#574809
Die werden definitiv nicht Arbeitslos. Vollbeschäftigung bedeutet ja nicht das es keine Arbeitslosen mehr gibt. Vollbeschäftigung bedeutet rund 4% offizielle Arbeitslose. Dazu kommt alles was vom Amt abhängig ist aber nicht als arbeitslos in der Statistik auftaucht. Das sind derzeit rund 8 Millionen Menschen. Die bekommen entweder zusätzlich Hartz IV, weil das Arbeitseinkommen nicht reicht, oder sind in Maßnahmen untergebracht, in denen mindestens 15 Stunden die Woche gearbeitet wird.

Vollbeschäftigung ginge auch mit der übernahme der ILO Statistik. So wie es die CDU einst auch schonmal einführen wollte. Dann würde einfach alles was die Woche 1 Stunde arbeitet als beschäftigt gelten und aus der Statistik fallen.

Wir reden hier also über eine statistische Vollbeschäftigung. Oder besser ausgedrückt einen wirtschaftspolitischen Taschenspielertrick. Echte Vollbeschäftigung wird man hier nie erleben. Dazu müsste man alle ca. 11 Millionen Menschen plus Dunkelziffer in Arbeit bringen, Arbeit bei der Wohlgemerkt jeder seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann und keine Transferleistungen benötigt. Erst dann wäre auch die Agentur für Arbeit quasi arbeitslos. Eh das passiert, friert eher die Hölle zu.

Der Trend geht ja seit Jahren zum Niedriglohnsektor. Das bedeutet zwar weniger offizielle Arbeitslose, nur passiert da nichts anderes wie eine Verschiebung aus offiziellen Statistik heraus. Die Leute sind in den meisten Fällen aber weiterhin auf zusätzliche Transferleistungen angewiesen.
#604095
Na, wer glaubt daran, daß Frau Angie Ihr 2Mio. Ziel bis zur nächsten Bundestagswahl schaffen wird?? Heute früh habe ich gerade in nem TV-Text gelesen, daß diejenigen Arbeitnehmer, die ohne Unterstützung von Hartz nicht leben können, immer mehr werden...... :roll: :shock:
#604152
Sentinel2003 hat geschrieben:Na, wer glaubt daran, daß Frau Angie Ihr 2Mio. Ziel bis zur nächsten Bundestagswahl schaffen wird?? Heute früh habe ich gerade in nem TV-Text gelesen, daß diejenigen Arbeitnehmer, die ohne Unterstützung von Hartz nicht leben können, immer mehr werden...... :roll: :shock:
Nur mal ein paar Zahlen.

Von 82 Millionen Einwohnern zählen die 15-64 jährigen zur arbeitsfähigen Bevölkerung, das sind etwa 55 Millionen.
Tatsächlich berufstätig sind davon gerademal 40, das macht eine Differenz von 15 Millionen.
Von staatlichen Zuwendungen leben, müssen inzw knapp 12 Millionen, wenn ich das richtig im Kopf habe (habe dazu keine aktuelle Zahl gefunden).

Soviel zum Thema, der "Aufschwung" ist vorbei... wie sieht dann erst der Abschwung aus?
#604156
Ganz genaue Zahlen sind schwer festzustellen.

Die Statistiken sind leider nicht ganz genau und die Versuche, wie z.B. von unserer zuständigen MdB die auch im Petitionsausschuss sitzt, das zu ändern, werden natürlich geblockt. http://www.nnz-online.de/news/news_lang ... rtNr=56050 Die Wahrheit ist halt unbequem.

Unsere ganze Bevölkerungstatistik beruht auf Fortschreibungen von Zensen aus 1987 in Westdeutschland und 1981 in der DDR. Wenigstens das versucht man ab 2011 wieder halbwegs zu richten. Wenn das auch durch zuzug von Registern wieder Lücken möglich macht. Nicht gemeldete Leute werden dann maximal zufällig per Stichprobe erwischt. Es ist zu erwarten, dass die Fortgeschriebenen Daten etwas über der Realität liegen.

Zu den den Leuten die 15 Stunden die Woche irgendwie beschäftigt werden und denen die Aufstocken müssen, so nicht gezählt werden, kommt ja noch eine unbekannte Dunkelziffer. Das sind Leute die zwar Anspruch haben aber lieber auf Unterstützung verzichten. Das mag zwar für einige löblich klingen, verschleiert aber etwas die tatsächliche Situation am Arbeitsmarkt. Viele prekäre Arbeitsverhältnisse tauchen so erst garnicht auf dem Radar auf. Dazu kommen noch Partner usw., wo der Anspruch durch Anrechnung etc. knapp verfehlt wurde, die aber trotzdem vom Transfer leben und ohne Beschäftigung sind. Melden die sich nicht arbeitssuchend, tauchen auch die nicht auf dem Radar auf.

Die Zahl derer die kein oder ein Einkommen unter Existenzminimum haben, dürfte bei weitem größer als alle bisher öffentlich gemachten Zahlen sein.
von Robbi702
#604161
vicaddict hat geschrieben:
Nur mal ein paar Zahlen.

Von 82 Millionen Einwohnern zählen die 15-64 jährigen zur arbeitsfähigen Bevölkerung, das sind etwa 55 Millionen.
Tatsächlich berufstätig sind davon gerademal 40, das macht eine Differenz von 15 Millionen.
Von staatlichen Zuwendungen leben, müssen inzw knapp 12 Millionen, wenn ich das richtig im Kopf habe (habe dazu keine aktuelle Zahl gefunden).

Soviel zum Thema, der "Aufschwung" ist vorbei... wie sieht dann erst der Abschwung aus?
Von den 15-18 Jährigen gehen wohl die meisten noch zur Schule heutzutage, dann gibt es noch 2 Millionen Studenten in Deutschland, Frührentner und Leute, die nicht arbeitsfähig sind wegen Behinderung o.ä. Also kannst du schon mal ein paar Millionen abziehen von den 12 Mio. ;)

Dumme Frage, aber zählen Hausfrauen als arbeitslos? Bzw. werden sie zur arbeitsfähigen Bevölkerung gerechnet? Kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass es "nur" so wenige gibt, die tatsächlich nicht arbeiten gehen..
#604189
Robbi702 hat geschrieben:
vicaddict hat geschrieben:
Nur mal ein paar Zahlen.

