Enemy
Enemy beginnt mit einer rätselhaften Szene und wird im Verlauf auch nicht weniger rätselhaft, wobei man der Geschichte dennoch angenehm folgen kann, auch wenn man nicht sofort weiß, was man nun aus dem Gesehenen machen soll.
Atmosphärisch ist Denis Villeneuves Film eine Wucht: die dunkle und nahezu immer vorhandene Musikuntermalung suggeriert omnipräsente Bedrohung, Räume sind in gelblich-sepiafarbenes, irgendwie jenseitiges Licht gehüllt, in wunderbaren Ansichten der Stadtarchitektur wirkt diese merkwürdig leer und undurchdringlich und die Vogelperspektive evoziert ein unheimliches Gefühl der Präsenz einer Übermacht.
Jake Gyllenhaal liefert wahrscheinlich zwei seiner besten Performances seiner bisherigen Karriere ab. Adam und Anthony sind unterschiedliche Typen und Gyllenhaal schafft es, selbst in kleinen Gesten und Mimiken, in der Art, wie sie sich bewegen, sprechen und reagieren, diese Unterschiedlichkeit herauzustreichen, ohne dabei platt und stereotyp zu wirken. Trotzdem erreicht den Zuschauer eine angemesse Unsicherheit, wenn Gyllenhaal in einer neuen Szene zu sehen ist; man braucht manchmal ein wenig, um zu erkennen, wen von beiden er gerade darstellt, was der Alptraumhaftigkeit und dem Thema der Identität nur zugute kommt.
Entschlüsseln konnte ich das Ganze nicht. Nachdem ich ein, zwei Theorien gelesen habe, bekomme ich aber Lust, mir
Enemy nochmal anzuschauen. Dann sollte ich mich aber noch ein bisschen mehr damit beschäftigen. Das Lesen der Romanvorlage soll keine große Hilfe sein, da der Plot da anders aufgelöst wird.
8/10 mit Sternchen
Mirror Mirror
Karen Black zieht mit ihrer Tochter Rainbow Harvest nach einem tragischen Verlust in eine neue Stadt. So weit, so bekannt. Rainbow Harvest spielt in diesem weitestgehend zahmen Horrorfilmchen den äußerst schüchternen, dafür aber expressiv in komplett schwarzem Gothicpunkstyle gekleideten Teenager Megan, der in seiner neuen Schule natürlich sofort in die Outcast-Schublade gesteckt wird. Megans mobbende Mitschülerinnen wissen aber nicht, dass in ihrem Zimmer ein verfluchter Spiegel steht, der ihr sämtliche Wünsche zu erfüllen scheint ...
Irgendwie ist es erfrischend, eine weibliche Hauptfigur zu sehen, die so over-the-top und entgegen eingrenzender Schönheitsnormen gekleidet ist. Ihre Schüchternheit scheint dieser individuellen Selbstäußerung erstmal konträr entgegen zu stehen, macht Megan aber recht sympathisch und ihre Gefühlswelt authentisch. Ein Spiegel ist dabei eigentlich ein klasse Sinnbild für ihre inneren Dämonen und entstehenden dunklen Wünsche.
Schöner wäre es allerdings gewesen, wenn die Entwicklung Megans subtiler vonstatten gegangen wäre. Irgendwann ist Megan aber anscheinend einfach vom bösen Spiegel besessen und hat dabei einige Leichen auf dem Gewissen (oder auch nicht, denn es ist ja eher der Spiegeldämon), bis sie dann realisiert: tut mir leid. Dazu gibt's dann Wind und umherfliegende Gegenstände wie in sämtlichen Haunted House Filmen.
Mirror Mirror ist insgesamt schon ein ganz okayer Film, aber nicht besonders gut. Schwanke zwischen 4 und 5, deswegen:
4/10 mit Sternchen
Source Code
A nice spin on time travel. Technisch ein durchweg solider Streifen, sowohl was Cinematographie und Effekte als auch die musikalische Untermalung und das Sounddesign betrifft. Auch Jakey schauspielert anständig, sein Talent wird aber nur in seinen emotionalen Szenen ersichtlich. Die Logik des Projekts Source Code steht zugegebenermaßen auf äußerst wackligen Beinen, das wirkt aber weniger störend als das Ende.
