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von Neo
#1345396
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wiki hat geschrieben:Nymphomaniac is a sexually explicit drama about a woman's erotic journey from birth to the age of 50 as told by the main character, the self-diagnosed nymphomaniac, Joe. On a cold winter's evening, the old, charming bachelor Seligman finds Joe beaten up in an alleyway. He brings her home to his flat where he tends to her wounds while asking her about her life. He listens intently as Joe, over the next eight chapters, recounts the lustful story of her highly erotic life. Seligman reads a lot of books, from which he has acquired various general knowledge. He connects the stories told with what he has read about.
Trailer

Regie: Lars von Trier

Darsteller:
  • Charlotte Gainsbourg as Joe
    Stellan Skarsgård as Seligman
    Stacy Martin as young Joe
    Shia LaBeouf as Jerôme Morris
    Christian Slater as Joe's Father
    Jamie Bell as K
    Uma Thurman as Mrs. H
    Willem Dafoe as L
Zuletzt geändert von Neo am Do 20. Mär 2014, 04:04, insgesamt 1-mal geändert.
#1345397
Nymph()maniac I

Ich fand den Film wider erwartend phantastisch. Hatte echt schon die Befürchtung, dass von Trier da einen Bock schoss und alles inhaltlich etwas plumper ist und die Inszenierung evtl. ganz nett sein könnte, also unter Kunst fällt, aber zum Glück kams dann doch ganz anders, wobei Kunst - im positiven Sinne - wie gewohnt zu Lars von Trier Filmen passt.

Die mittlerweile 40 jährige Nymphomanin Joe wird von dem älteren Junggsellen Seligman in einem Hinterhof aufgegabelt. Joe, die unschön zugerichtet auf dem Boden liegt, wird von Seligmann in dessen Wohnung gebracht, wo sie dann auch beginnt ihre Lebensgeschichte zu erzählen.
In Nymph()maniac I besinnt man sich auf die Jugendgeschichten der Protagonistin Joe, welche in 5 Kapitel unterteilt wurden.
  • Chapter 1: The Compleat Angler
    Chapter 2: Jerôme
    Chapter 3: Mrs. H
    Chapter 4: Delirium
    Chapter 5: The Little Organ School
Joes Geschichten werden mit ein paar Exkursen übers Fischen bishin zum Goldenen Schnitt und mehrstimmigen Choralwerken Bachs von Seligman aufgepeppt.

Der Film ist trotz seiner Laufzeit von knapp zwei Stunden kein bisschen langweilig. Hätte da locker noch im Anschluss den zweiten Teil sehen können. Durch die Kapitel ist das sehr angenehm und hat keine Längen, weil jedes eine Geschichte und somit ein Lebensabschnitt für sich darstellt, die zwar alle zusammenhängen, aber immer, auch oder gerade Dank der Exkursionen Seligmans, eine andere Thematik behandeln.

Kapitel 3 ist einfach nur köstlich. Uma Thurman spielt die Rolle der betrogenen und verlassenen Ehefrau grandios. Und Kapitel 4 ist wieder so eine ganz andere Schiene, in der der Tod Joes Vater näher beleuchtet wird. Sehr berührend und erschreckend nahe an der Realität. Was man sonst in anderen Filmen so nicht zu sehen bekommt und man unangenehme Situationen lieber durch schwülstige, dumme, tränendrüsartige Dialoge versucht zu kompensieren. Ist auch angenehmer anszusehen, aber eben total Banane. Schön, dass Trier da seiner Erzählweise treu bleibt, aber alles andere hätte einen auch wohl gewundert.

Mir gefällts wahrscheinlich auch so gut, weil mir vieles, mal abgesehen von dem Angeln, sehr nahe liegt/ist bzw. ich mich damit beschäftigte, weil vorhandenes Interesse. Deshalb freut es mich einfach, dass zum Beispiel zu Anfang des Kapitels Delirium ein paar Zeilen aus Poes House Of Usher zitiert werden, man den Goldenen Schnitt einflechtete und einem (in diesem Fall meiner Wenigkeit) Bach noch näher brachte, gerade die Orgelmusik, die ich eigentlich nie sonderlich mochte, aber durch den Film jetzt viel mehr zu schätzen weiß, ja tatsächlich.

