#1396900
Der Streit darum, inwieweit das IZA-Institut unabhängig ist - und auch hier im Forum von Trötenflöter und mir geführt wurde -, wird nun vor Gericht ausgetragen.

Wie das Handelsblatt von heute berichtet, hatte das Institut hatte im Rahmen der Berichterstattung über den Mindestlohn mehrere Medien mit Unterlassungserklärungen aufgefordert, Behauptungen zu unterlassen, nach denen das IZA eine Lobbygruppe sei ("stern") bzw. Mittel von einem einzigen wirtschaftsnahen Arbeitgeber (der Deutschen Post Stiftung) zu erhalten ("FAZ"). Beide Medien haben die Unterlassungserklärung unterschrieben.

In der aktuellen Klage geht es um die Behauptung eines Publizisten, der das IZA faktenwidrig als unabhängig bezeichnete und dem IZA Lobbyarbeit unterstellte. Diese Behauptungen stellte er in den "Blättern für deutsche und internationale Politik" auf, die die Unterlassung unterschrieben haben, aber auch in der "Neuen Rheinischen Zeitung", die sich geweigert hat. Ein entsprechender Vergleich war vor Gericht gescheitert - nun fällt Ende November das Urteil.

Der Artikel ist nur im gedruckten Handelsblatt erschienen.
Die Internetseite des Beklagten
Seite des IZA-Instituts
Informationen zum IZA in der Lobbypedia
#1400764
Neue Entwicklung im oben angesprochenen Streit um die Unabhängigkeit des IZA-Institutes:
Nachdenkseiten hat geschrieben:Die Entscheidung des Gerichts, die für den 28. November geplant war, ist verschoben worden. Offenbar hat das Gericht erkannt, welche Bedeutung die Entscheidung für den Missbrauch der Gemeinnützigkeit haben könnte. Auch das IZA nimmt den Vorteil der Gemeinnützigkeit für sich in Anspruch, obwohl es schon äußerlich erkennbar ein Institut in der Nähe der Deutschen Post AG darstellt und von ihr mitfinanziert wird, und zudem auf vielerlei Weise für die Interessen der Wirtschaft und – zum Beispiel mit sogenannten Expertisen zum Mindestlohn – gegen die Lohnabhängigen antritt.
Bericht der Nachdenkseiten
Bericht des Handelsblattes als PDF
#1400781
Also zunächst mal muss man anmerken, dass die meisten sogenannten Forschungsinstitute nicht wirklich unabhängig sind, da meist Unternehmen aus der Privatwirtschaft als direkter Träger oder aber als Geldgeber fungieren. Es gibt auch diverse Einrichtungeen die eher eine Haltung vertreten wollen und sollen und gar keine Forschung im eigentlichen Sinne betreiben.

Ich behaupte mal, ich befasse mich durchaus intensiv mit den Themen, Wirtschaft, Politik und auch in gewissen Teilen mit Wissenschaft, aber dieses hier genannte Institut scheint keine so sonderlich herausragende Relevanz zu haben, denn es ist mir völlig unbekannt und auch in den Medien, habe ich bezüglich dieses Instituts, eigentlich nichts vernommen.

