Das Erste, ZDF, Dritte (WDR, NDR etc.), Spartensender von ARD & ZDF (One, ZDFneo, ZDFinfo etc.)
von Cristóbal
#1490293
P-Joker hat geschrieben: Viele Zuschauer wollten ihn wahrscheinlich nicht wegen "Mordes" verurteilt sehen.
Wahrscheinlich nicht einmal wegen "Totschlags".
Leider gibt es für das was er gemcht hat keinen Begriff, aber am ehesten müsste er auf der Basis der "fahrlässigen Tötung" angesiedelt sein.
In einem solchen Fall hätte der Richter eine geringere Haftstrafe verhängen können, eventuell sogar zur Bewährung.
Das wäre rechtsdogmatisch aber ziemlicher Humbug. Der Vorsatz stand schließlich zu keiner Zeit infrage. Und da stellt sich dann wiederum die Frage, ob es eigentlich ums Strafmaß geht oder nur darum, es irgendwie schöner zu etikettieren…
Fukurokuju hat geschrieben:Für mich wäre eine Verurteilung als Mörder auch nicht richtig gewesen. Ich sehe hier nun keine niedere Beweggründe.
Es gibt noch andere Mordmerkmale: In so einem Fall wird es wohl eher um die Tatbegehung mit einem potentiell gemeingefährlichen Mittel gehen.
Zuletzt geändert von Cristóbal am Di 18. Okt 2016, 08:23, insgesamt 1-mal geändert.
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von Neo
#1490294
Ich sehe die Komplexität schon, trotzdem fällt es mir schwer nachvollziehen zu können, wie man für nicht schuldig stimmen kann (gerade auch nach dem echt starken und auch durchaus nachvollziehbaren Plädolyers der Staatsanwältin). Ich habe zwar total Verständnis, dass man das Flugzeug abknallen will und andere eben auch das dafür aufbringen können, aber im Grunde ist es doch klar, dass man das nicht tun darf. :?
Mir fällt es aber auch schwer, ein passendes Beispiel dazu zu finden. Gäfgen wurde da angeführt, was mir nicht so ganz schlüssig ist, weil das mit der Folter klarer scheint.
Ich würde es gerne mit der Terror Zeit in den 70ern, also u.a. der RAF, versuchen zu erklären. Entführung der Landshut etwa: Schmidt sagt, dass man nicht mit Terroristen verhandle, auch wenn diese alle Passagiere töten werden (und da ging es "nur" um eine Liste von Gefangenen, die entlassen werden sollte). Auch da geriet man unter Zeitdruck, hat aber versucht (und es letztendlich auch geschafft) das einigermaßen gut enden zu lassen.
Weiteres Beispiel, bei dem es nicht ganz so sauber lief: olympische Spiele '72
Gleiches Spiel :arrow: Terroristen dringen ins olympische Dorf ein und nehmen die israelischen Athleten als Geiseln, fordern eben die Freilassung einiger Gefangenen. Man ging nicht ein und ein Versuch die Geiseln zu befreien scheiterte.

Okay, bei den Beispielen denkt man, dass man noch Verhandlungsspielraum hat bzw. eben die Möglichkeit Dinge anders zu lösen. Mit einem Flugzeug, das direkt auf ein Stadion oder sonstiges zufliegt, ist es schon deutlich schwerer. Auch die Abwägung ist eine andere. Da geht es dann eher darum, dass man bei den Terroristen einknickt und ihnen nach und nach das Zepter überlässt, außerdem schützt man das gesamte Volk nicht dadurch, dass man Terroristen aus dem Knast entlässt. Trotzdem finde ich das diese Beispiele eher klar machen, dass man sich nicht in irgendeiner Form dem Terror beugen sollte. Mag sein, dass es triumphaler erscheint, wenn in das Stadion geflogen wird, einfach weil das Symbol auch schön wäre, aber im Grunde bröckelt das System und das Recht, wenn man keine klare Linie geht. Subjektiv, ja eben, emotional betrachtet ist das natürlich nicht tragbar, aber so kann man allgemein keine Urteile fällen. Sonst hätte man nach dem Wille des Volkes schon die Todestrafe und eben irgendwelche Foltermethoden, die dann irgendwann bei jedem Quark angewendet werden. Und auch Leute umzunieten, weil man etwa an einen potenziellen Täter kommen möchte, der womöglich noch schlimmeres anrichten könnte...vielleicht, man weiß es ja nicht, aber Sicherheit geht vor.

