- Mi 29. Aug 2007, 12:04
#356334
Arbeiter-Samariter-Bund und Hamburgische Pflegegesellschaft laden bis zum 2. September zu Podiumsdiskussionen, Ausstellungen und Senioren-Sportveranstaltungen ein. Für Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jas-tram beweist die Aktionswoche, dass ältere Menschen "nicht am Rande unserer Gesellschaft stehen, sondern mittendrin". Die MOPO-Reporter, die wochenlang recherchierten, wie es zugeht in Hamburger Pflegeheimen, sind zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen Jedes fünfte Haus gehört eigentlich sofort geschlossen!
Menschen, die verhungern und verdursten? Hier in Hamburg? Und dann auch noch in einem Pflegeheim? "Früher hätte ich gesagt: So was gibt's gar nicht", erzählt Veronika L. "Heute weiß ich es besser." Die 43-Jährige musste vor einem Jahr ihre Tante ins Pflegeheim geben. Vorausgegangen war ein Schlaganfall. In den darauffolgenden Wochen baute die 75-jährige Eva S. dramatisch ab. "Tante Evchen wirkte plötzlich wie weggetreten, schlief nur noch, war nicht mehr ansprechbar."
Als die alte Dame wenig später kollabierte und halbtot ins Krankenhaus eingeliefert wurde, war die erste Frage des Arztes, ob es sich um eine Pflegeheim-Bewohnerin handele. Regelmäßig, so der Arzt kopfschüttelnd, habe er es mit alten Menschen zu tun, die wieder aufgepäppelt werden müssten, weil ihnen im Heim nicht ausreichend Nahrung und Flüssigkeit zugeführt worden ist. Auch seine Kollegin, Dr. Ann-Katrin Meyer, Chefärztin der Geriatrie am AK Wandsbek, kennt das Problem: "Dass es in manchen Heimen Missstände bei der Versorgung der Bewohner gibt, ist ein offenes Geheimnis", sagt sie.
Die Würde des Menschen ist unantastbar - so heißt es im Grundgesetz. Das gelte oftmals nicht für Pflegeheimbewohner, sagt Rainer Helwig. Der 65-Jährige, der bis vor einem Jahr beim Gesundheitsamt in Altona für die Heimaufsicht zuständig war, spricht davon, dass unterlassene Hilfeleistung, Freiheitsberaubung und Körperverletzung vielerorts an der Tagesordnung seien.
"Oftmals sind Heime personell derartig unterbesetzt, dass sich ein oder zwei Altenpflegerinnen um eine ganze Station von vielleicht 30, 40 Menschen kümmern müssen." 3500 Euro koste ein Pflegeheimplatz in Hamburg im Durchschnitt. "Bei so viel Geld müssten die Heimbetreiber doch in der Lage sein, ausreichend Personal zu beschäftigen, oder?"
Die Betreiber aber wollen Profit machen, sparen beim Personal. Leidtragende sind die Bewohner. Beispiel: der Stuhlgang. Statt sich die Zeit zu nehmen, bettlägerige Bewohner zum Klo zu führen, werde ihnen einfach eine Windel verpasst. "Die alten Menschen empfinden das als entwürdigend", sagt Helwig. Er ist überzeugt: Die Windel ist der Grund, dass Pflegeheimbewohner sich gegen Essen und Trinken sperren - einfach, weil sie möglichst selten in die Verlegenheit kommen wollen, sich einzunässen.
Beispiel: Beruhigungsmittel. Helwig: "Da, wo es Stationen mit 30, 40 Bewohnern gibt, aber nur einer Altenpflegerin, die Nachtwache hat, ist davon auszugehen, dass jede Menge Psychopharmaka verabreicht werden. Sonst würde die Pflegerin ihre Arbeit nämlich niemals schaffen. Bewohner, die mit Medikamenten ruhiggestellt sind, drücken nicht die Klingel, laufen auch nicht weg - sind einfach pflegeleichter."
