Nymph()maniac I
Ich fand den Film wider erwartend phantastisch. Hatte echt schon die Befürchtung, dass von Trier da einen Bock schoss und alles inhaltlich etwas plumper ist und die Inszenierung evtl. ganz nett sein könnte, also unter Kunst fällt, aber zum Glück kams dann doch ganz anders, wobei Kunst - im positiven Sinne - wie gewohnt zu Lars von Trier Filmen passt.
Die mittlerweile 40 jährige Nymphomanin Joe wird von dem älteren Junggsellen Seligman in einem Hinterhof aufgegabelt. Joe, die unschön zugerichtet auf dem Boden liegt, wird von Seligmann in dessen Wohnung gebracht, wo sie dann auch beginnt ihre Lebensgeschichte zu erzählen.
In
Nymph()maniac I besinnt man sich auf die Jugendgeschichten der Protagonistin Joe, welche in 5 Kapitel unterteilt wurden.
- Chapter 1: The Compleat Angler
Chapter 2: Jerôme
Chapter 3: Mrs. H
Chapter 4: Delirium
Chapter 5: The Little Organ School
Joes Geschichten werden mit ein paar Exkursen übers Fischen bishin zum Goldenen Schnitt und mehrstimmigen Choralwerken Bachs von Seligman aufgepeppt.
Der Film ist trotz seiner Laufzeit von knapp zwei Stunden kein bisschen langweilig. Hätte da locker noch im Anschluss den zweiten Teil sehen können. Durch die Kapitel ist das sehr angenehm und hat keine Längen, weil jedes eine Geschichte und somit ein Lebensabschnitt für sich darstellt, die zwar alle zusammenhängen, aber immer, auch oder gerade Dank der Exkursionen Seligmans, eine andere Thematik behandeln.
Kapitel 3 ist einfach nur köstlich. Uma Thurman spielt die Rolle der betrogenen und verlassenen Ehefrau grandios. Und Kapitel 4 ist wieder so eine ganz andere Schiene, in der der Tod Joes Vater näher beleuchtet wird. Sehr berührend und erschreckend nahe an der Realität. Was man sonst in anderen Filmen so nicht zu sehen bekommt und man unangenehme Situationen lieber durch schwülstige, dumme, tränendrüsartige Dialoge versucht zu kompensieren. Ist auch angenehmer anszusehen, aber eben total Banane. Schön, dass Trier da seiner Erzählweise treu bleibt, aber alles andere hätte einen auch wohl gewundert.
Mir gefällts wahrscheinlich auch so gut, weil mir vieles, mal abgesehen von dem Angeln, sehr nahe liegt/ist bzw. ich mich damit beschäftigte, weil vorhandenes Interesse. Deshalb freut es mich einfach, dass zum Beispiel zu Anfang des Kapitels Delirium ein paar Zeilen aus Poes
House Of Usher zitiert werden, man den Goldenen Schnitt einflechtete und einem (in diesem Fall meiner Wenigkeit) Bach noch näher brachte, gerade die Orgelmusik, die ich eigentlich nie sonderlich mochte, aber durch den Film jetzt viel mehr zu schätzen weiß, ja tatsächlich.
Befremdlich mag die Beziehung zwischen Seligman und Joe wirken. Ich musste mich auch erstmal daran gewöhnen, mit welchem Interesse und welcher Offenheit er den Geschichten Joes entgegentritt und immer wieder teile seines Wissens einfließen lässt. Gerade in Kapitel 1 wirkte das noch sehr kurios. Auch die Einblendung mancher Zahlen und Grafiken ist man so nicht gewohnt, funktioniert in der Darstellung aber erstaunlich gut.
