CaptainCharisma hat geschrieben:Nichtsdestotrotz standen mit der Vermarktung und den ganzen finanziellen Zuführungen, die in den 70er so langsam in Fahrt kamen, diverse Vereine auf Augenhöhe.
Das ist wohl absolut korrekt und der Teil, bei dem ich dir zustimme. Es gab damals die Möglichkeit, dass die Fußballgeschichte anders hätte verlaufen können, dass ein anderer Club sich als die absolute Größe im deutschen Fußball etabliert.
Aber wie du selbst schreibst: das waren die 70er. Heute finde ich die Plattitüde "Wenn die anderen einfach besser arbeiten würden, hätte der FCB auch wieder Konkurrenz" ziemlich absurd.
Der FCB hat alle erdenklichen Vorteile in der Tasche - nicht nur die eines zweifellos hervorragenden Managements. Marke, Strahlkraft, Umsatz, Kapital, Internationalität, Standort, Umfeld, usw.
Bayern hat eine finanzielle Basis, an die kein anderer deutscher Club heranreicht. Nicht nur kann man sich Spieler leisten, bei denen alle anderen BL-Clubs aussteigen müssten, man kann sich auch das Scheitern solcher Spieler leisten.
Und es gibt weitere Gründe, warum Spieler zum FCB wechseln und nicht zu anderen deutschen Clubs. In selbsterfüllender Prophezeihung wäre da schon mal die Meisterschaftsgarantie. Die Garantie, auf lange Sicht international zu spielen. Die Möglichkeit, um den Gewinn der CL mitzuspielen. Eine über Jahrzehnte aufgebaute internationale Strahlkraft, die den FCB zu einer der weltweit führenden Fußball-Marken macht. All das kann sich kein anderer deutscher Verein mal eben aufbauen. Eigentlich kann sich das kein anderer deutscher Verein überhaupt aufbauen, weil man dafür erst einmal den FCB vom Thron stoßen müsste und dann die Maßnahmen ergreifen müsste, sich diese Position auch zu erhalten.
Die Wettbewerbs- und TV-Regularien steuern gezielt dagegen, dass ein solches Vorhaben gelingen kann. Du musst fünf Jahre auf gleichem Niveau spielen, um gleichberechtigt behandelt und ausgezahlt zu werden. Diese Zeit musst du in Vorleistung gehen. Um deine Spitzenspieler nach dem ersten Jahr des Erfolges zu halten musst du in einer Gehaltsklasse agieren, die deine Einnahmen noch gar nicht hergeben. Das ist finanziell ein astronomisches Risiko. Zumal das Risiko kaum kalkulierbar ist. Die Wettbewerbsregularien legen dir in den ersten Jahren alle erdenklichen Steine in den Weg. Ungesetzt in Play-Offs, letzter Topf in Gruppenrunden. Das System ist darauf ausgelegt, dass du als Neuling
keinen Erfolg haben sollst. Und wenn das schief geht, ist nicht nur das Thema "FCB angreifen gescheitert" sondern der Verein über Jahre finanziell ruiniert.
Das finanzielle Risiko des FCB hingegen ist minimal bis nicht existent. Selbst in schlechten Jahren ist es mittlerweile nahezu unmöglich für den Verein nicht international zu spielen. Setzlisten sorgen dafür, dass man als Platzhirsch auch mit mittelmäßigen Leistungen weit kommt. Die Verflechtung von CL und EL dafür, dass man schon extrem schlecht abschneiden muss, um nicht international bis in den Frühling zu kommen.
Ich sehe nicht, wie es möglich sein soll, Bayern auf lange Sicht Konkurrenz zu leisten.
CaptainCharisma hat geschrieben:Klingt jetzt doof, aber das Jetzt und Heute basiert aber auf dem Handeln in der Vergangenheit. Hätte der BVB Ende der 90er/Anfang 00er anders gehandelt, wäre man jetzt wohl komplett auf Augenhöhe. Bremen hatte jahrelang CL Geld und gute Verkäufe. Gladbach kommt wieder ran, musste diese lange Tief aber sein? Und so weiter.