Ist die Situation in Pflegeheimen wirklich so grausig? Davon will Beate Langbecker, in Hamburg-Mitte als Heimaufsicht tätig, nichts wissen. Sie spricht von "Einzelfällen" und legt das Ergebnis einer Befragung von Heimbewohnern und deren Angehörigen vor. Demnach sei alles gut. Merkwürdig, denn eine andere MOPO-Gesprächspartnerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, aber ebenfalls mit der Überwachung von Heimen in Hamburg zu tun hat, kommt zu einem ganz anderen Ergebnis: Nur 20 Prozent der Pflegeheime seien vorbildlich. Aber genauso viele - also jedes fünfte - seien "eine Katastrophe"!
Warum Heimaufsicht und der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) nicht durchgreifen und solche Heime schließen? "Das funktioniert nicht, solange die Gerichte die wirtschaftlichen Interessen der Heimbetreiber über die Interessen der Bewohner stellen", sagt die Insiderin und schimpft auf die Richter. Ein beanstandetes Heim müsse nur glaubhaft machen, dass erste Verbesserungen eingeleitet seien, schon sei es aus dem Schneider.
Wie schlecht es alten Menschen im Pflegeheim ergeht, weiß ein Mann sehr genau: Professor Klaus Püschel, Chef des Rechtsmedizinischen Instituts. Ende der 90er Jahre hatte er mit einer Studie bundesweit Aufsehen erregt, wonach vier Prozent der Menschen, die im Pflegeheim sterben, an einem Dekubitus leiden - einem Durchliegegeschwür, das fast immer Folge schlechter Pflege ist. Weil Menschen zu lange auf derselben Stelle liegen, ist die Durchblutung gestört. Die Menschen verfaulen bei lebendigem Leib.
Knapp zehn Jahre später stellt Püschel fest, dass die Zahl der Dekubitus-Fälle zwar auf unter ein Prozent gesunken ist. Dennoch seien alte Menschen in einem "desolaten Zustand, wenn sie sterben". Statt Bettlägerigen und Dementen Essen und Trinken zu reichen, Löffel für Löffel, Schlückchen für Schlückchen, würden sie immer häufiger über Magensonden durch die Bauchdecke ernährt. Oft würden Pflegeheimbewohner an ihr Bett gefesselt oder medikamentös ruhiggestellt. Für Püschel ist all das Folge einer totalen Überforderung des Personals. "Hier gibt es dringenden Diskussions-, Kontroll- und Handlungsbedarf."
Info:
o.wunder@mopo.de Lesen Sie morgen Eine Altenpflegerin packt aus
Zitat:
"Körperverletzung, Freiheitsberaubung - das ist Heimalltag" Heim-Experte Rainer Helwig (65)
Und passend dazu:
EINE ALTENPFLEGERIN PACKT AUS!
"Dieser Job ist die Hölle!"
Den Mund aufzumachen trauen sich nur wenige. Die Angehörigen nicht, weil sie fürchten, der Pflegebedürftige könnte das zu spüren bekommen. Die Altenpfleger nicht, weil sie Angst um ihren Job haben. Aber eine packt jetzt in der MOPO aus Monika L. (44). Sie ist Altenpflegehelferin. Das heißt Sie war es. Vor einem Jahr kündigte sie, weil sie die Zustände nicht länger dulden wollte. "Niemand kriegt mich je wieder in ein Heim."
Mehr als ein Mal war ich kurz davor, mich selbst anzuzeigen", erzählt Monika L. "Denn fast täglich habe ich mich der Vernachlässigung von Schutzbefohlenen schuldig gemacht. Einmal schrieb ich einen Brief an die Heimleitung: Dass ich das, was hier läuft, nicht mehr verantworten kann. Ich habe nicht einmal Antwort bekommen. Stattdessen mild lächelnd den Hinweis von Kollegen: ,Du hast einfach zu viel Verständnis für die Bewohner.'"
Als nicht examinierte Kraft habe sie nachts oftmals ganz alleine für drei Stationen da sein müssen. Für 90 Bewohner! "Irgendwo ist jemand aus dem Bett gefallen. Gleichzeitig klingelt es aus drei Zimmern Sturm. Und ich? Ich muss die 16 Bewohner, die sich selbst nicht mehr bewegen können, im Bett umlagern." So gehe es die ganze Nacht. "Oftmals habe ich in der Pflegedokumentation nur noch behauptet, umgelagert zu haben."
