#1504713
Sülters Sendepause: Das ESC-Drama - Dieter-Ralph Raab to the rescue!

Germany, zero points. Seit Jahren röchelt sich der deutsche Beitrag beim ESC nur noch unter dem Radar der europäischen Musikgemeinde ins Ziel. Kaum Punkte, letzte Plätze. Sieben Jahre nach Lena ist man in der Talsohle zuhause. Doch was ist hier eigentlich passiert? Und wer kann uns retten?

» http://qmde.de/93200
von Nr27
#1504714
Ich sag's ganz ehrlich: Für mich haben die deutschen Zuschauer eine erhebliche Mitschuld, die sich beim Vorentscheid regelmäßig für gefällige Popnummern entscheiden, die durch absolut nichts hervorstechen. Und angesichts des Punktesystems beim ESC ist es eben so, daß ordentliche Songs fast zwangsläufig schlechter abschneiden als schrille, polarisierende Beiträge - schließlich geben die Zuschauer keine Top 10-Liste ab, sondern nennen lediglich ihren Lieblingssong (auch wenn es sicher einige gibt, die mehrfach abstimmen), und das ist eben selten einer, den man "ganz gut" findet. Bei Lena hat die Zuschauerwahl funktioniert, weil einfach das Gesamtpaket paßte und der Song ein echter Ohrwurm war, aber sowas findet man im besten Fall alle zehn Jahre mal.

Ich würde mir wünschen, daß aus Deutschland mal wieder was Extravagantes geschickt würde, wie es bei Raab und Horn der Fall war und wie es auch andere Länder (z.B. Finnland mit Lordi) erfolgreich vorgemacht haben. In den letzten Jahren waren im deutschen Vorentscheid beispielsweise mindestens zwei Mal "Priestersongs" vertreten, die zwar nicht herausragend waren, aber sehr gut hörbar, mit starken Stimmen und definitiv auffällig - ich würde einiges darauf verwetten, daß man mit so etwas locker die Top 10 erreichen würde (zumal man mit der Thematik vermutlich in den nicht so wenigen stark religiös geprägten Ländern in Osteuropa oder auch in Spanien und Italien buchstäblich punkten könnte) ...
von Esel
#1504715
Für was sollen denn die deutschen Zuschauer sonst abstimmen, wenn nur Popsongs zur Wahl stehen? Dieses Jahr hatte einem die ARD die Wahl zwischen zwei (!) Liedern gelassen.
#1504719
Vor einiger Zeit hätte man Santiano schicken können. Die räumen jedes Jahr den Echo ab und mit Shanty-Pop-Rock könnte man sicherlich auch im Ausland Punkten. Selbst Gregorian würde ich international mehr zutrauen als denen, die wir so hinschicken. Mich stört so ein bisschen, dass man nicht mal was ungewöhnliches probiert. Die letzten Jahre war das immer ein aalglatter Auftritt mit einschlafmusik. Lena hat doch auch nur so funktioniert, weil sie frisch, lebendig, ein wenig ausgeflippt und dadurch einfach total natürlich sympathisch ankam, auch im Ausland. Die Musik war da fast schon egal, es war einfach anders. Die letzten Kandidaten waren da einfach nur beliebig, und der Song ohne jegliche Emotion.
von Sentinel2003
#1504725
Levina oder wie die junge Dame heisst, wurde erst letztens im ARD - Videotext zitiert: "der NDR/ARD lässt es eben seit Jahren so neben her laufen, es wird schon gut gehen....das wirds eben nicht! So eine Medien - Werbung wie für Lena damals gabs bis jetzt nämlich nicht mehr"!!

Kann mich auch erinnern, das Lena nach ihrem Vorentscheid Sieg damals Ihr Song im Radio bis zum ESC sooft lief, das man ihn eigentlich beim ESC kaum mehr hören wollte.
#1504732
Gut, dieses Jahr ging es ja nicht anders.
Aber ein bisschen muss man auch dem deutschen TV-Publikum die Mitschuld geben!

