baumarktpflanze hat geschrieben:
Die Studentenzahlen steigen, das ist schon richtig. Eine Akademisierung findet aber nur in dem Maße statt, wie auch die Zahl der Abiturienten steigt. Und ein Großteil der Akademisierung der letzten Jahre ist auf die Doppeljahrgänge durch die Einführung von g8 zurückzuführen
Nein, die Akademisierung setzt früher an und bezeichnet ja auch die politischen Bekundungen, dass man im Grunde studieren müsse um später etwas erreichen zu können, die Politik sowie die Gesellschaft hat seit vielen Jahren der dualen Berufsausbildung keine angemessene Wertschätzung entgegengebracht. Schau dir doch mal an, in unserem Land macht mittlerweile fast jeder Abitur. Dies ist eben unter anderem auf das Ansehen und die Wahrnehmung innerhalb der Gesellschaft zurückzuführen. Bei dieser Entwicklung wird aber die Realität missachtet, dass die Schüler insgesamt aber nicht intelligenter oder jetzt übermäßig leistungsfähiger geworden sind. Das heißt die schulische Differenzierung findet ja mittlerweile kaum noch statt. Dann hat man die Hochschulzugangsmöglichkeiten ausgeweitet, was aber aus meiner Sicht vollkommen richtig ist.
BungaBunga hat geschrieben:
Fehlentwicklung ist durchaus nicht falsch. Das Problem sind die vielen riesigen Lobbygruppen im Bildungsbereich und die Tatsache, dass die Politik mit der Bildung auf Länderebene im Grunde nur alles falsch machen kann.
Darf ich fragen, welche Lobbygruppen im Bildungsbereich du hier meinst ? Ich glaube du verwechselst das mit gewissen Willensbekundungen der Wirtschaft. Denn innerhalb der Wissenschaft und der Bildung sieht man diese Entwicklungen schon seit vielen Jahren sehr kritisch. Es gibt hierzu sehr viele Interviews und Fachbeiträge, von Hochschulprofessoren, Bildungswissenschaftlern und Lehrern. Seit Jahren wird hier deutlich gemacht, dass diese Entwicklung nicht vorteilhaft ist und das aufgrund der Verschiebungen die Wertigkeit von Abschlüssen und das Niveau in Forschung und Bildung teilweise stark abgenommen hat. Die Forderungen kommen aus der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Politik aber sie kamen definitiv nicht aus der Wissenschaft oder dem Bildungsbereich.
baumarktpflanze hat geschrieben:
Die Einführung von G8 ist ein Paradebeispiel: Da führt man ein neues System ein und verbindet damit gewisse Hoffnungen. Dann laufen die Eltern Sturm - jetzt wird G8 wieder teilweise abgeschafft oder den Schülern zur Wahl gestellt. Das ist ein Hickhack, bei dem keiner mehr wirklich durchblickt.
Meine Haltung zu G8 unreflektionierter Aktionismus, nutzlos, erhöht den Druck auf die Schüler und ist eine Belastung für die Hochschulen.
baumarktpflanze hat geschrieben:
Auch wenn es sicher seinen Sinn hat, dass die Bildungspolitik auf Länderebene liegt, wäre es manchmal wünschenswert, dass der Bund mehr mitredet, damit in die - gefühlten - ständigen Änderungen am System einfach mal ein bisschen Ruhe einkehrt.
Das ist kein zentraler Punkt, wenn man das erkennt und hier Verbesserungen erzielen möchte, dann ist das auch politisch innerhalb dieser föderalistischen Struktur möglich. Wie gesagt die grundlegenden Misstände im Bildungssystem liegen in anderen Umständen begründet.
baumarktpflanze hat geschrieben:
Der Run aufs Abitur ist wirklich ein ziemliches Unding. Auf der einen Seite wird damit die Realschule zu einer Schule derjenigen, die es irgendwie nicht schaffen, was aber völliger Quatsch ist.