Ein anderes Beispiel: Frühschicht. "Da habe ich 30 Bewohner zu versorgen. Damit ich mein Pensum schaffe, muss ich die ersten um 6.30 Uhr wecken und waschen - viele gegen ihren Willen. Aber ich zwinge sie. Sonst kommt mein Plan durcheinander." Monika L. fragt: "Wie lange brauchen Sie denn morgens im Bad, wenn Sie es ganz eilig haben?" Antwort vom MOPO-Reporter: "So 15 Minuten." Monika L.: "Ich musste das in sieben Minuten schaffen. Bei Menschen, die sich kaum noch selbst bewegen können!"
Weiter im Programm: Betten machen, Blutdruck messen, Medikamente hinstellen, die übrigen Bewohner waschen. Zwischendurch klingelt es, weil wieder jemand aufs Klo will. "Nicht selten habe ich dann gesagt: ,Machen Sie in die Windel, ich kann jetzt nicht.`" Schließlich muss sie auch noch 16 dementen Bewohnern beim Essen helfen. "Da solche Leute manchmal eine halbe Stunde brauchen, um 100 Milliliter Flüssigkeit zu sich zu nehmen, können Sie sich vorstellen, dass ich diese Aufgabe mehr schlecht als recht erledigt habe."
Das Ende der Menschlichkeit im Heim sei die Pflegeversicherung gewesen, sagt Monika L. "Seitdem wird nur noch nach der Stoppuhr gepflegt. Streicheln, Nähe, Zuwendung - all das wird nicht bezahlt, also wird es auch nicht gemacht." Mehrmals sei sie von Kollegen angeraunzt worden, weil sie sich mal zehn Minuten ans Bett einer im Sterben liegenden Bewohnerin gesetzt habe. ",Monika, säubere lieber die Waschschüsseln!', fauchte mich dann die Pflegedienstleitung an. Die alte Dame hat schließlich ganz alleine ihr Leben ausgehaucht."
Der ungeheure Leistungsdruck, der auf dem Personal laste, habe viele Kollegen verändert. "Da werden insgeheim Psychopharmaka verabreicht, um in der Nacht die lästigsten Bewohner ruhigzustellen. Statt im Sommer, wenn es heiß ist, den Bettlägerigen zusätzlich Flüssigkeit einzuträufeln, wird einfach eine Infusion gelegt. Geht schneller. Und immer wieder ist es mir passiert, dass ich Bewohner angeschrien habe, zum Beispiel, weil sie mal wieder das Bett eingekotet hatten. Hinterher war ich über mich selbst erschrocken. Wie oft habe ich abends zu Hause nur noch geheult, weil ich fertig war?"
Von den Heimbewohnern tun Monika L. diejenigen am meisten leid, die keine Angehörigen mehr haben oder von ihnen vergessen wurden. "Denn das sind diejenigen, die immer den Kürzeren ziehen. Wenn keine Zeit mehr ist, werden die eben mal ein paar Wochen nicht geduscht. Merkt ja keiner."
O. Wunder von mopo.de:
Heimaufsicht
Nur zwölf Mitarbeiter für 144 Häuser 144 Pflegeheime mit mehr als 12000 Bewohnern gibt es in Hamburg. Die Heimaufsicht verfügt über zwölf Mitarbeiter, viele von ihnen Teilzeitkräfte. Ein weiteres Kontrollorgan ist der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK). Jedes Heim soll ein Mal pro Jahr besucht werden. In den Jahren 2004 und 2005 wurden zwei Betriebsuntersagungen ausgesprochen - wegen schlimmer Zustände. Allerdings werden viele Besuche angemeldet durchgeführt. So haben Heime genug Zeit, alles rechtzeitig auf Vordermann zu bringen. Eine Altenpflegerin erzählt "Sobald bekannt ist, dass eine Kontrolle ansteht, laufen alle rum wie die aufgescheuchten Hühner. Alles wird geputzt, Pflegedokumentationen werden auf Vordermann gebracht. Wie es wirklich ist im Heim, bekommt die Heimaufsicht selten zu sehen." Der Hamburger Landesseniorenbeirat fordert schon lange, dass das Personal der Heimaufsicht aufgestockt und Kontrollgänge unangemeldet durchgeführt werden - damit Missstände auch wirklich ans Licht kommen.
Erschreckend, oder? Das sowas möglich ist im Jahre 2007 mitten in Deutschland, einer der reichsten Industrienationen der Welt.