Von 82 Millionen Einwohnern zählen die 15-64 jährigen zur arbeitsfähigen Bevölkerung, das sind etwa 55 Millionen.
Tatsächlich berufstätig sind davon gerademal 40, das macht eine Differenz von 15 Millionen.
Von staatlichen Zuwendungen leben, müssen inzw knapp 12 Millionen, wenn ich das richtig im Kopf habe (habe dazu keine aktuelle Zahl gefunden).

Soviel zum Thema, der "Aufschwung" ist vorbei... wie sieht dann erst der Abschwung aus?
Von den 15-18 Jährigen gehen wohl die meisten noch zur Schule heutzutage, dann gibt es noch 2 Millionen Studenten in Deutschland, Frührentner und Leute, die nicht arbeitsfähig sind wegen Behinderung o.ä. Also kannst du schon mal ein paar Millionen abziehen von den 12 Mio. ;)

Dumme Frage, aber zählen Hausfrauen als arbeitslos? Bzw. werden sie zur arbeitsfähigen Bevölkerung gerechnet? Kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass es "nur" so wenige gibt, die tatsächlich nicht arbeiten gehen..

Natürtlich werden Hausfrauen als arbeitsfähig eingestuft, sie haben nur keinen regulär bezahlten Job. Mir ist auch klar, dass die Statistik Schüler einbezieht, aber Frührentner beispielsweise werden in diese Statistik nicht eingerechnet.

Fakt ist wir haben 55 Millionen arbeitsfähige, von denen nur 40 Millionen arbeiten. Und nicht vergessen darf man eben, dass bei diesen 40 Millionen nochmal ein paar Millionen drin sind, die trotz Arbeit auf den Staat angewiesen sind. Nicht zu vergessen Arbeitnehmer, die Anspruch auf Hilfe hätten, aber keine bekommen, weil sie einen Partner haben. Unterm Strich kommt man dann wohl bei einer Zahl von rund der Hälfte der arbeitsfähigen Bevölkerung raus, die Arbeit haben und von dieser leben können.

Ein Armutszeugnis für eines der reichsten Länder dieser Welt.
von The Rock
#604236
Fakt ist wir haben 55 Millionen arbeitsfähige, von denen nur 40 Millionen arbeiten. Und nicht vergessen darf man eben, dass bei diesen 40 Millionen nochmal ein paar Millionen drin sind, die trotz Arbeit auf den Staat angewiesen sind. Nicht zu vergessen Arbeitnehmer, die Anspruch auf Hilfe hätten, aber keine bekommen, weil sie einen Partner haben. Unterm Strich kommt man dann wohl bei einer Zahl von rund der Hälfte der arbeitsfähigen Bevölkerung raus, die Arbeit haben und von dieser leben können.

Ein Armutszeugnis für eines der reichsten Länder dieser Welt.
Nun ja, auch wenn die Zahl der Arbeitnehmer stetig gestiegen ist, die trotz Arbeit vom Staat Hilfe beziehen müssen, war dies schon aus früheren Tagen ein Phänomen, dass sich über Wasser hielt und erst seit der Hartz 4 Zeit Salonfähig für Kritik wurde.

Schlimm in diesem, bzw. obwohl gerade wegen diesem Zusammenhang empfinde ich die Tatsache, dass Mitlerweile eine beachtliche Millionenzahl Billiglöhner, Minijober, Zeitarbeiter, Teilzeitarbeiter oder andere Geringverdiener sind, die in der Statistik als "arbeitsnehmend" eingestuft sind, jedoch tapfer von den Bundesregierungen totgeschwiegen wird, dass gerade diese Arbeitsverhältnisse die Wirtschaft und den Sozialstaat schwächen.
Arbeitsnehmend in einer der oben genannten Richtungen zu sein heisst, dass der Industrie viele Fachkräfte flöten gehen und ein rießiger Teil der ca. 8 Millionen geringere, oder eben keine Sozialabgaben leistet.


Zudem halte ich es für ein Armutszeugnis unserer Gesellschaft und nicht unseres Landes, dass diese Arm und Reich Scheere in den letzten 20 Jahren so weit auseinandergedriftet ist.
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von Eisbär
#604446
Fakt ist wir haben 55 Millionen arbeitsfähige, von denen nur 40 Millionen arbeiten. Und nicht vergessen darf man eben, dass bei diesen 40 Millionen nochmal ein paar Millionen drin sind, die trotz Arbeit auf den Staat angewiesen sind. Nicht zu vergessen Arbeitnehmer, die Anspruch auf Hilfe hätten, aber keine bekommen, weil sie einen Partner haben. Unterm Strich kommt man dann wohl bei einer Zahl von rund der Hälfte der arbeitsfähigen Bevölkerung raus, die Arbeit haben und von dieser leben können.

Ein Armutszeugnis für eines der reichsten Länder dieser Welt.
Bevor hier jemand falsche Schlüsse raus zieht:
Im Prinzip ist das Verhältniss der Arbeitenden zu Arbeitsfähigen völlig wurscht.
Weder ökononisch noch soziologisch ist es begründbar das hier ein Verhältnis von 80, 90 oder gar 100% vorherrschen müsste.
Im Gegenteil, es wäre wohl gesellschaftlich sehr nachteilig hätten wir eine Quote von nahe 100% da auch irgendjemand Kinder erziehen muss, wenn beide Elternteile vollzeit arbeiten müssen wird das schwer.

Einzig bedeutend ist, das für alle Gesellschaftsteile eine ausreichende Versorgung gewährleistet wird, theoretisch wäre das selbst mit 20 oder 25 Mio. Erwerbstätigen möglich.
Die Anzahl der Beschäftigten sagt nichts über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder den Wohlstand einer Volkswirtschaft aus.
Ist nur eine Verteilungsfrage.

