Fernsehfohlen hat geschrieben:Im Hinblick auf die Flüchtlingsdebatte finde ich deine Haltung aber insofern überdenkenswert, dass du implizierst, eine kritische Meinung gegenüber der Aufnahme von Hunderttausenden Flüchtlingen ginge damit einher, dass man die Flüchtlinge in eine Sündenbock-Position verfrachtet.
Das ist zu pauschal gedacht, aber viele tun genau das. Viele denken genau von A nach B und kein Stück weiter. Ebenjene sind es, die die Schuldigen sofort gefunden haben: Die bösen Flüchtlinge. Und die doofe Merkel.
Fernsehfohlen hat geschrieben:Aber in der aktuellen Form des Zustroms sehe ich einfach die akute Gefahr, dass die Spirale weiter nach unten gedreht wird und noch mehr Menschen drohen, in die Armut zu rutschen.
Dafür sorgt allein schon unser Sozialsystem und der Arbeitsmarkt, der ebenfalls durch auf Teufel komm raus gewinnorientierte Mechanismen ausgedünnt wird. Mitarbeiter werden entlassen, weil die Gewinnspanne nicht weiter wächst, sondern stagniert (also nach wie vor zuhauf schwarze Zahlen geschrieben werden). Da ist der Flüchtlingszustrom wirklich mehr oder minder ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Und das Sozialsystem wird unter anderem auch viel mehr von denen belastet, die beispielsweise ALG II beziehen und nebenbei noch schwarz arbeiten gehen. Diesen Sozialbetrug und die Steuerflucht all der Höchstverdiener, die von den Zinsen ihres Vermögens locker leben könnten - das sind zwei Stachel im System, die viel eher gezogen werden sollten.
In vielen Berufen ist ständig Bedarf, besonders in denen, für die sich der Deutsche zu fein ist. Rate mal, wer die dann machen darf. Das hatten wir vor einigen Jahrzehnten mit den "Gastarbeitern", das hatten wir in den 90ern, das haben wir jetzt auch wieder.
Fernsehfohlen hat geschrieben:Das ist dann für mein Verständnis, das sicher auch eine gewisse Egozentrik beinhaltet, im aktuellen Ausmaß einfach übertriebener Idealismus, der auf Dauer nur Chaos und weitere soziale Probleme verursachen wird. Und es wird wieder die finanzielle Unterschicht hauptsächlich treffen, wen denn sonst?
Ich würde mir gar nicht anmaßen, so weit in die Zukunft sehen zu können. Und meine Befürchtungen sind schlichtweg nicht so extrem.
bmwtop12 hat geschrieben:Ich gebe zu, mir geht es wesentlich besser, ich gehöre wohl zu diesem "gehobenen Mittelstand der Bevölkerung", wofür ich mir allerdings auch täglich den Arsch aufreisse.
Das tue ich bereits für den Mindestlohn in einem Job, der einen psychisch und physisch teilweise ziemlich auslaugt und eine Flexibilität erwartet, die sehr in den privaten Bereich einschneidet.
bmwtop12 hat geschrieben:Ich habe also einiges zu verlieren, wenn es hier mal wirtschaftlich bergab geht.
Ich hatte auch schon wunderbare Zeiten. Mit Vollzeitjob. Mit CD-Käufen pro Monat von rund 400-500 DM plus lauter anderem Kram, und es tat mir nicht weh. Vieles davon ist mittlerweile aus finanziellen Gründen wieder weg und wurde im Laufe der Jahre in ein paar Kröten Bargeld umgesetzt.
bmwtop12 hat geschrieben:Ich versuche, einen angenehmenen Lebensstandard zu halten und kann hieran nichts falsches sehen.
Das ist das gute Recht eines jeden. Ich hätte auch kein schlechtes Gewissen, gut zu verdienen. Warum auch?
bmwtop12 hat geschrieben:Gerade deswegen sehe ich den massenhaften Import von Armut kritisch, denn nichts anderes geschieht derzeit.
Deutschland wuppt das. Warum wäre das Geld für eine Olympiade da gewesen? Warum hat Deutschland Unsummen für die Fußball-WM ausgegeben? Und so weiter und so fort... Ich finde es immer etwas bizarr, dass der Staat einerseits jammert, "mir müsset spare", aber dann wieder sind Gelder da, bei denen man nur den Kopf schüttelt.
Was kann der Flüchtling dafür? Nichts. Der sucht Perspektive.
Ich glaube, einigen hier fehlt schlichtweg ein gewisses Maß an Empathie. Was würdet ihr tun, wenn hier auf einmal die Hölle los ist und ihr um euer Leben bangt und/oder auf einmal alles verliert, alles liegen und stehen lassen müsst und nur noch raus aus diesem Land wollt? Was würdet ihr tun, wenn ihr hier keinerlei wirtschaftlichen Perspektiven mehr findet? Würdet ihr nicht auch versuchen, in ein anderes Land zu fliehen?