Macht mich wütend, besonders die Nichtreaktion von Seiten der Politik.
Aber dank der Verbindungen wird sich da auch nichts ändern, denn einer Krähe hackt ja der anderen kein Auge aus.....
:twisted:
Menschen, die verhungern und verdursten? Hier in Hamburg? Und dann auch noch in einem Pflegeheim? "Früher hätte ich gesagt: So was gibt's gar nicht", erzählt Veronika L. "Heute weiß ich es besser." Die 43-Jährige musste vor einem Jahr ihre Tante ins Pflegeheim geben. Vorausgegangen war ein Schlaganfall. In den darauffolgenden Wochen baute die 75-jährige Eva S. dramatisch ab. "Tante Evchen wirkte plötzlich wie weggetreten, schlief nur noch, war nicht mehr ansprechbar."
Als die alte Dame wenig später kollabierte und halbtot ins Krankenhaus eingeliefert wurde, war die erste Frage des Arztes, ob es sich um eine Pflegeheim-Bewohnerin handele. Regelmäßig, so der Arzt kopfschüttelnd, habe er es mit alten Menschen zu tun, die wieder aufgepäppelt werden müssten, weil ihnen im Heim nicht ausreichend Nahrung und Flüssigkeit zugeführt worden ist. Auch seine Kollegin, Dr. Ann-Katrin Meyer, Chefärztin der Geriatrie am AK Wandsbek, kennt das Problem: "Dass es in manchen Heimen Missstände bei der Versorgung der Bewohner gibt, ist ein offenes Geheimnis", sagt sie.
Die Würde des Menschen ist unantastbar - so heißt es im Grundgesetz. Das gelte oftmals nicht für Pflegeheimbewohner, sagt Rainer Helwig. Der 65-Jährige, der bis vor einem Jahr beim Gesundheitsamt in Altona für die Heimaufsicht zuständig war, spricht davon, dass unterlassene Hilfeleistung, Freiheitsberaubung und Körperverletzung vielerorts an der Tagesordnung seien.
"Oftmals sind Heime personell derartig unterbesetzt, dass sich ein oder zwei Altenpflegerinnen um eine ganze Station von vielleicht 30, 40 Menschen kümmern müssen." 3500 Euro koste ein Pflegeheimplatz in Hamburg im Durchschnitt. "Bei so viel Geld müssten die Heimbetreiber doch in der Lage sein, ausreichend Personal zu beschäftigen, oder?"
Die Betreiber aber wollen Profit machen, sparen beim Personal. Leidtragende sind die Bewohner. Beispiel: der Stuhlgang. Statt sich die Zeit zu nehmen, bettlägerige Bewohner zum Klo zu führen, werde ihnen einfach eine Windel verpasst. "Die alten Menschen empfinden das als entwürdigend", sagt Helwig. Er ist überzeugt: Die Windel ist der Grund, dass Pflegeheimbewohner sich gegen Essen und Trinken sperren - einfach, weil sie möglichst selten in die Verlegenheit kommen wollen, sich einzunässen.
Beispiel: Beruhigungsmittel. Helwig: "Da, wo es Stationen mit 30, 40 Bewohnern gibt, aber nur einer Altenpflegerin, die Nachtwache hat, ist davon auszugehen, dass jede Menge Psychopharmaka verabreicht werden. Sonst würde die Pflegerin ihre Arbeit nämlich niemals schaffen. Bewohner, die mit Medikamenten ruhiggestellt sind, drücken nicht die Klingel, laufen auch nicht weg - sind einfach pflegeleichter."
Ist die Situation in Pflegeheimen wirklich so grausig? Davon will Beate Langbecker, in Hamburg-Mitte als Heimaufsicht tätig, nichts wissen. Sie spricht von "Einzelfällen" und legt das Ergebnis einer Befragung von Heimbewohnern und deren Angehörigen vor. Demnach sei alles gut. Merkwürdig, denn eine andere MOPO-Gesprächspartnerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, aber ebenfalls mit der Überwachung von Heimen in Hamburg zu tun hat, kommt zu einem ganz anderen Ergebnis: Nur 20 Prozent der Pflegeheime seien vorbildlich. Aber genauso viele - also jedes fünfte - seien "eine Katastrophe"!
