Benutzeravatar
von Kunstbanause
#1325876
2Pac hat geschrieben:Der Kunstbanause hat entweder seinen Beitrag geändert (nächstes mal zitiere ich) oder meine Augen haben zu der Zeit nicht mehr mitgemacht.
Letzteres, ich hab nix geändert. Wenn ich das tue, schreib ich ein "EDIT:" dazu. :)
Benutzeravatar
von 2Pac
#1325880
Oh gut. Dann möchte ich die Gelegenheit nutzen um mich für meinen fehlerhaften Beitrag zu entschuldigen. Ergibt echt keinen Sinn. Unter falschem Bezug sieht sowas echt doof aus. Naja, vielleicht kann mir ein Optiker helfen. :lol:
Benutzeravatar
von vicaddict
#1325943
HIER

Ich kann gar nicht soviel essen wie ich brechen möchte. Dieser Kerl ist wirklich der Gipfel. Während der ganzen NSA Debatte hält Mister Freiheit die Klappe, nur um dann die Russen zu boykottieren und fängt jetzt schon wieder mit seinem verschwurbelten Freiheitsbegriff an, der nichts anderes als marktradikales Gedankengut darstellt.
Benutzeravatar
von Fernsehfohlen
#1325948
Finde es auch eher traurig, dass er sich bei der NSA-Massenüberwachung so gar nicht bemerkbar gemacht hat, jetzt aber vollmundige Reden zum Marktliberalismus schwingt. Dessen Folgen ja global gesehen nun auch nicht nur positiv waren, ne? Also wenn das die Freiheit ist, die er immer predigt, wäre das schon ziemlich mickrig. Hatte da jetzt eher an Bürgerrechte und so gedacht. Also meines Erachtens hat er sich da grad ein dickes Eigentor geschossen.


Fohlen
von Trötenflöter
#1326015
vicaddict hat geschrieben:der nichts anderes als marktradikales Gedankengut darstellt.
Lesekompetenz scheint bei dir nicht besonders ausgeprägt zu sein. Ich zitiere aus dem Artikel: "Der Bundespräsident bezeichnete es mit Verweis auf die sogenannte Freiburger Schule liberaler Wirtschaftswissenschaftler als "merkwürdig", dass der Begriff "neoliberal" heute so negativ besetzt sei. Die Denkschule Euckens und seiner Mitstreiter sei eigentlich genau das Gegenteil "jenes reinen Laissez-faire, das dem Neoliberalismus heute so häufig unterstellt wird". Er wünsche sich in der öffentlichen Debatte daher "mehr intellektuelle Redlichkeit", sagte Gauck, der seine Rede ein "Plädoyer" nannte."
Genauso ist es. Deutschland hat dem Ordoliberalismus sehr viel zu verdanken. Zu kritisieren, dass diese Lehre auf einer Walter-Eucken-Festveranstaltung gewürdigt wird, ist total absurd. Ein Konzept zu loben, das gerade in den Gründungsjahren der Bundesrepublik prägend und erfolgreich war, ist absolut angebracht und die Politik täte gut daran, liberalen Grundprinzipien wieder mehr Achtung zu schenken - sowohl sozial- als auch wirtschaftspolitisch.
Fohlen hat geschrieben:Dessen Folgen ja global gesehen nun auch nicht nur positiv waren, ne
Wovon sprichst du bitte? Von der Euro-Krise? Reines Politikversagen. Finanzkrise? Zum großen Teil Politikversagen. Wer seit nun mindestens 6 Jahren immer wieder nach Keynes schreit (FDP inbegriffen), handelt nicht liberal. Ich glaube du verwechselst den Neoliberalismus mit Lobbypolitik und Günstlingswirtschaft.
Benutzeravatar
von vicaddict
#1326017
Dass Gauck diesen so genannten Ordo-Liberalismus fordert ist doch nichts anderes als ein smoke screen. Der Mann hat bei genug Gelegenheiten zum Besten gegeben was ihm so vorschwebt und davon träumen noch nicht einmal Zastrow und Henkel, weil selbst die Waisenknaben gegen diesen pastoralen Opportunisten sind.
Benutzeravatar
von Fernsehfohlen
#1326024
Trötenflöter hat geschrieben:
Fohlen hat geschrieben:Dessen Folgen ja global gesehen nun auch nicht nur positiv waren, ne
Wovon sprichst du bitte? Von der Euro-Krise? Reines Politikversagen. Finanzkrise? Zum großen Teil Politikversagen. Wer seit nun mindestens 6 Jahren immer wieder nach Keynes schreit (FDP inbegriffen), handelt nicht liberal. Ich glaube du verwechselst den Neoliberalismus mit Lobbypolitik und Günstlingswirtschaft.
Neoliberalismus ist doch nun wirklich ein Begriff, dessen Bedeutungsumfang riesig ist. Von daher kann ihn letztlich jeder für sich so beanspruchen, wie er ihm am genehmsten ist. Ich folge da einfach der inzwischen in der öffentlichen Debatte (und ich glaube sogar auch in der Wissenschaft) gängigsten Interpretation als "Marktradikalismus", also einer politischen Gesinnung, die in den Mechanismen des freien Marktes das alleinige Allheilmittel sehen. Und ich finde schon, dass uns die oben genannten Beispiele sowie bspw. diverse Widerlichkeiten auf dem Arbeitsmarkt gezeigt haben, dass der alleinige Fokus auf den Markt keineswegs zu einer Gesellschaft führt, die unserem Ideal der sozialen Marktwirtschaft entspricht.

Dass neoliberal vor einiger Zeit mal wesentlich positiver besetzt war, ist mir schon klar (das spricht Gauck ja auch an). Nur erstaunt es mich schon, dass dieses Thema offenbar zur Zeit das einzige für ihn hinsichtlich Freiheit ist, das ihn umtreibt.


