baumarktpflanze hat geschrieben:Ja, der Arbeitsmarkt ist ein Markt und ja, auch Unternehmen versuchen ihre Gewinne zu maximieren. Die Frage ist aber - und das ist das, was das Fohlen ansprach, - inwieweit Unternehmen trotzdem eine gewisse Verantwortung übernehmen können oder müssen.
Dabei geht es nicht nur darum, dass man eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung hat in Bezug auf Ressourcenschönung und aus ökologischen oder ethischen Gesichtspunkten, sondern um die Ressourcen, die die Arbeit am Ende verrichten: Die Menschen. Muss ein Unternehmen nicht auch trotz der durchaus verständlichen Gewinnmaximierung darauf achten, dass Mitarbeiter für ihre Arbeit entsprechend entlohnt werden?
Klar ist es verständlich, Mitarbeiter in Leiharbeitsfirmen auszulagern, weil sie die gleiche Arbeit erbringen, aber am Ende günstiger sind. Klar ist es verständlich, dass man den Lohn entsprechend drücken kann, wenn im Gang noch 30 andere warten, die einen Job auch haben wollen. Die Frage ist aber, ob man das auch tun sollte. Oder ob es nicht auch für ein Unternehmen etwas gibt, dass man gute Sitten nennt.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ein Unternehmen ist kein Geschenkeladen. Und die meisten Unternehmen übernehmen diese Verantwortung und zahlen entweder entsprechende Tarifverträge oder sogar Gehälter, die über dem liegen, was der Markt eigentlich hergeben würde. Und dennoch haben wir immer wieder entsprechende Fälle, in denen Mitarbeiter mutwillig unterhalb jener guter Sitten bezahlt werden.
Reale Einkommenszuwächse gehen in etwa mit dem
Produktivitätswachstum eines Landes einher. Auf letzteres Paper bin ich kürzlich gestoßen, kann ich nur empfehlen. Dort wird diese These für Europa untersucht. Vielleicht kann ich anhand der Erkenntnisse kurz darstellen, warum die Lohnsetzung sinnvoll und logisch ist und nicht aus dem Gutdünken eines Unternehmers resultiert.
1. Einkommenszuwächse können im Arbeitsmarkt nicht langfristig über Produktivitätszuwächse hinaus steigen, ohne dass Arbeitslosigkeit oder andere Ineffizienzen entstehen (vgl.
Kritik an Gewerkschaften für eine Erklärung dazu). Die klassische Theorie besagt: Unternehmen müssen zusätzliche Mitarbeiter einstellen, falls das Lohnniveau unterhalb der Produktivität liegt und vice versa. Da Personalkosten in aller Regel den größten Kostenpunkt in einem Unternehmen darstellen, ist dieser Zusammenhang tatsächlich praktisch relevant. Eine schlechtere Wettbewerbsposition einzugehen, um höhere Löhne zu zahlen, ist in einem Wettbewerbsmarkt (insbesondere wenn Freizügigkeit in einem Staatenverbund wie der EU herrscht) kaum möglich.
Nun höre ich natürlich schon die Kritik an diesem System: "Wir brauchen keinen Markt, sondern gerechte Löhne". Das Problem ist allerdings, dass dieser Mechanismus auch funktioniert, wenn Gehälter fixiert werden (im Sozialismus z.B.), nur dass dann eben auf irgendeine andere Weise kompensiert wird: Ineffiziente Wirtschaft, Inflation, sinkende Reallöhne, Wechselkurse, Schwarzmarkt - irgendeinen Weg gibt es immer, da hier eine Art Gesetzmäßigkeit zu Grunde liegt, die in jeder arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung entsteht.
Beispiel für diesen Zusammenhang: Die Studie oben stellt heraus, dass Deutschlands Realeinkommen nicht im Gleichlauf mit der Produktivität stehen, weil die Politik sich dafür entschieden hat Reallöhne zu Gunsten einer niedrigeren Arbeitslosigkeit zu drücken (eine Folge der Agenda 2010, die vielen Leuten ja überaus bekannt ist), wobei auch das Ziel der niedrigeren Arbeitslosigkeit nur bedingt erfüllt wurde.
2. Produktivitätszuwächse geschehen im Zeitverlauf, z.B. durch technischen Fortschritt. Die Produktivitätssteigerung ist ein Prozess der im Laufe der Zeit höhere Wohlstandsniveaus für die Gesamtbevölkerung ermöglicht. Beispiel: Unser
Existenzminimum beläuft sich, je nach Definition, auf etwa 7000 - 8500 Euro im Jahr und liegt (unter Berücksichtigung der Kaufkraftparität) über dem
durchschnittlichen BIP/Einwohner von etwa 70 anderen Ländern, die ihre Produktivität im Zeitverlauf nicht in dem Maß steigern konnten wie Deutschland. Global gesehen, geht es einem Menschen in "präkerer Beschäftigung" hier also besser als dem durchschnittlichen Bürger in über 70 anderen Ländern. Was ich damit sagen will? Wohlstandssteigerung ist ein Prozess und geht nicht von heute auf morgen. Wir können nicht entscheiden, dass unser Durchschnittseinkommen um 1000 EUR wächst, wenn nicht entsprechende Produktivitätsfortschritte gemacht werden.
3. Niedrige Löhne werden vor allem in Branchen bezahlt, die wenig Produktivität(szuwächse) verzeichnen und auch kaum Potential haben langfristige Fortschritte zu erzielen. Diese Jobs werden immer auf dem unteren Level bestehen bleiben bis sie vielleicht irgendwann verschwinden (siehe 1.). Ist das marktkonform? Ja. Ist das fair? Kommt auf deine Definition von fair an.
4. Setzt du dir zum Ziel die Situation zu ändern, musst du die richtigen Mittel wählen. In aller Regel sind direkte staatliche Eingriffe nicht effizient und diskriminieren genau die, denen du helfen möchtest.
I'm on your side, but you are not. Man nennt sowas nicht-intendierte Folgen intentionalen Handelns und diese sind in der Empirie auch oft belegt. Dir bleibt also schlussendlich nur, Rahmenbedingungen zu setzen, damit diese Leute Qualifikationen (erleichterter Zugang zu Bildung, Praktika, Workshops, etc.) erlangen können, um Jobs mit höheren Produktivitätsniveaus zu finden. Klingt sehr unbefriedigend, ist aber die einzige Lösung, die nicht denen schadet, denen du helfen möchtest.
Das war jetzt leider viel trockener Stoff und ehrlich gesagt finde ich das Thema auch ziemlich langweilig, da es schon tausend Mal anderweitig (und besser) erklärt/besprochen wurde. Vielleicht finden wir ja noch etwas anderes.