine ZDF-Vorabendserie schrieb ein 70-Jähriger 6 Drehbücher für eine einzige Staffel und führte nebenbei auch noch Regie. So etwas kann funktionieren, wenn man z. B. Gregor Edelmann heißt und brillant ist („Der letzte Zeuge“), aber der Meister in unserer Vorabendserie hat aus einer mickrigen Idee 6 Drehbücher gemacht. Ich saß vor der Glotze und konnte nicht glauben, was ich da sah …
Vor ein paar Jahren hat eine NDR-Redakteurin ein TV-Movie geschrieben und sich unter anderem Namen selbst zugeschickt. Sie kassierte das üppige Honorar, das Ding wurde gedreht und hat auch noch durchschnittliche Quoten erreicht :D

Selbstverständlich macht ein solcher Studiengang Sinn und wird auch mit sinnvollen Inhalten gefüllt. Keine Frage. Ich hatte das nur etwas überspitzt formuliert. Hoffe ja, es müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, um ein solches Studium zu absolvieren. :wink: In der ehemaligen DDR z.B. musste man 21 sein, um ein Jurastudium zu beginnen. Wenn ich mir vorstelle, dass da irgendwelche Milchreisbubis, die noch bei Muttern wohnen, ins Drehbuchfach wollen und dann auf ein Millionenpublikum losgelassen werden … (aber eine Hürde habe ich ja schon aufgezeigt)

„Ein Blick ins Buch und zwei ins Leben, das wird die rechte Form dem Geiste geben.“ (Der Spruch wurde Goethe zugeschrieben. Ein Leser wies in einer Literaturzeitschrift darauf hin, dass er in Goethes Werken nicht zu finden sei. Erst nach seinem Tod kam heraus, dass er selbst der Verfasser des Spruches war. Walter Victor hieß der gute Mann – mal so als literarische Anekdote am Rande. :wink: )

Und selbstverständlich ist das ein Skandal. Die ÖR haben einen Auftrag zu erfüllen! Und dazu gehört eben auch Talente zu fördern (damit meine ich nicht mich, ich wäre nur ein später Quereinsteiger gewesen und hätte das auch nur ein paar Jahre gemacht) Wie sollen sich junge Talente etablieren, wenn ihnen von vorneherein die Tür vor der Nase zugeknallt wird?! Das hat eine Dramaturgin im Telefongespräch ja auch selbst zugegeben! Es geht halt um schnellen Profit. Und es geht auch um Seilschaften. Man kennt sich ...

Rosebowl, frage doch bitte mal deinen Bekannten, wie viele Leute seines Studienjahrgangs tatsächlich im Drehbuchgeschäft Fuß gefasst haben. Das würde mich mal interessieren.
Zuletzt geändert von magister wigbold am Fr 13. Jan 2017, 14:33, insgesamt 2-mal geändert.
von Extaler
#1496120
magister wigbold hat geschrieben:. Hoffe ja, es müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, um ein solches Studium zu absolvieren. :wink: In der ehemaligen DDR z.B. musste man 21 sein, um ein Jurastudium zu beginnen. Wenn ich mir vorstelle, dass da irgendwelche Milchreisbubis, die noch bei Muttern wohnen, ins Drehbuchfach wollen und dann auf ein Millionenpublikum losgelassen werden … (aber eine Hürde habe ich ja schon aufgezeigt)
Was denn nun? Soll man Qualifikationen haben oder nicht? Oder nur fürs Studium, aber wenns sonst um Autorenjobs geht nicht? Sollte man erstmal etwas anderes bis ~40 machen und darf man dann auf ein Millionenpublikum losgelassen werden?
von magister wigbold
#1496510
Ich werde mich doch hier nicht outen. Nur dies: Sie sind beide in relativ kleinen Verlagen erschienen (aber natürlich nicht vanity press, Selbstverleger o. ä.), hatten im Gegensatz zum Hörspiel auch keinen Erfolg. Wer hat den schon bei 90000 Neuerscheinungen im Jahr. Erwähnte ich auch lediglich um aufzuzeigen, dass ich nicht ganz unbeleckt war, wenngleich es freilich eine völlig andere Form ist. Hätte ich aber nix vorzuweisen gehabt, wäre ich gar nicht erst eingeladen worden.