Befremdlich mag die Beziehung zwischen Seligman und Joe wirken. Ich musste mich auch erstmal daran gewöhnen, mit welchem Interesse und welcher Offenheit er den Geschichten Joes entgegentritt und immer wieder teile seines Wissens einfließen lässt. Gerade in Kapitel 1 wirkte das noch sehr kurios. Auch die Einblendung mancher Zahlen und Grafiken ist man so nicht gewohnt, funktioniert in der Darstellung aber erstaunlich gut.

Ein Lob an Stacy Martin, die die junge Joe wirklich toll spielt. Bei B habe ich mich die ganze Zeit gefragt, woher ich sie kennen könnte. Lustigerweise steckte mir Wiki, dass sie bei Philomena die junge, fromme "Judi Dench" verkörperte. Welch ein Kontrastprogramm :mrgreen:
Uma Thurman erwähnte ich ja bereits, LaBeouf, Skarsgard und Co. passen alle. Da gibts nichts zu meckern. Freue mich aber, dass im zweiten Teil Gainsbourg wieder selbst aktiver dabei ist und nicht nur passiv auf dem Bett rumliegt und die Geschichten erzählt. Ob von Skarsgard noch mehr folgen wird, weiß ich nicht, wäre aber auch ganz schön.
Bin ja mal echt gespannt, denn es soll ja noch ein zacken schärfer zur Sache gehen

Punkte möchte ich erst geben, wenn ich Teil II gesehen habe.
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So, aus dem Letzter Film-Thread
Ghost hat geschrieben:
Neo hat geschrieben:Großartige Bewertungen für August: Osage County und Nymph()maniac spare ich mir mal an der Stelle. Für letzten mag ich eh demnächst noch einen Thread eröffnen, wenn es die Zeit erlaubt. Bisher für mich der beste Film des Jahres, jawohl!
Ja, mach mal. Und erklär mir dann gleich mal die Bezüge zu Fibonacci und goldenem Schnitt. Bei den bisherigen Filmen von Triers ist es immer so gewesen, dass ich sie immer mehr zu schätzen gelernt habe, je mehr zeitliche Distanz ich zu ihnen habe. So scheint's auch bei diesem zu sein. Bin gespannt auf den zweiten Teil.
So gehts mir auch immer. Musste die letzten Wochen öfter an den Film denken und habe auch das Bedürfnis diesen nochmal relativ zeitnah zu sehen. Irgendwie war da so viel dabei, dass ich teilweise das Gefühl hatte, gar nicht alles mitbekommen zu haben.

Den goldenen Schnitt habe ich gleich nach dem Film nochmal nachgegooglet. Mir war das aus der Architektur/bildenden Kunst/Photographie sehr wohl bekannt, aber in der Musik hörte ich davon noch nie bewusst. Bei den genannten Kunstformen funktioniert das ja nur visuell, eben als Harmonie, die der Betrachter empfindet, wenn er etwa ein Gebäude anschaut, welches etwa in einer Kastenformation (Rechteck, Quadrat...) aufgebaut ist bzw. In dies unterteilt werden kann. Die Kasten sind da zwar nicht gleich groß und schon gar nicht symmethrisch angeordnet, wirkten aber für den geneigten Betracheter anschaulich, weils so zigfach in der Natur vorkommt.

Bei Fibonacci gibts ja dann dieses spezielle System, welches dem klassischen goldenen Schnitt sehr nahe kommt. Dabei geht es einfach darum, dass die Summe aller umliegenden Objekte immer die Größe der benachbarten Fläche ergibt. Und bei der goldenen Spirale ist es dann ein bestimmter Radius, der in den Flächen verbunden wird.

In Kompositionen Bachs und auch Mozarts scheint es so zu sein, dass die Polyphone so angeordnet sind, dass die der Fibonacci-Folge sehr nahe kommen. Bei Bach ist es dann noch besonders speziell, weil die Summe des Namens (Fibonacci-Zahlen :arrow: 2(b)+1(a)+3(c)+8(h)=14) häufig in seine Kompositionen einfließen lässt. Bei den Orgelwerken ist es ja so, dass es drei Abfolgen gibt, die nach Ansicht vieler Experten nahezu perfekt zueinander passen, also auch für das ungeschulte Ohr einen besonders harmonischen Klang haben. Im Film wurde das mit der Erst-, der Zweit- und der Drittstimme erklärt (1, 2, 3 sind Fibonacci-Zahlen) und je nachdem wie diese kombiniert werden (wie das Beispiel mit den Kästen), passt das eben dann super gut...oder so.