Doch der Name trat schon mal in Erscheinung, liegt ein paar Jahre zurück aber wirklich markant nimmt man das Institut nicht wahr.
#1400782
Der Trötenflöter sieht das etwas anders:
Trötenflöter hat geschrieben:Fast alle Autoren sind anerkannte Professoren und Leiter von Lehrstühlen an Universitäten. Viele Ökonomen sind darüberhinaus Mitglied in Forschungsinstituten, leiten diese oder werden von ihnen unterstützt. Zum Netzwerk des IZA zählen hunderte Wissenschaftler, Nobelpreisträger, Gewerkschaftler und Politiker. Die Unabhängigkeit steht in der Satzung, es ist nicht weisungsgebunden und die Forscher finanzieren sich selbstständig.
Ich erwähne de momentane Streitigkeit hier auch nicht, weil mir das IZA bekannt war, sondern weil mir auffiel, dass der Trötenflöter in diesem Thread fast nur mit Studien des Instituts argumentierte und ich ihm da eine gewisse Färbung unterstellte, die er aber bestritt. Insofern finde ich die momentane Auseinandersetzung vor Gericht, in der es im Grunde genau um die gleiche Thematik geht, erwähnenswert, auch wenn der Trötenflöter seit längerem nicht mehr in diesem Forum postet.
#1403535
Gibt es neben der Gerechtigkeit nicht auch andere Ideale, die der Gesetzgeber beachten muss? Wirtschaftliche Nachhaltigkeit, also weniger Kurzfristdenken. Erbschaftssteuern auf Firmen führen zu mehr Kurzfristdenken, das sieht man ja in der USA, da ist die Erbschaftssteuer höher und das Kurzfristdenken auch.
Daher muss man in Frage stellen, ob das Bundesverfassungsgericht so klug gehandelt hat. Mir sind Großunternehmen in einer Hand von weitblickenden Familie lieber als bei Blackrock oder KRK, Großunternehmen beginnen schon im steuerlichen Sinne bei 250 Mitarbeitern und einem Umsatz von 38 Millionen. 250 fest angestellte Mitarbeiter sind mir lieber als freie, die mies entlohnt werden.
#1416986
baumarktpflanze hat geschrieben:Neue Entwicklung im oben angesprochenen Streit um die Unabhängigkeit des IZA-Institutes:
Nachdenkseiten hat geschrieben:Die Entscheidung des Gerichts, die für den 28. November geplant war, ist verschoben worden. Offenbar hat das Gericht erkannt, welche Bedeutung die Entscheidung für den Missbrauch der Gemeinnützigkeit haben könnte. Auch das IZA nimmt den Vorteil der Gemeinnützigkeit für sich in Anspruch, obwohl es schon äußerlich erkennbar ein Institut in der Nähe der Deutschen Post AG darstellt und von ihr mitfinanziert wird, und zudem auf vielerlei Weise für die Interessen der Wirtschaft und – zum Beispiel mit sogenannten Expertisen zum Mindestlohn – gegen die Lohnabhängigen antritt.
Bericht der Nachdenkseiten
Bericht des Handelsblattes als PDF
Der Vollständigkeit halber: Im oben genannten Prozess wurde inzwischen ein Urteil gefällt (Aktenzeichen 324 O 19/14). Beide Beteiligten sehen das Urteil etwas anders:
Beklagter Werner Rügemer hat geschrieben:Im September 2013 klagte Prof. Klaus Zimmermann gegen mich und Peter Kleinert, Redakteur der neuen rheinischen Zeitung: Wir sollen bezüglich seines von ihm geleiteten Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) folgende vier Aussagen unterlassen:
1. Das IZA bezeichne sich faktenwidrig als unabhängig,
2. Beim IZA könne beim besten Willen nicht von freier Wissenschaft gesprochen werden,
3. Das IZA betreibe Lobbying
und 4. Das IZA informiere nicht über seine Finanzierung durch die Stiftung des Deutsche Post – Konzerns. (…)

Nach zwei öffentlichen Verhandlungen am 9.5. und 10.10.2014 verkündete die Pressekammer des Landgerichts Hamburg am 6.2.2015 das immer wieder verschobene Urteil: Die Aussagen zu 1 und 2 sind zulässig. Dagegen bleiben die Aussagen zu 3 und 4 verboten – ich werde dagegen in Berufung gehen, sobald das Urteil schriftlich vorliegt. (Aktenzeichen 324 O 19/14)
Quelle

Das IZA im Namen des Direktors Klaus F. Zimmermann sieht die Sache so:
Klaus F. Zimmermann, Direktor des IZA hat geschrieben:Mit Urteil vom 06.02.2015 hat das Landgericht Hamburg es den Beklagten, Herrn Dr. Rügemer und dem Herausgeber des Online-Angebots NRhZ-Online, nun untersagt, in Bezug auf das IZA zu äußern und/oder äußern zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, dieses betreibe

– Lobbying und

– durch bestimmte Textpassagen den Eindruck zu erwecken, dass das IZA nicht über seine private Finanzierung informiere.

Damit ist die zentrale Doppel-These der Lobby-Tarnkappenwissenschaftler gerichtlich zurückgewiesen worden. Somit wurde in den genannten zwei Punkten dem IZA vollumfänglich Recht gegeben. Das Gericht hat festgestellt, dass der vermittelte Eindruck “unwahr” ist und “das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Klägerin [verletzt]” wird. Es handele sich um eine “ehrverletzende” Behauptung.

Hinsichtlich der weiteren Aussagen, das IZA bezeichne sich „faktenwidrig als ‚unabhängig‘“ und „von ‚freier Wissenschaft‘ kann hier allerdings beim besten Willen nicht gesprochen werden“, hat das IZA die Klarstellung erwirkt, dass diese Aussagen als Meinungsäußerungen, aber nicht als Tatsachenbehauptungen zu verstehen und deshalb als zulässig zu bewerten sind. Das Gericht hat betont, dass hiermit selbstverständlich keine Aussage darüber getroffen wird, ob das IZA tatsächlich unabhängig ist oder ob seine wissenschaftliche Arbeit frei ist. Fakt ist, dass das IZA keinen Einflüssen Dritter ausgesetzt ist und sich nur der Wissenschaft verpflichtet hat. Der Beklagtenvertreter hatte außerdem vor Gericht klargestellt, dass die Beklagten die streitgegenständlichen Aussagen in dieser Form zukünftig nicht mehr veröffentlichen werden. Sie hätten auch nicht behaupten wollen, dass Gefälligkeitsgutachten erstellt würden oder Vorgaben gefolgt werde.