Fohlen
von AndiK.
#1326613
"Neoliberal" so heißt es immer abwertig. Dabei ist das der Kern der Marktwirtschaft. Marktwirtschaft erfordert richtigerweise die Leistungsbereitschaft seiner Bürger. Jeder bringt sich ein. Natürlich wollen wir eine soziale Marktwirtschaft und die haben wir ja auch. Wenn allerdings der Weg in Richtung Sozialismus geht,dann ist das bedenklich. So gab es immer wieder Forderungen von Linken, nach einem "bedingungslosen Grundeinkommen" - das ist Blödsinn und kontraproduktiv, weil es Leute nur mit Geld abspeist, ohne Leistung zu erwarten. Leider richten sich zuviele Hartz4 Empfänger im sozialen Nest ein, ohne die Bereitschaft zum Arbeiten zu leisten. Und das mit meinen Sozialbeiträgen und Steuern.
von Familie Tschiep
#1326663
Trötenflöter hat geschrieben:
vicaddict hat geschrieben:der nichts anderes als marktradikales Gedankengut darstellt.
Lesekompetenz scheint bei dir nicht besonders ausgeprägt zu sein. Ich zitiere aus dem Artikel: "Der Bundespräsident bezeichnete es mit Verweis auf die sogenannte Freiburger Schule liberaler Wirtschaftswissenschaftler als "merkwürdig", dass der Begriff "neoliberal" heute so negativ besetzt sei. Die Denkschule Euckens und seiner Mitstreiter sei eigentlich genau das Gegenteil "jenes reinen Laissez-faire, das dem Neoliberalismus heute so häufig unterstellt wird". Er wünsche sich in der öffentlichen Debatte daher "mehr intellektuelle Redlichkeit", sagte Gauck, der seine Rede ein "Plädoyer" nannte."
Genauso ist es. Deutschland hat dem Ordoliberalismus sehr viel zu verdanken. Zu kritisieren, dass diese Lehre auf einer Walter-Eucken-Festveranstaltung gewürdigt wird, ist total absurd. Ein Konzept zu loben, das gerade in den Gründungsjahren der Bundesrepublik prägend und erfolgreich war, ist absolut angebracht und die Politik täte gut daran, liberalen Grundprinzipien wieder mehr Achtung zu schenken - sowohl sozial- als auch wirtschaftspolitisch.
Fohlen hat geschrieben:Dessen Folgen ja global gesehen nun auch nicht nur positiv waren, ne
Wovon sprichst du bitte? Von der Euro-Krise? Reines Politikversagen. Finanzkrise? Zum großen Teil Politikversagen. Wer seit nun mindestens 6 Jahren immer wieder nach Keynes schreit (FDP inbegriffen), handelt nicht liberal. Ich glaube du verwechselst den Neoliberalismus mit Lobbypolitik und Günstlingswirtschaft.
Ich bevorzuge auch lieber den Begriff Ordoliberal, weil man ihn mit der Chicagoer Schule verwechseln kann. Für Ordoliberalität bin ich, Fernsehfohlen, du solltest dich mal etwas näher mit den Wirtschaftstheorien beschäftigen, mit der Chicagoer Schule kann ich nichts anfangen.
Benutzeravatar
von vicaddict
#1326697
AndiK. hat geschrieben:"Neoliberal" so heißt es immer abwertig. Dabei ist das der Kern der Marktwirtschaft. Marktwirtschaft erfordert richtigerweise die Leistungsbereitschaft seiner Bürger. Jeder bringt sich ein. Natürlich wollen wir eine soziale Marktwirtschaft und die haben wir ja auch. Wenn allerdings der Weg in Richtung Sozialismus geht,dann ist das bedenklich. So gab es immer wieder Forderungen von Linken, nach einem "bedingungslosen Grundeinkommen" - das ist Blödsinn und kontraproduktiv, weil es Leute nur mit Geld abspeist, ohne Leistung zu erwarten. Leider richten sich zuviele Hartz4 Empfänger im sozialen Nest ein, ohne die Bereitschaft zum Arbeiten zu leisten. Und das mit meinen Sozialbeiträgen und Steuern.
Ein Grundeinkommen ist weder Blödsinn, noch ist es unsozial. Es ist nichts anderes als eine Grundsicherung wie wir sie jetzt schon haben, nur mit dem Unterschied, dass der ganze Schwanz von Bürokratie, Arbeitsagentur und Sanktionen nicht mehr dran hängt. Allein was man da Kosten sparen könnte, ist mehr als alle Sozialschmarotzer zusammen kosten würden. Leider existiert die Arbeitsagentur auch nur, um sich selbst zu rechtfertigen. Weder motiviert sie Leute arbeiten zu gehen, noch ist sie den Leuten in irgendeiner Form eine Hilfe. Im Gegenteil. Natürlich gäbe es Leute die sich mit einer Grundsicherung in die Frührente verabschieden würden, aber die gibt es jetzt auch.

Desweiteren haben wir eben keine soziale Marktwirtschaft mehr. Wenn fast 3 Millionen Menschen arbeitslos sind, Millionen Geringverdiener sind, die aufstocken müssen, dann ist das keine soziale Marktwirtschaft. Wenn der Staat es den Unternehmen ermöglicht Hungerlöhne zu zahlen, mit denen die Konkurrenz vom Markt verdrängt wird und der Staat anschließend die Löhne aufstocken muss, dann ist das nicht sozial. Das ist genau das, was man heute mit dem Begriff Neo-Liberal verbindet. Dass Erhardt vor 50 Jahren etwas anderes damit gemeint hat, steht auf einem völlig anderen Blatt, aber im Hier und Jetzt steht dieser Begriff nun einmal für nichts gutes.
von Trötenflöter
#1326771
Fernsehfohlen hat geschrieben: Neoliberalismus ist doch nun wirklich ein Begriff, dessen Bedeutungsumfang riesig ist. Von daher kann ihn letztlich jeder für sich so beanspruchen, wie er ihm am genehmsten ist. Ich folge da einfach der inzwischen in der öffentlichen Debatte (und ich glaube sogar auch in der Wissenschaft) gängigsten Interpretation als "Marktradikalismus", also einer politischen Gesinnung, die in den Mechanismen des freien Marktes das alleinige Allheilmittel sehen. Und ich finde schon, dass uns die oben genannten Beispiele sowie bspw. diverse Widerlichkeiten auf dem Arbeitsmarkt gezeigt haben, dass der alleinige Fokus auf den Markt keineswegs zu einer Gesellschaft führt, die unserem Ideal der sozialen Marktwirtschaft entspricht.
Warum ist die "öffentliche Debatte" darum denn angeblich so groß? Nenne mir doch mal ein Gesetz, das in den letzten beiden Legislaturperioden zu einer Deregulierung in irgendeinem Bereich geführt hat. Mir fällt da auf Anhieb nur die Liberalisierung des Fernverkehrs ein, die private Fernbuslinien ermöglichte (ein Beispiel für eine sehr erfolgreiche Deregulierung). Ansonsten eher das Gegenteil. Regulierung um Regulierung. Arbeitsmarkt, Finanzbranche, gesetzliche Rente, Krankenkasse, you name it. Mises bezeichnete sowas übrigens als "slippery slope to socialism". Soweit würde ich zwar nicht gehen, aber die Entwicklung der letzten Zeit und die Vorhaben der GroKo bereiten mir tatsächlich Sorgen. Mir scheint die Angst vor dem bösen Neoliberalismus hier also sehr diffus und wenig belastbar zu sein.
Und nochmal: Die Euro-Krise ist eine durchweg politisch verursachte Krise. Hätte man sich hier viel mehr auf marktwirtschaftliche Prinzipien berufen anstatt diese zu Gunsten politischer Freundschaften und Machtvisionen über Bord zu werfen, wäre das niemals passiert.
Zumindest teilweise kann man so auch die Ursachen der Finanzkrise argumentieren. Bush und Greenspan haben seinerzeit der Welt jedenfalls keinen Gefallen mit der (Geld)politik getan.
Benutzeravatar
von Fernsehfohlen
#1326789
Öhm, wo habe ich denn behauptet, dass es in letzter Zeit eine Deregulierungstendenz in der deutschen Bundespolitik gegeben hat? Ich sah zwar zuletzt auch kaum eine gegenteilige Tendenz (nun unter der Großen Koalition dann aus meiner Sicht glücklicherweise schon eher), aber dazu habe ich doch gar nichts geschrieben?