Nochmal eine Schulform ansich ist weder besonders toll noch mies, es kommt darauf an, wie sehr sie gegebene Realitäten berücksichtigt. Entscheidend ist wie eine Schulform und der dortige Unterricht gestaltet wird. Die Hauptschule war die Schule, die früher mal die weiterführende schulische Regelbildung für die breite Masse darstellte, dann in den vergangenen Jahrzehnten, war das die Schulform für die tendenziell eher leistungsschwachen Schülern, wo sich natürlich auch gewisse soziale Probleme dann bündeln können. Die Gesellschaft fällte daraufhin ein Urteil und erklärte die Hauptschule für unangemessen und inakzeptabel. Die Politik reagierte dann entsprechend. Die Hauptschule ist per Gesetz ja in den meisten Ländern noch spezifiziert findet sich aber zunehmend kaum noch. So was passiert jetzt mit den Schülern, die eigentlich diese Schulform besuchen müssten ? Weil die gibt es ja weiterhin sogar in gleicher Zahl, aber die sind und das mag jetzt sehr überraschend sein, auf Gymnasien und Realschulen zu finden. Was ist die Konsequenz dessen ? Bei den Schülern selbst kann es zu Überforderung und somit zu Resignation führen, was dann ein Scheitern zur Folge haben kann. Vielfach findet sich aber ein anderes Modell in der Praxis, denn die Lehrer unterliegen ebenso starkem Leistungsdruck politisch wie auch durch die Eltern generiert, dass heißt ein Scheitern ist nicht vorgesehen, alternativen gibt es nicht, daher muss man versuchen jeden durch dieses System zu drücken, das führt zu, genau einem Niveaueinbruch, der sich bei der Unterrichtsgestaltung, der Wissensvermittlung, der Gestaltung von Lehrmitteln und der Klausurkonzeption deutlich macht. Das Problem ist, dass hier die eigentlich Leistungsstarken die leidtragenden sind, die finden sich meist dann auf einer Stufe mit den eher schwächeren Schülern und erfahren selbst nicht mehr die Förderung und Konfrontation mit Ansprüchen, wie das erforderlich wäre.
Die Schwächen und Probleme werden einfach auf die anderen Schulformen übertragen bzw. verlagern sich dorthin, was dazu führt das wir dann in einigen Jahren vermutlich gesellschaftlich auch die Realschule für inakzeptabel erklären und zusätzlich zur Regelschule Gymnasium eine neue zusätzliche Schulform schaffen müssen, die sich dann vorrangig an die leistungsstarken Schüler wendet.
Es ist einfach alles irrsinnig und völlig ineffizient.
baumarktpflanze hat geschrieben:
Und ein bisschen nachvollziehen kann ich das durchaus: Viele Berufe, die früher klassische Ausbildungsberufe für Realschüler waren, sind heute Berufe für Abituriente.
Berufsbilder sind eigentlich generell nicht auf bestimmte Absolventen festgelegt, sondern hier beinflusst die Marktsituation die Chancen der Absolventen, der unterschiedlichen Schulformen. Wenn ein so reichhaltiges Angebot an Abiturienten besteht, die man dann für seine Ausbildung auch gewinnen kann, dann wäre es komisch, wenn die Unternehmen sich da nicht entsprechend orientieren würden. Eine Bank, die ja auch schon früher immer Abiturienten angesprochen hat, wird hier erfolgreicher sein als bsp. ein Handwerksbetrieb.
Die Absolventen anderer Schulformen werden verdrängt, was sich aber derzeit dadurch ausgleicht das es nur wenige Absolventen dieser Schulformen gibt. Wenn diese Absolventen aber keinen Zugang finden, muss der Staat ihnen entsprechende Angebote machen, und hier muss man sogar auch mal positive Entwicklungen anmerken. Es gibt für Schüler die über keinen hohen oder gar keinen Schulabschluss verfügen heute wirklich zahlreiche qualitative Ausbildungsangebote.
baumarktpflanze hat geschrieben:
Der Punkt ist neben diesem, dass es auch Schüler gibt, die das Abitur haben, aber dennoch nicht studieren wollen und sich dann auf Ausbildungsberufe bewerben.
Das es Studenten gibt, die sich für eine duale Berufsausbildung entscheiden finde ich völlig ok. In vielen Bereichen gab es schon immer eine sehr hohe Quote an Abiturienten bsp. Bankkaufmann, Immobilienkaufmann, Industriekaufmann, usw.
baumarktpflanze hat geschrieben:
Inzwischen sehe ich immer mehr, dass Ausbildungsbetriebe mit Sachwerten versuchen, Auszubildende zu werben: Es gibt jetzt eben ein Tablet dazu oder man verreist auf Kosten der Firma. Das ist ein nettes Gimmick, beseitigt aber weder diese himmelschreiende Ungerechtigkeit, noch hilft es einem Auszubildenden wirklich weiter.
Hier kann man und das habe ich anderen Beiträgen zu diesem Themenbereich schon erwähnt, auch die Ausbildungsbetriebe nicht rausnehmen, die haben teilweise starke Versäumnisse zu verantworten und müssen sich auch bewegen und sich dafür engagieren, dass die Berufsausbildung wieder eine positivere Wahrnehmung erhält. Das fängt bei guten Rahmenbedingungen an, umfasst das Gehalt und eben auch innovative Ansätze.