Beispiel 2013:
Da hatte das Publikum mal die Wahl zwischen zwei namhaften deutschen Bands (Santiano und Unheilig),
die beide auch unbedingt dabei sein wollten ... aber was wird gewählt?
Eine vollkommen unbekannte Mädchenband mit englischem Allerwelts-Austausch-Pop!
von Esel
#1504741
Elaiza fand ich gar nicht sooooo austauschbar. Und es hat allemal besser abgeschnitten als alles andere in den letzten zehn Jahren, was nicht von Raab kam.
#1504913
Es gibt schlicht mehrere große Probleme. Probleme, die Raab nicht hatte oder gekonnt umschiffte:

1. Songauswahl
Die meisten Songs der vergangenen Jahre sind einfach schlecht. Da nimmt man eine 08/15 Popnummer von einem oftmals schwedischen Komponisten und meint, dieses an Schlager erinnernde Etwas könnte was reißen. Nur, dass Schlager außerhalb Deutschlands kaum jemanden interessiert. Da nimmt man Lieder, die komischerweise oft "so ähnlich wie" (z.b. der Titanium-Gitarrenhook in diesem Jahr) klingen, was schon von vorne herein zum Scheitern verurteilt ist.
Hier müsste man mal einen richtigen Kracher schreiben. Einen, der dem Künstler Stimmgewalt abverlangt (und ganz ehrlich, Levinas Stimme war nun wahrlich nicht herausragend).

2. Sänger
Man nimmt oft so unbekannte Leute, mal etwas mehr bekannt, klatscht einen Song für sie hin und lässt diesen dann proben. Wenn dann was bekannteres (Unheilig, Santiano) oder interessanteres kommt, wirds vom deutschen Publikum nicht gewählt, aber dazu gleich mehr. Die Vorauswahl vom NDR ist schon fraglich. Die letzten "ohos" war 2013 die Unheilig / Santiano Geschichte, der selten dumme Andreas Kümmert, der letztes Jahr durchaus in die Top10 gekommen wäre, und zuvor LaBrassBanda, weil sie an Raab-sche Verrücktheit erinnerten.

3. Marketing
Die allergrößte Schwachstelle im Post-Raab Zeitalter ist aber das internationale Marketing. Raab hat es, wie auch immer, verstanden seine Acts international gut aufzustellen. Dafür hat er selbst gesorgt, indem er bei solchen Auftritten oft im Hintergrund agierte oder mitmachte. Selbst im Inland hat man kaum etwas von Levina zwischen Vorentscheid und Finale gehört.

4. Der deutsche Musikgeschmack
In Zeiten, in denen Helene Fischer 9000 Wochen in den Albumcharts steht (obwohl, die könnte stimmlich beim ESC was reißen!), ist klar, dass das deutsche ARD Publikum dann eher auf Standard Popnummer tippt, als etwas ausgefalleneres. Außer, man hat in Ausnahmefällen einen sagenhaften Sänger (Kümmert), der alle anderen an die Wand singt.
Raab hat es irgendwie geschafft mit seinen Songauswahlen eben nicht in den deutschen Klischee-Geschmack zu greifen und hat vermehrt schmissige und IMO manchmal frisch, manchmal anspruchsvoll wirkende Lieder in petto.

5. Bühnenauftritt
Was soll denn bitte eine Levina auf der ESC Bühne reißen, wenn die Videowand nur für einen einzigen, billigst gemachten Effekt in grau verwendet wird? Hier sollten die Regisseure auch mal Mut beweisen und mit der Wand und der Technik spielen. Effekte und Clips sekundengenau einstudieren, mal nen richtigen Kracher mit 3D Effekt auf die Wand klatschen... Sowas.
Ein 3 Minuten Video, das eine Geschichte erzählt, mit dem der Künstler interagiert und nicht nur den (grauen) Gesang untermalt.