International sehe ich halt die Katastrophe darin, dass es trotz der Finanzkrise kaum starke und wirkungsvolle Regulierungen gibt, die diesem gesamten Spekulanten-Irrsinn zumindest mal den Gar aus machen möchte.
Ich hatte gestern erst eine wie ich fand sehr interessante ARD-Dokumentation über einen Vermögensverwalter namens BlackRock geschaut, die mir mal wieder recht gut gezeigt hat, wohin dieses ganze "freie Markt-Gejubel" (gerade im angelsächsischen Raum) die Welt treibt: In eine kleine, mächtige Wirtschafts-Elite, die ihren Reichtum vermehrt und gleichzeitig eine immer größere Verelendung der Massen. Oder wie es der Ökonom Max Otte in betreffender Doku sagte: "Im Moment wird die Welt massiv und schnell ungerechter. Es entsteht gerade durch die Vermögenskonzentration an der Spitze ein neuer Adel und es braucht dringend Regulierung, um diese Tendenzen zu stoppen."

Finde es so unglaublich dreist, so zu tun, als wäre da das neoliberale Weltbild bzw. dessen praktische Entwicklungen völlig unschuldig dran. Wenn du es in Ordnung findest, dass ein paar hundert Menschen quasi in der Lage sind, den Wohlstand von Millionen anderen weiter und weiter zu drücken, wenn am Ende dick Rendite auf dem Zettel ist, halte ich diese Einstellung zwar für verachtenswert, aber längst nicht für so verlogen, wie heute noch zu behaupten, dass der Neoliberalismus im Prinzip total unschuldig ist an den gesellschaftlichen Problemen unserer Zeit.


Fohlen
von Trötenflöter
#1326854
Fernsehfohlen hat geschrieben:Öhm, wo habe ich denn behauptet, dass es in letzter Zeit eine Deregulierungstendenz in der deutschen Bundespolitik gegeben hat? Ich sah zwar zuletzt auch kaum eine gegenteilige Tendenz (nun unter der Großen Koalition dann aus meiner Sicht glücklicherweise schon eher), aber dazu habe ich doch gar nichts geschrieben?

International sehe ich halt die Katastrophe darin, dass es trotz der Finanzkrise kaum starke und wirkungsvolle Regulierungen gibt, die diesem gesamten Spekulanten-Irrsinn zumindest mal den Gar aus machen möchte.
Das stimmt doch überhaupt nicht. Die Finanzbranche ist die am stärksten regulierte Branche in Europa. Was es da in letzten Jahren für (unsinnige) Gesetze gegeben hat (Stichwort Basel III), geht auf keine Kuhhaut mehr. Und welcher Spekulanten-Irrsinn denn? Kannst du vielleicht an irgendeiner Stelle mal konkret werden?
Finde es so unglaublich dreist, so zu tun, als wäre da das neoliberale Weltbild bzw. dessen praktische Entwicklungen völlig unschuldig dran. Wenn du es in Ordnung findest, dass ein paar hundert Menschen quasi in der Lage sind, den Wohlstand von Millionen anderen weiter und weiter zu drücken, wenn am Ende dick Rendite auf dem Zettel ist, halte ich diese Einstellung zwar für verachtenswert, aber längst nicht für so verlogen, wie heute noch zu behaupten, dass der Neoliberalismus im Prinzip total unschuldig ist an den gesellschaftlichen Problemen unserer Zeit.
Auch hier wieder: Was? Ich habe wirklich absolut keine Ahnung, was du hier sagen möchtest und ich hoffe du verlangst von mir nicht, irgendeine unwissenschaftliche Fernseh-Dokumentation zu googeln. Oben redest du davon, dass eine Liberalisierung der Märkte (welche Märkte) schlecht ist - ohne Begründung. Jetzt redest du davon, dass sich irgendwelche Eliten (wer denn? was denn?) rausbilden, die der Gesellschaft den Wohlstand klauen - hier finde ich nicht mal einen Diskussionsansatz, so diffus ist das. Also nimm es mir nicht krumm, aber das ist doch die übelste Stammtischpolemik. Du wirfst einfach mal ein paar völlig zusammenhangslose Begriffe durcheinander, wird schon irgendjemand zustimmen.
Allein das hier: "Wenn du es in Ordnung findest, dass ein paar hundert Menschen quasi in der Lage sind, den Wohlstand von Millionen anderen weiter und weiter zu drücken, wenn am Ende dick Rendite auf dem Zettel ist, " Hä? Ich versteh überhaupt nicht, wie du auf dieses Thema kommst und was das mit Neoliberalismus zu tun hat. Ich kann dein Geschreibe noch nicht einmal als Meinung akzeptieren, so unterirdisch (nämlich gar nicht) argumentierst du.
Und ich finde schon, dass uns die oben genannten Beispiele sowie bspw. diverse Widerlichkeiten auf dem Arbeitsmarkt gezeigt haben, dass der alleinige Fokus auf den Markt keineswegs zu einer Gesellschaft führt, die unserem Ideal der sozialen Marktwirtschaft entspricht.
Das schriebst du oben. Ich schrieb schon zweimal, dass gerade die Euro-Krise ja etwas völlig gegensätzliches zeigte, trotzdem wird nicht darauf eingegangen, obwohl wir hier ja tatsächlich mal über etwas konkretes reden könnten.

Hier gab es im Laufe der Jahre ja schon viele Leute, deren Meinung ich nicht teilte, aber wenigstens haben die es geschafft auf einer konkreten Ebene zu diskutieren und sich mit den Themen auseinander zusetzen. Daran kannst du durchaus auch arbeiten.
Benutzeravatar
von Fernsehfohlen
#1326882
Trötenflöter hat geschrieben:Daran kannst du durchaus auch arbeiten.
Alternativ kann ich mich auch an mein leider in letzter Zeit immer mehr aufgegebenes Credo "keine politischen Diskussionen in Internet-Foren führen" halten und mich aus diesem Thread zurückziehen. Bereue es eh, mich mit dir überhaupt drauf eingelassen zu haben, da in deinen Postings fast immer ein sehr herablassender Unterton mitschwingt, du einen mit tausenden Zitaten, Links und wissenschaftlichen Theorien bombardierst und letztlich jede Antwort, die weniger professoral formuliert ist, als deppertes Stammtischgelaber abtust. Ist mir auf Dauer zu mühselig, aber vielleicht findest du ja Diskutanten, die daran Freude haben. Ich verliere sie bei dir zu oft - was schade ist, denn Fachwissen und eine Meinung hast du ja. :?