Vielleicht ist das zu hippiesk, aber ich sehe halt immer auch die andere Seite, ich hinterfrage das Ganze immer auch auf die Art: "Was würde ich tun, wenn ich in deren Situation wäre?"
bmwtop12 hat geschrieben:Bei allem Humanismus, ein wenig Egoismus darf erlaubt sein.
Das ist auch das gute Recht eines jeden. Aber ich halte es für mehr als bedenklich, wenn man eine Einstellung der Sorte "DIE könnten mir das wegnehmen, mein Wohlstand ist in Gefahr, weil DIE jetzt alle ankommen, wegen DENEN geht es hier bergab" an den Tag legt, und das lese ich hier auf fast jeder Seite. Wenn man den Egoismus auf den Rücken derer abstellt, die selbst nur mit dem Nötigsten hier her kommen, läuft meiner Meinung nach etwas in den Köpfen falsch.
Was soll dieser "vorgreifende Sozialneid"? Dieses "ja, mir geht es gut, aber wehe, wenn dem nicht mehr so ist, dann stehen DIE ja im Weg und nehmen MIR alles weg". Dieses "WIR gegen DIE" gefällt mir nicht.
bmwtop12 hat geschrieben:Wo ist der Rest der EU? Das dazu.
Die sollte Länder wie Ungarn und Polen knallhart für ihren politischen Kurs sanktionieren. Denn so viel Heterogenität tut einer "Gemeinschaft" nicht gut.
Viele EU-Mitgliedsstaaten nehmen ebenfalls Flüchtlinge auf. Nicht so viele wie wir, aber sie tun es.
bmwtop12 hat geschrieben:Ich jedenfalls will nicht, dass mein Kind in einem Land groß wird, das vor Flüchtlingslagern überquillt. Leider wird genau das noch jahrelang geschehen.
Also:
- Grenzen hochziehen und Deutschland abschotten?
- Flüchtlinge bekämpfen und ein bisschen Krieg?
oder vielleicht:
- Selbst zum Flüchtling werden?
Wenn Du Deinem Kind ein gutes Leben ermöglichst und es dabei unterstützt, dass aus ihm ein gerades Bäumchen wird, wenn du ihm die wichtigsten Werte vermittelst, dann wird es später als erwachsener Mensch auch Perspektiven haben.
Unsere Teenager-Mädels sind, um es mal so zu sagen, mit ALG II aufgewachsen. Die soziale Schicht also, der man ja ein eher niedriges Bildungsniveau nachsagt. Warum geht die Größere der beiden in die gymnasiale Oberstufe und hat fast jedes Jahr ein brillantes Zeugnis mit lauter Einsen und Zweien (bzw. 12-15 Punkten?). Warum dreht die Jüngere der beiden im letzten Jahr nach einem dringend nötigen Schulwechsel hinsichtlich Zensuren gerade heftigst auf und hat selbst in früheren Problemfächern auf einmal großartige Noten?
Beide streben einen Beruf im pädagogischen Bereich an - einem Bereich, der händeringend nach Fachkräften sucht. Hier wachsen sie heran.
Würden sie natürlich eher etwas wie Einzelhandelskaufmann lernen (so wie eben ich, Abschluss 1999 mit damals besseren beruflichen Perspektiven), dann wäre die Zukunft natürlich zum Scheitern verurteilt. Ich versuche schon seit ewig, einen Quereinstieg zu wagen. Es ist nicht einfach, denn das Jobcenter sagt: Sie haben doch eine Ausbildung. Eine Unterstützung bekomme ich nicht - Umschulung oder Weiterbildung nur bei gesundheitlichen Einschränkungen im erlernten Beruf. Ich bin beim Quereinstieg also auf mich allein gestellt - aber ich gebe bestimmt nicht auf. Und ich suche schon mal gar keinen Schuldigen.
Fernsehfohlen hat geschrieben:Mein "Problem" mit dir ist, dass ich dich jetzt schon oft über Egoismus, aber kaum über Humanismus habe sprechen hören. Dazu wollte ich eigentlich eben auch noch sagen, dass ein Kontingent von maximal 10.000 Flüchtlingen pro Jahr für mich eigentlich das genaue Gegenextrem zur Massenzuwanderung ist, die wir derzeit haben. Deutschland ist meiner Einschätzung nach durchaus in der Lage, das Zehn- bis Zwanzigfache aufzunehmen, gerade auch im Hinblick auf die demografische Entwicklung, ohne zu Grunde zu gehen. :?
Richtig. Stichwort Alterspyramide.
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