rosebowl hat geschrieben:RickyFitts hat geschrieben:
Sie als Rosinenrauspicker reinzulassen mit einer Einstellung, die zu Wirtschaftsförderung "Ja, gerne. Sofort!", zu Themen um soziale Werte aber nur ein "Hm, vielleicht. Irgendwann." anzubieten hat, wäre in meinen Augen völlig falsch.
Das ist ja grundsätzlich richtig - aber was hat man denn jetzt erreicht? Nicht "Menschenrechte? Joa, da arbeiten wir irgendwann mal dran", sondern "Menschenrechte? Braucht kein Mensch". Ob das besser ist...?
Was ist das denn für eine Logik? "Wenn ihr uns nicht aufnehmt, dann achten wir eben erst recht keine Menschenrechte. Hah!"
Es geht hier immernoch um einen souveränen Nationalstaat und als solcher muss die Türkei die Probleme im eigenen Land selbstständig lösen. Das ist ein ureuropäisches Prinzip: das Subsidiaritätsprinzip. Eine höhere Instanz, insbesondere die EU, kann dies eben nicht.
Es ist ja gerade ein großes Problem der EU, dass sie nicht wirkungsvoll sanktionieren kann. Dass viele Beitrittskandidaten die formalen Voraussetzungen nicht erfüllten, aus politischen Gründen ("ach, ihr macht das schon, wenn ihr erstmal drin seid") aber dennoch aufgenommen wurden und letztlich keine Anreize mehr hatten überhaupt die EU- bzw. Eurozonen-Kriterien zu wahren, ist die Ursache der Euro-Krise. Selbst Deutschland hat die "blauen Briefe" aus Brüssel immer nur belächelt. Wieso sollte man diese Fehler willentlich wiederholen wollen?
Mal davon abgesehen, dass ein EU-Beitritt weder für die EU noch für die Entwicklung der Türkei auf politischer Ebene also Sinn macht, ist es auch absurd zu behaupten die Türkei sei "auf einem guten Wege" gewesen. Selbst ohne fundierte Türkeikenntnisse weiß ich, dass seit Aufnahme der Beitrittsverhandlungen jeder Entwicklungsbericht negativ war, in der Regel blieb es bei Willensbekundungen zur Umsetzung von EU-Kriterien. Insbesondere seit Erdogans Wahl wurde der Ausblick von Jahr zu Jahr düsterer.
Die Türkei hat massive Konflikte mit Zypern, die in keiner Weise behoben sind. Der Aufgabe der EU, ihre Mitgliedsstaaten zu schützen, kommt eine viel höhere Priorität zu als neue Aufnahmekandidaten zu benennen. Insbesondere durch den großen Unterschied der Bevölkerungszahl Zyperns und der Türkei und somit der Stimmverhältnisse im Europaparlament, gäbe es hier eine massive Verschiebung zu Lasten Zyperns.
Wirtschaftlich sieht die Sache ganz anders aus. EU und Türkei können mit Sicherheit von freiem Handel profitieren. Dafür genügt aber eine Freihandelszone mit mehr oder weniger Privilegien.
Handelsabkommen und Freihandelszonen sind wünschenswert, ernsthaft einen EU-Beitritt der Türkei zu begrüßen, ist weltfremd.