Des Weiteren wurde die Widerklage der Beklagten durch das Landgericht ebenfalls abgewiesen.

Die Beklagten tragen die Prozesskosten zu 60%, das IZA zu 40%. Die Kostenverteilung ist ein klares Indiz für das Prozessergebnis.
Quelle

Eine Stellungnahme des klagenden Publizisten findet sich hier.
#1488663
Als Zitate dem Heute Show Thread entnommen und zusätzlich an dieser Stelle platziert.
Fernsehfohlen hat geschrieben:Joar, ist auf jeden Fall schon länger so, würde ich sagen. Ich muss aber sagen, bei mir hat zumindest das Armutsthema mit der Geschichte der Pechmarie dennoch ziemlich gut gezündet, weil ich die Entwicklungen hier auch nur noch traurig und die weitgehende Untätigkeit der Politik erschreckend finde, da wirklich einmal konsequent gegenzusteuern (das Thema Erbschaftssteuer ist da ja nur ein weiteres kleines Mosaiksteinchen im Turm der Untätigkeit). Aber hier habe ich auch eine ganz klare Haltung in eine Richtung und bin natürlich auch innerlich so ein wenig befriedigt, wenn ich diese bestätigt bekomme.

Fohlen
BungaBunga hat geschrieben:Ich persönlich finde die Heute Show derzeit maximal solide. Irgendwie finde ich gab es da schon stärkere Zeiten, was den Humor und die inhaltliche Umsetzung angeht. Diese politische Tendenz oder Prägung, wird zumindest dann deutlich, wenn man sich gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus positioniert, was ja auch richtig ist. In diesem Fall ist diese eindeutige Positionierung erforderlich. Ansonsten finde ich nicht, dass sich die Heute Show besonders einseitig positioniert, was die deutschen Parteien und Politiker angeht, ist man schon bemüht, da relativ ausgewogen die Kritik zu verteilen. Aber natürlich sind hier die Politiker und Parteien in erster Linie die Lieferanten, welche dann die Grundlagen für die thematische Aufarbeitung darstellen. Die Heute Show neigt etwas deutlich eventuell als andere Satireformate dazu schon Mainstream-Haltungen zu bedienen. Dies wird dann durchaus auch bei dem Thema der Kandidaten einer Wahl deutlich, da macht man sich schon ausführlich über den einen Kandidaten lustig und hält sich mit Kritik an der anderen Kandidaten zurück, ja indirekt wird sie dadurch protegiert, was aber kein zielgerichtetes hofieren ist. Es ist ein Satire bzw. Comedyformat, die Aufgaben hier sind andere als bei einem Politikmagazin. Gerade viele Politik und Talkformate bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten haben sich zuletzt immer wieder kritisch mit beiden Bewerbern auseinandergesetzt. Bei der Heute Show scheint die Haltung zu sein, ok die Kandidaten sind beide eher nicht ganz so überzeugend aber es gibt dann da dennoch nochmal eine Abstufung.

Die Frage der Vermögensverteilung und Chancengleichheit ist von so großer Bedeutung, dass man das Thema hier gar nicht so vordergrünndig mit der Heute Show verknüpfen kann, auch wenn es dort jetzt erneut thematisch aufgegriffen wurde. Diesem Thema müsste man eigentlich Raum in einem eigenständigen Thread geben.

Ich beobachte diese Entwicklung auch seit geraumer Zeit. Es gilt den Neidaspekt und manche falsche Ansicht außen vor zu lassen. Wenn man sich die Fakten und aussagekräftige Zahlen aber auch die Ergebnisse von Studien sowie substanziellen Umfragen anschaut, dann wird weiterhin sehr deutlich, dass die ausgewogene Vermögensverteilung in Deutschland weiter abnimmt, dass heißt die Kapital und Vermögenskonzentration deutlich ansteigt. Während die Stabilität und die finanzielle und soziale Verankerung der Mittelschicht zunehmender Bedrohung ausgesetzt wird. Das sind alles klare Belege dafür, dass die Politik hier in der Tat eingreifen muss, ob man dort steuerpolitisch ansetzt oder andere Wege findet, dass muss man sehen.

