Das Erste, ZDF, Dritte (WDR, NDR etc.), Spartensender von ARD & ZDF (One, ZDFneo, ZDFinfo etc.)
von Waterboy
#1467468
Tja die Staatsaffäre geht weiter und die Regierung lässt die Ermittlungen zu.

Beruft sich dabei auf den Paragraphen 103 den
Man aber gleichzeitig als veraltet ansieht und überarbeiten will.

Merkel hat sich wahrlich keinen Gefallen getan damit überhaupt auf das Gedicht zu reagieren und die Reaktionen morgen in allen Medien kann man sich denken.
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von Neo
#1467472
Hach ja. Immer wieder am Start, was?

Nicht wirklich überraschend, aber doch sehr ernüchternd. Eigentlich ein Armutszeugnis, wie sehr man da buckelt. Das zeigt mir mal wieder, wie gerne ich doch jemanden hätte, der richtig auf den Tisch haut. Auch unabhängig von dieser "Affäre". Alles so schwammig und intransparent.
Herr Vorragend hat geschrieben:Dieses Argument überzeugt mich jetzt nicht, denn was vorab als Clip der Woche ausgewählt wird, dürfte doch bestimmt eher auf anderen Überlegungen basieren. Ich kann mir jedenfalls gerade schwer vorstellen, dass man bei dieser Entscheidung einem schnell hingerotzten Gedicht auf Deutsch den Vorzug gegenüber einem vglw. aufwändig produzierten Clip wie "Be Deutsch" geben würde, bei dem man sich zurecht viel grössere Chancen erhoffen dürfte, über YouTube etc. sogar international Beachtung zu finden.
Es ging wohl eher darum, dass man das Gedicht nicht vorab zeigen wollte und somit der Gefahr läuft, dass es gleich komplett rausgenommen wird. Und ja, wäre das ein aufwändiger Clip gewesen (Studioaktionen werden ohnehin nie vorher veröffentlicht), hätte man es eher genommen, hat man eben aber bewusst nicht so aufbereitet. Trotzdem war das Gedicht keine Hauptaktion. Ich würde den Hashtag eher als Argument heranziehen.

Die türkischen Untertitel waren klar ein Stilmittel. Nicht mehr, nicht weniger. So als kleines "No, he didn't"-Moment. Frage mich eh, was man friemeln will. Das Gedicht muss im Kontext gesehen werden und so sind es eben nicht nur roh aneinandergereihte Beleidigungen aus Eigenhass, sondern eben nur ein möglichst provokatives Gedicht, was die Grenzen überschreitet und mit dem Vorlauf (Video, welches vorausging und Erklärungen) seinen Zweck erfüllt.
Lustig...naja, als Gedicht fast noch niedlich und nicht so plump, wie es sonst noch hätte sein können und die Beleidigungen, jo, ich mag auch Zini nicht besonders. Aber wers mag. Für ein paar "hohoho" Lacher war es ja gut.
#1467475
Aus meiner Sicht eine typische Merkel-Entscheidung: Im Zweifelsfall im Sinne der Mächtigen, mit kleinen Leckerlis garniert, damit die Gegenseite nicht allzu sehr revoltiert und im Duktus beschwichtigend und einlullend. Vor der Flüchtlingskrise ist sie damit immer durchgekommen, egal wie absurd es war, jetzt... kann ichs wirklich nicht sagen. Eigentlich find ich die Botschaft "natürlich buckel ich vorm Erdogan - aber jetzt wirklich das letzte Mal, dann nie mehr, Ehrenwort!" fast zu simpel für jedermann zu dechiffrieren, aber vielleicht vertue ich mich auch.

Womit ich übrigens nicht sagen möchte, dass ich mir sicher bin, dass das Gedicht da ganz koscher ist. Aber das hätte auch über den ganz normalen Beleidigungsparagraphen laufen können.

