#1515597
Das Peak-TV-Buzzword schlechthin ist auch nur eine Option: Der Mythos vom horizontalen Erzählen als Serien-Nonplusultra

"Serientäter" Sidney Schering kann es nicht mehr hören: Horizontales Erzählen hier, horizontales Erzählen da. Dabei ist nicht jede 45-Stunden-Story ein neues «Breaking Bad» und nicht jede Serie mit abgeschlossenen Episodenhandlungen hirnlose Wegwerfware.

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von kauai
#1515598
Ein sehr schöner Artikel, der auch meine Meinung gut wiederspiegelt. Ich konnte dem "alle Procedurals sind Schrott und nur horizontal erzählte Serien sind das qualitative Nonplusultra" noch nie etwas abgewinnen!

Für mich ist die Erzählweise nebensächlich so lange die Serie meinem Geschmack entspricht. Es gibt gute und unterhaltsame Vertreter sowohl bei Procedurals als auch in horizontaler Erzählweise.

Gleiches gilt im Übrigen für Serien, die von Kritikern mit Lob überschüttet werden oder die einen Preis nach dem nächsten abräumen. Ich nehme das interessiert zur Kenntnis, weiß aber trotzdem, daß dies nicht zwangsläufig dazu führt, daß mir die Serie gefällt.
von Familie Tschiep
#1515602
Man kann auch die Modern-Family-Folge Connection Lost für mutiges episodisches Fernsehen erwähnen. Es ist Unsinn, dass episodisches Erzählen schlechter sein muss als horizontales Erzählen. Es kommt immer darauf an, wie es gestaltet ist. Auch heißt es nicht, dass jeder episodische Serie besonders gut ist.

Pushing Daisies wurde erst richtig interessant, als sich die starre Struktur aufgelöst hatte.
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von Lumpenheinz
#1515604
Ein großer Punkt, der oft vergessen wird, ist doch auch der, dass Procedurals auch gut und gerne auf 24-Folgen-Staffeln gestreckt werden können und Serials da mit 8-13 Folgen sich gerne mal auf ihre Kernkompetenz verlassen.

Bei Mischformen, wie eben Alias oder Fringe sieht man das sehr deutlich. Man könnte die Kernhandlung auch auf sehr intensive 10 Folgen stauchen rund um Verschwörungen und Plottwists oder man baut ein stringentes, liebenswertes Universum auf, in dem auch mal unterhaltsame aber unbedeutende Abenteuer mit liebgewonnen Charakteren passieren.

Es ist toll, dass ich 100 Folgen lang meine Helden von Fringe bestaunen durfte, für wirklich nachhallende Highlights bieten allerdings nur 20-25 Folgen Stoff.

Ebenso wenig würde aber die Welt von Fargo in mehr als 10 Folgen funktionieren, da sich sonst die Einzigartigkeit der Charaktere abnutzen und diese nerven würden.
#1515607
Ohne jetzt etwas zum Artikel selbst sagen zu wollen, muss ich kurz festhalten, dass mir die Bezeichnung "horizontales Erzählen" so noch nie unterkommen ist. Gott das hört sich wirklich schrecklich nach Bürokratendeutsch an :lol: Ist das wirklich die gängige Bezeichnung für Serials bzw. serialisierte Serien? Eigentlich sollten doch hierzulande im Zuge der immer größeren Zunahme des denglischen Sprachgebrauches die Begriffe Procedural und Serial im Serienbereich geläufig sein?
#1515608
Und im Gegenzug beweisen zahllose beliebte Sitcoms («ALF», «Hör mal, wer da hämmert», «Seinfeld», usw.), Kult-Trickserien («Die Simpsons» in ihren besten Jahren, «Darkwing Duck», etc.) und Anthologieserien («Black Mirror», «Geschichten aus der Gruft» und mehr), dass abgeschlossene Episodenhandlungen keinen qualitativen Genickbruch bedeuten.
Das sind alles Serien aus vergangen Tagen und so genial die abgeschlossenen Folgen von Black Mirror waren, in Staffel 4 funktioniert das Konzept schon nicht mehr richtig.

Irgendwie lese ich zwischen den Zeilen dieses Kommentars auch nur das übliche Thema hier "klassisches TV" vs VOD. Im klassischen TV funktionieren die geschlossenen Handlungen pro Episode. Da kommt es nicht darauf an, ob man von 24 Folgen einer Staffel 5-8 verpasst.

Einer horizontalen Erzählweise mit 6-10 Folgen kann man nur folgen, wenn man jede einzelne Folge mit voller Aufmerksamkeit ansieht. Das funktioniert bequem nur als VOD für die meisten Leute.

Natürlich ist nicht alles Gold was glänzt, unter den aktuellen Serien ist eine Menge Schrott dabei. Dennoch sind die aktuellen besonders sehenswerten Serien eben zur Zeit horizontal ausgerichtet und viele aktuelle Serien mit geschlossenen Episoden haben ihren Höhepunkt lange überschritten. (Simpsons, TBBT, Supernatural, etc.)