Und da die Frage aufkam, arbeitslos ist wer sich arbeitslos meldet, sollten derzeit etwa 5-6 Mio. sein.
Die Bundesagentur für Arbeitslosenverwaltung macht daraus dann durch Umdefinierung von "arbeitslos" oder "erwerbstätig" die groß propagierten 3 Mio..

Die Erwerbslosen die keinen Anspruch auf Transferleistungen haben, fallen raus, die Erwerbslosen die ihre Situation der BA nicht melden ("stille Reserve"), ebenso.

Sollte sich also eine Hausfrau gar nicht offiziel als arbeitssuchend melden, wird sie von der BA auch nicht erfasst.


Zur Zukunft der Arbeitsmarktentwicklung hat Jeremy Rifkin vor einigen Jahren der S-Z ein Interview gegeben:
http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/p ... 4?_seite=1

...

Warum (wird langfristig ein Großteil der heutigen Arbeitsplätze verschwinden, Anm. Eisbär)?

Schauen Sie in die Vergangenheit. Zehntausend Jahre haben sich Menschen andere Menschen als Sklaven gehalten. Nun reden wir uns gern ein, dass die Sklaverei abgeschafft wurde, weil wir so human geworden sind. Aber die Wahrheit ist: Durch die industrielle Revolution ist die Sklaverei überflüssig geworden. Ab einem bestimmten Zeitpunkt war es billiger, den Ofen eines Kohleofens zu füllen, als den Mund eines Sklaven.

Und da sehen Sie Parallelen zu heute?

Wir sind mitten in einer Umwälzung, die die industrielle Revolution noch übertrifft. Durch die ersten Mechanisierungsschübe verloren Millionen von Menschen ihre Jobs und wanderten vom Land in die Städte, um dort mit den Maschinen zusammen zu arbeiten. Aber die Computer und Informationstechnik von heute machen immer mehr Menschen ganz überflüssig. Selbst die billigste menschliche Arbeitskraft ist teurer als die Maschine.

Aber entstehen durch die neue Technik nicht auch neue Arbeitsplätze?

Das ist die Hoffnung, an die wir uns seit Jahrzehnten geklammert haben. Die kapitalistische Logik sagt, dass technologischer Fortschritt und gesteigerte Produktivität alte Jobs vernichtet, dafür aber mindestens genauso viele schaffen. Aber die Zeiten sind vorbei.

Sind Sie da sicher?

Ganz sicher. Sehen Sie, ich verdiene einen Teil meines Einkommens damit, die Chefs großer Konzerne zu beraten. Wenn ich die frage, ob sie in Zukunft noch Zehntausende von Mitarbeiter haben werden, dann lachen die laut los. Die Wirtschaftsführer wissen längst, wo die Reise hingeht.

Wohin geht sie denn?

Wir vollziehen gerade einen Wandel hin zu einem Markt, der zum allergrößten Teil ohne menschliche Arbeitskraft funktioniert.
Bis 2010 werden nur noch zwölf Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Fabriken gebraucht. Bis 2020 werden es weltweit nur noch zwei Prozent sein.

Das klingt unglaublich.

Nicht unglaublicher, als was wir schon erlebt haben.
Von 1982 bis 2002 stieg die amerikanische Stahlproduktion von 75 auf 102 Millionen Tonnen. Im selben Zeitraum nahm die Zahl der Stahlarbeiter von 289.000 auf 74.000 ab. In den 20 größten Volkswirtschaften der Erde sind zwischen 1995 und 2002 mehr als 30 Millionen Arbeitsplätze abgebaut worden. Wohin sie schauen, dasselbe Bild: Die Produktion steigt, die Produktivität steigt, aber die Arbeitsplätze nehmen ab.

...


Aber was ist mit Service, mit Dienstleistungen, mit hochqualifizierten Jobs?

Die haben längst dasselbe Problem. Die amerikanische Telefongesellschaft Sprint ist seit Jahren dabei, menschliche Vermittler durch Spracherkennungsprogramme zu ersetzen. 2002 sprang die Produktivitätsrate bei Sprint um 15 Prozent nach oben, der Gewinn stieg um 4,3 Prozent, und 11.500 Jobs wurden abgebaut. Die Net-Bank in Australien hat 2,4 Milliarden Dollar Einlagen. Eine herkömmliche Bank dieser Größe hätte um die 2000 Angestellte. Aber die Net-Bank benötigt nur 180 Mitarbeiter.


...


Sie beraten doch Regierungen. Was sagen Politiker eigentlich, wenn Sie denen von Ihren Thesen erzählen?

Mit den Politikern ist das so eine Sache. Im Jahr 2000 haben sie die Europäischen Regierungschef getroffen und beschlossen, Europa bis 2010 zum leistungsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Und was ist geschehen? Nicht viel.

Und das liegt daran, dass die Politiker ihnen nicht zugehört haben?

Es liegt daran, dass viele Politiker Europa lieber als Sündenbock missbrauchen, anstatt sich dem Grundproblem zu stellen: Die Arbeit verschwindet. Das will kein Politiker seinen Wählern erzählen.
Statt dessen betet man immer wieder dieselben drei Pseudotheorien herunter.

Drei Pseudotheorien?

Immer dieselben drei, ja. Erstens: Wir verlieren in unserem Land Jobs, weil die bösen Unternehmer Stellen ins Ausland verlagern. Zweitens: Wir haben genug Jobs, die Leute sind nur nicht richtig ausgebildet. Und drittens: Wir haben zu wenig Jobs, weil die Sozialabgaben zu teuer sind. Alle drei Argumente sind absurd.


Wissen Sie, dass genau diese Argumente gerade in Deutschland diskutiert werden?

Natürlich weiß ich das. Ihre Regierung hat mich ja gerade erst wieder zu einem Vortrag eingeladen. Aber der Reihe nach.
Erstens: Die Zahl der Jobs die in Deutschland verschwinden weil sie zum Beispiel nach Osteuropa oder China verlagert wird, ist verschwindend gering. Sie macht gerade mal ein Prozent der abgebauten Stellen aus. Der wirkliche Jobkiller ist der technologische Fortschritt. Aber davon hören Sie von den Politikern kein Wort. Maschinen machen sich als Buhmann eben schlechter als Chinesen oder Polen.

Was ist das zweite Pseudoargument?