Kann das leider nicht so ideal erklären bzw. keine nachvollziehbaren Beispiele bringen, weil ich leider sowohl von klassischer Musik, wie auch irgendwelchen Zahlen und Berechnungen so gar keine Ahnung habe. Um ersteres wollte ich mich aber mal bemühen. :(
#1345477
Mich hat überrascht, wie humorig der Film ist. Hatte gedacht, der sei lediglich ernst. Aber das Kapitel mit Uma Thurman als betrogene Ehefrau war tatsächlich sehr amüsant.

Stacy Martin als junge Joe fand ich ganz großartig. Das Scheue und Verletzliche in ihrem Charakter hat sie sehr überzeugend transportiert, so dass man Joe trotz ihres 'unmoralischen' Verhaltens viel Sympathie entgegen bringen kann (hinzu kommt natürlich die Erzählung der erwachsenen Joe, die immer wieder ihre Verdorbenheit betont und damit Mitleid evoziert).

Bei Fibonacci und Goldener Schnitt hatte ich vor allem das Problem, diese Exkurse mit der Handlung im Film in Verbindung zu setzen. Beim fly fishing war die Verbindung ja offensichtlich. Aber die Relation dieser abstrakteren Systeme hat mich etwas ratlos gelassen.
Die zahlreichen Einblendungen, ob von Zahlen, Buchstaben oder Bildern, sind eine schöne Spielerei, die dem Film noch eine ganz neue Dynamik verpasst und nicht zuletzt auf das Erzählerische und Gemachte aufmerksam macht, quasi auch das theoretische Gerüst sichtbar werden lässt. Am Anfang tatsächlich ein bisschen gewöhnungsbedürftig, dann aber interessant mitanzusehen.

Ich hätte wohl auch nichts dagegen gehabt, gleich die zweite Hälfte zu sehen. Na gut, etwas müde war ich schon, allerdings hat Nymph()maniac so abrupt geendet, dass man gleich gemerkt hat, dass da eigentlich noch die letzten drei Kapitel anschließen sollten.
#1345513
Ist der Film eigentlich wirklich so detailiert in den Sexszenen?! In einem der Trailer sah man ja nen Blowjob, wo die Kamera voll drauf halte und alles zeigte....
#1345519
Die extended version (die auf der Berlinale ihre Premiere feierte und rund eine halbe Stunde drauflegt) wird nicht in den deutschen Kinos gezeigt (weiß nicht, wie es in anderen Ländern aussieht) und soll wohl einen Zacken expliziter sein als die geschnittene Version (aber auch noch einige inhaltlich nicht unrelevante Szenen beinhalten). Die Kinoversion zeigt auch den einen oder anderen erigierten Penis in Aktion (die besagte Blowjobszene, eine Penetrationsszene und das war's aber dann auch) und nackte Haut gibt es sowieso einige zu sehen, aber eigentlich hält es sich in Grenzen, finde ich.

