- Di 7. Feb 2006, 09:28
#97250
Also ich fand ihn gerade deshalb toll, weil er uns mal nicht so penetrant genau erkläre will, warum sich welcher Charakter im Vollzug welcher Wandlung jetzt wie anders entscheidet. Der Film lässt Bewusst große Lücken, die man gedanklich ausfüllen muss. Indizien sind bei einem 2. und 3. Anschauen reichlich zu finden. In der Hinsicht ist er absolut stimmig konstruiert. Dass er konstruiert ist, steht außer Zweifel, aber das gehört wohl zu allen Episoden-Filmen dazu. Ich finde es auch gerade gelungen, dass der Film mit der normalen Spielfilmlänge auskommt, die ja nach wie vor das Zielmaß eines guten Drehbuchs sein sollte.
Ein dreistündiger Magnolia hat mich zu Tode gelangweilt und mit seinen aufdringlichen Charakterzeichnungen genervt, die alle ihre Konflikte so furchtbar sichtbar und an der Oberfläche zur Schau stellen. Von den blöden Fröschen will ich gar nicht erst anfangen. Beknackte Regiekopfgeburt und ein reines Ablenkungsmanöver von schlampiger Dramaturgie.
LA Crash hat mich hingegen wirklich in seinen Bann gezogen. Die Angstspirale zieht ihren Kreis durch jede Episode. Denn Angst, nicht Rassismus, ist der Antrieb der Geschichte. Erst wenn Existenzängste zu groß werden und von anderen Menschen seines Umfeldes nicht gedämpft werden können, entladen sie sich in Frustration und Rassismus. Großartig, dass ein Film für diese Thematik mal so einen Ansatz wählt und keine Seite sündenfrei erklärt wird. Rassismus heisst hier nicht nur, weiß unterdrückt schwarz; es ist auch schwarz gegen schwarz, gelb gegen gelb und so weiter. Wenn der Film auf eine Botschaft plattgedrückt werden muss, dann doch auf die: Rassismus ist schon lange kein Kampf mehr um die dominierende Hautfarbe; es ist eine vorurteilsgeladene Angst, die sich alle Menschen einander antun. Die Enden der einzelnen Stränge lassen da bewusst viel offen. Sandra Bullocks Rolle erkennt erst ihre Isolation in unbestimmten Ängsten und ihre Wut. Ob sie sich davon befreien können wird, bleibt völlig offen. Man wünscht es sich, aber so einfach macht der Film es eben nicht. Der junge Cop war trotz seines Toleranzgehabes in seinem Inneren auch nicht besser als sein mieser Kollege. Der schwarze Produzent wagt es am Set immer noch nicht aus der Rolle des Studiosklaven auszubrechen. Das Ende ist stark genug mit Konflikten geladen, um nachhaltig Wirkung zu erzielen und viel Diskussionsstoff zu geben. Dazu kommen die großartige Inszenierung und ein paar wirklich emotional ungeheuer starke Momente. Für mich ist LA Crash der beste Film 2005.
"And in that moment, I swear we were infinite."