Das ist auch so eins für die Wahlreden: Wir müssen die Leute nur richtig ausbilden oder weiterbilden und schon ist das Beschäftigungsproblem gelöst. Nehmen wir mal an, man könnte tatsächlich alle fünf Millionen Arbeitslosen in Deutschland so fortbilden, wie sich die Politiker das vorstellen. Was wäre denn dann? Es gebe immer noch nicht genug Jobs. Die Zeiten der Massenarbeit ist vorbei. Wir werden nie wieder Tausende von Leuten sehen, die aus den Fabriktoren strömen. In Zukunft wird Arbeit etwas für die Eliten sein. Für besondere Aufgaben wird man immer noch die Top-Ärzte, Top-Anwälte oder Top-Designer brauchen. Aber Durchschnittsqualität kann ein Computer oder ein Roboter billiger liefern.


Wo liegt der dritte Fehler?

Ah, die sozialen Systeme. Darüber sprechen Sie hier schon seit Jahren, nicht wahr? Nun, ich will nicht sagen, dass es in Deutschland keinen Reformbedarf gibt. Aber wenn jemand daran denkt, den Weg der USA einzuschlagen, dann kann ich davor nur warnen. Je härter sie die Sozialsysteme beschneiden, desto eher tauchen die Probleme an anderer Stelle wieder auf. Schlechtere Gesundheit, größere Armut, weniger Sicherheit, mehr Kriminalität. Natürlich ist die US-Arbeitslosenquote niedriger als die deutsche. Aber bei uns sitzen allein zwei Millionen Leute in den Gefängnissen. Meinen Sie, das ist keine versteckte Arbeitslosigkeit? Glauben Sie mir, sie sind hier immer noch besser dran.


An den Problemen ändert das aber nichts - und Sie sagen, dass alles noch schlimmer wird. Sehen Sie sich eigentlich als Apokalyptiker?

Weil ich das Ende der Arbeit vorhersage? Nein. Erstens: Ich ziehe nur logische Schlüsse aus Dingen, die ich in der Wirtschaft jeden Tag beobachten kann. Und zweitens: Ich halte das Ende der Arbeit durchaus für eine positive Sache.

...
Geschrieben 2005.
Wir können einige angesprochene Probleme mittlerweile live miterleben.
Z.B. die chinesischen Wanderarbeiter, die einstmals den teutonischen Fliessbandarbeitern ihre Beschäftigung wegnahmen und nun ebenso ersetzt werden, von Maschinen.
Oder Schröders und Merkels geniale Idee den "amerikanischen Weg" des working poor zu gehen, mit der Konsequenz des allgemeinen Lohndumpings, Arbeiten am Existenzminimum, verbunden damit Wohlstandsverlust der unteren 50% der Bevölkerung und mit einem dahinsiechenden Binnenmarkt.
Oder die am Kredittropf hängende US-Bevölkerung die unser unter Kreditkrebs leidendes Wirtschaftssystem so überlastet hat das es jetzt eigentlich, um allen Beteiligten noch mehr Leid zu ersparen, eingeschläfert werden müsste.

Doch was macht die deutsche Politik?
Sie redet von Vollbeschäftigung, dem Aufschwung, der Bildungsrepublik, allerhand ähnlichem Unfug und natürlich über sich selbst, wie toll man das nämlich alles wieder gemacht habe oder wer jetzt mit wem gevögelt hat und das garnicht durfte und tut genau das was schon vor 10, 20 oder 30 Jahren nicht funktioniert hat.
Ein paar Wahlgeschenke hier, ein paar linke-Tasche - rechte-Tasche Steuerschiebereien da, flankiert von ein bisschen Wirtschaftsprotektismus für die eigenen Dinosaurier-Industrien.
Das ganze überschattet von einer unübersehbaren Umverteilung von unten nach oben.

Oh, und natürlich "Konjunkturpakete", welche die 4 o.g. Punkten meist in einer Maßnahme bündeln.
Jetzt in der Krise sind ja alle wieder Keynesianer.

Eine _wirkliche_ Politik die man als zukunftsträchtig bezeichnen könnte, fehlt.
Noch schlimmer ist jedoch, das über diese nichtmal diskutiert wird.
#604453
Auf jeden Fall ein sehr interessanter, weil kritischer und treffender Beitrag. Habe den Artikel so noch nicht gekannt.

Besonders interessant finde ich ja den letzten Satz: "Ich halte das Ende der Arbeit durchaus für eine positive Sache."

Bewegen wir uns auf Star Trek'sche Zeiten zu, wo Geld überflüssig wird, und jeder tun kann wonach ihm ist, weil Computer eine Grundversorgung für alles und jeden sichern? (Findet es an der Stelle noch jemand komisch, dass in einer amerikanischen Sci-Fi Serie die Zukunft im Grunde als kommunistisches System beschrieben wird?) Oder endet es eher in einem großen Klassenkampf zw der modernen Aristokratie, den liberalen Lehnsherren, und den modernen Leibeigenen, also uns? Wen Arbeit also nur noch etwas für die Elite ist, was wird aus dem Rest? Sicher wird es eine Gesellschaft nicht zulassen, notfalls, d.h. ganz sicher sogar mithilfe von Gewalt, dass eine kleine Elite in Wohlstand lebt und der Rest ohne Arbeit im Schmutz versinkt...

Rifkins letzter Satz, führt ja, denkt man ihn mal weiter, zu genau diesen beiden Schlüssen, oder habe ich etwas übersehen?

Modernes marxistisches Utopia oder postapokalyptische Endzeitstimmung in der jeder jeden für einen Schluck reines Wasser umbringt und eine ominöse Umbrella-Corporation alles steuert?

Wir erleben ja heute schon wie monatlich tausende Arbeitsplätze verloren gehen und wenn Rifkin sogar schon 2020 als Zeitrahmen benennt, in dem Fabrikarbeit im Grunde ausgestorben sein wird, dürfte der Rest ja nicht weit weg sein...

