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von Kiddow
#1543013
Da ich im Supermarkt immer noch nicht desinfizierte Einkaufswagen anfassen muss, ist das mitgenommene Buch eindeutig das geringere Risiko :D
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von Neo
#1543112
Nerdus hat geschrieben: Mo 30. Mär 2020, 16:46 Ich mach um den Bücherschrank hier einen Bogen, so von wegen Pandemie und so ':) Auch wenn das Risiko wahrscheinlich vernachlässigbar ist, aber hm. So ganz wohl fühle Ich mich dabei trotzdem nicht.
:D Ging mir auch so.
Dann musste ich mir von einem Freund, der immer irgendwelche Bücher von der Straße mitschleppt, einen Exkurs über die Verweilsauer von Corona auf sämtlichen Werkstoffen anhören (auf Papier nur wenige Sekunden, wenns denn nicht komplett eingeschmoddert ist). Ich würde die Bücher einfach ein wenig rumliegen lassen und mal drübersprühen. ^^

Bezweifle bei uns aber ohnehin, dass der Bücherschrank oft genutzt wird. Der steht in einem bildungsfernen Brennpunktviertel...wenn er denn noch steht. :neutral_face:
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von Fernsehfohlen
#1543423
Neo hat geschrieben: Do 26. Mär 2020, 12:11 Tschick und Besuch der alten Dame (beides Abi Stoff?)
Um darauf mal kurz einzugehen: Also "Tschick" kann ich mir beim besten Willen nicht als Abi-Stoff vorstellen, wird aber in Unterstufen (Richtung Klasse 8/9) sehr oft und gerne gelesen. "Der Besuch der alten Dame" könnte irgendwo Abi-Stoff sein, ist mir aber auch eher so im Bereich 9./10. Klasse bzw. EF (also Stufe 11 vor der Abi-Phase) begegnet.
Unsere Schule hatte in diesem Jahr übrigens die Idee, Dürrenmatt (Oma bzw. Physiker) für die Elfer mal mit Brechts gutem Menschen Sezuans auszutauschen - was bei uns damals der Deutsch-LK gelesen hatte und schon scheiße fand. Ich sag mal so: Gab schon bessere schulinterne Entscheidungen für eine 11. Stufe einer Brennpunkt-Gesamtschule. :D
Heideröslein, hat mein Deutschkurs diese Lektüre gehasst. ^^

Ajo, was ich grad lese: "Die Jury" von John Grisham, was ich übrigens auch aus so einem Bücherschrank gegriffen habe. Und als literarischen Quickie habe ich kürzlich "Wie man Deutscher wird" von Adam Fletcher in anderthalb Stunden durchgelesen, weil mich dazu eine Freundin sehr nachdrücklich und ausdauernd hat motivieren wollen. War sehr, sehr leichte Lektüre, aber nett. Hätten meine Elfer sicher weniger gehasst als Brecht. :P


Fohlen
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von Wolfsgesicht
#1543425
Den Besuch der alten Dame hat mein Deutschlehrer geliebt :D hatten wir aber auch in der 9. oder 10. Klasse Realschule. Der entsprechende Lehrer hat gleich im Anschluss noch „Der Club der toten Dichter“ drauf gelegt. Tatsächlich auch das als Buch (zusätzlich zum Film).

Abi-Stoff war bei uns Woyzeck (aaarrrggghhh) und noch was anderes. Ich glaub ich hab nie so lang pro Satz für ein Buch gebraucht.
Unser Englisch-Lehrer war da deutlich freundlicher, der hat fürs Abi „1984“ rausgekramt. War vermutlich das beste Buch was ich lesen musste und ist ja auch eins über welches Mal hier mal dort gesprochen wird.

Wir waren zufällig mit dem Realschul-Deutschlehrer schon Jahre bevor wir das als Abi-Lektüre hatten im Theater. Es lief Woyzeck und er fand das doch ganz nett wenn wir mal ins Theater kämen und so ein Drama auf der Bühne sehen. Keiner verstand die Story so richtig, die Hälfte der Darsteller war nackt, das Pferd wurde durch einen Gabelstapler dargestellt, der Gabelstapler war aber auch mal eine Wand an der ein Kerl irgendeine Frau von hinten genommen hat, am Ende lagen alle nackt zappelnd auf dem Boden...es war ein Trauma. War auch das einzige Mal dass sich der entsprechende Lehrer entschuldigt hat. 😂

Dachte immer die Lehrer können selber entscheiden welches Buch sie vorlegen. Also anhand eines Katalogs.