Fohlen
von Trötenflöter
#1326915
Fernsehfohlen hat geschrieben:
Trötenflöter hat geschrieben:Daran kannst du durchaus auch arbeiten.
Alternativ kann ich mich auch an mein leider in letzter Zeit immer mehr aufgegebenes Credo "keine politischen Diskussionen in Internet-Foren führen" halten und mich aus diesem Thread zurückziehen.
Das war ja überhaupt nicht mein Anliegen. Ich finde es nur wenig zielführend, wenn man eine Meinung völlig unbegründet lässt und dann zickig wird, wenn das Geschriebene hinterfragt wird.
Also ich stelle jetzt folgende These auf: Die Eurokrise ist zum überwiegenden Teil daraus entstanden, dass im Vorfeld legislative Anforderungen an eine Eurozonen-Mitgliedschaft nicht beachtet wurden und Sanktionen für Überschreitungen der Kriterien nicht wirkungsvoll waren. Die Krise wurde dadurch verstärkt, dass marktwirtschaftliche Prinzipien nicht beachtet wurden: Durch Anleihe-Käufe der EZB wurde die Misswirtschaft in den betroffenen Ländern subventioniert. Eine nachhaltige Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in diesen Ländern ist nach diesem "too big to fail"-Prinzip nicht möglich. Die Ursachen der Euro-Krise sind daher Staatsinterventionismus und ein übertriebener Politikeinfluss, der marktwirtschaftliche Prinzipien völlig ignoriert. Eine transparente "neoliberale" Politik wäre hier künftig wünschenswert.

Wenn du noch darauf eingehen möchtest, fände ich das toll. Wenn nicht, bleibt es einfach so hier stehen.
Benutzeravatar
von Fernsehfohlen
#1326953
Deine Ansicht zum Thema Euro-Krise teile ich weitgehend, stelle mir allerdings selbst immer die Frage, ob es hier wirklich besser gewesen wäre, diese durchaus frag- und diskussionswürdigen Maßnahmen nicht durchzuführen und auf marktwirtschaftliche Prinzipien zu vertrauen. Zumal wir beim Thema Euro-Krise ja auch von verschiedenen Staaten mit unterschiedlichen Problemen (vergleiche nur Griechenland mit Irland) reden, die eigentlich alle einer eigenen Problemanalyse bedürften. Und ich gebe zu, dass mir dieses Feld schlicht zu komplex ist, als dass ich mir hierzu überhaupt eine fundierte eigene Meinung zu erlauben würde.
Mag für dich vielleicht ein Zeichen von Dummheit sein, aber beim Thema Euro-Krise hatten wir sogar in der Uni eine Diskussion zweier Experten mit völlig konträren Ansichten und ich merkte da einfach, dass ich beide Argumentationslinien für sich stichhaltig fand und mir da letztlich keine eigene Meinung zu bilden konnte.

Das war aber auch nicht der Punkt, weshalb ich PRINZIPIELL einen zu großen Liberalismus in der derzeitigen Praxis für unsozial halte. Mein Eindruck ist, dass viele, vor allem große Unternehmen ihre Freiheit in den letzten Jahren und fast Jahrzehnten mittlerweile dazu ausnutzten, um selbst immer größere Profite zu erwirtschaften, diese allerdings nicht mehr wie ja ursprünglich einmal gedacht auch dazu nutzten, sie auch dahingehend zu reinvestieren, Mitarbeitern höhere Gehälter auszuzahlen, mehr Mitarbeiter einzustellen und generell den Erfolg "nach unten" weiter zu geben. Das bezieht sich nicht auf alle Akteure, aber bei mir entsteht doch immer mehr der Eindruck, dass hier grundlegend was schief läuft und es nötig ist, staatlich nachzuhelfen, dass der Wohlstand auch möglichst nicht nur in den Chefetagen kleben bleibt, sondern auch zu den einfachen Mitarbeitern durchsickert. Ob da dann so Dinge wie der Mindestlohn sinnvoll sind oder die Unternehmen nicht eher dazu stimuliert, ihren Fokus auf noch deutlich unsozialere Gebiete dieser Welt zu richten, ist jetzt wieder eine neue Diskussion. Nur wenn es solche Entwicklungen gibt (und das willst du doch nicht bestreiten?), kann man doch nicht einfach immer weiter "der freie Markt regelt das so" rumposaunen, finde ich.

Das war jetzt noch das greifbarste Beispiel. Auf Bänker und Spekulanten, die Millionen ohne Grenzen verzocken können, gehe ich jetzt mal nicht ein. Generell geht es mir auch in erster Linie darum, zum Ausdruck zu bringen, dass dieses "der Markt reguliert das schon alles" aus meiner Warte schlicht nicht in Einklang zu bringen ist mit dem Ziel, eine Gesellschaft zu erreichen, in der jeder fair für seine Arbeit goutiert wird. Weil viele Akteure einfach nicht (mehr) den Anreiz haben, für ein Gemeinwohl zu sorgen, sondern ihnen die Gewinnmaximierung und der eigene Profit am wichtigsten sind.

Ich bin mir aber durchaus im klaren darüber, dass dies nicht dem Neoliberalismus entspricht, wie er ursprünglich einmal entstanden ist. Es ist halt eine Entartung dieses politischen und ökonomischen Konzepts, wobei ich keine praktizierbare Möglichkeit weiß, heute noch gleichzeitig neoliberal, aber nicht völlig unsozial zu handeln. Darfst mir aber gerne sagen, wie das in der heutigen Zeit in Einklang zu bringen wäre. Wie kann man Freie Märkte realisieren und sich trotzdem sicher sein, dass diese für ein GESAMTgesellschaftliches Wohl sorgen?