Erleben wir also noch zu Lebzeiten den totalen Umsturz der Weltordnung auf die eine oder andere Weise? Natürlich nur, sofern die Welt nicht vorher in einem atomaren Scharmützel in die Luft gesprengt wird...
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von Eisbär
#604456
Bewegen wir uns auf Star Trek'sche Zeiten zu, wo Geld überflüssig wird, und jeder tun kann wonach ihm ist, weil Computer eine Grundversorgung für alles und jeden sichern?
Nein, bis mir mein erster Hausdroide den Müll wegräumt vergehen noch einige Jahrzehnte.
Ein bisschen was müssen wir bis dahin schon noch selbst erledigen.
Aber wie Rifkin schon ausführt, der Mensch ist schon so degeneriert und von der Wirtschaft abgerichtet das er gar nicht mehr leben kann ohne (für andere) arbeiten zu gehen.
Das dieser ganze technische Tand den wir besitzen, produzieren und entwickeln zum größten
Teil dafür gedacht ist das Menschen weniger oder gar nicht mehr arbeiten müssen, wird übersehen.
Und auf dem Weg dahin haben sich die Gesellschaftstrukturen anhand der Arbeitsleistungen oder besser der wirtschaftlichen Potenz ihrer Individuen geprägt.
Wahrscheinlich können sich deshalb die meisten ein Leben ohne Arbeit nicht vorstellen.

Aber zurück in die Gegenwart, Arbeit an sich ist genügend vorhanden, Arbeit die (ausreichend) bezahlt wird dagegen nicht.
Auf der einen Seite gibt es einen ungeheuren Bedarf an Dienstleistungen und Waren, auf der anderen Seite eine ungeheure Anzahl an Dienstleistern und Produzenten.
Sie finden aber nicht zusammen, sie können nicht handeln, ihnen fehlt ein Tauschmittel, Geld.

Deswegen haben wir heute zig Millionen Menschen allein in Europa die aus dem Wirtschaftskreislauf ausgeschlossen sind eben weil sie keine Täuschmittel besitzen.

Es ist zwar richtig das der Kapitalismus für eine optimale Warenallokation sorgt, mit der kleinen aber bedeutenden Einschränkung das dies nur gilt wenn man sich monetär artikulieren kann.
Wo kein Geld ist, ist auch keine Ware.
Das ist der schlichte Grund warum in Japan riesige Mengen Reis gehortet werden (analog zu den Butterbergen der EU) während keine 1000km Luftlinie entfernt Menschen verhungern.
Wir erleben ja heute schon wie monatlich tausende Arbeitsplätze verloren gehen und wenn Rifkin sogar schon 2020 als Zeitrahmen benennt, in dem Fabrikarbeit im Grunde ausgestorben sein wird, dürfte der Rest ja nicht weit weg sein...
Selbst wenn das alles nicht eintritt, ich persönlich bin da nicht ganz so pessimistisch wie Rifkin, stellen sich da doch noch ganz andere Probleme.
Die Klimaveränderung, selbst wenn diese nicht menschengemacht ist, hat negative Effekte auf die humanoide Gesamtheit.
Diese selbst vermehrt sich unaufhörlich, nur leider nicht in den Schichten die sich selbst wirtschaftlich versorgen und ihren Kindern Bildung angedeihen können.
Das führt zu Massen (>Milliarden) an jungen, ungebildeten Menschen die in einer globalisierten Welt keine wirtschaftliche Perspektive besitzen, da letztlich ein Großteil an einfacher Arbeit von Maschinen übernommen wird und der Rest Arbeit(worst case, keine internationalen Sozialstandards etc.) zu niedrigsten Löhnen verrichtet wird.

Darüberhinaus werden langsam einige Rohstoffe knapp, wir haben u.a. Peak-Oil und seit letztem Monat soweit ich informiert bin auch Peak-Lithium (Akkus).
Kommen noch die ganzen anderen kleinen und größeren ökologische Katastrophen, ob die Austern-Pest an der Bretagne, die Urwaldzerstörungen am Amazonas.
Das kann man bücherweise fortsetzen.
Alles Sachen die man die letzten 100 Jahre immer mal wieder in die Zukunft geschoben hat.
Modernes marxistisches Utopia oder postapokalyptische Endzeitstimmung in der jeder jeden für einen Schluck reines Wasser umbringt und eine ominöse Umbrella-Corporation alles steuert?
Im Prinzip läuft es genau darauf hinaus. Eigentlich ist es schon so. Ganz normal eigentlich.
Unser ganzer "Wohlstand" beruht darauf, das andere Menschen, die wir glücklicherweise nie sehen oder mit ihnen sprechen müssen, dafür von morgens bis abends schuften.
Das was unter dem Namen Finanzkrise zur Zeit gaaanz, gaaaanz leise an deutschen Haustüren klopft, haben wir, also wir hochentwicklelten westlichen Völker mit unser laizistischen Demokratie, unserer Moral, vor nicht allzu langer Zeit noch fleissigts exportiert.
Bambi Köhler hat sein sein Köfferchen mit den IWF-Krediten genommen und dem korruptesten Machthaber den er finden konnte, aufs Auge gedrückt, für ein paar Rohstoffe, Staatsbetriebe, als Gegenleistung. Ein Bombengeschäft für uns.
Die Folgen für die dortigen Bevölkerungen waren stehts fatal, fanden aber weit weg statt und störte daher wenig.

Von daher ist es ganz gut das wir für die Verbrechen die wir begangen haben (u.a. großangelegter Warenkreditbetrug) jetzt auch mal selbst haften müssen.
Vielleicht weckt das den einen oder anderen auf.

Die Umbrella Corp, die die Menschheit in die ökonomische (damit ist weder eine Rezzession noch eine Depression gemeint sondern so ein Zustand wie 1945 in Deutschland) und ökologische Katastrophe steuert ist der "Markt".
Nichtmal der "freie Markt" den sich einige Fanatiker herbeisehnen, sondern das war wir derzeit haben.
Im Grunde genommen ein gigantisches, internationales "Gefangenendilemma" welches die Menschen dazu zwingt sich selbst verwerten zu müssen und dabei die Anreize so "günstig" setzt das das Sytem moralisches Fehlverhalten honoriert und damit dafür sorgt, das sich der Mensch den Ast auf dem er sitzt, absägt.
Wobei wir schon nicht mehr sägen, wir brennen den kompletten Wald nieder.

