- Mi 15. Jun 2016, 12:29
#1474820
...heute lange mit einem altgedienten Journalisten gesprochen, der für die großen Magazine zur goldenen Zeit des Magazinjournalismus gearbeitet hat: Ob stern, mare oder Focus, er hatte sie alle in seinem Portfolio, hat frei Texte geschrieben, verkauft, ist um die Welt gereist und war an den Schauplätzen dieser Erde, wenn was Wichtiges passiert ist. Er hat das Leben in Buchstaben verpackt, jahrzehntelang.
Und ist dann älter geworden, hat als Freier aber kaum was in die Rente eingezahlt und sitzt mit 300 Euro Rente und Aufstockung durch das Amt am Ende seines Arbeitslebens da und sagt, dass er weiterarbeiten muss und auch weiterarbeiten möchte. Aber eigentlich wünscht er sich, das zu machen, was er eigentlich im Alter machen wollte: Sich zurücklehnen und bei einem Glas Wein auf sein Leben zurückzublicken. Stattdessen schlägt er sich nun die Nächte um die Ohren, in denen er Bücher lektoriert, gibt tagsüber Kurse an deutschen Journalistenschulen und muss sein Leben jedes Jahr wieder neu dem Staat offenlegen, damit er ja keinen einzigen Cent zuviel verdient und brav die Steuern zahlt, die bei Zusatzverdiensten zur Rente fällig werden. Auf das Leben zurückblicken, das geht nur mit Wasser. Der gute Wein ist einfach zu teuer.
Ich mache heute frei.
Wir haben so viel Glück auf dem Gewissen.