Ich hab so eine Vermutung, welches Thema die AfD nun ganz frisch für sich entdecken wird. :lol:


Fohlen
von Jan_Itor
#1467480
Ich finde die Regierung hat das einzig richtige gemacht. Das Gesetz existiert nun einmal und es ist Aufgabe eines ordentlichen Gerichtes über Schuld oder Unschuld zu entscheiden. Merkel und Anhang durften die Entscheidung doch niemals davon abhängig machen, ob sie mit einem Schuldspruch rechnen, oder nicht. Ich war immer der Meinung, dass eine grundsätzliche Vermutung, dass ein Strafantrag statthaft sein könnte, dafür ausreichen sollte, dass die Bundesregierung eine Klage zulässt.
Die Abschaffung des Gesetzes halte ich auch für richtig. Aber das liegt in der Zukunft, und kann nicht maßgeblich für die Entscheidung sein.

Das ganze Geschwätz von Gefahr für Meinungs- und Pressefreiheit im Zusammenhang mit dieser Affäre habe ich von Anfang an für völlig übertrieben gehalten. Da gibt es in diesem Staat ganz andere Ansatzpunkte, über die man in dem Zusammenhang diskutieren könnte. Aber die Kausa Böhmermann hat es mal wieder vielen Wichtigtuern erlaubt ihre emotionalisierten, inhaltlich wenig gehaltvollen geistigen Ergüsse in den Medien zu platzieren.
#1467481
Richtige Entscheidung. Wir leben nunmal in einem Rechtsstaat und da zählen Entscheidungen von Richtern und nicht von Juristen, Journalisten oder Meinungsmachern und ihren Einschätzungen, Vorverurteilungen oder Spekulationen.
#1467482
So lächerlich ich dieses Affentheater um dieses hypothetische, fiktive Gedicht finde, so nachvollziehbar finde ich die Entscheidung. Der Regierung steht es nicht zu, über rechtliche Dinge zu entscheiden. Dafür gibt es bei uns Gerichte. Ich hoffe, das ZDF steht bis zur letzten Instanz zu Böhmi.
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von Neo
#1467483
Man hätte es nicht zu etwas politischen machen dürfen. Man wollte wohl beschwichtigen, aber die Äußerungen haben schlicht dazu geführt, dass es so aufgebauscht wurde. Wäre mir nicht mal so sicher, ob man dann überhaupt rechtliche Schritte gegangen wäre. So hat es eben einen Beigeschmack und fällt unter eine Art Machtdemonstration. Nicht, dass da Größeres für Böhmermann zu befürchten wäre. Ehrlich gesagt glaube ich nicht mal an eine Geldstrafe, aber insgesamt war das alles einfach extrem unglücklich und das so ziemlich von allen Seiten.

Naja, jetzt wirds hoffentlich wieder ruhiger.
#1467486
Waterboy hat geschrieben:Merkel hat sich wahrlich keinen Gefallen getan damit überhaupt auf das Gedicht zu reagieren
Aber darauf reagieren musste sie doch zwangsläufig, weil §104a StGB nun mal eine Entscheidung der Bundesregierung zwingend verlangt... :?
Über diesen Umstand waren Merkel und die Bundesregierung zwar sicherlich alles andere als glücklich, weil sie sich da am liebsten komplett herausgehalten und auf die Gewaltenteilung verwiesen hätten, aber es half ja nix, das Dilemma war unausweichlich.

Die Entscheidung, zeitnah den Paragraphen §103 StGB abzuschaffen oder zumindest zu ändern, kann ich aber ausnahmsweise mal nur loben. Auch wenn es schon rein aus Eigeninteresse der Bundesregierung nur nachvollziehbar ist. Im gleichen Zug §90 StGB mit abzuschaffen wäre aber noch viel wichtiger. Der ist nämlich noch viel anachronistischer als §103, und bei §103 kann man wenigstens noch den nachvollziehbaren Sinn dahinter erkennen.