Teilweise meine ich übrigens, Schnitte bemerkt zu haben (in der letzten Szene nämlich).
#1347707
Trier versucht weniger zu provozieren als ich das erwartet hatte. Kapitel 1 und 3 fand ich ganz ok, weil sie ein paar herausstechende Momente haben (die Szene im Zug, Thurman). Kapitel 2 und 4 fand ich sehr schwach, weil für deren Aussage deutlich zu lang. Das interessanteste Kapitel ist das fünfte Kapitel. Trier kommt hier endlich zur Sache und geht darauf ein, inwieweit der Sex in der bis dahin dargestellten Form schön ist und damit befriedigend ist. Bis zu dem Zeitpunkt wird jeder zustimmen, dass der Sex alles ist, nur nicht schön, sondern wie der bisherige Film größtenteils entsetzlich langweilig und depressiv. Trier bindet hier die erwähnten Fibonacci-Zahlen ein, die eine Komposition aus Zahlen darstellen, um ein Schönheitsideal (goldener Schnitt) zu erreichen. Ich war schon kurz vor dem Verzweifeln, weil ich den größten Teil des Kapitels komplett anders sehe als es Trier vermeintlich vorgab. Bis zu den letzten Worten von Joe, mit denen ich in dem Moment nicht gerechnet hatte, weil sie dem Erzähler der Szene (ergo Trier) widersprochen haben, aber die Aussage von Joe ergibt Sinn und ich bin gespannt wie das weitergesponnen wird. Das Ende könnte mich also tatsächlich dazu bewegen den zweiten Teil zeitnah zu schauen. Aktuell hätte ich es besser gefunden, wenn der Film nicht als Zweiteiler released worden wäre, sondern als dreistündiger Einteiler mit einer Intermission nach dem fünften Kapitel.
#1351073
Teil Zwei gesehen. Äh, erstmal zum Ende:
versteckter Inhalt:
Als Seligman in Joes Bett schlüpft, dachte ich nur "Nononono are you fucking kidding me". Das Ende ist ein totaler Schlag in die Magengrube. Als Zuschauer hofft man auf ein versöhnliches Ende: Seligman lässt Joe im Bett ruhen und schlafen, Zukunft ungewiss aber optimistisch. Das würde den Zuschauer aber natürlich nicht provozieren, also stellt von Trier lieber alles auf den Kopf. Das zynische Ende will nicht gefallen. Deswegen stehe ich ihm auch zwiespältig gegenüber, halte es nach einigem Nachdenken aber für deutlich interessanter als den harmlosen Ausweg. Und auch ziemlich genial gemacht, wie mit diesem Handgriff die ganze Beziehung der beiden Hauptfiguren in Frage gestellt wird. Aber verständlich, dass viele das Ende regelrecht hassen werden.

Den Film ein zweites Mal anzuschauen, würde eine andere Erfahrung sein, wenn man weiß, was Seligman am Ende tut. Ist es unglaubwürdig, dass er Joe vergewaltigen will? Ich weiß nicht. Um ehrlich zu sein, weiß man nicht viel über ihn, der Film ist eine Geschichte über Joe und ihre Sexsucht. Wir wissen, dass er ein intellektueller Asexueller ist. Und sonst?
"But you've fucked hundreds of men!" ist natürlich eine äußerst naive Entschuldigung für sein Vorhaben. Er mag ein intelligenter Mann sein, allerdings zurückgezogen zu leben und sexuell hat er praktisch keine Erfahrungen.
Dass er denkt, dass es Joe nichts ausmachen würde, da sie sowieso nur für den Sex lebt, erinnert an Rechtfertigungen wie "Dann soll sie sich eben nicht so sexy anziehen!" einer in rape culture aufwachsenden Männerschaft, für die das Frau Objekt ist, welches sie nach Belieben (aus)nutzen können. Dass ausgerechnet Seligman so denkt, ist zynisch und wirft einen äußerst pessimistischen Blick auf die Menschheit und auf den Mann im Speziellen. Und wenn man Seligman glaubt, dass er asexuell ist, spricht von Trier nicht nur vom Mann als sexuellem Wesen, sondern vom Mann, egal welcher sexuellen Identität, in seiner historischen Gemachtheit.

Joe hat diesem Mann vollkommenes Vertrauen geschenkt, ihm ihr Innerstes anvertraut, ihn als ihren ersten und einzigen Freund bezeichnet - und wird dann aufs Fürchterlichste verraten. Dass Seligman zuvor noch von der Unterdrückungsgeschichte der Frau erzählt und Joes Nymphomanie damit rechtfertigen will, dass die negative Wertung dieses Lebensstils in den Kontext dieser Geschichte gehört, macht das Ende noch fieser und unterstreicht die von Joe lamentierte Heuchelei der Menschheit.

Dann frage ich mich noch, wann Seligman zu der Überlegung kam, Joe als Sexobjekt zu benutzen, um seine Neugier zu befriedigen. Schlummerte dieser Gedanke von Anfang an in seinem Unterbewusstsein, während er Joe zuhörte? Oder vielleicht seitdem er ihr von seiner Asexualität erzählte?

