#1496030
Bei mir steht Football seit einiger Zeit auch deutlich über Fußball, ob es ums selbst spielen geht oder eben das Zuschauen. Die Kommerzialisierung, die mich vom Fußball weggeholt hat, finde ich hier nicht so schlimm, da es nunmal eine andere Struktur ist. Im Fußball war es mehr oder weniger so, dass man sich mit guter Arbeit aus eigener Kraft in der Bundesliga etablieren konnte, Vereine wie Mainz oder Freiburg haben das mit herausragenden Leistungen geschafft. Mittlerweile kommen aber vermehrt Konzerne und Millionäre auf den Gedanken, dass man ja ein kleines Spielzeug oder Werbeobjekt in Liga 1 haben könnte und verfrachtet das dorthin - mit dem nötigen Geld lässt sich das erkaufen.
Dazu wird es dann auch international gänzlich absurd, wenn Spieler in sportlich undeutende Ligen wechseln, weil ihnen absurde Gehälter gezahlt werden. Ich muss da auch an Aristide Bancé denken, der bei Mainz damals auf dem Sprung in die gehobene Klasse der Erstligastürmer war. Mit seinem Wechsel in eine arabische Seniorenliga hat er absurd verdient, aber auch seine Karriere ruiniert.



In den USA ist man halt auf feste Ligen beschränkt, da kann sich (einzelne Relocations mal ausgenommen) keiner so leicht in die Liga einkaufen und in den aller seltensten Fällen (NY Red Bull fällt mir als einziges ein) dient ein Franchise nur der Werbung. Bei den meisten NFL-Ownern (einige gehen ja gar nicht mal in die Öffentlichkeit) weiß man nicht mal aus welcher Branche die kommen, die besitzen halt nur ein Team. Sie können das Team auch nicht mit Geld überschütten, da halt die Salary Cap und der Draft Grundpfeiler der Sportarten sind (Ausnahme - soweit ich mich jetzt nicht täusche - die MLB). Stattdessen werden Stars sogar mal gehen gelassen, weil es vielleicht sinnvoller ist mit dem freien Geld andere Probleme zu stopfen. Andere Stars spielen ihr Leben lang bei einem Team, welches selten mal nennenswerte Chancen auf den Super Bowl hat, bspw. JJ Watt bei den Texans. Gäbe es keine Gehaltsobergrenze würden den Teams mit 30-40 Millionen im Jahr zuwerfen und Watt würde wohl zu einem Dauer SB-Contender wie den Patriots gehen. Durch die Grenze kommt es aber nicht dazu, da die Pats nicht das nötige Geld haben. Ein Watt würde auch ihnen sehr gut stehen, würde aber halt auch eine deutliche Verschlechterung auf anderen Positionen bedeuten.

Daher sind es im Fußball dann auch eher die Salary Cap geprägten Ligen wie Australien oder die MLS, die ich halbwegs verfolge. Mit dem Konzept kann ich mich mittlerweile besser identifizieren.
#1496066
Mein Interesse am Fußball ist über die letzten fünf, sechs Jahre auch auf einen totalen Tiefpunkt gefallen. Man hat mehr und mehr das Gefühl, dass alles einfach nur noch eine große Show sein soll, und "sportlicher Wettkampf" mittlerweile diametral zu den kommerziellen Interessen steht. Dass man "Spannung" zum Gütemaß des Fußballzirkus erhoben hat und sie mit absurden Winkelzügen künstlich hochhalten will. Und dass trotz all dem ständigen Gehype um Fußball-"Stars" diese doch von Jahr zu Jahr austauschbarer werden, um der Form einer idealisierten Werbefigur zu entsprechen.

