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von Poffel
#126230
http://www.heise.de/newsticker/meldung/72026
Hamburger Landgericht: Forenbetreiber sind für Beiträge haftbar

Nach mehr als vier Monaten hat das Landgericht Hamburg die schriftliche Begründung seines viel beachteten Urteils zur Forenhaftung (Az. 324 O 721/05) vom 2. Dezember 2005 vorgelegt. Demnach handelt es sich bei Webforen um eine "besonders gefährliche Einrichtung". Derjenige, der eine solche Gefahrenquelle betreibe, sei einer verschärften Haftung unterworfen.
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Der bisherigen Rechtsprechung, wonach der Anbieter eines Forums erst ab Kenntnis eines rechtswidrigen Inhalts haftet und nicht zu einer aktiven Suche verpflichtet ist, folgten die Hamburger Richter nicht. Das Bereithalten von Internetforen stelle eine Form unternehmerischen Betriebs dar. Der Betreiber müsse sein Unternehmen so einrichten, dass er mit seinen sachlichen und personellen Ressourcen in der Lage sei, diesen Geschäftsbetrieb zu beherrschen. "Wenn die Zahl der Foren und die Zahl der Einträge so groß ist, dass die Antragsgegnerin nicht über genügend Personal oder genügend technische Mittel verfügt, um diese Einträge vor ihrer Freischaltung einer Prüfung auf ihre Rechtmäßigkeit zu unterziehen, dann muss sie entweder ihre Mittel vergrößern oder den Umfang ihres Betriebs [ ...] beschränken", so das Landgericht Hamburg.

Im vorliegenden Fall sahen das Unternehmen Universal Boards und dessen Geschäftsführer Mario Dolzer ihre Rechte verletzt. Einzelne Forenteilnehmer hatten im Forum zu einem Bericht von heise online über die Geschäftspraktiken von Universal Boards ein Skript veröffentlicht, das geeignet sein soll, den Betrieb von Download-Services dieses Unternehmens zu gefährden. Dessen Rechtsanwalt Bernhard Syndikus verlangte daraufhin per Abmahnung vom Verlag, es zu unterlassen, "an der Verbreitung von 'Leserkommentaren' mitzuwirken, in denen wörtlich oder sinngemäß dazu aufgerufen wird, Dateien, insbesondere das Programm 'k.exe', so oft wie möglich von den Servern meiner Mandantschaft downzuloaden, um die Server meiner Mandanten 'in die Knie zu zwingen'".

Der Verlag löschte umgehend die genannten Forenbeiträge, gab aber die geforderte Verpflichtungserklärung nicht ab, da er seiner Auffassung nach nur bei Kenntnis der potenziell rechtswidrigen Beiträge handeln muss. Obwohl nach der Löschung kein weiterer Beitrag mit einem entsprechenden Aufruf folgte, erwirkte die Universal Boards eine der Unterlassungsaufforderung entsprechende einstweilige Verfügung am Landgericht Hamburg. Den Widerspruch des Verlags gegen diese Verfügung wies das Gericht ab.

Die Kammer sieht den Verlag als so genannten "Störer", weil er über sein Forum die unzulässigen Blockadeaufrufe verbreitet habe. Schließlich sei er in der Lage, die Aufrufe zu unterbinden, indem "die Einträge vor ihrer Freischaltung auf die rechtliche Zulässigkeit ihres jeweiligen Inhalts überprüft werden." Dem Argument des Heise Zeitschriften Verlags, dass eine laufende Kontrolle der Inhalte angesichts von mehr als 200.000 Beiträgen pro Monat nicht zu leisten und damit unzumutbar sei, erteilte das Gericht eine klare Absage.

Nur vage äußerte sich die Kammer zur Frage, ob sich ihre Sichtweise auf jedes Webforum oder nur auf Dienste von Presseorganen bezieht. Sie spricht von derjenigen "Person, die Einrichtungen unterhält, über die Inhalte in pressemäßiger Weise verbreitet werden". Dies gelte "auch für Unternehmen, die Inhalte über das Internet verbreiten." Der Heise Zeitschriften Verlag verbreite in seinem Webforum Äußerungen von Nutzern "pressemäßig". Dies dürfte folglich auf jedes Internet-Forum zutreffen, eine weitere Differenzierung nehmen die Richter zumindest nicht vor.

Sogar bevor die schriftliche Begründung des Urteils vorlag, hatten Rechtsanwälte bereits unter Berufung darauf mißliebige Forenbetreiber kostenpflichtig abgemahnt. Derlei Fälle dürften sich nun häufen. Der Heise Zeitschriften Verlag wird gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen. "Eine Vorabkontrolle von Nutzerbeiträgen würde das Ende der gewachsenen Forenkultur in Deutschland bedeuten", kommentierte Verlagsjustiziar Joerg Heidrich: "Unserer Ansicht nach handelt es sich um ein grobes Fehlurteil. Es hätte gravierende Folgen für alle Betreiber von Foren, wenn die Entscheidung Bestand haben sollte." (cp/c't)
ja eure meinung dazu, ich finde auch dass es ein totales fehlurteil ist, es ist nicht möglich jeden beitrag vorm abschicken zu überprüfen, ich finde dass das das ganze forensystem gravierend stört und gefährdet
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von AlphaOrange
#126757
Poffelchen hat geschrieben:ja eure meinung dazu, ich finde auch dass es ein totales fehlurteil ist, es ist nicht möglich jeden beitrag vorm abschicken zu überprüfen, ich finde dass das das ganze forensystem gravierend stört und gefährdet
Da kann ich dir nur zustimmen.
Die Rechtslage, so wie sie zuvor schien, war völligin Ordnung. Wer bemerkt, dass in seinem Forum krumme Sachen ablaufen, der sollte handeln.
Aber alle Beiträge zuvor checken ist in etlichen Foren (u.a. hier) schon alleine vom Aufwand her unmöglich.
Mal davon abgesehen, dass es den Sinn eines Forums unergräbt.
von MT50
#126852
Naja, es handelt sich lediglich um ein Urteil des Hamburger Landgerichts.
Dieses interpretierte in ihrem Einzelfall die Rechtslage so, dass der Forumbetreiber für den Inhalt haftet.
Würde also ein gleichgelagerter Fall wieder vor das Landgericht Hamburg mit dem selben Richter kommen, könnte man davon ausgehen, dass wieder gleich enbtschieden wird.