Für mich hätte man es wie gesagt bei dieser Entscheidung belassen können, und hätte die Ermächtigung zur Strafverfolgung mit Hinweis auf die geplante Abschaffung des Paragraphen verweigern können. Dass es jetzt doch anders kommt, ist im Endeffekt aber auch nicht so schlimm. Dass Böhmermann dafür in den Knast kommt, muss niemand befürchten, es wird maximal auf eine Geldstrafe hinauslaufen, die er aus der Portokasse bezahlen wird. Bzw. der Gebührenzahler. Wenn nicht sogar alle seine neuen Freunde von Pegida, AfD & Co. einen Spendenaufruf zur Übernahme der Geldstrafe für ihn starten werden, weil er es den "verschissenen Moslems" mal so richtig gezeigt hat. :wink:
Selbst Erdogans Anwalt hat ja bereits gesagt, dass es letztlich nicht zu einer wirklich harten (Haft)Strafe kommen wird, sondern die Strafe lediglich angemessen sein soll, ihn auf den rechten Weg zurückzuführen.

Unter'm Strich finde ich die Entscheidung der Bundesregierung jedenfalls nachvollziehbar und gut. Die meisten anderen Optionen hätte ich schlechter gefunden.

EDIT: Wie ist das jetzt eigentlich mit dem Umstand, dass Böhmermann jetzt nach zwei, und zwar zwei im Grunde fast identischen Tatbeständen angezeigt ist? Einmal "gewöhnliche" Beleidigung nach §185, einmal die spezielle Beleidigung nach §104?
Würde ja nun reichlich absurd und peinlich für die Judikative wirken, wenn es dafür bspw. zwei getrennte Prozesse gäbe, und der Richter in dem einen Prozess auf unschuldig entscheidet, der Richter in dem anderen Prozess hingegen auf schuldig... :wink:
#1467490
Herr Vorragend hat geschrieben:Für mich hätte man es wie gesagt bei dieser Entscheidung belassen können, und hätte die Ermächtigung zur Strafverfolgung mit Hinweis auf die geplante Abschaffung des Paragraphen verweigern können.
Nee, was soll denn das für eine Begründung sein? "Ups, sorry, wir haben da durch ihr Ansinnen ein altertümliches Relikt in unseren vielen alten Gesetzen gefunden. Eigentlich gehört das doch abgeschafft, also keine Strafverfolgung. Sorry, noch mal."
Nein, die §§ stehen so da, wie sie eben da stehen. Abschaffen kann man die jetzt mal, wo man darauf aufmerksam geworden ist. Für dieses Sachverhalt hat das jedoch keine Relevanz zu haben.
von Sid
#1467495
Herr Vorragend hat geschrieben: Dieses Argument überzeugt mich jetzt nicht, denn was vorab als Clip der Woche ausgewählt wird, dürfte doch bestimmt eher auf anderen Überlegungen basieren. Ich kann mir jedenfalls gerade schwer vorstellen, dass man bei dieser Entscheidung einem schnell hingerotzten Gedicht auf Deutsch den Vorzug gegenüber einem vglw. aufwändig produzierten Clip wie "Be Deutsch" geben würde, bei dem man sich zurecht viel grössere Chancen erhoffen dürfte, über YouTube etc. sogar international Beachtung zu finden.
Klar war der Grund, "Be Deutsch" vorab und alleinstehend zu veröffentlichen, dass es ein stärkerer und ohne Kontext verständlicher Beitrag ist, mit Potential, auch außerhalb Deutschlands Resonanz zu erzeugen. Dennoch führte die Nichtveröffentlichung des Gedichts als Soloclip dazu, dass es nur im Kontext gesehen werden konnte. Soll heißen: Man musste "eine kleine, gebührenfinanzierte Losershow" in der ZDF-Mediathek oder bei ZDFneo schauen. In deutscher Sprache. Um dann irgendwann zum umstrittenen Punkt zu gelangen. Zielgruppe: Deutschsprachige Zuschauer einer Comedyshow. Und für diese Zielgruppe sind die Untertitel nur das i-Tüpfelchen.