Das in den Markt noch von moralisch hoch insuffizienten Kreaturen wie Schröder, Merkel etc. steuernd und manipulierend reingepfuscht wird, potenziert das Unheil natürlich.
Erleben wir also noch zu Lebzeiten den totalen Umsturz der Weltordnung auf die eine oder andere Weise? Natürlich nur, sofern die Welt nicht vorher in einem atomaren Scharmützel in die Luft gesprengt wird...
Wir standen dicht davor zumindest einmal ein "Change" in die richtige Richtung zu bekommen.
Keine staatl. Bürgschaften > Kollaps des Finanzsystems.
Es wäre wenigstens ein Anfang gewesen hätte man der Finanzindustrie ein bisschen Marktmacht genommen.
Merkel und der Rest wollten lieber den Status Quo halten.
Gibt dafür dann ja auch schöne, fette Parteispenden.
Ich erwähnte es schon...die Anreizstrukturen taugen nichts.
Zuletzt geändert von Eisbär am Fr 5. Dez 2008, 07:29, insgesamt 2-mal geändert.
#604459
Mal kurz off-Topic: der Klimawandel scheint in den sehr reichen Schichten unserer einmaligen Erde garnicht stattzufinden.....aber, das ist schon wieder ein anderes Thema..... :roll: :shock:
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von Maddi
#604470
und mal semi off topic: ich hab nachher ein vorstellungsgespräch für ein unglaublich tolles praktikum.

lohn? zusätzlich 100€ zum Hartz IV; macht bei 30 stundenwoche, 83cent stundenlohn, bei 40 stundenwoche 62,5 cent stundenlohn
(4 arbeitswochen a 5 tage pro monat als beispiel genommen)

aber gut, davon kauf ich mir ein möglichst günstiges ikea regal, nen festen strick, und entweder gibt es eine universelle gerechtigkeit das wenigstens das funktioniert, oder irgendetwas in diesem plan hat schrauben locker :mrgreen:

update: das war wohl das beschisstenste "job angebot" das ich je gekriegt habe.
ich soll briefe eintüten, sachen zwischen den etagen hin und her kutschieren, und sachen ins archiv schaffen bzw. auch aus selbigen hinaus, wenn sie gebraucht werden. :shock:

ähnliches habe ich zwar schon in vorherigen tätigkeiten gemacht, aber eben nebenbei, und nicht als alleinigen inhalt für ne 40 stunden woche. da meinte selbst der projektbetreuer(soweit ist es schon, ich hab nen betreuer :wink: :D ) dass er mich da rausnimmt wenn sich das so rausstellen sollte.

das beste ist aber, das ist so ein 12-13 stöckiges büro gebäude, wo jede etage exakt gleich aussieht. wenn da nicht beschriftungen wären, du wüsstest überhaupt nicht in welchem stockwerk du grad bist :mrgreen:
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von Eisbär
#604655
update: das war wohl das beschisstenste "job angebot" das ich je gekriegt habe.
ich soll briefe eintüten, sachen zwischen den etagen hin und her kutschieren, und sachen ins archiv schaffen bzw. auch aus selbigen hinaus, wenn sie gebraucht werden.
Alleine diese Tätigkeit als Praktikum zu euphemisieren könnte bei manch anderem Zeitgenossen zum sicherlich versehentlichen ausrutschen seiner Faust führen, für mich durchaus verständlich.
Was war das für eine Klitsche?
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von Maddi
#604716
Eisbär hat geschrieben:
update: das war wohl das beschisstenste "job angebot" das ich je gekriegt habe.
ich soll briefe eintüten, sachen zwischen den etagen hin und her kutschieren, und sachen ins archiv schaffen bzw. auch aus selbigen hinaus, wenn sie gebraucht werden.
Alleine diese Tätigkeit als Praktikum zu euphemisieren könnte bei manch anderem Zeitgenossen zum sicherlich versehentlichen ausrutschen seiner Faust führen, für mich durchaus verständlich.
Was war das für eine Klitsche?
die firma ist eine "Steuerberatungsgesellschaft" welche aber wohl auch Insolvenzverfahren bearbeitet(weiss ja net wie üblich so was ist), jedenfalls stehen da net wenige Ordner über sowas im Ar(s)chiv.

die 100€ kriegt man übrigens net vom Betrieb, sondern von nem Bildungsträger wo ich im Juni des Jahres mal zu ner Maßnahme war.
weitere Infos über jenen bildungsträger erspare ich mir lieber, da diese nicht besonders freundlich wären :wink:
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von Eisbär
#604809
Ich fasse zusammen:
Die helfen also windigen "Leistungsträgern" sich vorm Staat armzurechnen, bescheissen als Inkassodienst die Armen und Wehrlosen und lassen Praktikanten den normalen Büro- und HiWi-Dienst machen den sie dann noch vom Staat bzw. der Gemeinde bezahlen lassen.

Ein großartiges Geschäftsmodell.
#607191
Was ich mir zwar überhaupt nicht vorstellen kann, aber vor einigen Tagen wurde ne Prognose aufgestellt, daß wir wohl in 2009 durch die Rezession wieder auf über 4Mio. Arbeitslose steigen sollen..... :roll:
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von Maddi
#607346
Sentinel2003 hat geschrieben:Was ich mir zwar überhaupt nicht vorstellen kann, aber vor einigen Tagen wurde ne Prognose aufgestellt, daß wir wohl in 2009 durch die Rezession wieder auf über 4Mio. Arbeitslose steigen sollen..... :roll:
ach was, da finden die Quotenretouchierer der BA schon einen Weg das zu vertuschen.

Ich hatte ja oben kurz "semi-offtopic" was über ein Praktikum angeschnitten. Das resultiert aus einer Unsinnsmaßnahme, die im Juni diesen Jahres war, aber rein formal noch bis September 2009 läuft(in dem Zeitraum kann man sich dann entsprechen für reguläre....ähm hust....Praktika die 100Euronen zustecken lassen).

