- Mi 29. Aug 2012, 15:08
#1145681
Die erste Staffel von The Newsroom muss man wirklich fast zweigeteilt betrachten. Denn harmonieren tun der News-Dramapart und der Romantic Comedy Part wirklich nicht miteinander. In einer anderen Show würde der Rom-Com Teil sicher auch wesentlich besser wegkommen und nicht so heftige Kritik einfahren wie hier teils daran geübt wird. Trotzdem ist das der wesentlich schwächer entwickelte Teil der Serie. Die Entwicklung von Beziehungen und Charakteren ist doch noch ziemlich holprig und wirkt eben aufgesetzt, teils sogar erzwungen, um den Zuschauern zwischen den harten Sachthemen noch etwas emotional menschelndes anbieten zu können. Das halte ich an sich gar nicht für falsch. Im Gegenteil, eine Show kann nicht rein auf der beruflich professionellen Ebene ihrer Charaktere beruhen. Das funktioniert heute selbst bei Krimiserien nicht mehr. Bei einer Show wie The Newsroom, wo es eben nicht mehr nur wie bei einem CSI das "die machen halt ihren Job" ist, sondern die Motivationen und Leidenschaften entscheidend dafür sind, dass sie eben genau ihre neue Art von Nachrichten machen, kann einfach nicht ohne eine starke private Komponente auskommen. Nur hat man bei der Auswahl, was man für dafür einsetzt, um die Figuren menschlicher zeichnen zu können, kein gutes Händchen gehabt. Bei Will und McKenzie geht das noch weitestgehend in Ordnung. Die Beziehungshistory der beiden finde ich interessant. Die stecken in einer komplizierten Lage und dass sie sich gegenseitig so viele Monate in der Schwebe halten und aus alten Verletztheiten bissig reagieren finde ich genau richtig gemacht. Diese Beziehungskiste leidet einfach daran, dass McKenzie teilweise over the top geschrieben und gespielt ist. Die ist ja fast nonstop furious. Das außen vor gelassen, finde ich es aber eine gelungene Beziehung. Vom Maggie-Dreieck kann man das nicht sagen. Denn ist schrecklich profan und hat man so gefühlt schon tausendmal gesehen - und das in Filmen und Shows, wo es seine Zeit nicht von wesentlich interessanteren Aspekten geklaut hat.
Ich habe mich gerade beim Finale auch fast ein bisschen geschämt, dass mir ein paar Szenen davon doch ganz gut gefallen und mich zum lachen gebracht haben. Den SatC Bus fand ich wirklich witzig. In einer anderen Show hätte das halt besser funktioniert.
Aber okay, es ist Season 1. Es gibt zwar so einige, die diesen Aspekt besser hinkriegen als The Newsroom, aber fast keine Serie, die aus dem Stand ohne holprige Charakterentwicklung, erzwungene Romanzen und noch aufgesetzt wirkenden Humor durch die erste Staffel kommen. Da verzeihe ich noch einiges. Vor allem, weil der Newspart etwas Nachsicht rechtfertigt.
Sobald es an die Nachrichten geht, ist The Newsroom sensationell gut. Das mutigste, was es seit Jahren im US-TV gab. Nachdem im premium cable schon alle Hüllen gefallen sind, man sämtliche Perversionen durch hat und man selbst bei Protagonisten das ganze Strafgesetzbuch von Mord bis Drogenhandel abgearbeitet hat, arbeitet The Newsroom hier fast an der letzten Tabugrenze. Eine Show, die sich nicht nur mit politischen Themen beschäftigt, sondern sehr aktiv und offensiv eine Position bezieht und mit einer riesigen Faktenladung - nicht Fiktionen! - die politischen Kräfte im eigenen Land angreift, an die sich die echten Medien nicht rantrauen. Man schiebt sich mit einer Serie zwischen lügende Politiker und untätige Mainstreamjournalisten und feuert zu beiden Seiten massive Salven ab, die pointiert sind und wirklich treffen, weil sie gleichzeitig wahr und gut aufbereitet sind. Es ist endlich seit einer gefühlten Ewigkeit mal wieder eine Show, die nicht nur unterhaltsamen Eskapismus anbietet, sondern sich mit unserer Welt kritisch auseinandersetzt und ja, auch predigt. Und das ist absolut nichts falsches, wenn es wahr ist. Früher war Kunst und Literatur um so vieles politischer und engagierter. Da ist seit den 80ern so viel verloren gegangen, dass es zuerst fast befremdlich wirkt, 2012 plötzlich wieder eine Show zu haben, die so weit über das Maß von zB DEK-Serien so hart und frontal soziale, juristische und politische Misstände angreift und dabei auch noch gut präsentiert wird und ordentliche Spannungsbögen baut. Gerade weil reale stories das oft nicht ganz so leicht hergeben.
Darin sehe ich einen riesigen Verdienst bei The Newsroom, für den ich mir viele der misglückten Privatgeschichten gefallen lasse. Inzwischen funktioniert es auch besser, die Show nicht zu einseitig dastehen zu lassen. Die Tea Party ist zwar weiter Angriffsziel Nummer 1, aber man hat inzwischen immer wieder und jetzt im Finale nochmal sehr deutlich herausgearbeitet, dass die eben nicht für traditionell republikanische Politik stehen sondern the american taliban sind. Mutiges Statement auf gut gelegtem Fundament, vor dem ich größten Respekt habe.
The Newsroom: 10/10
The romantic struggles of shouting Journalists: 5/10
"And in that moment, I swear we were infinite."