Wäre das Gedicht an Stelle von "Be Deutsch" ohne Kontext vorab veröffentlicht worden, hätte die Gegenseite guten Grund, zu behaupten, es sei Absicht gewesen, Erdogan zu beleidigen. Wäre es mit (ununtertiteltem Kontext) so veröffentlicht worden, sähe ich das schon anders, denn das ganze für nichtdeutschsprachige Zuschauer unverständliche Blabla gehört ja wohl dazu. Trotzdem würde ich sehen, wie man auf die Idee kommen kann "Es ist ein Video, das keineswegs edukatorischen Zweck hat, sondern viral groß rauskommen soll und extra die Zielgruppe vergrößert, indem es untertitelt wird". Aber so, wie es letztlich war ..? Naja ...
#1467500
Kaffeesachse hat geschrieben: Nee, was soll denn das für eine Begründung sein? "Ups, sorry, wir haben da durch ihr Ansinnen ein altertümliches Relikt in unseren vielen alten Gesetzen gefunden. Eigentlich gehört das doch abgeschafft, also keine Strafverfolgung. Sorry, noch mal."
Nein, die §§ stehen so da, wie sie eben da stehen. Abschaffen kann man die jetzt mal, wo man darauf aufmerksam geworden ist. Für dieses Sachverhalt hat das jedoch keine Relevanz zu haben.
Ich verstehe zwar was Du meinst, man kann es aber auch anders sehen. Das jetzige Statement drückt stattdessen doch aus: "Wir finden, dass überhaupt niemand mehr wegen diesem Paragraphen verurteilt werden sollte, weswegen wir ihn bis 2018 ganz abschaffen möchten, wodurch die Strafverfolgung dieses Tatbestandes dann verunmöglicht ist. Gleichzeitig erlauben wir jetzt aber doch noch die Strafverfolgung." So 100%ig konsistent ist die Logik dahinter doch auch nicht...

Und nur weil Paragraphen nun mal immer noch so da stehen, müssen sie nicht zwingend angewendet werden. In der Verfassung des Bundeslandes, in dem ich wohne, steht auch heute noch schwarz auf weiss, dass es die Todesstrafe noch gibt. (Artikel 21) Da wird dann auch wieder nur anders begründet, wieso das nicht mehr zur Anwendung kommt und warum der Paragraph trotzdem noch nicht längst gestrichen ist.
#1467505
Für mich ist das konsistent, weil ich jetzt anwenden muss, was JETZT im Gesetz steht. Und wenn mir dabei auffällt, dass das ganz blöd ist und ich zu doof war, das bis jetzt zu entdecken, dann kann das auch nur für eventuelle zukünftige Taten gelten, wenn ich das nicht mehr anwenden will.
Und zur Todesstrafe: Bundesrecht bricht Landesrecht. Das ist ganz einfach. :)

