- Mo 25. Dez 2006, 00:35
#237034
Die Weihnachtsgeschichte
gelesen von AlphaBolley
Es begab sich aber zur der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, daß er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt...
Bullshit! Alpha erzählt euch die ganze Wahrheit!
Die Weihnachtsgeschichte
neuinterpretiert von AlphaBolley
Es begab sich aber zu der Zeit als die unheilige Familie zu Mittag aß. Draußen war die Weihnachtszeit angebrochen, sehen konnte man das freilich nicht. Alpha, Beta, Gamma sowie die Eltern Mum und Dad wärmten sich bei Kartoffelsalat und Würstchen als ein infamer Plan aufkam: Christmette im Kuhstall mit Musik von drei Cellisten!
"Wow!" dachte Dad, "Cellomusik!"
"Wenn's Dad gefällt" dachte Mum.
"Hauptsache nicht Kirche" dachten Beta und Gamma.
Alpha sagte "Och nöö! Das wird doch ne Katastrophe!" und seine einsame Stimme verschwand ungehört in der allgemeinen Heiterkeit.
Einige Stunden später:
Alle fünf Mitglieder der Familie hatten sich fein gemacht, um auf's Land zu ziehen. Da das Auto der Eltern just einen Tag zuvor entschieden hatte, sich den Trouble dieses Jahr nicht zu gönnen, musste Betas Auto diese Position einnehmen. Was Mum gar nicht besonders freute, da sie auf der Rückbank Platz nehmen durfte. Die allgemeine Enge des nachtblauen Flitzers senkte ihre Laune rapide.
Als alle in mehr oder weniger annehmbaren Positionen Platz genommen hatten startete Beta den Wagen und der Auspuff röhrte laut. Beta entschied diesem Lärm entgegenzuwirken und drehte Techno-Musik auf. Mum entschied dem entgegenzuwirken, war aber von der Rückbank aus machtlos. Gamma hingegen entschied, dass es an der Zeit sei, die große Jammer-Tour zu starten, in der Hoffnung, das Auto würde dadurch größer.
Beta suchte verzweifelt oder unaufmerksam oder auch gar nicht die entscheidende Abzweigung in das Dorf mit dem Kuhstall, während Mum entschieden hatte, gar nichts mehr zu sagen, solange ihr Techno-Bässe am Hirnstamm rüttelten. Alpha sah aus dem Fenster gegen das durch die allgemeine Enge permanent sein Kopf geschlagen wurde und an seinem Hirnstamm rüttelte und dachte "Och nöö! Eine Katastrophe!". Als es kurz leiser wurde, entschied sich Mum doch zu einem Kommentar und bemerkte, dass das Auto nicht ganz die Geräusche von sich gab, die sie erwartet hätte. Und Alpha merkte, dass da was dran war. Gamma indessen beschwerte sich, dass das Auto zu eng sei.
Nach einer kurzen Irrfahrt im Kreis erreichten unsere fünf tapferen Recken das Dorf und sogar den Dorfplatz, der sich als einfach Straßenkreuzung entpuppte. Es war kalt. Bitterkalt. Und windig. Bitterwindig, denn es war genauso windig wie kalt. Beta besah sich sein Auto und merkte, dass es derart tiefergelegt war, dass die Räder keine fünf Personen trugen ohne oben anzuschlagen, erkannte woher das mysteriöse ungute Geräusch rührte und sah, dass es schlecht war. Er wusste sofort, was zu tun war: für die Rückfahrt war nur für drei Personen Platz, die übrigen beiden mussten auf seine Rückkehr warten. Auch Mum wusste was zu tun war. Sie beschloss, die Bescherung abzusagen. Zudem musste sie zur Toilette. Dad entzündete indessen seine Petroleumlampe und vergaß nicht zu erwähnen, dass sie zu Teilen aus einer alten Unterhose bestand. Gamma jammerte, infolgedessen nennen wir in im Folgenden einfach Jammer-Gamma.
Nachdem sich eine stolze Gefolgschaft gebildet hatte, machte sich der Clan auf den Weg zum gelobten Stall. Der eisige Wind schlug ihnen ins Gesicht, Alpha dachte "Och nöö" und Mum machte sich Gedanken, wie sie es bis zur Rückkehr ohne Toilette aushalten sollte. Jammer-Gamma empfand es als gute Idee, zu behaupten, er habe seine Kontaktlinsen verloren, was ihm aufgrund eines vollkommen deplatzierten Grinsens, das umgewandelt in Laute ein schallendes Gelächter ergeben hätte, natürlich niemand abnahm, das allerdings dafür sorgte, unsere fünf Freunde ans Ende des Zuges zu verschlagen. Dad entzündete indessen erneut seine Unterhosenlampe und vergaß nicht, dies auch lautstark zu erwähnen. Nach einer Weile gelangten sie tatsächlich auf einen Hof, wo Liederzettel an die vorbeiströmenden Massen verteilt wurden. Nur an Alpha nicht, denn sein Vordermann bekam das letzte und Alpha musste warten bis er eines vom neuen Stapel bekam. Und er wartete, obwohl er wusste, das er seinen vor vielen Jahren mit der Menschheit geschlossenen Pakt niemals brechen und ohnehin nicht singen würde. Anfängliche Befürchtungen, seine vier Kumpanen nicht mehr wiederzufinden, zerschlugen sich schnell, denn Dads brennende Unterwäsche war weithin sichtbar.