Ich hoffe, das Posting war ausführlich genug, dass es jetzt nicht wieder wie reines Stammtisch-Geblubber wirkt. Ansonsten... tjoar, macht eine weitere Diskussion tatsächlich wenig Sinn. ;)


Fohlen
von Trötenflöter
#1326983
Fernsehfohlen hat geschrieben:Das war jetzt noch das greifbarste Beispiel. Auf Bänker und Spekulanten, die Millionen ohne Grenzen verzocken können, gehe ich jetzt mal nicht ein.
Schade. Das hätte mich am meisten interessiert.
Mein Eindruck ist, dass viele, vor allem große Unternehmen ihre Freiheit in den letzten Jahren und fast Jahrzehnten mittlerweile dazu ausnutzten, um selbst immer größere Profite zu erwirtschaften, diese allerdings nicht mehr wie ja ursprünglich einmal gedacht auch dazu nutzten, sie auch dahingehend zu reinvestieren, Mitarbeitern höhere Gehälter auszuzahlen, mehr Mitarbeiter einzustellen und generell den Erfolg "nach unten" weiter zu geben. Das bezieht sich nicht auf alle Akteure, aber bei mir entsteht doch immer mehr der Eindruck, dass hier grundlegend was schief läuft und es nötig ist, staatlich nachzuhelfen, dass der Wohlstand auch möglichst nicht nur in den Chefetagen kleben bleibt, sondern auch zu den einfachen Mitarbeitern durchsickert. Ob da dann so Dinge wie der Mindestlohn sinnvoll sind oder die Unternehmen nicht eher dazu stimuliert, ihren Fokus auf noch deutlich unsozialere Gebiete dieser Welt zu richten, ist jetzt wieder eine neue Diskussion. Nur wenn es solche Entwicklungen gibt (und das willst du doch nicht bestreiten?), kann man doch nicht einfach immer weiter "der freie Markt regelt das so" rumposaunen, finde ich.[...] Generell geht es mir auch in erster Linie darum, zum Ausdruck zu bringen, dass dieses "der Markt reguliert das schon alles" aus meiner Warte schlicht nicht in Einklang zu bringen ist mit dem Ziel, eine Gesellschaft zu erreichen, in der jeder fair für seine Arbeit goutiert wird. Weil viele Akteure einfach nicht (mehr) den Anreiz haben, für ein Gemeinwohl zu sorgen, sondern ihnen die Gewinnmaximierung und der eigene Profit am wichtigsten sind.
Ich glaube man sollte erstmal damit beginnen zwei Missverständnisse auszuräumen:
Erstens gibt es in Deutschland wohl niemanden der sich hinstellen und sagen würde "der Markt reguliert alles". Stattdessen galt und gilt für den Liberalismus in Deutschland immer die Devise "soviel Staat wie nötig, so wenig Staat wie möglich". Gemeint ist damit, dass ein starker Staat unbedingt gebraucht wird, um einen strengen Ordnungsrahmen festzulegen. Agieren sollen innerhalb dieses Rahmens aber die Menschen eigenverantwortlich.
Ich glaube, dass dieser Unterschied zum angelsächsischen Raum das größte Missverständnis ist, das dem Liberalismus hierzulande soviele Vorurteile einbringt, wobei selbst in den USA die Liberalen relativ gemäßigt sind. Du hingegen sprichst vom Libertarismus a la Ayn Rand, den ich persönlich für absurd halte. Von Populisten dieser Strömung hört man dann auch Arbeitslosen-Bashing und American Dream-Parolen, wie man es halt aus dem US-Polit-TV so kennt. Sowas ist in Deutschland aber völlig undenkbar, da die deutsche Kultur sehr viel kollektivistischer und risikoaverser ist als die amerikanische (siehe http://geert-hofstede.com/united-states.html, vergleiche die amerikanischen Werte IDV und UAI mit den deutschen, Erklärung steht darunter). Das was hierzulande unter Liberalismus läuft, wird von Libertären in den USA als Sozialismus abgetan. Dass hier jemals libertäre Ideen umgesetzt werden, kann man getrost ausschließen. "Mehr Markt" zu fordern, heißt nicht "nur Markt" zu fordern, sondern ist eher im Kontext einer aktuell sehr stark interventionistischen Politik zu betrachten.

Zweitens und das klingt jetzt wohl für dich ein wenig zu sehr ökonomisiert, doch ist es wahr: Kein privates Unternehmen (abgesehen vielleicht von Stiftungen oder Vereinen, die allerdings sowieso nicht kompetitiv sind) hat oder hatte jemals ein Geschäftskonzept, das nicht auf Gewinnmaximierung ausgelegt war. Ganz im Gegenteil. Ein Unternehmen, das nicht die Maximierung von Gewinnen in den Mittelpunkt stellt, wird zwangsweise nicht effizient funktionieren. Selbst Gehaltserhöungen dienen letztlich langfristig diesem Oberziel (Incentives, "Halten" guter Mitarbeiter, usw.). Der Arbeitsmarkt ist ein Markt wie jeder andere auf dem Preise für Güter (Arbeitskraft) gezahlt werden. Dies ist übrigens auch im Sozialismus so, nur dass hier die natürliche Preisallokation fehlt und damit der Wirtschaftskreislauf automatisch unproduktiv wird (die Gründe dafür muss ich wohl nicht benennen). Das muss man definitiv so akzeptieren...
Fernsehfohlen hat geschrieben:Ich bin mir aber durchaus im klaren darüber, dass dies nicht dem Neoliberalismus entspricht, wie er ursprünglich einmal entstanden ist. Es ist halt eine Entartung dieses politischen und ökonomischen Konzepts, wobei ich keine praktizierbare Möglichkeit weiß, heute noch gleichzeitig neoliberal, aber nicht völlig unsozial zu handeln. Darfst mir aber gerne sagen, wie das in der heutigen Zeit in Einklang zu bringen wäre. Wie kann man Freie Märkte realisieren und sich trotzdem sicher sein, dass diese für ein GESAMTgesellschaftliches Wohl sorgen?
...Jetzt sollte man also, wenn man kein Libertärer ist, im nächsten Schritt fragen, wie man in einem solchen Markt gewährleistet, dass Menschen, die krank oder anderweitig am Arbeiten gehindert sind, trotzdem nicht verhungern müssen. Hayek (Liberaler Österreichischer Schule) sowie Friedman (Chicagoer Schule) schlagen dazu z.B. unterschiedliche Modelle eines bedingungslosen Grundeinkommens vor (ja, richtig gelesen). Hayek lehnt nämlich eine Entwicklung, wie wir sie jetzt haben, völlig ab: Dass der Staat z.B. entscheidet welche Branche wieviel Mindestlohn bekommt. Das wirkt wettbewerbsverzerrend, ist ungerecht und verhindert effektive Preisallokationen. Der Staat hat faire Rahmenbedingungen zu setzen, aber nicht direkt in die Wirtschaft einzugreifen und Partikularinteressen zu befriedigen. Genau deshalb spricht sich eine liberale Marktordnung auch gegen Monopol- und Kartellbildung (staatlich oder privat) aus, um eine Marktmachtansammlung (vgl. mit der Realität: Bahn, Stromanbieter/Netzbetreiber, Telekom, Mineralölkonzerne usw. - Marktmacht? Definitiv) zu verhindern. Daher werden zur Kontrolle beispielsweise Kartellämter eingesetzt.