Wann gibt's denn nun endlich eine neue Ausgabe NMR? 8)
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von Neo
#1467507
Ey, Anne Will. Wieso hatte ich denn kein Bock auf die Sendung, wenn so geniale Typen wie Pörksen oder Serdar da sitzen? Das trifft meine Meinung so auf den Punkt, ich hätte hier gar nichts groß schreiben, sondern nur zitieren können. Verständlicher, klarer und schöner kann mans einfach nicht sagen. :o
Kaffeesachse hat geschrieben:Wann gibt's denn nun endlich eine neue Ausgabe NMR? 8)
Ich hoffe doch in der kommenden Woche. Was gibts da jetzt noch zu berichten, wenn nicht irgendwelche Heinis sich noch weiter dazu äußern wollen?
#1467508
Kaffeesachse hat geschrieben:Für mich ist das konsistent, weil ich jetzt anwenden muss, was JETZT im Gesetz steht. Und wenn mir dabei auffällt, dass das ganz blöd ist und ich zu doof war, das bis jetzt zu entdecken, dann kann das auch nur für eventuelle zukünftige Taten gelten, wenn ich das nicht mehr anwenden will.
Im Gesetz steht JETZT aber doch auch, dass die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung auch einfach verweigern kann. Auch das wäre nach geltendem Recht völlig rechtens.
Dennoch gebe ich nach nochmaligem Nachdenken zu, dass Du mich vom Grundsatz her überzeugt hast. Die nun getroffene Entscheidung ist eigentlich die beste und rechtsstaatlichste Option, die Strafverfolgung zu verweigern wäre die schlechtere Option gewesen.
Kaffeesachse hat geschrieben:Und zur Todesstrafe: Bundesrecht bricht Landesrecht. Das ist ganz einfach. :)
Als Bewohner des besagten Bundeslandes ist mir die Begründung durchaus bekannt. Aber schön, dass Du googlen kannst. :twisted:
#1467509
Herr Vorragend hat geschrieben:
Kaffeesachse hat geschrieben:Und zur Todesstrafe: Bundesrecht bricht Landesrecht. Das ist ganz einfach. :)
Als Bewohner des besagten Bundeslandes ist mir die Begründung durchaus bekannt. Aber schön, dass Du googlen kannst. :twisted:
Nee, ich hab das mal 'ne lange Weile studiert. Zwar erfolglos, aber ein bisschen was hab ich mir dann doch gemerkt. :P :mrgreen:
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von schorsch
#1467516
Ich habe ab dem heutigen Tag absolut kein Verständnis mehr für Merkel - wenn der Paragraph 103 abgeschafft werden soll weil er nicht mehr zeitgemäß ist, warum lassen sie dann die Strafverfolgung lt. genau diesem Paragraphen zu? Kann mir das mal einer erklären?
#1467517
schorsch hat geschrieben:Ich habe ab dem heutigen Tag absolut kein Verständnis mehr für Merkel - wenn der Paragraph 103 abgeschafft werden soll weil er nicht mehr zeitgemäß ist, warum lassen sie dann die Strafverfolgung lt. genau diesem Paragraphen zu? Kann mir das mal einer erklären?
Weil man ihn hätte lange abschaffen müssen, wenn man es denn wollte. Bestehende Gesetze sind nun einmal anzuwenden, auch wenn einem dabei auffällt, dass sie doof sind. Aber abzuschaffen sind sie nur für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit. Auch nicht 2 Wochen rückwirkend. Was ist daran so schwer zu verstehen?
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von schorsch
#1467518
Kaffeesachse hat geschrieben:
schorsch hat geschrieben:Ich habe ab dem heutigen Tag absolut kein Verständnis mehr für Merkel - wenn der Paragraph 103 abgeschafft werden soll weil er nicht mehr zeitgemäß ist, warum lassen sie dann die Strafverfolgung lt. genau diesem Paragraphen zu? Kann mir das mal einer erklären?
Weil man ihn hätte lange abschaffen müssen, wenn man es denn wollte. Bestehende Gesetze sind nun einmal anzuwenden, auch wenn einem dabei auffällt, dass sie doof sind. Aber abzuschaffen sind sie nur für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit. Auch nicht 2 Wochen rückwirkend. Was ist daran so schwer zu verstehen?
Die Regierung hätte ja nicht zustimmen müssen wenn sie den Paragraph 103 für entbehrlich hält. Sie hätte sagen können es gibt keine Strafverfolgung weil uns gerade aufgefallen ist dass dieses Gesetz doof ist
#1467519
schorsch hat geschrieben:
Kaffeesachse hat geschrieben:
schorsch hat geschrieben:Ich habe ab dem heutigen Tag absolut kein Verständnis mehr für Merkel - wenn der Paragraph 103 abgeschafft werden soll weil er nicht mehr zeitgemäß ist, warum lassen sie dann die Strafverfolgung lt. genau diesem Paragraphen zu? Kann mir das mal einer erklären?
Weil man ihn hätte lange abschaffen müssen, wenn man es denn wollte. Bestehende Gesetze sind nun einmal anzuwenden, auch wenn einem dabei auffällt, dass sie doof sind. Aber abzuschaffen sind sie nur für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit. Auch nicht 2 Wochen rückwirkend. Was ist daran so schwer zu verstehen?
Die Regierung hätte ja nicht zustimmen müssen wenn sie den Paragraph 103 für entbehrlich hält. Sie hätte sagen können es gibt keine Strafverfolgung weil uns gerade aufgefallen ist dass dieses Gesetz doof ist
Und wenn wir das ein Mal machen, dann bürgert es sich irgendwann ein, dass nach Gesicht entschieden wird, ob ein Paragraf gerade doof ist oder nicht ...
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von schorsch
#1467521
Kaffeesachse hat geschrieben: Und wenn wir das ein Mal machen, dann bürgert es sich irgendwann ein, dass nach Gesicht entschieden wird, ob ein Paragraf gerade doof ist oder nicht ...
Wenn man plant einen Paragraphen abzuschaffen und man die Möglichkeit hat die Strafverfolgung aufgrund diesen Paragraphen zu verweigern, warum tut man es dann nicht?