Ein Lob an Stacy Martin, die die junge Joe wirklich toll spielt. Bei
B habe ich mich die ganze Zeit gefragt, woher ich sie kennen könnte. Lustigerweise steckte mir Wiki, dass sie bei Philomena die junge, fromme "Judi Dench" verkörperte. Welch ein Kontrastprogramm
Uma Thurman erwähnte ich ja bereits, LaBeouf, Skarsgard und Co. passen alle. Da gibts nichts zu meckern. Freue mich aber, dass im zweiten Teil Gainsbourg wieder selbst aktiver dabei ist und nicht nur passiv auf dem Bett rumliegt und die Geschichten erzählt. Ob von Skarsgard noch mehr folgen wird, weiß ich nicht, wäre aber auch ganz schön.
Bin ja mal echt gespannt, denn es soll ja noch ein zacken schärfer zur Sache gehen
Punkte möchte ich erst geben, wenn ich Teil II gesehen habe.
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So, aus dem
Letzter Film-Thread
Ghost hat geschrieben:Neo hat geschrieben:Großartige Bewertungen für August: Osage County und Nymph()maniac spare ich mir mal an der Stelle. Für letzten mag ich eh demnächst noch einen Thread eröffnen, wenn es die Zeit erlaubt. Bisher für mich der beste Film des Jahres, jawohl!
Ja, mach mal. Und erklär mir dann gleich mal die Bezüge zu Fibonacci und goldenem Schnitt. Bei den bisherigen Filmen von Triers ist es immer so gewesen, dass ich sie immer mehr zu schätzen gelernt habe, je mehr zeitliche Distanz ich zu ihnen habe. So scheint's auch bei diesem zu sein. Bin gespannt auf den zweiten Teil.
So gehts mir auch immer. Musste die letzten Wochen öfter an den Film denken und habe auch das Bedürfnis diesen nochmal relativ zeitnah zu sehen. Irgendwie war da so viel dabei, dass ich teilweise das Gefühl hatte, gar nicht alles mitbekommen zu haben.
Den goldenen Schnitt habe ich gleich nach dem Film nochmal nachgegooglet. Mir war das aus der Architektur/bildenden Kunst/Photographie sehr wohl bekannt, aber in der Musik hörte ich davon noch nie bewusst. Bei den genannten Kunstformen funktioniert das ja nur visuell, eben als Harmonie, die der Betrachter empfindet, wenn er etwa ein Gebäude anschaut, welches etwa in einer Kastenformation (Rechteck, Quadrat...) aufgebaut ist bzw. In dies unterteilt werden kann. Die Kasten sind da zwar nicht gleich groß und schon gar nicht symmethrisch angeordnet, wirkten aber für den geneigten Betracheter anschaulich, weils so zigfach in der Natur vorkommt.
Bei Fibonacci gibts ja dann dieses spezielle System, welches dem klassischen goldenen Schnitt sehr nahe kommt. Dabei geht es einfach darum, dass die Summe aller umliegenden Objekte immer die Größe der benachbarten Fläche ergibt. Und bei der goldenen Spirale ist es dann ein bestimmter Radius, der in den Flächen verbunden wird.
In Kompositionen Bachs und auch Mozarts scheint es so zu sein, dass die Polyphone so angeordnet sind, dass die der Fibonacci-Folge sehr nahe kommen. Bei Bach ist es dann noch besonders speziell, weil die Summe des Namens (Fibonacci-Zahlen :arrow: 2(b)+1(a)+3(c)+8(h)=14) häufig in seine Kompositionen einfließen lässt. Bei den Orgelwerken ist es ja so, dass es drei Abfolgen gibt, die nach Ansicht vieler Experten nahezu perfekt zueinander passen, also auch für das ungeschulte Ohr einen besonders harmonischen Klang haben. Im Film wurde das mit der Erst-, der Zweit- und der Drittstimme erklärt (1, 2, 3 sind Fibonacci-Zahlen) und je nachdem wie diese kombiniert werden (wie das Beispiel mit den Kästen), passt das eben dann super gut...oder so.
Kann das leider nicht so ideal erklären bzw. keine nachvollziehbaren Beispiele bringen, weil ich leider sowohl von klassischer Musik, wie auch irgendwelchen Zahlen und Berechnungen so gar keine Ahnung habe. Um ersteres wollte ich mich aber mal bemühen.