- Mo 12. Jan 2009, 17:59
#621339
Na ja, wo soll ich da anfangen? Ich bin seit beinahe 30 Jahren leidenschaftlicher Filmmusiksammler und -hörer und könnte über Zimmer ganze Romane erzählen. Ich bin in einer Zeit groß geworden, als der orchestrale Score nach einer langen Durststrecke gerade wieder stark im Kommen war, Dank der großartigen Wiederbelebung durch John Williams´ Star Wars. Dementsprechend sind meine "Idole" aus jener Zeit eben Herrschaften wie John Williams, Jerry Goldsmith oder James Horner. Es gab in den Achtzigern immer wieder einige mehr oder weniger erfolgreiche Experimente mit Synthesizer-Scores, und auch die "Meister" haben einiges zu der Entwicklung beigetragen. Dann aber kam Zimmer und revolutionierte den bisherigen Soundmix. Mit Backdraft schaffte er eine unglaublich lebendige, faszinierende Mischung aus Orchester- und Computer-Sound, die so ziemlich jeden Filmmusik-Freund von den Füßen fegte. Seitdem hat sich die Landschaft massiv verändert. Sein Score zu Crimson Tide setzte neue Standards im Action-Scoring, die alles beeinflussten, was danach kam und sich halbwegs an Zimmer orientieren wollte. Mittlerweile hat sich dieser Sound in viele Richtungen weiterentwickelt, und die Zimmer-Klone beherrschen den Filmmusikmarkt auf eine Art und Weise, die so manchem alten Hasen die Tränen in die Augen treibt, weil es immer seltener große, rein orchestrale Scores für Blockbuster-Filme gibt. Insbesondere Jerry Bruckheimer ist dafür berüchtigt, seinen Filmen auf Teufel komm raus auch gegen übliche Genre-Gewohnheiten den Zimmer-Sound zu verpassen (siehe Fluch der Karibik), was oftmals zum Erfolg beiträgt, aber irgendwie klingt das eben alles gleich (obwohl es immer noch cool ist). Es gibt aber zahlreiche moderne Komponisten, die sich erfolgreich aus Zimmers Schatten gelöst haben und ihren eigenen Orchester-/Synthie-Sound entwickelt haben, wie z.B. John Powell. Hans Zimmer selbst ist inzwischen schon wieder viel weiter, was man an Werken wie The Da Vinci Code oder eben auch The Dark Knight wunderbar beobachten bzw. hören kann. Und gleichzeitig gibt es eine Riege klassischer Filmmusik-Komponisten, die einfach nach wie vor großartige Orchestermusik schreiben und auch, trotz aller Unkenrufe, noch häufig genug zum Einsatz kommen. Man denke allein an Howard Shores Lord of the Rings-Opus oder die fantastischen Scores von James Newton Howard oder Alexandre Desplat.
Mein persönliches Fazit: Hans Zimmer hat die Welt der Filmmusik dramatisch verändert, indem er die Bandbreite der Möglichkeiten massiv erweiterte und mit seiner Art, Musik zu komponieren, sehr viele neue begeisterte Filmmusik-Freunde gewonnen hat (zB eben auch durch Werke wie Gladiator). Sein Verdienst ist immens, auch wenn ihm seine Kritiker immer vorwerfen werden, den Tod rein orchestraler Filmmusik eingeläutet zu haben.