Ich kann der Entscheidung der Bundesregierung nichts Positives abgewinnen. Wenn man schon der Strafverfolgung zustimmt müsste man auch für die Beibehaltung des Paragraphen sein. Hier haben sie sich in einer Lose-Lose-Situation für eine noch blödere Variante entschieden
#1467522
Letzte Bemerkung von mir dazu: Dann müsste man die Abschaffung wenigstens bereits vorher geplant haben. Jetzt, wo es in einem Fall plötzlich akut wird, ist es einfach zu spät. Es ist unfair gegenüber dem, der sich auf das nun mal bestehende Gesetz beruft, egal wer das auch immer ist.
#1467524
schorsch hat geschrieben:Die Regierung hätte ja nicht zustimmen müssen wenn sie den Paragraph 103 für entbehrlich hält. Sie hätte sagen können es gibt keine Strafverfolgung weil uns gerade aufgefallen ist dass dieses Gesetz doof ist
Genau so habe ich das ja auch gesehen, und ich finde auch immer noch, dass man völlig zurecht so argumentieren kann.

Aber betrachte es mal so: Merkel kann ja gar nicht einfach über den Kopf des Parlaments etc. hinweg bestimmen, dass der entsprechende Paragraphen tatsächlich abgeschafft wird. Sie kann sich nur für entsprechende Änderungen stark machen.

Aus streng rechtsstaatlicher Sicht, von wegen Gewaltenteilung und so, ist die Ermächtigung zur Strafverfolgung auch die beste Option:
Hätte sie die Strafverfolgung verweigert, hatte sie im Grunde damit die Rolle der Judikative übernommen und Böhmermann gewissermassen für unschuldig erklärt. (Nicht wirklich, aber es würde ein wenig so wirken).
So hingegen wäscht sie sich die Hände geschickt in Unschuld und drückt damit aus: Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, ein vorschnelles Urteil über Straftaten und deren Verfolgung zu fällen. Das sollen bitteschön Richter übernehmen.

Der andere, in Wahrheit viel ehrlichere, aber nicht explizit ausgesprochene Grund ist, dass die Ermächtigung zur Strafverfolgung auch in Hinblick auf die diplomatischen Beziehungen zur Türkei eben die beste Wahl war.
von Sid
#1467525
Kaffeesachse hat geschrieben:Letzte Bemerkung von mir dazu: Dann müsste man die Abschaffung wenigstens bereits vorher geplant haben. Jetzt, wo es in einem Fall plötzlich akut wird, ist es einfach zu spät. Es ist unfair gegenüber dem, der sich auf das nun mal bestehende Gesetz beruft, egal wer das auch immer ist.
So wie ich den Paragraphen verstehe (und ich bin kein Jurist, will also nicht sagen, die Weisheit für mich gepachtet zu haben), so wäre es aber genauso sehr im Sinne dieses Gesetzes, die Strafsache abzutun. Der Paragraph sagt: Wenn sich ein Staatsoberhaupt beleidigt fühlt, entscheidet die Regierung, ob es verfolgt wird oder nicht.

Wenn die Regierung nun sagt, das Gesetz doof zu finden, hätte man diese Aussage doppelt unterstrichen und ein Zeichen gesetzt, wenn sie zugleich gesagt hätte: "Und weil das Gesetz doof ist, ist die letzte Handlung, bevor wir es absägen, unser Recht auszunutzen, die Klage abzuweisen."