Wie du siehst, ist Liberalismus sehr wohl mit, aus deiner Sicht, sozialen Lösungen vereinbar. Oder nach Erhard: "Je freier die Wirtschaft, umso sozialer ist sie auch". Man muss sich bloß immer die Fragen stellen, ob das Ziel eines Eingriffs gesellschaftlich legitim ist und ob die Mittel zur Durchführung des Ziels geeignet sind. Oder: "You must not judge a bottle solely by its label, you have to look at what's inside and see what the law produces." An beiden Fragen scheitern regelmäßig unsere Regierungen, die unter dem Deckmantel angeblicher Solidarität und sozialer Politik ineffziente (Branchenmindeslöhne) und ungerechte (Frauenquote) Partikularinteressen (nämlich die der jeweils eigenen Wählerzielgruppe: Rente ab 63 für Facharbeiter (SPD), Mütterrente (CDU), Veggie Thursday (Grüne), Mövenpick-Steuer (FDP), alles was irgendwie gegen ökonomische Vernunft verstößt (Linke)) bedienen, die letztlich du und ich auf direktem oder indirektem Wege bezahlen müssen (auch als Student bezahlst du Verbrauchs-/Verkehrssteuern wie die Mehrwertsteuer). Sich zu fragen, ob das gesamtgesellschaftlich Sinn macht, ist nicht unsozial, sondern dient nur einer freieren und gerechteren Gesellschaft.
Benutzeravatar
von baumarktpflanze
#1327002
Ja, der Arbeitsmarkt ist ein Markt und ja, auch Unternehmen versuchen ihre Gewinne zu maximieren. Die Frage ist aber - und das ist das, was das Fohlen ansprach, - inwieweit Unternehmen trotzdem eine gewisse Verantwortung übernehmen können oder müssen.

Dabei geht es nicht nur darum, dass man eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung hat in Bezug auf Ressourcenschönung und aus ökologischen oder ethischen Gesichtspunkten, sondern um die Ressourcen, die die Arbeit am Ende verrichten: Die Menschen. Muss ein Unternehmen nicht auch trotz der durchaus verständlichen Gewinnmaximierung darauf achten, dass Mitarbeiter für ihre Arbeit entsprechend entlohnt werden?

Klar ist es verständlich, Mitarbeiter in Leiharbeitsfirmen auszulagern, weil sie die gleiche Arbeit erbringen, aber am Ende günstiger sind. Klar ist es verständlich, dass man den Lohn entsprechend drücken kann, wenn im Gang noch 30 andere warten, die einen Job auch haben wollen. Die Frage ist aber, ob man das auch tun sollte. Oder ob es nicht auch für ein Unternehmen etwas gibt, dass man gute Sitten nennt.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ein Unternehmen ist kein Geschenkeladen. Und die meisten Unternehmen übernehmen diese Verantwortung und zahlen entweder entsprechende Tarifverträge oder sogar Gehälter, die über dem liegen, was der Markt eigentlich hergeben würde. Und dennoch haben wir immer wieder entsprechende Fälle, in denen Mitarbeiter mutwillig unterhalb jener guter Sitten bezahlt werden.
von Trötenflöter
#1327385
baumarktpflanze hat geschrieben:Ja, der Arbeitsmarkt ist ein Markt und ja, auch Unternehmen versuchen ihre Gewinne zu maximieren. Die Frage ist aber - und das ist das, was das Fohlen ansprach, - inwieweit Unternehmen trotzdem eine gewisse Verantwortung übernehmen können oder müssen.

Dabei geht es nicht nur darum, dass man eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung hat in Bezug auf Ressourcenschönung und aus ökologischen oder ethischen Gesichtspunkten, sondern um die Ressourcen, die die Arbeit am Ende verrichten: Die Menschen. Muss ein Unternehmen nicht auch trotz der durchaus verständlichen Gewinnmaximierung darauf achten, dass Mitarbeiter für ihre Arbeit entsprechend entlohnt werden?

Klar ist es verständlich, Mitarbeiter in Leiharbeitsfirmen auszulagern, weil sie die gleiche Arbeit erbringen, aber am Ende günstiger sind. Klar ist es verständlich, dass man den Lohn entsprechend drücken kann, wenn im Gang noch 30 andere warten, die einen Job auch haben wollen. Die Frage ist aber, ob man das auch tun sollte. Oder ob es nicht auch für ein Unternehmen etwas gibt, dass man gute Sitten nennt.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ein Unternehmen ist kein Geschenkeladen. Und die meisten Unternehmen übernehmen diese Verantwortung und zahlen entweder entsprechende Tarifverträge oder sogar Gehälter, die über dem liegen, was der Markt eigentlich hergeben würde. Und dennoch haben wir immer wieder entsprechende Fälle, in denen Mitarbeiter mutwillig unterhalb jener guter Sitten bezahlt werden.
Reale Einkommenszuwächse gehen in etwa mit dem Produktivitätswachstum eines Landes einher. Auf letzteres Paper bin ich kürzlich gestoßen, kann ich nur empfehlen. Dort wird diese These für Europa untersucht. Vielleicht kann ich anhand der Erkenntnisse kurz darstellen, warum die Lohnsetzung sinnvoll und logisch ist und nicht aus dem Gutdünken eines Unternehmers resultiert.

1. Einkommenszuwächse können im Arbeitsmarkt nicht langfristig über Produktivitätszuwächse hinaus steigen, ohne dass Arbeitslosigkeit oder andere Ineffizienzen entstehen (vgl. Kritik an Gewerkschaften für eine Erklärung dazu). Die klassische Theorie besagt: Unternehmen müssen zusätzliche Mitarbeiter einstellen, falls das Lohnniveau unterhalb der Produktivität liegt und vice versa. Da Personalkosten in aller Regel den größten Kostenpunkt in einem Unternehmen darstellen, ist dieser Zusammenhang tatsächlich praktisch relevant. Eine schlechtere Wettbewerbsposition einzugehen, um höhere Löhne zu zahlen, ist in einem Wettbewerbsmarkt (insbesondere wenn Freizügigkeit in einem Staatenverbund wie der EU herrscht) kaum möglich.
Nun höre ich natürlich schon die Kritik an diesem System: "Wir brauchen keinen Markt, sondern gerechte Löhne". Das Problem ist allerdings, dass dieser Mechanismus auch funktioniert, wenn Gehälter fixiert werden (im Sozialismus z.B.), nur dass dann eben auf irgendeine andere Weise kompensiert wird: Ineffiziente Wirtschaft, Inflation, sinkende Reallöhne, Wechselkurse, Schwarzmarkt - irgendeinen Weg gibt es immer, da hier eine Art Gesetzmäßigkeit zu Grunde liegt, die in jeder arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung entsteht.
Beispiel für diesen Zusammenhang: Die Studie oben stellt heraus, dass Deutschlands Realeinkommen nicht im Gleichlauf mit der Produktivität stehen, weil die Politik sich dafür entschieden hat Reallöhne zu Gunsten einer niedrigeren Arbeitslosigkeit zu drücken (eine Folge der Agenda 2010, die vielen Leuten ja überaus bekannt ist), wobei auch das Ziel der niedrigeren Arbeitslosigkeit nur bedingt erfüllt wurde.