Heisst dass solche Leute effektiv schon mal ein ganzes Jahr im Voraus aus der Statistik sind.
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von Eisbär
#610563
Olaf Scholz hat Maddis Post gelesen und sofort gehandelt:
http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/P ... RMAT=PRINT
Die Pläne des Bundesarbeitsministeriums, Praktikanten künftig besser zu stellen, gefährden der Wirtschaft zufolge 100.000 Praktikumsplätze. Wie wahrscheinlich ist das?
...
Nur Maddis potenzielle Chefs sind davon nicht so begeistert.
Deswegen kann das auch erst ähm...2010 umgesetzt werden oder 2012.
Wobei das bei Alg 2 Empfängern vermutlich eh keine Rolle spielen wird, wird dann ja eh verrechnet.
#610601
Sehe ich gelassen. Das Problem sind ja nicht die regulären Praktika, wo es um das sammeln von Erfahrungen geht. Sondern um die immer mehr um sich greifenden Dauerpraktika.

Welchen Wert hat denn eine als Dauerpraktikum getarnte Vollzeitstelle? Sicherlich nur den, dass sich entsprechende Unternehmen sozialversicherungspflichtige Stellen sparen, da der als Praktikant getarnte Arbeitnehmer, seine Arbeitskraft praktisch verschenkt. Den Gewinn aus der Arbeitskraft hat einzig das Unternehmen, das Einkommen müssen dritte zu 100% aufbringen.

Ich kann mir doch auch nicht eine Dienerschaft anstellen und mir das ganze durch den Steuerzahler, z.B. ALG II, bezahlen lassen. Wenn das jeder macht, haut das irgendwann mit Einnahmen und Ausgaben nicht mehr hin. Auf der einen Seite immer mehr Minilöhner die keine Steuer mehr aufbringen können, die aber aus diesem Topf bezahlt werden müssen.
#611715
Sentinel2003 hat geschrieben:Was ich mir zwar überhaupt nicht vorstellen kann, aber vor einigen Tagen wurde ne Prognose aufgestellt, daß wir wohl in 2009 durch die Rezession wieder auf über 4Mio. Arbeitslose steigen sollen..... :roll:
Nun, richtig betrachtet haben wir die 4Mio Arbeitlslosen sowieso noch nicht unterschritten. :wink:
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von Eisbär
#623219
http://www.freitag.de/2009/03/09030401.php

Schwarze Pädagogik
VIER JAHRE HARTZ IV - Die wichtigste Arbeitsmarktreform der Bundesrepublik wirkt weit in die Sphäre der Lohnarbeit hinein - und schönt in großem Stil Erwerbslosenzahlen

Hartz IV ist zu einem Symbol geworden. Schon vier Jahre nach ihrer Einführung gilt die wichtigste Arbeitsmarktreform der Bundesrepublik als Inbegriff eines Schicksals, das man kaum seinen ärgsten Feinden an den Hals wünschen würde. "Hartz IV" steht mittlerweile für schnellen und dauerhaften sozialen Abstieg, eine Kultur der Angst und den Zwang zur Arbeit. Wer zynisch ist, könnte sagen, für Arbeit habe das Gesetz spürbar gesorgt, allerdings nur bei den Sozialgerichten, die teilweise ihr Richter- und Verwaltungspersonal wegen der sich türmenden Widersprüche verdreifachen mussten. Verfahren, die übrigens etwa zu zwei Dritteln zugunsten der Hartz IV-Empfänger entschieden werden. Die vielen fehlerhaften Bescheide sind nicht unbedingt Folge der Boshaftigkeit der Sachbearbeiter, sondern vielmehr der Komplexität des Gesetzes und der ständig neuen Anweisungen, die die Arbeitsverwaltungen kaum noch überblicken.

Im Dezember 2008 bezogen 5,6 Millionen Menschen Arbeitslosengeld. Davon hatten 905.000 Anspruch auf Arbeitslosengeld I und 4,7 Millionen auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV). Offiziell gab es aber nur 3,1 Millionen Arbeitslose. Denn diese Reform betreibt vor allem eines: Eine schamlose Schönfärberei der Arbeitslosenzahlen. Große Erwerbslosengruppen rechnet die offizielle Monatsstatistik der Bundesagentur einfach heraus, so dass selbst offizielle Verlautbarungsorgane wie die Tagesschau sich immer wieder gezwungen sehen, die Zahlen durch andere Hochrechnungen zu ergänzen, die der Realität näher kommen. Wer in Ein-Euro-Jobs oder anderen Eingliederungsmaßnahmen beschäftigt ist, wer krank ist, über 58 Jahre oder einen Armutslohn "aufstockt", fällt sofort aus der offiziellen, von Bundesagentur-Chef Weise verkündeten Arbeitslosenstatistik.

Doch die gravierendste Wirkung hat die Reform auf Löhne: Hartz IV ist in der relativ kurzen Zeit seines Bestehens zu einem so bedrohlichen Schreckgespenst geworden, dass Menschen, die Arbeit haben, um jeden Preis vermeiden wollen "in Hartz IV zu kommen". Sie sind durch die Angst vor Arbeitslosigkeit erpressbarer denn je - Lohndumping ist die Folge. Das noch in den Siebzigern schwer vorstellbare Phänomen, mit dem Lohn für einen Vollzeitjob nicht über die Runden zu kommen, wird immer häufiger. Und für Hartz IV-Empfänger gilt sowieso jede Arbeit als zumutbar, die nicht sittenwidrig ist. Anfang 2009 wurden mit der "Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente" die Zumutbarkeitskriterien noch einmal verschärft.

Kollateralschaden im System

Einen enormen Sanktionsdruck bauen die Job-Center auf, sobald ein Betroffener sich entweder nicht meldet oder eine zumutbare Arbeit nicht annimmt oder fortführt. Ein besonders drastischer Fall ereignete sich 2007, als einem 20-jährigen, kranken, ehemaligen Sonderschüler aus Speyer Leistungen gestrichen wurden. Der junge Mann ist nach extremer Unterernährung an einem Herz-Kreislauf-Versagen gestorben. Bei dem Verstorbenen fand man die halb verhungerte Mutter, der ebenfalls die Leistungen gestrichen worden waren, weil sie sich nicht bei der ARGE (Arbeitsgemeinschaft) gemeldet hatte. Diese soll von der verheerenden Situation nichts gewusst haben. Man habe nicht genug Geld für Lebensmittel gehabt, äußerte die Frau. Ein Kollateralschaden: von niemandem gewollt, aber im System angelegt - auch wenn die Sanktionen zu hoch und "rechtsfehlerhaft" waren, wie die Bundesregierung es später formulierte.