Es würde meinem Empfinden nach auch viel besser zur Argumentation Merkels passen. Sie will beweisen, dass wir ein Rechtsstaat sind, der Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechte achtet? Dann nutze doch die aktuelle Lage, dass sozusagen eine Doppelklage gegen Böhmermann besteht, und demonstriere durch eine Absage, dass unser Künstler von der Regierung gedeckt wird. Also: Weise die §103-Klage ab, im Namen der Pressefreiheit. Die Privatklage wird durch solch eine Entscheidung ja offenbar nicht angegriffen, was wiederum den anderen Part der Erklärung stützt: "Wir lassen nicht zu, dass Erdogan als Politiker in unseren Angelegenheiten mitmischt. Als Privatperson kann er noch immer beleidigt tun und eine Klage einreichen." Da kann dann das Gericht entscheiden, ob das Gedicht beleidigend war oder als Satire durchgeht. Also bleiben wir zugleich rechtsstaatlich.

So hingegen hat man ja Böhmermann indirekt vorverurteilt (wir als Regierung finden, man muss der Sache ja echt mal nachgehen), und gerade das wollte man ja vermeiden.

(Jedenfalls verstehe ich das Ganze so, und wenn ich irgendwelche Paragraphen missverstanden habe, so lasse ich mich gerne belehren.)
#1467529
Im Prinzip ist die Ermächtigung doch auch ziemlich egal. Primär geht es um den Tatbestand der Beleidigung. Niemand glaubt daran, dass Böhmi verurteilt wird.
Aber jetzt stelle ich mal eine Böhmermannsche Hypothese auf. Also, was wäre, wenn er ein echtes beleidigendes Gedicht vorgelesen hätte, was man ja nicht darf :wink: : Das Gericht sagt in der Privatklage, meinetwegen bis zur höchsten Instanz, nö, das, was du da gemacht hast, werten wir als Beleidigung. Du hast zwar versucht, es schön zu verpacken, aber das zieht nicht, Kunstfreiheit hat auch ihre Grenzen. Geldstrafe (muss ja nicht gleich Gefängnis sein :lol: ). Wie stünde eine Regierung dann da, die eine Strafverfolgung nach §103 (bei dem dann vielleicht eine höhere Geldstrafe und auch nicht gleich Knast fällig gewesen wäre) abgelehnt hat? Mit welchem Recht hat sie das dann? Weil der Paragraf nicht mehr in die Zeit passt und man zu blöd war, ihn vorher irgendwann mal abzuschaffen? Ziemlich mager ...
Das Einzige, was wirklich zählt: ein blitzsauberer Freispruch.
von Sid
#1467531
Kaffeesachse hat geschrieben: Aber jetzt stelle ich mal eine Böhmermannsche Hypothese auf. Also, was wäre, wenn er ein echtes beleidigendes Gedicht vorgelesen hätte, was man ja nicht darf :wink: : Das Gericht sagt in der Privatklage, meinetwegen bis zur höchsten Instanz, nö, das, was du da gemacht hast, werten wir als Beleidigung. Du hast zwar versucht, es schön zu verpacken, aber das zieht nicht, Kunstfreiheit hat auch ihre Grenzen. Geldstrafe (muss ja nicht gleich Gefängnis sein :lol: ). Wie stünde eine Regierung dann da, die eine Strafverfolgung nach §103 (bei dem dann vielleicht eine höhere Geldstrafe und auch nicht gleich Knast fällig gewesen wäre) abgelehnt hat? Mit welchem Recht hat sie das dann? Weil der Paragraf nicht mehr in die Zeit passt und man zu blöd war, ihn vorher irgendwann mal abzuschaffen? Ziemlich mager ...
Man könnte das doch dann ganz klug verpacken, dass Satire, gleich welcher Sorte, gegen Positionen und Institutionen (Erdogan, der Staatschef), gerechtfertigt ist. Aber auf der zwischenmenschlichen Ebene andere Maßstäbe gelten?

Aber das wäre vielleicht zu wortgewandt. Wie schon Fohlen, fand auch ich die "Also, wir müssen unserem Partner Erdogan ja irgendwie entgegenkommen"-Hinleitung in Merkels Begründung arg durchsichtig. Ehrliche Politiker sind zwar lobenswert, aber das hatte was Selbstdemontierendes. :lol:
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