Das bedeutet jedoch nicht, dass sich alle Richtersprüche gem. dem LG Hamburg richten. Denn Richterentscheidungen sowie deren Begründung haben keine gesetzliche Bindung.
Insbesondere nicht, wenn es sich "nur" um ein LG handelt, welches nichtmal den Rang des BGH aufweist.

Selbst Entscheidungen des BGH, haben lediglich einen Weisungcharackter, keinen Bindungscharackter!

Daher muss sich auch Quotenmeter nicht den Kopf zerbrechen, ob sie für prikäre Inhalte verantwortlich gemacht werden können.
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von RickyFitts
#126863
Allerdings könnten andere Gerichte diesem Urteil folgen. Ich denke es läuft darauf hinaus, dass sich der Bundesgerichtshof dieser Frage annehmen muss. Besonders fehlgeleitet finde ich die Äußerung der Hamburger Richter, dass die Betreiber für die Überwachung ihrer Foren gegenenfalls die Mittel aufstocken müssten. Auch dass ein Forum als ein "Unternehmen" angesehen wird, halte ich für sehr fragwürdig. In dem speziellen Fall trifft es zwar zu, dass es sich um ein Forum des Unternehmens Heise handelt, aber dann sollte für einen Rechtsspruch die Differenzierung soweit gehen, dass zwischen kommerziellen und privaten Foren getrennt wird. Nur wird das im Einzelfall sehr schwer werden. Sollten sich andere Gerichte an Hamburg orientieren, könnte das ein höchst problematisches Urteil werden.
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von ikone
#126869
Wer zum Henker beim Landesgericht HH fällt denn immer solche Urteile, welche offensichtlich an der Realität des Internets vorbeigehen! Das LG HH ist ja auch schon für die dämlichen Disclaimer auf vielen Webseiten verantwortlich!
von MT50
#127519
@ RickyFitts

das BGH wird sich erst um den Fall kümmern, wenn gegen das Urteil des LG HH Revision eingelegt wurde und der Fall zum OLG HH geht. Dieses muss sich eventuell wiederrum für das selbe Urteil aussprechen und nochmals in Berufung gegangen werden.
Erst in dem Fall kümmert sich der Bundesgerichtshof um die Sache. Und erst wenn DIESES das Urteil bestätigt (inklusive Begründung), kann man davon ausgehen, dass andere Gerichtsurteile sich dem anschließen. Und ich bezweifle wirklich, dass das BGH so realitätsfremd entscheidet.

Ich kenne mich beruflich damit ein wenig aus und ich kann mich an kein Urteil eines BGH's erinnern, welches so an den Haaren vorbeigezogen ist, wie das "Forenurteil" des LG Hamburg.

Aber in unserer schönen Justizwelt ist ja alles möglich. Denn unsere Richter sind ja unabhängig *hehe*
von saschap
#127962
Unabhängig... fragt sich vor allem von was... naja, der Name des Anwaltes sagt mir alles, ich hoffe es gilt nicht als "grobes Vergehen", wenn man erwähnt, dass Syndikus, der zu Gravenreuth gehört, bekannt ist für seine spezielle Auslegung des Rechts im Internet...

Und nur mal so als Frage: Dieses merkwürdige Urteil hat ein LG in HH entschieden... sprich es ist höchstens in Deutschland anwendbar. Wer also sein Forum nur in Österreich hat, ist schon befreit...

Aber ich frage mich auch, ob der Richter überhaupt schon einmal ein Forum, das kein Juristenforum ist, gesehen hat... seit wann sind Foren, die von Privatpersonen auf ihren Homepages betrieben werden, z.b. Unternehmen? Wo doch nicht einmal die Seite bei einer privaten Homepage gewerblich ist.

Was ich schlimmer finde, ist, dass gleich eine Abmahnwelle beginnt zu agieren. Hoffentlich widerspricht das OLG dem Urteil des LG, oder schränkt ihn auf den Einzelfall Heise ein, damit nicht wieder manche Kanzlei beginnt, die Gerichte mit ungerechtfertigten oder nur zur Erzielung von Gewinnen gedachten Abmahnungen zu belasten.

Aber 4 Monate für die schriftliche Begründung? Ich mag ja nicht sagen, dass Richter langsam sind, aber seit wann braucht man 4 Monate, um geeignete Paragraphen zu finden? :D
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von Poffel
#127967
naja ich finda ja das sman ganz stark eingrenzen muss, z.b private foren müssen befreit werden, dass eine presseseite wie die von heise extra regeln hat ist i.o. da halt alles was user da posten direkt mit den offiziellen pressetexten zu tun hat die besonders viel einfluss haben