Es stimmt ja, was die Politiker sagen, die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist derzeit sehr gut und auch die Arbeitslosigkeit ist auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau, und das liegt übrigens mittlerweile nicht mehr daran, dass sehr viele reguläre Arbeitsverhältnisse durch prekäre ersetzt werden, dies war lange Zeit der Fall, seit einiger Zeit sinkt der Anteil prekärer Arbeitsverhältnisse aber faktisch, was aber nicht an der Politik selbst liegen dürfte sondern tatsächlich daran, dass die Nachfrage hoch ist und viele Fachkräfte gesucht werden, in vielen Bereichen können Stellen auch nicht mit entsprechenden Fachkräften besetzt werden. Was die Arbeitsverhältnisse angeht hat sich schon was verändert allerdings die gute wirtschaftliche Lage erreicht den Großteil der Bevölkerung nicht, bzw. nicht in dem Maße wie das eigentlich sein sollte. Auch hier ein Beleg, dass politisch interveniert werden muss.

Dann haben wir in Deutschland aber noch einen Bereich anhand dessen sehr deutlich wird, dass wir dennoch strukturelle Probleme haben. Gemeint sind hier die Personengruppen der Langzeitarbeitslosen, sowie die Personen mit diversen Hemmnissen, darunter Personen mit sozialen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Man muss davon ausgehen, dass es in Gesellschaften immer einen gewissen Anteil von Personen gibt, die sich aufgrund bestimmter Umstände nicht in das Arbeitsleben oder die Gesellschaft integrieren lassen, dass muss man so akzeptieren. Aber die genannten Personengruppen sind groß und wenn man die Leute innerhalb dieser Gruppen abzieht, die sich nicht einbinden lassen, dann bleibt da jeweils eine Mehrheit, für die unsere Politik, unser Staat und unsere Gesellschaft bisher keine wirklich guten Konzepte hat. Die Personen sind abgehängt und das hat dann vielfach auch systemische, strukturelle und auch politische Gründe. In Deutschland gilt die Regel, bist du einmal richtig abgehängt, dann wirst du das bleiben. Wenn es dann Leute doch mal schaffen sich wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sind das bisher meist Sonderfälle oder das Ergebnis vieler vorteilhafter Fügungen. Das wird eben unter anderem, an der Zahl der Langzeitarbeitslosen deutlich, hier gibt es trotz positiver wirtschaftlicher Rahmenbedingungen kaum positive Entwicklungen.

Was Politiker meist durchaus wissen, die gesellschaftlichen Eliten sowie priviligierte Personen sowie sehr vermögende Personen, jedoch oftmals vergessen oder ausblenden, ist die Tatsache, damit eine Gesellschaft langfristig stabil bleiben kann, vorallem bei freien Demokratien, ist ein gewisses Maß an Chancengleichheit, Durchlässigkeit, Vielfalt und eine angemessene bzw. akzeptable Vermögensverteilung erforderlich. Im erstebenswerten Optimalfall sind diese Bedingungen faktisch erfüllt, mindestens müssen sie in der Wahrnehmung der Bevölkerung bestehen. Wenn die Vermögensverteilung ein real bestimmtes Maß überschreitet, dann wird die Gesellschaft instabil mit vielfältigen Folgen, der Staat und die Administration kollabiert oder wird gestürzt, es herrscht ein Mangel an existenziellen Gütern, es kommt zu gewalttätigen Konflikten und auch das Vermögen wird entwertet. Vorallem wenn die Stabilitöt einer Gesellschaft ins Wanken gerät, dann eröffnet sich dadurch ein politischer Spielraum für extreme Parteien und Positionen, die dann versuchen diese Situation zu instrumentalisieren. Und um so mehr sich Personen benachteilligt fühlen, desto empfänglicher werden sie für irrationale und falsche Thesen und Positionen sie sind dann sehr verführbar.

Die Privilegien der Oberschicht und Eliten werden dann fast alle je nach Stufe der Eskalation bzw. Krise nichtig, daher soltlen auch diese Personen endlich mal verstehen, dass sie immer auch eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft haben, dass heißt das Geld muss wieder in den Markt, Steuern und Sozialabgeben müssen gesetzeskonform gezahlt werden. Aber es braucht natürlich weitere politische Ansätze, wie man diese zunehmende ungleiche Vermögensverteilung aufhalten und eine wieder bessere Fluidität des Vermögens innerhalb der Gesellschaft erzielen kann. Wohlhabende Personen erreicht man da eventuell über finanz und wirtschaftspolitische Konzepte.

Und den benachteilligten Personen muss unser Staat, unsere Gesellschaft endlich wieder Angebote machen und Perspektiven bieten.
Die Beiträge sind hier im Thread thematisch gut platziert.