Aber: Anscheinend ist der Markt da und groß für die überdimensionale Fußballshow. Ob die grotesk verunstaltete CL oder die Grottenkicks der WM/EM-Vorrunden, das Publikum strömt nach wie vor in Millionen vor die Fernseher und zumindest in Deutschland auch die Stadien. Jedes Jahr höre ich dann von allen Seiten die Leier vonwegen Übersättigung, Platzen der Fußballblase und Zuschauerzahlen, die angeblich kurz vor dem Einbrechen sind. Nichts davon ist passiert und wird es auch in Zukunft nicht. Ob nun in Katar die Teams von Sklaven aufs Feld getragen werden, in Russland in der Halbzeitpause Panzerparaden auffahren oder '26 Mosambik gegen Sri Lanka um den Einzug in die Zwischenrunde spielt, die Zuschauerzahlen werden weiter stimmen, da bin ich mir sicher.
#1496069
Dass man auf Entertainment setzt, finde ich ja nicht einmal verwerflich, das ist bei den US Sportarten ja noch viel schlimmer und ausgerechnet die, sprechen uns ja deutlich mehr an. Wie Columbo es schon schrieb, weiß man dort aber, dass man ein Produkt verknappen muss, um das Interesse hoch zu halten. Beim Fußball setzt man auf Masse statt Klasse. Das kann nicht gut gehen.
#1496073
Fernsehfohlen hat geschrieben:Also ich habe in den letzten 2-3 Jahren die NFL immer im Januar so ein bisschen verfolgt und aus meiner Sicht merkt man ihr schon sehr deutlich an, dass die arg kommerzialisiert ist. Die ständigen Werbeunterbrechungen nach gefühlt oft nur 2-3 Minuten und das ganze mediale Heckmeck um die gefühlt noch viel stärker als Fußballer zu irgendwelchen Stilikonen und Skandalnudeln hochstilisierten Spieler hat die NFL auf mich bisher immer sehr "showig" wirken lassen. Zusammen mit der Tatsache, dass da nun mal einfach überwiegend eher hochgepeitschte Muskelprotze auf dem Platz stehen, führte das immer wieder mal zu dem Eindruck, dass der Football zumindest in manchen Punkten schon ein paar Parallelen zum Wrestling hat, was Inszenierung und Testosteron-Dosen der Beteiligten angeht. Mir ist klar, dass dieser Vergleich an anderen Stellen problematisch ist, aber im direkten Vergleich wirkt da der Fußball auf mich doch noch sympathischer und weniger vom "Normalo" entkoppelt.
Naja, was heißt Muskelprotze? Es kommt eben auf die Position an, wenn du in der O-Line spielst brauchst du eben dicke Arme um Gegner zu blocken. Aber es gibt beim Football auch kleinere und flinkere Spieler, je nach Position. Radsportler bezeichnet man ja auch nicht als Muskelprotze, nur weil sie hochgepumpte Oberschenkel haben. Und an ein bisschen Show kann ich beim Sport nichts schlechtes finden, letztendlich ist TV-Sport doch wie Serien oder Filme einfach Unterhaltung und ein paar Cheerleader und eine Zeremonie vor Spielbeginn sind doch was schönes. Die Werbepausen nerven natürlich (beim Baseball noch viel mehr), aber man gewöhnt sich dran, das hat eben auch mit dem US-TV-Markt an sich zu tun, wo man eben viele kurze statt wenige lange Werbeblöcke sendet.
@Columbo: Falls du dir vielleicht auch schon einmal darüber Gedanken gemacht hast, würde mich das echt interessieren, wie die Amis diesen "planwirtschaftlichen" Schritt der von oben gelenkten Verteilung von Spielern mit ihrem sonstigen Weltbild vereinbaren können, das ja eher Richtung "der freie Markt ist immer supi" geht - zumindest im Vergleich mit uns kommunistischen Europäern. ;)
Habe ich tatsächlich schonmal und es passt tatsächlich nicht so zusammen. Aber ich erkläre mir das so, dass die Amerikanier ihre Sportligen da gedanklich abkoppeln, weil das Grundverständnis von Sport eben Chancengleichheit ist und dem Otto-Normal-Gucker letztlich ja die Politik dahinter nicht interessiert, sondern das was auf dem Platz passiert. Und der Sport ist eben auch anders organisiert. In Europa haben wir Vereine, die für sich stehen, die in verschiedenen Ligen spielen, wo jeder für sich auftritt und sich zumindest in Teilen auch selbst vermarktet. Das ist in den USA ja nicht so, da ist die NFL quasi das große Unternehmen, die über allem steht und die Franchises sind innerhalb der Liga versammelt, können da nicht rausfallen, die ganze Organisation wird durch die Liga übernommen, die Gelder werden innerhalb der Liga verteilt usw.
#1496103
vicaddict hat geschrieben:Beim Fußball setzt man auf Masse statt Klasse. Das kann nicht gut gehen.
Genau diese Sätze sind es, die ich anzweifle. Gibt es irgendwelche handfesten Indizien, dass das "nicht gut geht"? Mir scheint leider, dass all die Verwässerungen der Wettbewerbe zwar allerhand Wehklagen, aber eben auch den erhofften Publikumserfolg nach sich ziehen.