Warum Heimaufsicht und der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) nicht durchgreifen und solche Heime schließen? "Das funktioniert nicht, solange die Gerichte die wirtschaftlichen Interessen der Heimbetreiber über die Interessen der Bewohner stellen", sagt die Insiderin und schimpft auf die Richter. Ein beanstandetes Heim müsse nur glaubhaft machen, dass erste Verbesserungen eingeleitet seien, schon sei es aus dem Schneider.
Wie schlecht es alten Menschen im Pflegeheim ergeht, weiß ein Mann sehr genau: Professor Klaus Püschel, Chef des Rechtsmedizinischen Instituts. Ende der 90er Jahre hatte er mit einer Studie bundesweit Aufsehen erregt, wonach vier Prozent der Menschen, die im Pflegeheim sterben, an einem Dekubitus leiden - einem Durchliegegeschwür, das fast immer Folge schlechter Pflege ist. Weil Menschen zu lange auf derselben Stelle liegen, ist die Durchblutung gestört. Die Menschen verfaulen bei lebendigem Leib.
Knapp zehn Jahre später stellt Püschel fest, dass die Zahl der Dekubitus-Fälle zwar auf unter ein Prozent gesunken ist. Dennoch seien alte Menschen in einem "desolaten Zustand, wenn sie sterben". Statt Bettlägerigen und Dementen Essen und Trinken zu reichen, Löffel für Löffel, Schlückchen für Schlückchen, würden sie immer häufiger über Magensonden durch die Bauchdecke ernährt. Oft würden Pflegeheimbewohner an ihr Bett gefesselt oder medikamentös ruhiggestellt. Für Püschel ist all das Folge einer totalen Überforderung des Personals. "Hier gibt es dringenden Diskussions-, Kontroll- und Handlungsbedarf."
Info:
o.wunder@mopo.de Lesen Sie morgen Eine Altenpflegerin packt aus
Zitat:
"Körperverletzung, Freiheitsberaubung - das ist Heimalltag" Heim-Experte Rainer Helwig (65)
Und passend dazu:
EINE ALTENPFLEGERIN PACKT AUS!
"Dieser Job ist die Hölle!"
Den Mund aufzumachen trauen sich nur wenige. Die Angehörigen nicht, weil sie fürchten, der Pflegebedürftige könnte das zu spüren bekommen. Die Altenpfleger nicht, weil sie Angst um ihren Job haben. Aber eine packt jetzt in der MOPO aus Monika L. (44). Sie ist Altenpflegehelferin. Das heißt Sie war es. Vor einem Jahr kündigte sie, weil sie die Zustände nicht länger dulden wollte. "Niemand kriegt mich je wieder in ein Heim."
Mehr als ein Mal war ich kurz davor, mich selbst anzuzeigen", erzählt Monika L. "Denn fast täglich habe ich mich der Vernachlässigung von Schutzbefohlenen schuldig gemacht. Einmal schrieb ich einen Brief an die Heimleitung: Dass ich das, was hier läuft, nicht mehr verantworten kann. Ich habe nicht einmal Antwort bekommen. Stattdessen mild lächelnd den Hinweis von Kollegen: ,Du hast einfach zu viel Verständnis für die Bewohner.'"
Als nicht examinierte Kraft habe sie nachts oftmals ganz alleine für drei Stationen da sein müssen. Für 90 Bewohner! "Irgendwo ist jemand aus dem Bett gefallen. Gleichzeitig klingelt es aus drei Zimmern Sturm. Und ich? Ich muss die 16 Bewohner, die sich selbst nicht mehr bewegen können, im Bett umlagern." So gehe es die ganze Nacht. "Oftmals habe ich in der Pflegedokumentation nur noch behauptet, umgelagert zu haben."
Ein anderes Beispiel: Frühschicht. "Da habe ich 30 Bewohner zu versorgen. Damit ich mein Pensum schaffe, muss ich die ersten um 6.30 Uhr wecken und waschen - viele gegen ihren Willen. Aber ich zwinge sie. Sonst kommt mein Plan durcheinander." Monika L. fragt: "Wie lange brauchen Sie denn morgens im Bad, wenn Sie es ganz eilig haben?" Antwort vom MOPO-Reporter: "So 15 Minuten." Monika L.: "Ich musste das in sieben Minuten schaffen. Bei Menschen, die sich kaum noch selbst bewegen können!"
