In seinen Händen - Harlan Coben
Manchmal gibt es sie, diese Zufälle; man geht in eine Bahnohofsbuchhandlung, hat noch fünf Minuten bis zur Abfahrt und greift nach dem erstbesten Buch, das man sieht – und landet einen richtigen Glückstreffer. „In seinen Händen“ war so ein Buch für mich.
Die Prämisse klingt auf Anhieb ziemlich konventionell; ein siebzehnjähriges Mädchen verschwindet von einem Tag auf den anderen spurlos, die Eltern bleiben ratlos zurück. Fast gleichzeitig wird in der Nähe ein angeblicher Pädophiler bei einer TV-Show (quasi dem Vorbild für zu Guttenbergs „Tatort Internet“) entlarvt – es braucht nicht lange, bis ein Zusammenhang zwischen den zwei Vorfällen gesehen wird. Doch nichts ist, wie es scheint …
Es braucht mehrere zig Seiten, bis man vom Buch gepackt wird, dann aber mir Haut und Haaren. Das liegt zum Einen an der schnörkellosen, aber niemals belanglosen Schreibe des Autors, zum Andern an der Hauptprotagonistin Wendy Tynes, der sympathischen, aber nicht perfekten TV-Moderatorin, die das Gefühl beschleicht, sie hat einen Unschuldigen in ihrer Show enttarnt – und damit sein Leben zerstört.
Das Geschehen wird aus mehreren Sichten beschrieben – das hohe Tempo jedoch lässt einen Großteil der Figuren eher blass daherkommen, was zwar dazu führt, dass man vor lauter Neugier durchs Geschehen eilt, aber doch eher selten emotional gepackt wird – was bei so brenzligen Themen sicher nicht verkehrt gewesen wäre. Mit zunehmender Seitenzahl wird die Handlung immer komplexer und somit auch für den Leser schwieriger, die Wahrheit hinter allem zu erkennen. Am Ende gibt es so manche Wendung und Erkenntnis, mit denen wohl selbst die hartgesottensten Krimileser nicht gerechnet hätten – und doch ist die Auflösung, so überraschend sie ist, nicht an den Haaren herbeigezogen.
Ein spannender Thriller-Schmöker, bei dem man tatsächlich mal das tut, was aus dem Buchrücken allzu oft versprochen wird. Man bleibt die halbe Nacht auf.
Mein erster und definitiv nicht letzter Harlan-Coben.
9/10