Beim BVB stimme ich noch vorsichtig zu. Die hatten ihr Moment, konnten es aber nicht lang genug halten. Der Fall war dann halt umso tiefer weil man sich genau wie oben beschrieben entsprechend finanziell verhoben hat. Hätte das anders verlaufen können? Vielleicht.
Bremen hatte nie eine Chance, sich dauerhaft zu etablieren und Gladbach räume ich die auch nicht ein. Bremens Erfolg beruhte auf zwei Personen und als die ausgebrannt waren gings bergab. Infrastruktur-bedingt war es uns selbst zu CL-Zeiten nicht möglich, mit der Oberklasse mitzuhalten. Das war ein Wunder, dass das vier, fünf, sechs Jahre gut ging. Jeder teure Fehleinkauf hat den Verein letztlich Jahre zurück geworfen, das Verpassen der CL war schlussendlich nicht kompensierbar. Wo es beim FCB nach einem misslungenen Jahr "Klotzen statt kleckern!" heißt, so ist es bei den strukturschwachen Klubs eher "Kosten runterfahren". So kannst du nicht auf Dauer mithalten.
Gladbach wird das auch erleben. Die sind keine außergewöhnlich starke Marke im deutschen Fußball, international erst recht nicht. Ein mieses Jahr wird kommen. Vielleicht nicht diese Saison, vielleicht nicht nächste, aber es wird kommen. Letzte Saison ist es ja um ein Haar schon passiert. Und das lässt sich dann eben nicht einfach abschütteln.
Sollte man daher eine "Bayern-Bremse" einbauen? Sollte man Bayern das Auftaktspiel entziehen etc.? Das sind völlig bescheuerte Vorschläge.
Ich kann als Fußballfan nicht auf der einen Seite beklagen, dass Plastikclubs nachkommen, die ungleiche Voraussetzungen haben, und dann auf der anderen Seite fordern, dass dem Topclub Bremsklötze angelegt werden, damits nicht langweilig wird. Und das Auftaktspiel bestreitet nun mal traditionell der Meister. Das zu ändern, auch damit es "spannender" wird ist diese neue Mentalität, dass Sport immer ein "Event" und immer "spannend" sein muss, die mich so ankotzt. Das gilt genauso für so ziemlich alle anderen Ideen, wie man gezielt den Bayern das Leben schwerer machen kann.
Im sportlichen Wettbewerb stehen Spannung und Fairness sich diametral gegenüber. Je fairer der Sport verläuft, desto spannungsärmer ist er, weil der Bessere immer gewinnen wird. Genau genommen gibt es drei Prinzipien, die auf einer Linie liegen:
Spannung - Fairness - Sicherheit
Derzeit wird extrem stark an beiden Seiten gezerrt. Teils von den gleichen Leuten, was es besonders absurd macht. Da kommt dann heraus, kleine Teams möglichst aus den Wettbewerben zu verdrängen, weil man sich mehr Spiele zwischen den immergleichen großen Clubs wünscht (Spannung!), und gleichzeitig überall Setzlisten einzuführen, damit genau das bloß nicht zu früh passiert (Sicherheit!). Und da Spannung und Sicherheit dermaßen unvereinbar sind, wird immer stärker an diesen beiden Seiten gedreht, dass Fairness in der Mitte völlig unter die Räder kommt. Um beim Beispiel zu bleiben: Weder Meistern aus kleineren Länder drölfzig Quali-Runden zu verpassen noch sie via Setzlisten direkt rauszuschießen ist besonders fair. Wie jetzt bei der aktuellsten CL-Reform zu behaupten, man habe auch die Kleinen im Blick, im Gegenzug aber die Hälfte der Plätze sicher den Topligen zuzuschieben ist nicht anderes mehr als PR-Bullshit.
Dieses Unverhältnis ist imo einer der Hauptgründe, warum gerade der FCB sich so zementieren kann. Spannung und Sicherheit zusammen geht im Endeffekt einzig und allein durch den Kompromiss Exklusivität. Und so lange immer mehr Spannung verlangt wird und immer mehr Sicherheit verlangt wird, wird es auch weiter in diese Richtung gehen.