Weiter im Programm: Betten machen, Blutdruck messen, Medikamente hinstellen, die übrigen Bewohner waschen. Zwischendurch klingelt es, weil wieder jemand aufs Klo will. "Nicht selten habe ich dann gesagt: ,Machen Sie in die Windel, ich kann jetzt nicht.`" Schließlich muss sie auch noch 16 dementen Bewohnern beim Essen helfen. "Da solche Leute manchmal eine halbe Stunde brauchen, um 100 Milliliter Flüssigkeit zu sich zu nehmen, können Sie sich vorstellen, dass ich diese Aufgabe mehr schlecht als recht erledigt habe."
Das Ende der Menschlichkeit im Heim sei die Pflegeversicherung gewesen, sagt Monika L. "Seitdem wird nur noch nach der Stoppuhr gepflegt. Streicheln, Nähe, Zuwendung - all das wird nicht bezahlt, also wird es auch nicht gemacht." Mehrmals sei sie von Kollegen angeraunzt worden, weil sie sich mal zehn Minuten ans Bett einer im Sterben liegenden Bewohnerin gesetzt habe. ",Monika, säubere lieber die Waschschüsseln!', fauchte mich dann die Pflegedienstleitung an. Die alte Dame hat schließlich ganz alleine ihr Leben ausgehaucht."
Der ungeheure Leistungsdruck, der auf dem Personal laste, habe viele Kollegen verändert. "Da werden insgeheim Psychopharmaka verabreicht, um in der Nacht die lästigsten Bewohner ruhigzustellen. Statt im Sommer, wenn es heiß ist, den Bettlägerigen zusätzlich Flüssigkeit einzuträufeln, wird einfach eine Infusion gelegt. Geht schneller. Und immer wieder ist es mir passiert, dass ich Bewohner angeschrien habe, zum Beispiel, weil sie mal wieder das Bett eingekotet hatten. Hinterher war ich über mich selbst erschrocken. Wie oft habe ich abends zu Hause nur noch geheult, weil ich fertig war?"
Von den Heimbewohnern tun Monika L. diejenigen am meisten leid, die keine Angehörigen mehr haben oder von ihnen vergessen wurden. "Denn das sind diejenigen, die immer den Kürzeren ziehen. Wenn keine Zeit mehr ist, werden die eben mal ein paar Wochen nicht geduscht. Merkt ja keiner."
O. Wunder von mopo.de:
Heimaufsicht
Nur zwölf Mitarbeiter für 144 Häuser 144 Pflegeheime mit mehr als 12000 Bewohnern gibt es in Hamburg. Die Heimaufsicht verfügt über zwölf Mitarbeiter, viele von ihnen Teilzeitkräfte. Ein weiteres Kontrollorgan ist der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK). Jedes Heim soll ein Mal pro Jahr besucht werden. In den Jahren 2004 und 2005 wurden zwei Betriebsuntersagungen ausgesprochen - wegen schlimmer Zustände. Allerdings werden viele Besuche angemeldet durchgeführt. So haben Heime genug Zeit, alles rechtzeitig auf Vordermann zu bringen. Eine Altenpflegerin erzählt "Sobald bekannt ist, dass eine Kontrolle ansteht, laufen alle rum wie die aufgescheuchten Hühner. Alles wird geputzt, Pflegedokumentationen werden auf Vordermann gebracht. Wie es wirklich ist im Heim, bekommt die Heimaufsicht selten zu sehen." Der Hamburger Landesseniorenbeirat fordert schon lange, dass das Personal der Heimaufsicht aufgestockt und Kontrollgänge unangemeldet durchgeführt werden - damit Missstände auch wirklich ans Licht kommen.
Erschreckend, oder? Das sowas möglich ist im Jahre 2007 mitten in Deutschland, einer der reichsten Industrienationen der Welt.
Macht mich wütend, besonders die Nichtreaktion von Seiten der Politik.
Aber dank der Verbindungen wird sich da auch nichts ändern, denn einer Krähe hackt ja der anderen kein Auge aus.....
:twisted:
Wer anderen eine Bratwurst brät,
hat ein Bratwurstbratgerät !!!
hat ein Bratwurstbratgerät !!!