Als sie sich dem Stall näherten, schlug Alpha von rechts kalter Wind ins Gesicht und von link kalter Wind, der bereits die feinen Aromen des Kuhstalls in sich vereint hatte. Jammer-Gamma war wie paralysiert als er gebannt den abschließenden Stoffwechselvorgang einiger Tiere betrachten durfte. Der wärmende Stall schien nah, doch er blieb unerreichbar. Offenbar hatte man sich hier schlicht und ergreifend verkalkuliert, der Stall war voll. Doch so schnell gab Mum nicht auf und so stellten sich die fünf inmitten weiteren von der Kälte gezeichneten Gestalten vor die Tore des Stalles ... und froren. Dad hatte seine Lampe inzwischen wieder gelöscht.
Alsbald ging die Messe los. Alpha hatte großen Mühen, den akustischen Signalen zu lauschen, immer wieder wurden sie übertönt von angrenzenden Kühen, die sich keinerlei Mühe gaben, ihre diversen Geschäfte lautlos zu verrichten. Gerochen hätte man es ja eh. Viel mehr beschäftigte es ihn im Moment durch diverse Muskelkontraktionen den ohnehin spärlich vorhandenen Fettvorrat seines Körpers so zu verbrennen, dass die Abkühlung seiner Extremitäten keine kritischen Grenzen überschritt. Jammer-Gamma schaute desinteressiert in der Gegend herum. Beta entschied, wo keine Kirche sei, müsse man sich auch nicht entsprechend verhalten und verhielt sich entsprechend auch nicht entsprechend sondern begann, das Vorgehen zu kommentieren. Mum machte sich Gedanken um ihre Blase und befahl, sich nicht zu weit ins Gemenge zu begeben, falls eine Notsituation eintrete. Dad versuchte verzweifelt einen Blick auf die Cello-Spieler zu erhaschen, deren Hände durch den immensen Luftzug des zwangsweise offen stehenden Scheunentores in einer Art und Weise eingefroren waren, dass es dem geschulten wie ungeschulten Ohr des Zuhörers nicht verborgen blieb.
Fünf Minuten später erreichte auch Mum die Erkenntnis, die Alpha, Beta und Gamma schon längst erkannt hatten: bloß weg hier!
Augenblicklich wurde der Plan zurechtgeschmiedet, sich von Beta nach hause fahren zu lassen. Den übrigen freien Platz erjammerte sich Jammer-Gamma. Alpha und Dad blieben die folgenden dreißig Minuten alleine zurück. Nach diversen weiteren unsanft von Kuhmistattacken unterbrochenen Gesangseinlagen, die der Gemeinde von Alpha glücklicherweise erspart blieben, sowie einer derart rapide fallenden Außentemperatur, dass man jedem Quecksilberthermometer beim Zerspringen hätte zusehen können, beschlossen Dad und Alpha, dass es an der Zeit sei, sich auf den Weg zu machen, um zeitnah den mit Beta vereinbarten Treffpunkt zu erreichen. Dummerweise hatte ersterer seine Streichhölzer Mum gegeben, so dass er fürchten musste, die lodernde Kraft seiner Unterwäsche nicht neu entfachen zu können. Glücklicherweise fanden sich genug Raucher, die einem die Feuerzeuge beinahe hinterherwarfen. Auf dem Weg zur Hauptstraße spürte Alpha, dass er nichts spürte und fand, dass es nicht gut war. Wie durch einen ersten glücklichen Zufall an diesem verkorksten Abend erreichten die beiden die Straßen just in dem Moment als die rythmischen Bässe aus der Dunkelheit auftauchten.
Auf der Rückfahrt hätte Alpha nur zu gern erklärt, dass er die Idee von vornherein völlig behämmert fand, aber Beta hatte entschieden, nun wo Mum nicht anwesend war, die Leistungsfähigkeit seiner Anlage deutlich weiter auszureizen, was dazu führte, dass Alpha sein eigenes Wort nicht mehr verstand und davon ausging, die anderen würden es erst Recht nicht. Beta wählte eine Serpentinenstrecke und dachte selbst bei dichten Nebelwänden nicht daran, die Geschwindigkeit auf ein Maß zu drosseln, dass der gesunde Menschenverstand eines gesunden Menschen verlangen würde. Alpha stellte Überlegungen über sein Überleben an und stellte zufrieden fest, dass die Überlebenschancen in einem explodierenden Feuerball weitaus größer sein durften als die, im unlängst verlassenen Stall keinen Erfrierungstod zu erleiden und erfreute sich der Wärme, die der heulende Motor dem Innenraum lieferte. Mit der Zeit beschlugen nahezu alle Scheiben und Alpha beschloss sich keine Gedanken mehr machen zu müssen über unschuldige Rentner, die spät abends aus ihren Betten aufgescheucht wurden, und nach einem schnellen Sprint ans Fenster nicht viel mehr erkennen konnten als zwei rote Rücklichter, die nicht zur Identifikation ausreichten, wie die Polizei ihnen wenige Momente später am Telefon mitteilte, sobald er ihre Häuser durch das milchig scheinende Glas nicht mehr erkennen konnte.
Dann waren sie zuhause.
Ähnlichkeiten zu real existierenden Personen sind rein beabsichtigt und können aufgrund ihrer Korrektheit dem Autor nicht angelastet werden.
Der Übertreibungsgrad dieser Story liegt bei unter 10 Prozent.
Ich hoffe, dass meine Familie dies hier niemals zu Gesicht bekommen wird.
AlphaBolley wünscht euch ein frohes Fest!