Allerdings ist es für die Job-Center oder ARGEn keine Ermessenssache, gegen den einen Sanktionen zu verhängen, gegen einen anderen nicht: Sie müssen bei Pflichtverletzungen dem Delinquenten die Leistungen kürzen. Auch bei Menschen, die sich nicht in einer psychischen Ausnahmesituation befinden, können Sanktionen zu existenziellen Ängsten und psychischen Problemen führen. Besonders schnell treffen Maßnahmen der Gängelung die jungen Erwachsenen unter 25 Jahren. Bei ihnen wird schon bei der ersten Pflichtverletzung der Regelsatz für drei Monate komplett gestrichen. So sollten in Aachen einem Jugendlichen die Leistungen auf Null gekürzt werden, weil er seine Schulzeugnisse nicht zum vereinbarten Zeitpunkt beim Maßnahmeträger vorgelegt hatte. Nur ein Formfehler des Job-Centers verhinderte dies. Älteren Hartz IV-Empfängern werden bei der ersten Pflichtverletzung "nur" 30 Prozent des Regelsatzes gestrichen, bei der zweiten innerhalb eines Jahres 60 Prozent und so weiter. Sanktionen sind auch beliebig addierbar.

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Zu der schwarzen Pädagogik gesellt sich dann noch die schwarze PR von Diekmann und seinen widerwärtigen Freunden, während die unsichtbare Hand die schwarzen Schwäne im Main füttert.
Wollen wir hoffen das wir wenigstens von der schwarzen Sonne verschohnt bleiben.
#623355
Ein sehr lesenswerter Artikel. Alleine diesen Absatz darf man sich gar nicht genug verinnerlichen:
Im Dezember 2008 bezogen 5,6 Millionen Menschen Arbeitslosengeld. Davon hatten 905.000 Anspruch auf Arbeitslosengeld I und 4,7 Millionen auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV). Offiziell gab es aber nur 3,1 Millionen Arbeitslose. Denn diese Reform betreibt vor allem eines: Eine schamlose Schönfärberei der Arbeitslosenzahlen. Große Erwerbslosengruppen rechnet die offizielle Monatsstatistik der Bundesagentur einfach heraus, so dass selbst offizielle Verlautbarungsorgane wie die Tagesschau sich immer wieder gezwungen sehen, die Zahlen durch andere Hochrechnungen zu ergänzen, die der Realität näher kommen. Wer in Ein-Euro-Jobs oder anderen Eingliederungsmaßnahmen beschäftigt ist, wer krank ist, über 58 Jahre oder einen Armutslohn "aufstockt", fällt sofort aus der offiziellen, von Bundesagentur-Chef Weise verkündeten Arbeitslosenstatistik.
Das ist für mich leider zwar nichts Neues, doch den Menschen, die ihre politischen "Informationen" nur aus der Mainstreampresse beziehen oder meinen, mit der B-Zeitung und 15 Minuten Tagesschau am Tag wären sie über alles bestens Informiert, würden nach dem lesen dieses Artikels endlich einmal die verblendeten Augen geöffnet. Wenn sie es denn überhaupt wollen....

Wie Quotentreter schon mehrmals erwähnte, würde die UNION ja am liebsten die ILO Statistik einzuführen. Am besten schon letztes Jahr, dann könnte Merkel sich nun im Bundestagswahlkampf mit Arbeitslosenzahlen weit unter 1,5 Mio brüsten. Doch der Sprung währe zu drastisch, wenn auf einen Schlag 2 Mio Arbeitslose weniger verkündet würden, vor allem in der kommenden Rezession. Da würde selbst das gemeine Wahlvolk stutzig werden. Aber ich beführchte, dass die ILO Statistik in absehbarer Zeit eingeführt wird, wenn es zur nächsten Großen Koalition kommt.
#623378
Ach, viele wissen das. Nur ist es vielen schlicht egal. Kann ihnen ja nicht passieren, überhaupt alle selber Schuld, mit Einsatz kann es ja jeder zu großem Reichtum bringen.

Und dann sind es ja ohnehin nur Einzellfälle. Das sich jedes Jahr tausende Einzelfälle vor Sozialgerichten treffen, egal. Und das sind dann auch nur die öffentlich gewordenen. Viele schlucken aber ohne zum Gericht zu gehen. Das kriegt nur mit, wer sich auch tiefergehender damit beschäftigt. Das werden in Zukunft auch wieder mehr werden. Der Gesetzgeber erschwert lieber den Zugang zum Sozialgericht, anstatt die Probelme am Gesetz selber zu berichtigen. Wer also den Eigenanteil nicht zahlen kann, muss den vielleicht falschen Bescheid schlucken.

Das zwei Drittel der Klagen berechtigt sind bekommt auch kaum einer mit. Dafür aber einen kleinen Teil der abgewiesenen Klagen. Das ist die kleine Minderheit von frechen Betrugsversuchen, die dann entsprechend als großer Artikel direkt neben den Tit*en erscheinen.

Da muss man sich auch nicht über das öffentliche Bild wundern. Die echten Probleme schneidet ohne Eigenrecherche keiner mit. Wer weiß denn hier z.B., dass einige Argen von Beratern aus der Privatwirtschaft "optimiert" werden. Da geht es dann um die nackten Zahlen, um Kosteneinsparungen.

Aus Fehlern lernt man auch nicht. Der Vorbestrafte Peter Hartz sollte doch tatsächlich in Saarbrücken wieder auf die Arbeitsagentur losgelassen werden. Das wurde nur verhindert, weil es aus alle Ecken Kritik hagelte. Ansonsten hätte man den Bock doch tatsächlich wieder zum Gärtner gemacht.