- Mo 14. Sep 2009, 04:11
#716981
@Fabel
Mir scheint das du unser politisches System noch nicht ganz begriffen hast.
Theoretisch sitzen im Bundestag vom Volk gewählte Vertreter, welche nur ihrem eigenen Gewissen ggü. verpflichtet Entscheidungen (Gesetze, Beschlüsse, usw.) treffen.
Praktisch sitzen im Bundestag von Parteien gewählte Vertreter, welche dem Fraktionszwang folgend Entscheidungen treffen die eine kleine Politkamarilla in noch kleineren Hinterzimmern ausklüngelt.
Davon abgesehen, dort sitzen idR keine Experten und Spezialisten, sondern vorwiegend Parteifunktionäre die in ihrem Leben Leeeeeerer, Taxifahrer, Theologiestudenten, Juristen und dergleichen sind oder waren.
Ein sehr schönes Beispiel ist da Lilo Friedrichs, SPD, die naiv-trottelig die Agenda 2010 von den Schröder-Sozis unterstützt und gelobt hat, bis sie nach ihrem BT-Ausschied selbst arbeitslos wurde und dort mal am eigenen Leib erfahren hat, was sie da für einen Mist unterstützt hat.
Oder das Finanzmarktstabilisierungsgesetz von 2008, welches der Großteil des humanen Reichstagsinhaltes abgenickt hat und mit dem sich die Politik innerhalb von 20 Jahren zum 2. Mal von der Hochfinanz am Nasenring durch Landschaft hat ziehen lassen.
Zu den Piraten als Protestpartei:
Ich hab das in dem anderen Bundestagswahl-Thread schon geschrieben, "Protestparteien" (Parteien die mit größter Wahrscheinlichkeit nicht in eine Regierung kommen) fungieren als "Treiber" welche den großen Parteien politische Inhalte vorgeben die sie aus eigenem Interesse nicht wahrnehmen.
Z.B. die Ökologie (GRÜNE) oder soziale Gerechtigkeit (LINKE).
Der Mindestlohn ist auf der SPD-Agenda erst aufgetaucht als Lafontaine damit Wahlkampf gemacht hat, hätte die SPD aus eigenem Willen dies gewollt, hätte man derartiges ja unter Rot-Grün mit einführen können. Hat man aber nicht gemacht.
Die Atomkraft ist deshalb nicht ausgeweitet worden, weil die damals regierenden Parteien (SPD, CDU, FDP) damit hätten rechnen müssen, das wenn sie die Bevölkerungsmeinung weiterhin ignorieren, die GRÜNEN kurzfristig auf über 10% pushen und damit die eigenen Füttertröge gefährden.
Das gleiche jetzt mit der Piratenpartei, wenn CDU und SPD in der nächsten GroKo weitere Sicherheitsgesetze an den Notwendigkeiten des Landes vorbei beschließen, riskiert man die nächste 5-10% Partei in den Bundestag zu holen.
Auch die FDP wird massiv unter Druck gesetzt, da ihr aktuell wohl im größeren Maßstab frustrierte Parteimitglieder Richtung Piraten flöten gehen.
Sofern Guido also nicht bald von seinem BWL-Liberalen Egotrip den er euphemistisch als "Soziale Marktwirtschaft" bezeichnet, herunterkommt, verliert er die Sozialliberalen und die Bürgerrechtler und ist schneller bei <10% als er "Neuwahlen!" rufen kann.
“Die Kraft des besseren Argumentes scheitert nämlich an der Macht, die hinter den schlechteren steht, nicht an deren Inhalten.”
"flatter", 2012