Und natürlich ist das urteilsmäßig sehr krass. Eben schwarz-weiß. Aber man versucht eben auch immer das Minimum bzw. Maximum rauszuholen. Wie hart der Urteilsspruch dann am Ende ist, ist wieder eine ganz andere Sache und das haben offensichtlich die Zuschauer nicht gesehen.

Aber sehr genial geschrieben. Auch am Ende der Richterspruch. Durchaus nachvollziehbar und ich habe eben aufgrund von Sympathien auch auf den Freispruch gehofft, um es mal so vorsichtig auszudrücken, wie es mir momentan einzufallen vermag. Trotzdem bleibt es natürlich falsch.
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von Kaffeesachse
#1490302
Ja, das gemeingefährliche Mittel ... Aber mir wäre die Sache zu komplex, um nur darauf abzustellen. Nach einmal drüber schlafen ist's immer noch nicht einfacher. :)
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von rosebowl
#1490322
Ich hab den Film nicht gesehen, aber gerade diese Kolummne entdeckt, die so ziemlich alles wiedergibt, was ich zu den diversen Ankündigungen und Zusammenfassungen der Geschichte im Vorfeld gedacht habe:

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... ettansicht

Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass hier mit einer völlig unzutreffenden Schwarz-Weiß-Sicht gearbeitet wird.
von Familie Tschiep
#1490323
Ich halte Bahr Grundgesetzargumentation für gefährlich, manhce Zuschauer meinen bei Spiegel_online, man müsse das Grundgesetz anpassen, weil es nicht mehr in die Zeit passt. Es ist ja kein Urteil des Verfassungsgericht, sondern ein Strafurteil.

Der Artikel von Fischer ist zwar sehr aufschlussreich, aber auch sehr polemisch.
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von Neo
#1490327
Ja, da scheint sich eine Menge angestaut zu haben und einen persönlichen Groll hegt er wohl ohnehin. Ich habe nach der Hälfte dann aufgehört zu lesen, weil es eben einfach nichtig ist. Man kann theoretisch Kant auch drehen und wenden bis es passt und der Pilot könnte auch ein Unsympath sein, um die Entscheidung des Publikums zu beeinflussen usw. Die Beispiele, der alte Urteilsspruch, ja, das scheint eben so nicht zu passen und veranschaulicht es meiner Meinung nach nicht ansatzweise.

Sich über eine gewisse Plakativität aufzuregen, ist doch ohnehin lächerlich, denn natürlich ist es das in weiten Stücken auch, aber dennoch etwas komplexer gefasst als in den meisten Fällen. Im Grunde geht es doch auch am Ende nur darum, wie man selbst entscheiden würde und da ändert eine Schubserei von irgendwelchen Wahrheiten und Unwahrheiten relativ wenig, weil die meisten eben schon eine Meinung dazu haben und sich diese auch mit dem Stück nicht ändert, würde ich zumindest behaupten. Und wenn, dann in die Schuldig-Richtung, aber da sträubt sich das Innere, weil man eventuell selbst auch so gehandelt hätte (ich kann das zumindest nachvollziehen). Das ist auch die Frage danach, wie man am besten damit Leben kann, wenn man für sich persönlich entschieden hat, dass es einem eben wichtiger ist Tausende zu retten. Am Ende, wenn es da nicht noch eine Wendung geben sollte, heißt es dann, dass man einfach nur "zugesehen habe". Das Zusehen ansich muss man auch erstmal mit sich ausmachen können. Wenn man es also nun ganz komplex haben möchte, könnte man sagen, dass der Pilot auch egoistisch gehandelt hat (wurde der Punkt im Film erwähnt?). Davon kann man doch aber auch ohnehin immer ausgehen.