Krimiserien muss man noch mal gesondert betrachten, da bieten sich geschlossene Fälle pro Folge natürlich an. Mich spricht zur Zeit allerdings nichts an.
#1515614
Vittel hat geschrieben:
Und im Gegenzug beweisen zahllose beliebte Sitcoms («ALF», «Hör mal, wer da hämmert», «Seinfeld», usw.), Kult-Trickserien («Die Simpsons» in ihren besten Jahren, «Darkwing Duck», etc.) und Anthologieserien («Black Mirror», «Geschichten aus der Gruft» und mehr), dass abgeschlossene Episodenhandlungen keinen qualitativen Genickbruch bedeuten.
Das sind alles Serien aus vergangen Tagen und so genial die abgeschlossenen Folgen von Black Mirror waren, in Staffel 4 funktioniert das Konzept schon nicht mehr richtig.
Ja, im ersten Teil der Argumentation wiege ich "der Hype um das aktuelle Peak TV und das damit assoziierte horizontale Erzählen" gegen "früher waren auch nicht alle Serien schlecht, selbst wenn sie episodisch erzählt wurden" auf. Weil meine Argumentation aus meiner Genervtheit gegenüber der Überreizung eines Buzzwords entwächst, daher fand ich es schlüssig, dem aktuellen Rummel erstmal Klassiker entgegenzuwerfen. Zumal es in der TV-Vergangenheit eh viel mehr Beispiele dafür gibt als im jetzt. Nur daher konnte aus einem Stilmittel solch ein vermeintliches Qualitätssiegel werden.

Und dann kommt der nächste Schritt in der Argumentation. Der auch einen Schritt nach vorne, als ins Heute macht: Mit Netflix' episodischer Serie "Master of None" als Exempel dafür, dass es episodisches Erzählen noch immer gibt und sogar in hoch ambitionierter Form. :wink:

Und @Florence: "Serials" vs. "Procedurals" ist zwar ebenfalls geläufig, wird aber sehr fix mit dem Crime-Genre assoziiert, ist also was spezifischer. Da ich Drama und Comedy ansprechen wollte, wurde es der allgemeinere Begriff. Lustig, dass du dem bisher entgehen konntest. Glückwunsch. :D :)
#1515615
Früher waren bestimmt nicht alle Serien schlecht, aber kann man das in die heutige Zeit übertragen?

Alf und Darkwing Duck waren Kinderserien, Hör mal wer da hämmert fand ich damals und heute mit Nostalgiebrille auch toll. Würde ich mir so etwas ähnliches heute noch ansehen? Bestimmt nicht.

Die Ansprüche an Serienepisoden sind im Laufe der Zeit gestiegen. 40-60 Minuten für Einführung, Hintergrundgeschichte, Vorstellung der Charaktere, Handlungsverlauf und Ende, das ist einfach viel zu kurz, um tiefgründig etwas zu erzählen.

Master of None werde ich mir ansehen, danke für den Tipp. Allgemein glaube ich aber, dass Comedy sich zur Zeit schwer tut.

Natürlich können beide Erzählweisen nebeneinander existieren. Eine Serie muss unterhalten, mehr nicht.
#1515617
Vittel hat geschrieben:Früher waren bestimmt nicht alle Serien schlecht, aber kann man das in die heutige Zeit übertragen?

[...]

Die Ansprüche an Serienepisoden sind im Laufe der Zeit gestiegen. 40-60 Minuten für Einführung, Hintergrundgeschichte, Vorstellung der Charaktere, Handlungsverlauf und Ende, das ist einfach viel zu kurz, um tiefgründig etwas zu erzählen.
Die Frage versuche ich ja ebenfalls aufzuwerfen. :D Denn ich versuche ja zu erklären, dass es manchmal eben doch reicht, episodisch zu erzählen, denn auch wenn es als chic gilt, seriell zu erzählen, kommt da halt auch mal Murks bei raus. Und je nach Erzählhaltung kann eine "Kurzfilmsammlung" mit festem Ensemble, um mal episodische Serien was bunter zu bezeichnen, tiefgründiger oder wenigstens prägnanter sein als "Walter-White-Abklatsch #15 ist 30 Stunden lang moralisch undurchschaubar".

Gleichzeitig kann episodisches Erzählen auch sehr flach ausfallen, wie du zurecht sagt. Mir ging's mit dem Artikel ja, wie eingangs in ihm erwähnt, darum, nochmal zu unterstreichen: "Beides sind Erzählformen, keine ist von Natur aus unfehlbar".

Und jetzt hoffe ich sehr, dass du an "Master of None" Spaß hast. (Leider ist die Synchro sehr schwach, also empfehle ich hier mal ganz beiläufig den O-Ton. :) )
#1515619
rosebowl hat geschrieben: Das klingt natürlich viel besser :D
Und ja, "horizontal" ist ein absolut geläufiger Begriff in dem Zusammenhang.
Das vielleicht nicht, aber Serial ist die mir geläufige Bezeichnung, auch im deutschprachigen Raum, wo dann eben im Zusammenhang von serialiserter Erzählweise geschrieben wird. Horizontales Erzählen habe so noch nicht gehört. Was ist dann ein Procdural, vertikales Erzählen? :lol:
von Constable
#1515622
Eigentlich sollte das ja kein großes Thema sein. Denn wer behauptet, dass horizontales Erzählen das Nonplusultra sei, der hat vielleicht nicht genügend Überblick - gleiches gilt für die dem entgegengesetzte Sichtweise.

Das spricht natürlich nicht gegen individuelle Vorlieben. Ich persönlich bevorzuge auch Serials, allerdings ist es auch wünschenswert, wenn dennoch das eigentliche Episodenformat respektiert und nicht einfach nur ein Film in zehn Teile zerstückelt wird. Das angesprochene "Fringe" machte das z.B. sehr schön: ohne die vielen Einzelfolgen würde auch dem Serial-Teil der Unterbau fehlen - somit ist vielleicht (wie so oft im Leben) die goldene Mitte, die Mischform sozusagen, das eigentliche Nonplusultra.
von Sentinel2003
#1515628
Ich finde es schon schade, das der Trend nach wie vor zu sehr kurzen Serien Staffeln mit zwischen 10-13 Folgen weiterhin bleibt und die Serien mit über 20 Folgen immer weniger werden.