Mew Mew Boy 16 hat geschrieben:Ich wünsche mir würde mal jemand begegnen, der nur Ansatzweise meine Interessen teilt
Meine Frau, mit der ich nun über elf Jahre zusammen bin, und ich, wir könnten kaum verschiedener sein. Musikalisch trennen uns Welten. Bei Büchern und bei Filmen/Serien haben wir durchaus eine große Schnittmenge, und auch bei Kabarett/Comedy ticken wir gleich. Aber sonst?
Ja nun, bis in die Mittzwanziger habe ich nicht so tolle Erfahrungen gemacht, und eigentlich war das bei uns überhaupt keine Absicht. Alle Freunde und Kumpels waren entweder im Urlaub oder mussten arbeiten, und meine damaligen Bandkollegen hatten auch keine Zeit. Ich saß am Donnerstag abend also zu Hause, hab mich zu Tode gelangweilt, es war Sommer, und ich hing im IRC-Chat herum. Bock auf ein Langeweilewochenende hatte ich nicht.
Meine Liebste hatte von Leuten aus ebendiesem Chat Besuch, da die ihr alle beim Renovieren geholfen haben, weil sie gerade hierher gezogen ist. Nach dem Motto: Och, Chattertreffen, dann lasst uns das doch gleich hier machen.
Sie meinte: "Komm doch einfach mal hoch, ist lustig hier!"
Ich: "Och joh, warum eigentlich nicht?" - und so fuhr ich, völlig ohne Motiv, sondern einfach nur, um mal was anderes und wen anders zu sehen, am Freitagabend nach Feierabend einfach mal mit dem Zug nach Nordhessen in die Pampa. Von den ganzen Leuten war nur noch ein Kumpel da, der heute unser bester Freund ist. Tja, der musste dann auch weg.
Also waren wir alleine und haben uns eigentlich nur über unser vergangenes, verkorkstes Liebesleben ausgekotzt, alles doof, Schnauze voll, und das tat einfach gut. Wir haben uns zugehört und fanden das einfach genial, wie der eine dem anderen einfach nur zuhört, ohne Blabla und Besserwisserei.
Tja, und dann war da irgendwie ein Draht zueinander und ich fuhr ein halbes Jahr lang jedes Wochenende mit dem Zug nach Arbeitsende hier hoch. Montagmorgens fuhr sie mich dann immer zum Bahnhof, und ich bin dann mit Reisetasche zur Arbeit gekommen, Montag für Montag. Gerafft, dass das was zwischen uns wird, haben wir beide noch nicht. Das war irgendwie zu seltsam, nein, das konnte nicht sein. Unserem Freund war das allerdings sofort klar.
Das Dorf hat jedenfalls schon komisch geguckt, als ich, der langhaarige, damals noch spindeldürre, einen halben Kopf kleinere Kerl, mit der großen Frau Hand in Hand durchs die Gegend spaziert ist. Ihre Kids waren damals noch Kleinkinder, und so hatte ich auf einmal eine Familie. Eine Frau, die mich liebt und zwei kleine Mädels, von der ich die eine gewickelt habe und die andere zum Kindergarten gebracht habe. Die Kids und ich kamen sehr schnell miteinander klar, und nach den vielen Jahren bin ich für sie auch ihr "richtiger" Vater, und ich fühle auch wie ein Vater.
Wie dem auch sei, irgendwann haben die Kids sich eine Krankheit nach der nächsten eingefangen... Grippe, Magen-Darm und und und... und ich war eh körperlich angeknackst mit meinen paar Kilos auf den Rippen und war sechs Wochen fast ohne Unterbrechung krank. Was blieb mir also anderes übrig, als hier oben zum Arzt zu gehen und mich krankschreiben zu lassen? Sollte ich den ICE vollkübeln? Nun, mein Arbeitgeber hatte dafür kein Verständnis, und bald flatterte mir die Kündigung ins Haus. Da ich eh einen Tapetenwechsel brauchte und mir die junge Beziehung gerade recht kam, hab ich meinen Krempel gepackt und habe mir eine Wohnung hier im selben Haus geschnappt - finanziell ging das nicht lang gut, ich hing eh fast nur bei ihr rum, und dann hab ich meinen Krempel halt ein Stockwerk nach oben gebracht.
Es sind tatsächlich nicht meine eigenen Kinder, und wir sind auch nicht verheiratet, aber dennoch sage ich "meine Frau und meine Kids", so wie sie auch "unsere Kids" und "mein Mann" sagt - das ist für uns selbstverständlich. Eine Spermie macht noch lang keinen Vater, und Liebe funktioniert auch ohne Vertrag. Ob wir irgendwann tatsächlich auch heiraten, wissen wir beide nicht. Der Gedanke ist schön, aber ein "Ehevertrag" klingt schon so verdammt unromantisch.
Jo, heute sind aus den kleinen Zwuckels schwerst pubertierende Mädels geworden, und aus mir, dem stark untergewichtigen Langhaardackel, wurde ein etwas rundlicherer Langhaardackel. Und wenn sie mich in den Bauch zwickt, zwicke ich in ihren und sage ihr, dass sie schuld ist, weil sie einfach zu lecker kocht.
Wir sind in den Jahren durch so viel Scheiße gegangen, dass uns glaub ich nichts mehr auseinanderbringen kann. Im Gegenteil - wenns hart auf hart kam, haben wir es bislang immer geschafft, an einem Strang zu ziehen.
Wichtig sind einfach Respekt, Loyalität, Feinfühligkeit und Toleranz. Und man sollte einfach man selbst bleiben und auch den anderen sich selbst sein lassen. Den anderen nicht verformen, sich selbst nicht verformen.
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