Ein Ende, über das man sicherlich viel diskutieren kann, und das einiges an Unmut auf sich zieht.
Ansonsten ist der zweite Teil um einiges düsterer und härter, taucht tiefer ein in persönliche und sexuelle Abgründe. Das Abenteuer mit den zwei Schwarzen gehört nicht wirklich dazu. Die Szene,
versteckter Inhalt:
in der sie streiten, wie sie die Frau denn nun genau penetrieren sollen,
ist eine satirische Szene über die Lächerlichkeit maskuliner Machtverhältnisse, aber irgendwie auch ein irgendwie klamaukiges Zwischenkapitel, bevor es dann krasser wird.

Sonst nur noch mal ein paar Stichpunkte:
versteckter Inhalt:
- diesmal gibt's ein paar Exkurse in Mythen und die christliche Kirche
- die Szene mit dem Pädophilen fand ich ziemlich stark
- ich dachte erst, dem Kind würde was Schlimmes passieren ... wie in einem gewissen anderen von Trier -Film
- die Entwicklung von P, bis hin zu der Demütigungsszene mit Jerome, habe ich nicht wirklich nachvollziehen können und ich habe gerade keine Lust mehr, zu denken :o
Auch wenn die Zweiteilung eine ökonomische Marketingentscheidung war, muss ich doch zugeben, dass sie auch für Spannung sorgt. Quasi wie bei einer Fernsehserie, bei der man nach einem Cliffhanger gespannt auf die nächste Folge wartet.
#1354375
So, jetzt komme ich auch endlich mal wieder dazu etwas zu schreiben. Brennt mir nämlich schon länger unter den Nägeln.

Ich hatte mir zum Ende hin wirklich sehr viel ausgemalt, aber das war natürlich wieder ein Schocker, der mir wirklich gar nicht gefallen wollte. Soll nun auch nicht so sein, wobei ich sagen muss, dass ich mit mehr Abstand, wesentlich besser damit klar komme. Alles andere käme mir so im Nachhinein wie eine große Enttäuschung vor.
Ich glaube, ich hatte das noch nie, dass ich den ganzen Abspann einfach nur sitzen bleiben musste. Das hat man zum Ausklang einfach total gebraucht und so ging es nicht nur mir, sondern auch meiner Begleitung und dem ganzen anderen Besuchern. Alles Muxmäuschenstill bis zum Schluss. Ja, irgendwie schon ein echtes Kinoerlebnis.

Man müsste nicht nur die beiden Teile nochmals ansehen, sondern auch Antichrist. Daraus wurde nämlich auffällig häufig zitiert und die Szene mit der kleinen Joe im Gras gibt es ja auch fast 1:1. Und eben auch die Kind-Schnee-Szene auf dem Balkon. War auch exakt mit dem gleichen Stück von G.F. Händel unterlegt.
versteckter Inhalt:
Aber gut, wie schon richtig erwähnt kennt man Seligman einfach nicht und bei manchen Verhaltensweisen kann man schlicht und ergreifend auch nichts nachvollziehen. Das verstehen die Leute ja meist selbst auch nicht.
Das einzige was mir aufgefallen ist war, dass Seligman sich irgendwann mal zu Joe aufs Bett setzte und ich schon befürchtete, dass da mehr passieren könnte. War dann nicht so, aber die Nähe zwischen den beiden wurde zunehmend deutlicher. Ein anderer Knackpunkt müsste noch die Szene gewesen sein, in der Joe ihn zurechtwies und meinte, dass sie das Gefühl habe, er höre er nicht mehr zu. Müsste ich mir aber auch nochmal ansehen, denn die genauen Reaktionen habe ich nicht mhr vor Augen und noch viel blöder: ich weiß gar nicht mehr, zu welchem Zeitpunkt diese beiden Szenen stattfanden. :?

Interessant auch die Pädophielen-Episode (die ich übrigens, auch wenn das Wort vielleicht unpassend scheint, "feierte"), in der Seligman zum ersten Mal kein richtiges Verständnis aufbrachte oder nicht verstehen wollte. Habe mir darüber auch den Kopf zerbrochen, wobei das schon passt, wenn man Seligman als moralische Instanz betrachtet. Pädophilie ist nunmal so ein Thema, welches totgeschwiegen wird und man einfach erstmal (gerade in den populären Fällen aus gutem Grund) abwertend gegenüber der Personen steht, die das betrifft. Klar gibt es da auch Leute, die so denken wie Joe, aber die breite Öffentlichkeit wird eben durch Seligman vertreten. Genauso ist es doch auch mit der Selbstbestimmung der Frau, gerade im Bezug auf deren Sexualität. Da wird sich mittlerweile laut dafür ausgesprochen (auch wenn die meisten doch prüder sind, als sie zugeben).

