- Di 16. Mai 2006, 17:43
#140808
Ich habe das Buch "Sakrileg" selbst gelesen. Mein Gesamteindruck davon ist: Es wird versucht, ziemlichen Humbug seriös zu verpacken. Das geht beim Einband los (hab die gebundene Ausgabe) und in der Geschichte selbst weiter. Es werden haarsträubende Vermutungen und Behauptungen aufgestellt. Der Schluß ist schließlich mehr als dürftig. Und wenn das ginge, hätte ich es zurückgebracht und mein Geld wiederverlangt.
Klar, manche Thesen Browns kann man nicht einfach widerlegen. Stichhaltige Beweise führt er aber auch nicht zu jeder an. Oder hat hier irgendwer mal alles nachgeprüft? Im Gegenteil: Am letzten WE kam eine interessante Reportage auf dem Premiere Discovery Channel, die sich mit dem Thema befaßte. Dort wurde eindeutig nachgewiesen, daß z.B. Papyrus sich in Essig NICHT auflöst. Was ja aber eines von Browns wesentlichen story-Elementen ist. Auch die Liste der Großmeister der Sion-Bruderschaft wurde unter die Lupe genommen. Bei keiner der bekannten Persönlichkeiten der Geschichte konnte nachgewiesen werden, daß sie mal irgendetwas mit dieser Bruderschaft zu tun gehabt hätte. Vielmehr wurde die Figur eines Franzosen beleuchtet, der höchstwahrschinlich in Zusammenarbeit mit einem Journalisten und einem Unternehmer in der 50ern die ganze Geschichte z.T. aus Geldgier, Geltungssucht und Größenwahn in die Welt setzte. Sion heißt übrigens ein Berg in der Nähe dessen Heimatstadt. Zufall? Es wurden da auch die plötzlichen Reichtümer des Abbé Sauniere und der "Schatz von Rennes-le-chateau" begutachtet. Letzteren gab es höchstwahrscheinlich nie, er wurde einfach erfunden, um Besucher in das mittlerweile zu Hotel/Restaurant umgebaute Kloster zu locken. Und es hat funktioniert. Und Herr Sauniere war wohl neben Geistlichem ein schlichter Gauner, der sich z.B. für hunderte von Messen bezahlen lies, die er nie gelesen hat.
Über die Arbeit da Vincis mit Codes wurde gesagt, daß es wohl einfach der damalige Kopierschutz war, da es mangels Urheberrecht praktisch jedem möglich war, seine Ideen zu klauen und als die eigenen auszugeben. Über die recht weibliche Darstellung des einen Apostels im Abendmahl erfährt man, daß dies der gängigen Darstellung der (jüngeren) Jünger zu der Zeit, als das Bild entstand, entspricht.
Über die Leute, die da mit dem Roman in der Hand durch den Louvre und die Kirchen pilgern um irgendwelche Rosenlinien und Hinweise auf den Heiligen Gral zu erhalten, kann man eingentlich nur schmunzeln. Die in einer Pariser Kirche beschriebene Linie auf Wand und Boden gibt es wirklich, sie ist aber nichts weiter als der Zeiger einer Sonnenuhr, mit der sich das genaue Osterdatum bestimmen läßt.
Meiner Meinung nach ist auch der Wirbel um den Film und der Film selbst nichts anderes als ein Versuch der Filmindustrie, mit einem Film zu einem Thema, das gerade durch das Buch aktuell ist, den Menschen Geld aus der Tasche zu ziehen.
Ich behaupte ausdrücklich nicht, in allen Punkten konform mit der Bibel zu gehen. Im Gegenteil: Ich behaupte, daß die Bibel wahrscheinlich genau so sehr ausgedacht ist wie Dan Browns "Sakrileg". Beide Bücher wurden mit bestimmten Zwecken geschrieben, und beide haben ihren Zweck mehr als erfüllt. Was einen zum Nachdenken über die Leser anregt.
Closing your eyes forces you to look at the darkness inside.