- Mo 3. Dez 2012, 23:08
#1181571
Ich finde allerdings, dass manche mit der Kritik auch ein wenig übertreiben. Manche Dinge muss man in fiktionalen Formaten einfach hinnehmen, sonst verdirbt man sich nur selbst den Spaß (ich sage nur Taschenlampe in Skyfall). Es wird eben ziemlich elliptisch erzählt und vor allem in Homeland kommt eben noch die Tatsache hinzu, dass fast keiner der Charaktere ehrlich ist. Natürlich wird die CIA nicht realistisch dargestellt, aber das war in der ersten Staffel auch nicht anders. Dort lag der Fokus eben auf der Frage, ob Brody ein Terrorist ist oder nicht und schließlich, ob er seinen Plan durchzieht und nicht so sehr auf dem ganzen CIA-Apparat wie jetzt. Wenn man so kleinlich ist, hätte man von Beginn an die Grundprämissen der Show (bipolare CIA-Agentin, amerikanischer Marine wird zum Terroristen) kritisieren müssen. Bei der unglaublichen Geschwindigkeit, mit der Homeland durch seine Stories hetzt, ist es meiner Meinung nach kein Wunder, dass es mit der Zeit ein paar Logiklöcher oder zumindest Situationen, die man als Zuschauer nur schwer nachvollziehen kann, gibt. Ich jedenfalls habe kein großes Problem damit, ab und an mal ein Auge zuzudrücken, wenn so das Pacing beibehalten wird. Es gibt zurzeit kaum eine Serie, die permanent aus allen Zylindern feuert und solche Risiken in ihrem Writing eingeht. Seien wir mal ehrlich: Wer hätte es jemals für möglich gehalten, dass das Video mit Brodys Geständnis in der dritten Folge der Staffel auftaucht? Diese Erzählweise funktioniert für mich aber eben gerade, weil die Charaktere die Handlung in gewisser Weise erden.
Die Hauptpfeiler der Serie sind für mich Carrie und Brody und ihre "twisted lovestory" wie es die Autoren selbst beschreiben. Daher verstand ich auch letztes Jahr das Rumgeheule über Brody Rückzieher nicht, da die Serie ohne die beiden einfach nicht funktionieren würde. Die Entwicklung dieser zwei Figuren ist auch in der zweiten Staffel glaubhaft und dank Claire Danes und Damian Lewis faszinierend mitanzusehen. Natürlich wären Carries ewige Alleingänge in der Realität ein Grund, sie zu entlassen, aber es wäre wohl schon unmöglich, dass eine Frau mit einer bipolaren Störung überhaupt bei der CIA beschäftigt ist bzw. ihre Krankheit solange verheimlichen kann.
Genau so kann man natürlich die ferngesteuerte Herzattacke oder die Tatsache, dass Abu Nazir überhaupt in den Staaten ist, kritisieren und als unglaubwürdig abtun. Allerdings sind diese Handlungsstränge oft von wahren Ereignissen (siehe den NY Times-Artikel oder die Berichte, dass Bin Laden in den 80ern in New York war) inspiriert und werden - wie das für TV-Serien nunmal üblich ist - in überspitzter Weise dargestellt. Wenn man Fehler oder Logiklöcher sucht, wird man in jeder Serie fündig.
Dass mir die aktuellste Folge in dieser Staffel wohl am wenigsten gefallen hat, liegt daran, dass die Charaktermomente für mich nicht ganz funktioniert haben. Abu Nazir ist ein Terrorist, ja, aber bisher haben wir ihn nicht wie einen Villain aus Die Hard kennengelernt, der im Alleingang und bei Tageslicht die Love Interests von seinen Handlangern entführt. Mir hat es eigentlich "gefallen", dass seine Motivation im Tod seiner Famlie, in einer menschlichen Tragödie begründet war. Das wurde in seinem Gespräch mit Carrie von jetzt auf sofort durch radikalen Hass auf Amerika und den Westen ersetzt und hat seine bisherige Charakterzeichnung meiner Meinung nach komplett über Bord geworfen.
Dafür hat der Moment mit Brody und dem VP allerdings umso besser funktioniert. Brodys Motivation war stets Issas Tod und Rache an Walden. Die Szene war nicht nur unglaublich spannend und klasse gespielt, sondern auch einer der seltenen Momente, in denen Brody Brody sein durfte und die über mehr als acht Jahre angestaute Wut ein Ventil fand. Dafür war Danas Gespräch mit Finn die schrecklichste Szene der gesamten Serie: "Whatever we felt, we broke it...we killed it. Just the same way we killed that woman." Oh mein Gott. Wenn man schon so eine dämliche Metapher verwendet, muss man sie nicht noch erklären. Hoffentlich ist die Geschichte damit wenigstens abgeschlossen.