Aktuell lese ich „Per Anhalter durch die Galaxis“. Auf meinem Balkon, das macht gerade doch Spaß.
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von Neo
#1543452
Tzzz...NRW Abi halt.

Wir hatten drei Abschlusslektüren: Der Besuch der alten Dame, Michael Kohlhaas und Der Proceß. Ist immer etwas seicht-spaßiges, etwas aus dem 19. Jahrhundert und dann halt noch ein Klopper (meist aus der ersten Hälfte des 20. Jhd).

Wölfchen hat geschrieben:[...] das Pferd wurde durch einen Gabelstapler dargestellt [...]
:')
Ach Theater...

Ich versuche mich gerade an Karte und Gebiet von Michel Houellebecq, weil mans gelesen haben sollte. Läuft bisher auch ganz gut rein. Vielleicht sollte ich allgemein doch mal ein paar lebenden Autoren noch eine Chance geben.
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von Fernsehfohlen
#1543454
Wolfsgesicht hat geschrieben:Abi-Stoff war bei uns Woyzeck (aaarrrggghhh) und noch was anderes. Ich glaub ich hab nie so lang pro Satz für ein Buch gebraucht.
Unser Englisch-Lehrer war da deutlich freundlicher, der hat fürs Abi „1984“ rausgekramt. War vermutlich das beste Buch was ich lesen musste und ist ja auch eins über welches Mal hier mal dort gesprochen wird.
Ajo, wir hatten in der Q1 auch Büchner, aber "Dantons Tod". Weiß noch, dass das Buch mega kurz war, ich es damals aber aus Gründen trotzdem nicht gelesen hatte und trotzdem in der Klausur eine 2 schrieb, weil die Klausuraufgabe in erster Linie aus einem Vergleich einer Textstelle aus der Lektüre mit einem uns unbekannten Werk (von Lessing) bestand.

Und naja, die Abi-Lektüren sind in Englisch eigentlich immer cooler als in Deutsch, weil einfach die zentralen Vorgaben für Deutsch meist für Schüler richtig käsige und schwer erfassbare alte Schinken sind. Dieses Jahr im Abi auch wieder:
https://www.standardsicherung.schulmini ... ?file=4587
Goethes "Faust" und Kleists "Die Marquise von O..." - na danke dafür. Damit kriegste echt keinen für Literatur erwärmt, der in den elf Schuljahren davor nicht schon eine Passion dafür entwickelt hat.

In Englisch hatten wir damals in der Q-Phase übrigens "Fahrenheit 451" (mega toll <3), "A Streetcar Named Desire" (hab ich auch sehr gemocht, obwohl es eigentlich nicht so mein liebstes Genre war) und öh... noch was? Wenn ja, komme ich grad nicht drauf.

Dachte immer die Lehrer können selber entscheiden welches Buch sie vorlegen. Also anhand eines Katalogs.
Im Deutsch-Abitur: Nein, da werden auch wir von der Landesregierung zwangsbeglückt. In den früheren Schuljahren ist es deutlich offener gehalten, aber an unserer Schule hatten sich jetzt auch die Elfer-Lehrer untereinander geeinigt, dasselbe Buch zu lesen und oft wird das in der Unterstufe auch ähnlich gehandhabt. Aber in der Q-Phase ist dann nix mehr mit "selbst entscheiden".

Neo hat geschrieben:Wir hatten drei Abschlusslektüren: Der Besuch der alten Dame, Michael Kohlhaas und Der Proceß. Ist immer etwas seicht-spaßiges, etwas aus dem 19. Jahrhundert und dann halt noch ein Klopper (meist aus der ersten Hälfte des 20. Jhd).
Wäre mir deutlich lieber gewesen als mein damaliges Lektüren-Trio bestehend aus "Dantons Tod", "Effi Briest" (das war nicht wirklich schlimm oder zu verworren / anspruchsvoll, das war aber auch so überhaupt nicht interessant, es war einfach nur lang) und "Die Verwirrungen des Zöglings Törleß" von Robert Musil (das fand ich ziemlich cool, war damit in meinem Kurs damals aber so ziemlich der Einzige ^^).
Aber Kafka und Dürrenmatt fand ich als Schüler schon irgendwie für Schullektüren ziemlich okay, heute feiere ich die beiden ziemlich.
Aber ich mag mittlerweile auch Brecht - und kann trotzdem nachvollziehen, dass meine Hasen dazu null Zugang finden konnten.

"Faust" habe ich mir übrigens noch immer nicht angetan. Irgendwie kickt mich daran auch gaaaaaaar nichts. Werde so leiden, falls ich das irgendwann mal unterrichten müssen dürfen sollte. :D


Fohlen
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von Nerdus
#1543554
Wenn man das so liest, könnte man halt auch meinen, deutsche Literatur bestünde nur aus nem halben Dutzend Werken. Wir haben damals das gleiche Zeug gelesen. Mehrwert hat's wohl den wenigsten gebracht.

