Also über das Für und Wider eines griechischen Austritts aus dem Euro haben sich jetzt schon genug Experten den Mund fusselig geredet. Ich habe es da längst aufgegeben, zu einer eigenen Haltung kommen zu wollen, weil immer wenn ich glaubte, da eine zu haben, las ich wieder gute Argumente dagegen. Insofern weiß ich auch nie so recht, ob ich die Leute, die da eine klare Auffassung haben, "bewundern" oder die Einseitigkeit ihres Denkens negativ beurteilen soll - unter den Leuten, die sich kluge Gedanken machen wohlgemerkt.
Interessanter, da für Normalsterbliche vielleicht eher noch reflektierbar, finde ich da momentan schon das Auftreten der griechischen Regierung. Die hat zwar durchaus meine Sympathien dafür, dass sie einen gewissen Widerstand gegen das in den letzten Jahren ja kaum zielführende "Spardiktat" leistet, allerdings vermisse ich zunehmend ein Alternativkonzept. Was das angeht, habe ich eigentlich immer nur ziemlich simple Phrasen wie "wir müssen nun die Wirtschaft wieder ankurbeln und Investitionen schaffen" oder "wir müssen endlich an das Geld der Superreichen kommen, die sich bereichert und das Geld ins Ausland geschafft haben" vernommen. Finde ich ja prinzipiell auch gut und besser, als das Land weiter in die Armut zu sparen, aber nach einem knappen halben Jahr sollten dann auch so langsam mal konkrete Konzepte dafür vorgestellt werden.
Das Referendum sehe ich auch eher kritisch. Zum einen bin ich mir wirklich nicht sicher, ob Volksentscheide über solch komplexe Thematiken wirklich abgehalten werden sollen. Man sieht ja schon hier in Deutschland, wie viele Menschen kaum einen Durchblick, aber dafür eine umso klarere Meinung haben. Aber vor allem gewinne ich den Eindruck, dass die griechische Regierung massiv zerstritten und das Referendum mehr ein Ablenkungsmanöver davon ist, dass Tsipras ansonsten bei einer Zustimmung der Sparauflagen sehr wahrscheinlich nicht die nötige Parlamentsmehrheit bekommen hätte und bei einer Ablehnung direkt als Schuldiger für eine nicht ganz unwahrscheinliche Staatspleite hätte ausgemacht werden können. So will man erneut Zeit gewinnen und die Geldgeber als undemokratische Sündenböcke hinstellen.
Wobei ich mich auch frage, wozu dieses Referendum inhaltlich führen soll. Sprechen sich die Bürger für das Hilfspaket aus, wäre das ein recht deutliches Signal dafür, dass sie nicht mehr hinter der Regierungslinie stehen. Das wäre Wind auf die Mühlen der politischen Gegner, die ja nicht nur innerhalb Griechenlands, sondern auch international zahlreich vorhanden sind - alleine schon durch die Tatsache, dass hier eine linke Regierung an der Macht ist zwischen vielen Konservativen, Liberalen und Sozialdemokraten, die ja in der EU sonst dominieren. Und wenn die Bürger für "nein" stimmen... ja, was ist dann? Das wäre zwar eine Stärkung der Regierungslinie, aber ich habe doch arge Zweifel, ob die Troika... Verzeihung, die Institutionen
dann eher auf die griechischen Forderungen eingehen. :?
Deshalb sehe gerade nicht so, inwiefern dieses Referendum zur Klärung des Konflikts beitragen soll.
Ob es so ratsam ist, das Land jetzt in den Bankrott zu treiben, ist auch schwer zu sagen. Wie hier ja schon gesagt wurde, ist es schon rein rechtlich ja nicht so leicht, ihnen den Euro "wegzunehmen" und zu sagen, dass sie gucken sollen, wo sie bleiben. Das ist halt jetzt das Problem dieser Währungsunion, dass beim Versagen eines Staates die ganze Gemeinschaft mit in den Schlamassel gerät. Ich kenne mich mit den ökonomischen Zusammenhängen nicht genug aus, um zu sagen, inwiefern eine Pleite Griechenlands den Euro insgesamt belasten würde - eine Destabilisierung geht aber gewiss damit einher. Aber naja, da schließt ja nun die Frage an, wie man sonst verantwortungsvoll mit der Krise umgeht. Weiter sparen, Schuldenschnitt, geordneter Euro-Austritt, weiter rumzicken und der Gegenpartei die Schuld in die Schuhe schieben... joar. Keine Ahnung, aber Angie ist Schuld! Oder der Draghi! Oder der glatzköpfige griechische Finanzminister! Oder der faule Grieche an sich! Je nachdem, was Elmar Hörig und die BILD grad rumblubbern.
Achja, eine Sache noch: Im Rahmen der Berichterstattung zur Griechenland-Krise ist mir in den letzten Tagen Rolf-Dieter Krause extrem negativ aufgefallen. Es mag ja sein, dass er die griechische Regierung als Hauptschuldigen des Desasters ausgemacht hat und es lassen sich ja auch Argumente für diese Meinung finden. Aber er wirkte bei seinen Statements nun wahrlich alles andere als sachlich und um Objektivität bemüht, sodass selbst Anne Will bei ihrem Talk noch nachgehorscht hat, ob es denn "wirklich so leicht zu sagen ist, dass keine Reformvorschläge der Griechen angebracht wurden".
Tut mir Leid, aber da fühle ich mich grad auch wieder nicht wirklich ausgewogen informiert - und der Mann ist immerhin Leiter des ARD-Studios Brüssel. Was BILD, RTL und Co. rumblöken, geht mir weitgehend am Poppes vorbei, aber von den Öffentlich-Rechtlichen wünsche ich mir da schon mehr Sachlichkeit - oder einen weiteren Korrespondenten, der die Situation aus einer anderen Perspektive schildert.
Puh, jetzt hab ich mich aber in einen Laberschwall geschrieben. :oops:
Fohlen