Bekomme jetzt da keinen netten Bogen zu meinem Interpretationsansatz hin, aber: Seligman ist ja genau das, worüber sich Joe beschwerte. Er predigt das Wasser, trinkt aber Wein. Gegen Ende wäre er mit dem Wasser ansich durchgekommen, aber das darf kann Lars ja so nicht stehen lassen, gerade weil diese moralischen Instanzen einfach nicht das Wahre sind. Natürlich hier nochmal ein extra krasser Bruch. Ansich war das Ende durch und durch strange, allein schon dass Joe nun doch anstreben wollte sich zu bessern. Eine kleine Lehre, die sonst auch in jedem x-beliebigen 08/15 pseudoklugen Filmchen gezogen wird und einem irgendwie ein hoffnungsvolles Gefühl für die Zukunft Joes gibt. Wird dann natürlich alles wunderbar ausgehebelt.

Mal von der moralischen Instanz weg:
Könnte natürlich auch sein, dass jemand wie Seligman, der bisher nie in solch eine Intime Situation mit einer Frau geriet und wahrscheinlich auch nie jemanden hatte, dem er so nahe stand, alles einfach völlig falsch interpretierte. Hier von Liebe zu sprechen wäre zu viel des Guten, aber eine gewisse Zuneigung war vorhanden und wurde durch Joe noch bestätigt, als sie meinte, dass er ihr bester Freund sei. Klingt jetzt natürlich wieder krass und etwas an den Haaren herbeigezogen, aber Seligman könnte, nachdem was er alles gehört hatte, davon ausgegangen sein, dass Joe das auch gerne möchte, auch wenn sie sich offensichtlich dagegen sträubte. Hierbei kommt dann eben der dominate Tonfall zum Einsatz bzw. die Demütigung Joes, den sie ja u.a. bei K "zu schätzen" lernte. Man muss auch davon ausgehen, trotz scheinbarer Asexualität, dass bei Seligman eben auch noch das Interesse dazu kam. Ob da Geilheit mit im Spiel war (im Falle eines Asexuellen eigentlich nicht), ist schwer zu beurteilen, falls ja, könnte man auch den "von hunderten Männern gefickt"-Satz "verstehen". Dazu kommt dann eben noch das Abgewiesen werden von Joes Seite dazu. Gibt es ja auch nicht selten bei Männern (und sicherlich auch Frauen), dass dann eine Dann erst recht-Mentalität eintritt und man auf biegen und brechen irgendetwas durchsetzen möchte und davon eben quasi getrieben wird, um mal die Freud'sche Theorie mit einzubeziehen. Bin ich da jetzt eigentlich völlig auf dem falschen Dampfer, oder wurde diese ebenfalls in einem Exkurs Seligmans angesprochen? Es kam mir gerade so beim Schreiben vor, als wäre mir das in dem Bezug auf dem Film präsent, kann ich jetzt aber auch spontan mit einem anderen Film verwechseln, den ich ziemlich zeitnah sah. :?

Naja, die ganzen Gespräche, die zwischen Seligman und Joe stattfanden, müssen bei Seligman irgendetwas ausgelöst haben, sonst wäre der "Vergewaltigungsversuch" schon früher eingetreten.
Nun denn. Bei dem Link wird mir leider nichts angezeigt, Ghost. Hätte mich nämlich interessiert, was da geschrieben wurde. :(
Soviel erstmal zum Ende und der unrunden Interpretation.