2. Produktivitätszuwächse geschehen im Zeitverlauf, z.B. durch technischen Fortschritt. Die Produktivitätssteigerung ist ein Prozess der im Laufe der Zeit höhere Wohlstandsniveaus für die Gesamtbevölkerung ermöglicht. Beispiel: Unser Existenzminimum beläuft sich, je nach Definition, auf etwa 7000 - 8500 Euro im Jahr und liegt (unter Berücksichtigung der Kaufkraftparität) über dem durchschnittlichen BIP/Einwohner von etwa 70 anderen Ländern, die ihre Produktivität im Zeitverlauf nicht in dem Maß steigern konnten wie Deutschland. Global gesehen, geht es einem Menschen in "präkerer Beschäftigung" hier also besser als dem durchschnittlichen Bürger in über 70 anderen Ländern. Was ich damit sagen will? Wohlstandssteigerung ist ein Prozess und geht nicht von heute auf morgen. Wir können nicht entscheiden, dass unser Durchschnittseinkommen um 1000 EUR wächst, wenn nicht entsprechende Produktivitätsfortschritte gemacht werden.

3. Niedrige Löhne werden vor allem in Branchen bezahlt, die wenig Produktivität(szuwächse) verzeichnen und auch kaum Potential haben langfristige Fortschritte zu erzielen. Diese Jobs werden immer auf dem unteren Level bestehen bleiben bis sie vielleicht irgendwann verschwinden (siehe 1.). Ist das marktkonform? Ja. Ist das fair? Kommt auf deine Definition von fair an.

4. Setzt du dir zum Ziel die Situation zu ändern, musst du die richtigen Mittel wählen. In aller Regel sind direkte staatliche Eingriffe nicht effizient und diskriminieren genau die, denen du helfen möchtest. I'm on your side, but you are not. Man nennt sowas nicht-intendierte Folgen intentionalen Handelns und diese sind in der Empirie auch oft belegt. Dir bleibt also schlussendlich nur, Rahmenbedingungen zu setzen, damit diese Leute Qualifikationen (erleichterter Zugang zu Bildung, Praktika, Workshops, etc.) erlangen können, um Jobs mit höheren Produktivitätsniveaus zu finden. Klingt sehr unbefriedigend, ist aber die einzige Lösung, die nicht denen schadet, denen du helfen möchtest.

Das war jetzt leider viel trockener Stoff und ehrlich gesagt finde ich das Thema auch ziemlich langweilig, da es schon tausend Mal anderweitig (und besser) erklärt/besprochen wurde. Vielleicht finden wir ja noch etwas anderes.
Benutzeravatar
von baumarktpflanze
#1327386
Warum soviel trockener Stoff, von dem keine Antwort zu erwarten ist, weil beim Thema Gewinnmaximierung das Thema Verantwortung per sè rausfällt?

Und wenn wir uns einig sind, dass die meisten Unternehmen die Arbeit vielleicht nicht gerecht entlohnen, aber so, dass man davon leben kann bzw. die Entlohnung in gewisser Weise fair ist: Warum soviel trockener Stoff, wenn sich ein paar Unternehmen einfach mal sagen würden, dass es in manchen Bereichen besser ist, die Zahlen Zahlen sein zu lassen?!

Und ich sage Dir aus eigener Erfahrung: Unternehmen, die das machen, existieren weiterhin. Und auch wenn das nicht die komplette Effizient ist: Sie existieren weiterhin mit Erfolg. Und eine Position auf dem Weltmarkt haben sie auch nicht verloren, weil sie ihren Mitarbeitern ein paar Euro mehr zahlen.
von Trötenflöter
#1327439
baumarktpflanze hat geschrieben:Warum soviel trockener Stoff, von dem keine Antwort zu erwarten ist, weil beim Thema Gewinnmaximierung das Thema Verantwortung per sè rausfällt?

Und wenn wir uns einig sind, dass die meisten Unternehmen die Arbeit vielleicht nicht gerecht entlohnen, aber so, dass man davon leben kann bzw. die Entlohnung in gewisser Weise fair ist: Warum soviel trockener Stoff, wenn sich ein paar Unternehmen einfach mal sagen würden, dass es in manchen Bereichen besser ist, die Zahlen Zahlen sein zu lassen?!

Und ich sage Dir aus eigener Erfahrung: Unternehmen, die das machen, existieren weiterhin. Und auch wenn das nicht die komplette Effizient ist: Sie existieren weiterhin mit Erfolg. Und eine Position auf dem Weltmarkt haben sie auch nicht verloren, weil sie ihren Mitarbeitern ein paar Euro mehr zahlen.
Dann sind diese Löhne auch gerechtfertigt. Es geht nicht darum, was fair ist und ob Unternehmen nun böse oder gut sind, sondern darum dass die Ökonomie nicht stabil ist, wenn dauerhaft über dem Produktivitätsniveau gezahlt wird. Griechenland sollte da doch als abschreckendes Beispiel dienen. Das schrieb ich oben auch sehr ausführlich und belegte es. Punkt 1 bis 3. Den Zusammenhang muss man sich klar machen, bevor man Politik-Vorschläge unterbreiten kann.
Warum soviel trockener Stoff? Weil man mit "jaja, die müssen doch einfach nur mehr zahlen" solche wichtigen gesellschaftlichen Probleme nicht löst.
Benutzeravatar
von baumarktpflanze
#1327443
Das ist alles nicht falsch. Und ich sage auch nicht: Die müssen einfach mehr zahlen.