Und natürlich werde ich auch die Serie nicht nennen, bei einem weiteren Hinweis zu „im weitesten Sinne naturwissenschaftlich“ könnte man erahnen, um welche Serie es geht. Die Firma ist extrem prozessfreudig, es wurden aber auch schon einige Prozesse gegen sie geführt.

Ich repetiere: Lektüre ersetzt freilich ein Studium nicht auch nur ansatzweise, mir ging es nur um Wochendkurse a 12h o. ä., für die dann Kosten im dreistelligen Eurobereich anstehen. Was den zu vermittelnden Stoff angeht, lassen sich diese Mini-Kurse gewiss durch die vorhandene erstklassige Literatur zu Thema ersetzen. Wochenendkurse haben aber andere Vorzüge. Muss jeder für sich selbst entscheiden.

Ich habe später noch ein weiteres Hörspielmanuskript eingesandt und fragte vorab in einer Redaktion an … Ach, meinte die Dame, das komme jede zweite Woche vor, dass jemand anruft, um einen Autor zu denunzieren. Ohne Gerichtsurteil sei das in den Wind gesprochen …
Ich hatte halt schier unglaubliches Pech. Man wird gewiss bei den allermeisten Firmen fair behandelt, bei dieser bin ich es ja auch. Es lag ausschließlich an der Verfehlung EINER leitenden (!) Mitarbeiterin, die diesem Vollkoffer über mir, der die deutsche Sprache mit jedem Satz weit hinter die Merseburger Zaubersprüche zurückwarf, und dem ich nichts getan hatte, voll auf den Leim ging – und dann auch noch übel konspirierte. Fatal! Glücklicherweise (!) war der Nachbar schon in ein anderes Bundesland verzogen, als es rauskam. Man stelle sich das vor: Da sitzt so ‘n Dödel und greift in einer Mischung aus Langeweile, Dumm- und Bosheit zum Telefonhörer …

Ich wollte nur einfach mal aufzeigen, wo im denkbar dämlichsten Falle Stolperdrähte gespannt sein können … Das gilt natürlich für alle Branchen.
von Waterboy
#1496514
Nun ja, gerade die öffentlich rechtlichen sind was junge Autoren und Ideen angeht recht aufgeschlossen, so meine Erfahrungen.

Türkisch für Anfänger, Schloss Einstein, aber auch Sketch Shows wie die heute Show hatten/ haben recht junge Autoren am Board.

Was bei den öfft. Allgemein schwerer ist, ist es einen Stoff erst einmal durch die gefühlt 100 zuständigen Gremien durchgeboxt zu bekommen. Das hat manchtollen Projekt bereits den Hals gebrochen und manch Serie das aus beschert ( marienhof oder gerade erst herzbrecher).

Und die privaten sind da teilweise noch härter und bei weitem nicht so jugendfreundlich wie man evtl meinen könnte, wenn ich mir so ansehe was da bei GZSZ so schreibt.

Projekte wie etwas der VOX Hit club der roten bänder , an den junge Menschen für die Drehbücher verantwortlich sind, sind da auch eher ne Seltenheit .

Das filmbussines ist aber halt auch ne harte Welt und da muss man sich halt durchbeißen und nicht selten erst einmal lange zeit klinken putzen.

Ist halt wie in vielen Jobs. Da wird auch immer nach jungen dynamischen Leuten gesucht die bitte möglichst unter 30 sein sollen aber doch bitte bereits mehrjährige Berufserfahrungen vorweisen sollen.
von magister wigbold
#1496590
Jo, so ist es. Für junge Autoren wohl der Weg: über Soaps, Kinderserien, scripted reality-Formate oder als Gagschreiber reinzukommen.