Zitat von Ghost bezüglich einer Szene mit P im Spoiler:
versteckter Inhalt:
Ghost hat geschrieben:- die Entwicklung von P, bis hin zu der Demütigungsszene mit Jerome, habe ich nicht wirklich nachvollziehen können und ich habe gerade keine Lust mehr, zu denken :o
Naja, P wird wahrscheinlich Jerome auch von sich erzählt und dabei evtl. Joe erwähnt haben und er hat wiederum seinen Teil der Geschichte mit Joe erzählt. Da kommt sie als Mutter und Ehefrau ja richtig schlecht weg. Zudem kommt dann eben noch, egal ob das mit dem gegenseitigen Austausch bzgl. Joe der Fall war, dass Joe P eben das Glück mit Jerome nehmen wollte. Weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn ich mich entlieben wurde und plötzlich meine Exliebschaft meine neue Liebe erschießen möchte. Gut, aufs draufpissen würde ich spontan nicht kommen, aber zu der ganzen Szene hats gepasst. Die ultimative Demütigung zum Schluss.
Die Zweiteilung war insofern okay, weil man teilweise auch das Gefühl hatte, zwei unterschiedliche Filme zu sehen. Während der erste Teil wesentlich unterhaltsamer war und ein gutes Tempo inne hatte, war der zweite ziemlich beschwerlich und anstrengend (im positiven Sinne). Irgendwie gab es eine Grundspannung, die sich auch bedingt durch die düstere Atmosphäre nicht legen wollte. Auch die Schnitte schienen mir anders zu sein. Szenen wie das mit den Eislöffeln und dem (fast) Dreier haben dem zweiten Teil ganz gut getan und alles stellenweise aufgelockert. Erstere Szene wäre bei jedem dummen Amistreifen übrigens irgendwas in Richtung Kult geworden, nur hier gehts zwischen der ganzen Berichterstattung über erneutes Schocker-Sex-Kino unter.

Besser hätte ich es übrigens gefunden, wenn man den jungen Jerome und die junge Joe beide zusammen ausgewechselt hätte und nicht die alte Joe auf einmal mit dem jungen Jerome rummacht. Das hat mich doch etwas irritiert. Auch nicht ganz so optimal fand ich die Kinder Joe mit den blauen Augen. Das hatte echt Ausdruck, aber ansich hat sie doch dunkelbraune Glubscher - oder hatte ich da irgendetwas nicht mitbekommen, von wegen, dass die damals blaue Augen hatte bzw. das evtl in anderen Filmen Triers so ein extra Ding ist?
Besetzung war aber ansich total toll. Wie immer ein großer Teil den Standardcasts Triers und dazu noch der ein oder andere Hollywood Star. Uma Thurman fänd ich direkt mal für weitere Trier Filme interessant. War hier zwar nur ein kurzes Intermezzo, aber dafür sehr stark und bei Stacy Martin bin ich ja echt gespannt, was da noch so kommen wird.

Der Soundtrack war richtig, richtig stark. Wie immer das typische Lars Repertoi mit Beethoven, Händel, Mozart, Bach, Wagner und was ein Best Of der klassischen Musik sonst noch hergeben würde und dann eben auf der anderen Seite Rammstein, Steppenwolf, Talking Heads und (besonders erwähnenswert) Hey Joe von Gainsbourg herself interpretiert. Letzteres ging auch kaum perfekter.

Fazit: Ich kann nicht sagen, welchen Teil ich besser fand, denn es war einfach komplett unterschiedlich. Sicherlich ist der erste leichtere Kost, unterhaltsamer und hat auch ein angenehmes Tempo inne, zudem waren die Exkurse irgendwie auch netter, aber der zweite Teil hat mich einfach mal wieder, gerade zum Schluss, abgeholt und letztendlich auch bis zum letzten Zug mitgenommen. Das wäre so wohl nicht mit dem Tempo und der Atmosphäre von Teil I gewesen. Teil II ist eben auch der klassischere Trier.
Zufrieden bin ich, wie bereits erwähnt, mittlerweile total. Trotzdem muss da noch ein bisschen Zeit ins Land ziehen, bis das alles richtig nachwirkt. Zum momentanen Zeitpunkt sehe ich den aber schon unter meinen Top 3 Trier-Filmen.

Müsste mir den Film direkt nochmal ansehen und hätte da sogar, wenn auch untypisch für Trier Filme bei mir, direkt die Muse für. Dann gerne auch mal die Extended Version. Da wird man sich doch noch hoffentlich um eine DVD bemühen.

EDIT: Ey, welcher Admin pfuscht da in meinem Threadtitel rum? Ich glaub, ich spinne. :roll: Sie frevelhafter Lump, sie! :evil:
von Ghost
#1354519
Vielleicht funktioniert es bei dir ja so:
http://issuu.com/indiekino/docs/indieki ... -04_web/10
versteckter Inhalt:
Kann mich dir bei der Szene mit dem Pädophilen vollkommen anschließen.