Ansonsten funktioniert der Film aber vor allem auch auf emotionaler, ethisch-philosophischer Ebene, beschäftigt sich etwa mit dem Mensch als Waffe und dessen Rechtfertigung und mit der Gewissheit des Todes.
Source Code hat also Mängel, ist aber vor allem für seine Ideen sehenswert.
7/10
Edge of Sanity
Anthony Perkins spielt in diesem kruden Machwerk wie so oft in seiner späteren Filmographie einen nervösen, von inneren Dämonen gequälten Serienkiller. Diesmal allerdings in einer Doppelrolle - und zwar als Dr. Jekyll and Mr. Hyde, der in dieser Neuinterpretation außerdem der berüchtige Jack the Ripper ist. Regie dieser britischen Produktion führte der Franzose Gérard Kikoïne, der zuvor vor allem Pornos drehte.
Edge of Sanity ist ein ziemlich merkwürdiger Film. Kikoïne erschafft durchaus ein paar bemerkenswerte Bilder, in denen kräftiges Rot für Blut, Tod und Sex steht, und nutzt schräge Winkel, um die durch exzessiven Opiumkonsum veränderte Wahrnehmung Hydes zu vermitteln. Auch das Einfangen von verzerrten Schatten gefällt. Das England des 19. Jahrhunderts wirkt fast stimmig, wenn man von den Figuren absieht, die nicht sehr authentisch in die dargestellte Zeit eingebettet sind, und die Musik ist zwar nicht sonderlich distinktiv, aber dennoch bemerkenswert hochwertig für einen Film wie diesen.
Und trotzdem folgt Szene auf Szene, ohne dass auch nur irgendwelche Spannung und Atmosphäre erzeugt wird. Vielleicht ist das Kikoïnes Background als Pornoregisseur geschuldet, schließlich sind Spannung und Atmosphäre dort unwichtig. In einem Unterhaltungsfilm benötigt man sie allerdings umsomehr.
Statt einen Spannungsbogen aufzubauen, begnügt sich der Regisseur mit seltsamen Sexszenen, in denen Hyde einen voyeuristischen Fetisch hegt, und darauf folgende Schnitte durch die Kehle. Zu den Perversionen dieses Streifens gehört etwa eine Szene, in der sich Hyde mit einer Prostituierten, die sich gerade mit seinem Gehstock befriedigt, von einem Zuschauer beobachten lässt, was ersteren sichtlich erregt. Und dann noch eine Szene, in der Hyde "seine" Prostituierte mit einem anderen Mann Sex haben lässt und ihnen dabei onanierend zuschaut. Ein Erlebnis in der Kindheit wird hier außerdem zum allgegenwärtigen Trauma, was vollkommen blödsinnig und lächerlich wirkt.
Schließlich fragt man sich, was der Film nun eigentlich will, was sein Sinn sein soll. Er schwebt irgendwie zwischen Over-the-Top Camp und dem eventuellen Wunsch, ernstgenommen zu werden und etwas über die Dualität von Gut und Böse aussagen zu wollen, dabei erreicht er aber weder das eine noch das andere.
Die Darsteller sind fast alle austauschbar, was aber auch daran liegt, dass sie keine wirkliche Bedeutung haben (von Jekylls Frau mal abgesehen). Die Auftritte des Polizeiinspektors zum Beispiel scheinen nur da zu sein, weil sowas eben rein muss.
Der Film ist ganz auf seinen Hauptdarsteller zugeschnitten, aber seiner Leistung stehe ich ambig gegenüber. Perkins wechselt zwischen sympathisch, langweilig und over-acted als Jekyll und verrückt, genießerisch over-the-top und campy als Hyde. Dass er so oft als gequälter Psycho getypecasted wurde, wäre halb so schlimm, wenn die Rollen und Filme gut gewesen wären.
Edge of Sanity allerdings ist zum Großteil eher widerwärtiger, sinnloser Schrott.
3/10