Im Nachholthread hatte ich ja schon ein kurzes Zwischenfazit gegeben:
Aktuell ist Lights Out dran (Stand 1x09). Mit Abstand die ärgerlichste aller ärgerlichen Absetzungen der letzten Jahre. Das bessere The Fighter und den fand ich schon großartig. Handlung mit enormem Suchtpotenial, düster, aber nicht trist, ein interessanter und sympathischer Hauptcharakter an der Spitze eines starken Ensembles und eine Welt, die im Tv bislang keine Rolle spielte. Da war alles vorhanden, um bei mir langfristig einen guten Platz auf der All Time Liste zu erkämpfen. Die erste und letzte Staffel könnte bei einem guten Finale in meiner Rangliste immerhin noch vor Boardwalk Empire landen.
und da die Serie auf diesem hohen Niveau weiterlief und mit einem packenden Showdown endete, wird sie bei mir wirklich noch vor Boardwalk(brauchte ein bißchen um die volle Klasse zu entfalten) und Walking Dead(lediglich 6 Episoden und das Staffelfinale war nur Durchschnitt) landen. Selbst bei Sons Staffel 3 bin ich mir nicht sicher, ob es davor landet, aber das muss die Zeit zeigen. Bei Preisverleihungen gewinnen nicht umsonst meist spät gestartete Filme/Serien. Der frischeste Eindruck fällt meist besser aus.
Die hier geäußerte Kritik an den Nebendarstellern hat mich genau so überrascht wie der Sieg von Lights. Kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Höchstens die älteste Tochter würde ich als austauschbar bezeichnen, aber keinesweg schwach. Die mittlere Tochter hat mir sowohl als Charakter als auch schauspielerisch gefallen. War mal wieder erfrischend ein Kind in einer PayTv/Cable Serie zu sehen, das kein selbstsüchtiges Monster ist oder in irgendwelchen Teenie-Problemen ertrinkt. Ryann Shane könnte übrigens auch als Emilia Clarkes "jüngere Zwillingsschwester" durchgehen. Ich dachte anfangs sogar, dass sie es wäre. :lol:
Selbst Pablo Schreiber, den ich in The Wire Staffel 2 noch als großen Schwachpunkt gesehen habe, konnte hier voll überzeugen.
Das Highlight unter der Stammbesetzung war aber klar Holt McCallany, der die im Piloten gezeigten Stärken über die gesamte Staffel bestätigen konnte und einen der interessantesten Sportler-Charaktere dieses Subgenres schuf.
btw. mein Pilotreview hatte ich in diesem Thread ja noch gar nicht hinterlassen.
Lights Out
Nach Enttäuschungen wie The Cape oder Episodes gibt es endlich mal wieder eine Serie, die die hohen Erwartungen nicht nur halten, sondern sogar überbieten kann. Ähnlich wie bei den beiden anderen großen Highlights dieser Season (Boardwalk Empire und Walking Dead)kennt man viele Einzelteile schon aus anderen Meilensteinen dieses Genres, aber die Serie ist so gut geschrieben und stilsicher inszeniert, dass es sich trotzdem frisch anfühlt. Die größten Stärken werden sich wie bei Walking Dead sowieso erst langfristig ergeben, da man weitaus tiefer in die Geschichte und Charaktere eintauchen kann, als es ein Film vermag.
Ein großer und nicht unbedingt erwarteter Pluspunkt ist auch Holt McCallany in der Titelrolle. Dieser kantige Eisenschädel, der bisher fast nur als Muskelprotz im Hintergrund aufgefallen ist, verleiht seinem Charakter schon in dieser ersten Folge eine bemerkenswerte Vielschichtigkeit und Tiefe. Einerseits sanfter Riese und fürsorglicher Familenmensch, der Beleidigungen mit einem Lächeln und scheinbar ohne unterdrückte Wut wegstecken kann und nicht nur wegen seiner Krankheit manchmal ein bißchen langsam im Kopf wirkt. Ein Mann, der wahrscheinlich in seiner Kindheit gelernt hat, dass er seinen Mitmenschen ungewollt Schmerzen zufügen kann, wenn er seine Kräfte unterschätzt. In den Gesprächen mit seinem Bruder und wenn er in die Ecke gedrängt wird, offenbart sich aber auch eine ganz andere Seite. Stolz, dünnhäutig und wenn er die Kontrolle verliert sogar gefährlich.
Kurzum, als großer Fan von Sportfilmen der Marke Rocky, Million Dollar Baby oder The Wrestler ist diese erste Boxerserie für mich genau so ein Knockout wie die erste postapokalpytische Zombieserie. 9/10
Ob Holt auch in anderen Rollen so überzeugen kann, möchte ich fast bezweifeln, aber hier war es die perfekte Symbiose von Schauspieler und Charakter.
Neben ihm stachen noch der wie immer großartige Stacy Keach sowie Eamonn Walker und David Morse in ihren leider zu kurzen Gastrollen heraus. Deren Arcs waren auch die besten Beispiele für den ausgefeilten Mix aus in einer Folge abgeschlossenen Stories(z.B. der MMA Fight), kürzeren Arcs und der durchgehenden Haupthandlung. Die Einzelgeschichten haben sich dabei nie wie eingeschoben oder verzichtbares Zugeständnis an den Mainstream angefühlt. So gut verzahnt, habe ich das noch in keiner anderen Serie erlebt. Das war die von jedem Senderboss gesuchte eierlegende WollMilchSau ...das ProceduralSerial. Die Geschichte eine weniger düstere Variante von Breaking Bad. ...und doch hat es nicht gereicht, um genug Zuschauer zu gewinnen.
Erfreulich war auch, wie oft es Warren Leight und co. geschafft haben Entwicklungen und Charakterzeichnungen gegen die Erwartungen ablaufen zu lassen. z.B. hatte ich befürchtet, dass Johnny öfter Mist baut/Lights hintergeht oder das Brenann am Ende wirklich mit Gewalt darauf drängt, dass Lights in einer bestimmten Runde auf die Bretter geht.
Die letzte Episode war glücklicherweise auch als Serienfinale befriedigend (nach der ersten Runde hätte ich nie gedacht, dass Lights hier ohne Betrug eine Chance hätte, aber es war nicht unrealistisch, weil der physisch überlegene Death Row seit Jahren nur gegen Fallobst geboxt hat und nicht mehr den letzten Biss besaß) und doch hätte in der Serie noch endlos Potential gesteckt.
-hätte Lights weitergekämpft oder sich aufs Training von Talenten konzentriert? Sein Vater hätte nicht ewig das Training leiten können.
-was wird aus Eamonn Walker nachdem er erneut von einem Schützling enttäuscht wurde?
-welche neuen Komplikationen wären durch die Boxpromotervereinigung der ehemaligen Champs entstanden. Barry K. Word hätte kaum schweigend seinen Thron geräumt und Brennans Motive waren offensichtlich nicht selbstlos?
-wie lange dauert es bis Johnny seinen Bruder wieder herunterzieht?
um am wichtigsten:
-War der Gedächtnisaussetzer nur eine kurzfristige Reaktion auf die heftigen Schläge (sowas wie eine leichte Gehirnerschütterung) oder hätte die Krankheit ihn jetzt rapide in Richtung des Zustandes von David Morses Charakter getrieben. Wie reagiert seine Frau auf die unweigerlich kommende Enthüllung?
...
9/10 für die gesamte Staffel
Ein Dank an FX, dass sie erneut ein großartiges Drama produziert haben und ein Fluch, weil sie (wie schon bei Terriers) nicht so viel Geduld wie bei Damages zeigen wollten.