Schwierig finde ich immer noch Seligmans Legitimation "But you've fucked hundreds of men", da sie einfach so unglaublich naiv und ignorant ist, dass ich einfach keine Brücke schlagen kann zu dem Seligman des sonstigen Films, zum Intellektuellen, der dauernd am analysieren und nachdenken ist. Seine Exkurse waren natürlich immer akademischer bzw. wissenschaftlicher Natur, über menschliche Beziehungen hat er dabei nicht geredet (kann mich jedenfalls im Moment an nichts dergleichen erinnern), dennoch hat er stets versucht, Verständnis für Joe aufzubringen, egal wie sehr (oder vielleicht gerade weil) sie sich selbst verurteilte.
Als Statement usw. ist sein Handeln am Ende spannend, aber irgendwie passt's nicht so wirklich zu der übrigen Charakterisierung.

Ich glaube nicht, dass Geilheit im Spiel war, dem Zuschauer wurde ja sogar gezeigt, dass Seligmans Penis nicht erigiert war. Ich denke einfach, dass es Neugierde war, die sicherlich von Joes Geschichten befeuert wurde. Der hohe Stellenwert, den Sex in der Gesellschaft besitzt, und damit Druck auf das Individuum ausübt, seine Einsamkeit und eben Joes Sexkaspaden, dürften das Interesse und vor allem das Verlangen in ihm geweckt haben und Joes Körper bietet sich da eben an, wenn sie eh schon im Bett liegt. Und mit Verlangen ist dabei die Wissensbegierde gemeint. Die setzt sich vielleicht über Emotionalität und Empathie hinweg, stattdessen nur das Objekt, welchem man Wissen entnehmen kann, im kalten Blick.

Dass Seligman glaubt, Joe wollte auch mit ihm Sex haben, denke ich nicht. Eher sieht es für mich so aus, als wäre dies ihm völlig egal. Siehe "But you've fucked hundreds of men": einer mehr oder weniger ist doch auch egal, sie könnte ihm doch den Gefallen tun, ihm seinen Körper ausleihen, er hat doch genauso ein Recht darauf wie all die anderen Männer, die sie gefickt hat.
Die Verbindung zu K ist aber interessant. Durchaus plausibel, dass er diese Episode als zusätzliche Untermauerung für die Legitimität seines Vorgehens verwendet.

Irritiert bei dem "alten" Jerome fand ich eher, dass er so anders aussieht als Shia LaBeouf. Der Zeitpunkt des Schauspielerwechsels macht wohl insofern Sinn, als dass es ein durch den Zeitsprung, die zeitliche und persönliche Distanz, "neuer" Jerome ist, auf den die erwachsene Joe nun trifft. Die blauen Augen des Kindes Joe haben mich nicht gestört, da nicht aufgefallen. :oops:


So schnell wieder ansehen, brauche ich mir Nymph()maniac nicht. Irgendwann schon mal, aber habe auch noch genug andere Filme, auch von von Trier, die ich erstmal schauen will. Antichrist sah ich z.B. noch nicht.
Benutzeravatar
von blra
#1354582
Ich habe gar keine Lust mehr mir Teil 2 anzuschauen. Das Wetter ist momentan zu gut, um sich Triers depressiven Sex-Wahn anzutun.
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von Neo
#1358207
Jup, Link geht. Lag wohl am Laptop bzw. dem nicht installierten Player. Jetzt brauch ich nur noch die Muße zum Lesen. :o
Ghost hat geschrieben:
versteckter Inhalt:
Ich glaube nicht, dass Geilheit im Spiel war, dem Zuschauer wurde ja sogar gezeigt, dass Seligmans Penis nicht erigiert war.
versteckter Inhalt:
Ich bezweifle stark, dass man Geilheit in dem Alter an einem erigierten Penis festmachen kann. Da braucht man wohl ein wenig Bearbeitungszeit und das ein oder andere Pillchen bis mal was geht. Jetzt wäre da natürlich die Frage, ob der Lars das als Hinweis trotzdem extra zeigte, ich denke nicht.
von Ghost
#1358274
versteckter Inhalt:
Dan hätte er das Pillchen aber vorher einschmeißen müssen. :( Ich finde aber auch sonst nicht wirklich Hinweise darauf, dass bei ihm sexuelle Erregtheit eine Rolle gespielt hat.