Den Entertainment-Gedanken an sich finde ich auch nicht verwerflich (wobei ich sagen muss, dass ich mit den entsprechenden US-Sports überhaupt nichts anfangen kann), aber wenn der sportliche Gedanke dahinter zurückgestellt wird finde ich das äußerst zweifelhaft.
#1496113
Durch die Stellung des Fußballs ists es allerdings auch mehr oder weniger egal ob 6 Mio. zuschalten oder 14 Mio. - Quote ists noch immer. Aber man muss halt schon aufpassen, dass man es nicht komplett übertreibt, Quantität ungleich Qualität. Nur weil Kaiserslautern den Erstligajahren hinterherjammert oder Schleswig Holstein noch nie einen Erstligisten hatte, macht man ja auch keine Bundesliga mit 36 Teams in Nord- und Süddivision...
Die Aufstockung der WM führt deutlich zu einer qualitativen Verwässerung, u.a. dadurch, dass die "Gewinner" ja Verbände sind, die keine nennenswerte Rolle spielen. Für den ein oder anderen mag des dann ganz nett sein, wenn man bei einer WM Äthiopien oder China sieht - nach den ersten 90 Minuten merkt man dann aber vermutlich auch warum diese Nationen bisher (fast) nie bei einer WM waren. Da fehlt einfach einiges zu den qualitativen Schwergewichten der jeweiligen Konförderation.

Der sportliche Gedanke wird dabei ja schon länger zurückgestellt, nicht nur international. Auch hierzulande wird der Spieltag immer weiter aufgesplittet um verzweifelt auf dem US-/Asien-Markt mitzumischen, darunter leiden dann meist die Amateurteams. Stefan Bell von Mainz 05, der nebenbei Vorsitzender seines Heimatvereins ist, hat da kürzlich im Kicker ein sehr interessantes Interview gegeben. Wenn Köln oder Mönchengladbach am gleichen Tag wie sein Heimatverein spielen, dann fehlen gleich mehrere Spieler, die zu den Profis ins Stadion fahren oder das Spiel am TV sehen wollen und in der 2. Mannschaft ist man dann froh überhaupt 11 Spieler aufs Feld zu bekommen.


Unterhalb der Bundesliga hat man diverse "Totengräber-Ligen", in denen sich ein Verein kaum entwickeln kann, weil die Gehälter immer weiter steigen, während die Vermarktung (gerade in der Regionalliga) absolut nichts einbringt, da sich kaum ein Fernsehsender für die Vereine interessiert. Dadurch haben auch Sponsoren kaum ein Interesse und man ist dann froh, wenn ein regionaler Metzger nen Tausender springen lässt.
Von den Ligen anderer Sportarten will ich gar nicht reden, ich hab selbst schon versucht Spielberichte meiner Football-Mannschaft in den kostenlosen Käseblättern der Region unterzubringen. Stattdessen berichten die lieber wie Spieler des Kreisliga C-Vereins FC Hunsrückkaff eine Mannschaftsfahrt zu einem Spiel des FC Bayern machen...
#1498396
CaptainCharisma hat geschrieben:Ich halte da erstmal die Füße still. Sind noch 10 Jahre und bis dahin, ist Infantino eh verhaftet oder im Früchtelheim und Entscheidungen überarbeitet.

Sehe ich auch so.....rotzdem verstehe ich nicht, warum es bei viel mehr Mannschaften, genauso viele Spiele, wie bisher, sein sollen/werden.... :roll:
#1498552
Sentinel2003 hat geschrieben:Sehe ich auch so.....rotzdem verstehe ich nicht, warum es bei viel mehr Mannschaften, genauso viele Spiele, wie bisher, sein sollen/werden.... :roll:
Das kannst du doch ganz simpel ausrechnen:
2 Spiele Vorrunde (weil 3er-Gruppen)
1 Spiel Zwischenrunde
1 Spiel Achtelfinale
1 Spiel Viertelfinale
1 Spiel Halbfinale
1 Spiel Finale/Platz 3

Macht in Summe maximal 7 Spiele pro Team - genauso wie bisher, wo es ein Gruppenspiel mehr gibt und dafür keine Zwischenrunde.