Nur wird der trockene Stoff dir nicht erzählen, dass es neben den Zahlen und dem, was man Gewinnmaximierung nennt oder Bilanz, auch eine Form der Verantwortung gibt, die jedem Unternehmen scheinbar selbst überlassen ist, weil Verantwortung in den gängigen Wirtschaftstheorien ausgeblendet wird.
von Trötenflöter
#1327446
Nein, wieso denn? Das ist doch völlig konsistent. Ein Unternehmen hat die Verantwortung, schon aus Eigeninteresse, faire Löhne zu zahlen. Was sind faire Löhne? Solche, die auf dem Produktivitätsniveau liegen.
Beispiel: In Griechenland gab es zwischen 2005 und 2008 starke Lohnerhöhungen (10% Wachstum), während die Produktivität im selben Zeitraum nur um 3% stieg. Ähnlich sah es in Italien, Spanien und teilweise auch in Irland aus. Dies führte zu einem massiven Einbruch der Wettbewerbsfähigkeit, weil diese Länder sich ein solches Lohnniveau nicht leisten konnten. Ist das verantwortungsbewusst? Nein. Wer waren die Leidtragenden der darauf folgenden Austeritätspolitik? Arbeitnehmer, Mittelklasse.
Nochmal: In dem Moment, in dem du, auf welche Art auch immer, vorschreibst, welche Löhne als fair zu gelten haben und dabei z.B. auf "Verantwortung", "Nachhaltigkeit" oder welcher Begriff sonst noch gut klingt, abstellst, erkennst du zwar das Problem, versuchst es aber durch falsche Mittel zu lösen und verschlimmerst dadurch das Problem.
Wenn dir das auf volkswirtschaftlicher Ebene zu abstrakt ist, leiten wir den Zusammenhang einfach auf betriebswirtschaftlicher Ebene her: Als Angestellter in einem Unternehmen trägst du, im Vergleich zu den Kapitalgebern, kein finanzielles Risiko, abgesehen vom Insolvenzrisiko. Du hast deinen Arbeitsvertrag, der dir deinen Lohn garantiert - auch wenn es mal nicht so gut läuft. Ein Eigenkapitalgeber hingegen investiert Risikokapital, denn je nachdem wieviel Gewinn das Unternehmen erwirtschaftet, bekommt er variable Rückflüsse. Aufgrund der verschiedenen Risikopositionen muss der Kapitalgeber mindestens Renditen in Höhe der Lohnzuwächse der Mitarbeiter erwarten, weil er sonst, theoretisch, lieber direkt im Unternehmen arbeiten würde. Daraus folgt: Lohnzuwächse können nicht über Produktivitätszuwächsen liegen, da sonst die Kapitalgeber nicht mehr bereit wären, Kapital zur Verfügung zu stellen.
Benutzeravatar
von baumarktpflanze
#1327452
Du redest schon wieder nur von Zahlen und Grenzen und Niveaus, die eingehalten werden müssen. Das ist wie gesagt sicher nicht falsch. Die unternehmerische Verantwortung muss sich sicher auch an diesen Grenzen orientieren. Die unternehmerische Verantwortung hat aber mit Zahlen an sich nichts zu tun. Die Frage ist, inwieweit ein Unternehmen diese Verantwortung ausleben möchte bzw. ausleben sollte bzw. ausleben wollte.

Natürlich hast du völlig recht: Ein Unternehmen, dass sich höhere Löhne nicht leisten kann, kann natürlich auch keine höheren Löhne zahlen. Beispiel: Unternehmen, die gerade gegründet sind, können natürlich keine Leute einstellen und dabei auch noch auf absolut faire Bezahlung achten. Da geht es am Anfang eben nur mit den Minijobbern. Völlig verständlich!

Aber wenn Unternehmen, die vielleicht sogar marktführende Positionen einnehmen, Mitarbeiter auslagern, weil dann die Personalkosten sinken, ist das sicher aus Gewinnmaximierungsgründen verständlich. Und sie werden sicher auch eine Menge Menschen finden, die ihren Job auch für weitaus weniger Geld machen, zumal die Leute eh Schlange stehen. Insofern ist man fein raus, wenn Mitarbeiter kündigen wollen. Nur: Aus unternehmerischer Verantwortung spontan gesprochen ist dieses Vorgehen nicht so prall.

Man kann sagen: Das ist eben der Markt und das, was ich möchte, ist entweder naiv, sehr links oder schlicht träumerisch. Ja, vielleicht auch eine der berühmten Sonntagsreden. Die Frage stellt sich aber dennoch, inwieweit Unternehmen diese Verantwortung auch übernehmen bzw. übernehmen wollen und inwieweit sie da gegen die Effizienz bzw. Richtlinien der Gewinnmaximierung arbeiten wollen. Und das findet sich dann in den Theorien nicht mehr wieder und deswegen sind all diese Theorien am Ende für diese Entscheidung nutzlos.

Ja, die Frage danach, wann ein Lohn auch wirklich fair oder gerecht ist (geht das überhaupt?), ist damit nicht geklärt. Und vielleicht ist dann die Produktivität wieder ein wichtiger Ansatzpunkt und all die Grenzen und Niveaus von denen Du sprichst und als Wirtschaftsfachmann eh weitaus mehr Ahnung hast. Vielleicht ist neben dem Markt und den Löhnen, die der Markt an sich hergibt, auch wichtig, ob man als Arbeitnehmer am Ende des Monats davon auch leben kann. Oder schlichtweg auch bezogen auf das, was sich Arbeitnehmer selbst vorstellen als Entlohnung. Die haben glaube ich eine recht realistische Vorstellung von dem, was sie glauben, dass es gerecht wäre.

Ob da der Mindestlohn das Richtige ist? Ich weiß es nicht.
Ob es ein bedingungsloses Grundeinkommen ist? Ich weiß es nicht.

Aber ich finde es gut und wichtig, dass wir darüber reden - auch außerhalb von irgendwelchen Zahlen und Wirtschaftsmodellen. Dass wir über Verantwortung reden. Über Gerechtigkeit. Über das, was man gute Sitten nennt. Und dass von allen politischen Spektren entsprechende Vorschläge macht werden. Auch wenn das für den Wirtschaftsfachmann fremd ist. Und langweilig.

Auch Unternehmer machen sich entsprechende Gedanken. In meinem letzten Unternehmen hat man was ausprobiert: Die Hälfte der neuen studentischen Mitarbeiter wurde auf normaler 20h-Werkvertragsbasis angestellt, wie es bisher Usus war. Damit kam man zurecht und das Unternehmen hatte sich auch in den Abläufen damit arrangiert. Die andere Hälfte der neuen Studenten wurde dagegen auf Teilzeit angestellt und mit einem Drittel mehr Gehalt bedacht. Die Studenten wussten davon nichts, sofern sie sich nicht untereinander darunter ausgetauscht haben, was sie verdienen.

Und schau einer an: Mit den Studenten, die ein Drittel mehr Gehalt bekamen, konnte man besser planen, weil sie eben bereit waren, immer am vormittag zu kommen und nicht, wie es ihnen gerade passt, besser arbeiten, weil sie auch mal bereit waren, Überstunden zu machen und schluissendlich auch bessere Ergebnisse erzielen, weil sie sich mit mehr Motivation in Dinge eingearbeitet haben. Heute stellt man neue Studenten nur noch auf Teilzeit an. Und mit einem Drittel mehr Gehalt.

Es hat also durchaus auch produktive Vorteile mal Zahlen auch Zahlen sein zu lassen.

(Beitrag wurde mehrfach editiert)
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 43