Und ja, die Polemik nimmt eben auch echt viel. Verständlich, dass es einem bei dem Film oder eben Theaterstück als Mann vom Fach, der alle Abläufe kennt und eben auch eine (manchmal) fundiertere Meinung aufweist, schwer fällt, da ernsthaft, ohne sich ständig über alles und jeden zu heben, auseinanderzusetzen. Trotzdem geht es nicht um die "Kunst", sondern um eine allgemeine Tendenz.
Und natürlich kann man jetzt wieder damit ankommen, dass auch die meisten für die Todestrafe wären und wieder (in Ausnahmefällen) gefoltert werden darf, aber das scheint doch eindeutiger zu sein, als eben das Terror Beispiel (übrigens auch total blöd, sich über den Namen des Stückes auszulassen, denn wenn man mag, kann man das auch noch weiterspinnen und es eben nicht so primitiv nur auf das Stück beziehen, aber das nur am Rande). Bei dem Beispiel ist es eben einfach nett für sich selbst abzuwägen, was man nun getan hätte. Das ist nicht nur die Entscheidung für schuldig und nichtschuldig und damit ist alles vom Tisch, sondern eben auch die Entscheidung, wie man mit Terror umgeht (und wieder back to the Title, auch schön).
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von rosebowl
#1490329
Es geht ja nicht um das Plakative, sondern darum, dass das ganze schlichtweg juristisch falsch ist. Und das finde ich schon bemerkenswert, wenn dem Publikum da was völlig falsches vorgegaukelt wird und es eine Entscheidung treffen soll, die so niemals aussehen würde - weder in die eine, noch in die andere Richtung.
von Esel
#1490340
Sid hat geschrieben:

Wir Zuschauer wurden nur nach "schuldig" und "unschuldig", nicht nach dem Strafmaß gefragt. Und wenn nun viele Leute für "unschuldig" stimmen, weil sie das höchst geforderte Maß bei einem Schuldspruch als zu streng erachten, bleibt bei mir durchaus etwas Magengrummeln zurück.
Das unterschreibe ich mal so. Korrekt wäre es gewesen, dem Zuschauer klarzumachen, dass auch bei einem Schuldspruch das Strafmaß milde ausfallen kann.
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von Tony Montana
#1490343
rosebowl hat geschrieben:Es geht ja nicht um das Plakative, sondern darum, dass das ganze schlichtweg juristisch falsch ist. Und das finde ich schon bemerkenswert, wenn dem Publikum da was völlig falsches vorgegaukelt wird und es eine Entscheidung treffen soll, die so niemals aussehen würde - weder in die eine, noch in die andere Richtung.
Es wäre ja auch kein Problem gewesen, sich eben einen juristischen Experten zu holen, der auf entsprechende Probleme hinweist. Aber dann hätte man es nicht mit so einer Pseudodramatik verkaufen können.
Es geht hier ja nicht um einen normalen Film, da wäre es Unsinn pedantisch nach solchen Fehlern zu suchen. Bei dieser "Vorführung" spricht man direkt den Zuschauer an, da sollte man also auch schauen das man ihm keinen kompletten Unsinn auf den Tisch legt
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von rosebowl
#1490400
Exakt das ist mein Problem damit. Man tut so, als würde man den Zuschauer in die Position des Richters versetzen, läßt ihn aber unter völlig falschen Voraussetzungen zwischen falschen Alternativen entscheiden. So schwarz-weiß und hop oder top ist unser rechtssystem - zum Glück - nicht.