Zugegebenermaßen muss ich aber auch sagen, ich wüsste nicht, wie ich uns damals Literatur nähergebracht hätte, unabhängig vom Material.

Um zum Threadtitel zurück zu kommen: Habe in letzter Zeit viel Clive Barker gelesen. »Die Bücher des Blutes« (Band 1 bis 6 oder so?), »Imagica«, »The Hellbound Heart« (sprich die Romanvorlage für die 27 «Hellraiser»-Filme) – richtig guter Scheiß. War mir irgendwie früher gar nicht bewusst, was da für Schätze schlummern, die Verfilmungen sind ja doch oft eher so mittelprächtig :thinking:
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von Kaffeesachse
#1543555
Bei mir ist das schon so lange her, dass ich mich außer an "Faust", "Effie Briest" und "Der zerbrochene Krug" an gar nichts mehr erinnern kann. Das liegt aber auch daran, dass wir "systembedingt" auch erst in der 8. Klasse mit dem Gymnasium richtig angefangen haben, allerdings im Abi auch keine Abstriche gemacht wurden. So ging's dann im Deutsch-LK Schlag auf Schlag, Buch an Buch. Es war glaube ich sogar so viel, dass wir gar nicht alles selbst gelesen, sondern manches aufgeteilt haben und der Inhalt dann per Vortrag den anderen nähergebracht wurde.

Das hat mir die Freude am Lesen auch irgendwie verdorben, sodass ich mich bis heute meist gar nicht aufraffen mag, etwas Längeres freizeitmäßig zu lesen. :'(
von Johnny
#1543557
Ich finde immer lustig, dass man anhand der Bücher das Alter der Leser in Erfahrung bringen kann. Meine Schwester hatte die gleichen Bücher im Regal stehen wie Fernsehfohlen. :)

Mein Jahrgang war tatsächlich derjenige, bei dem die Buddenbrooks (oder "Die Buddis" wie meine LK-Lehrerin sagen würde :') )auf der Liste standen. Habe es tatsächlich komplett gelesen. In der Klausur gab es eine Analyse der ersten Seite. :'( Ansosten Tauben im Gras von Wolfgang Koeppen und Hiob von Joseph Roth.
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von Fernsehfohlen
#1548131
Ich habe mir in den vergangenen Wochen die Pflichtlektüren der künftigen NRW-Q1 durchgelesen. Und naja, ich bin alles in allem durchaus angetan.

Zuerst das unvermeidbare Kochkultur-Drama:

Gotthold Ephraim Lessing - Nathan, der Weise (1779 veröffentlicht, 1783 uraufgeführt)

Nunja, Lektüren dieser Couleur kennen wir ja wahrscheinlich alle noch aus der gemeinsamen Schulzeit. Mühsam zu lesen aufgrund vieler heute nicht mehr gebräuchlicher Begriffe, einer sehr verkünstelten Ausdrucksweise und der Dramenstruktur. Da musste ich mich auch durchquälen, immer wieder mal Begriffe nachschlagen oder teilweise sogar ganze Auftritte in ihrem Sinngehalt nachlesen. Ein Klassiker, der es inhaltlich wert ist, auch heute noch besprochen zu werden, aufgrund seiner sprachlichen und ästhetischen Hemmnisse aber sehr, sehr schwere Kost für SuS ist. Das ist Durchquäl-Literatur par excellence - wegweisend, thematisch noch heute sehr relevant, aber schwer schülerfreundlich aufzuziehen. Da müssen wir durch und das Beste draus machen.
Immerhin beinhaltet das Werk aber eines meiner Lieblingszitate: "Kein Mensch muss müssen." Eine schöne Utopie in wenigen Worten, ja.


Dafür bin ich aber umso positiver überrascht, welche beiden Werke als Pflichtlektüre im Bereich der Epik ausgewählt wurden.

Arno Geiger - Unter der Drachenwand (2018)

Das LK-Werk ist fast 500 Seiten lang, hat auch inhaltlich manchmal seine Längen und ist aufgrund der Vermengung von der eigentlichen Handlung aus der Sicht der Hauptfigur Veit Kolbe und den immer wieder eingeschobenen, visuell aber nicht gesondert markierten Briefen anderer Figuren stellenweise ziemlich anspruchsvoll zu lesen. Aber ich habe mich in diesen Roman nichtsdestotrotz ziemlich schnell verliebt, da Geigers Schreibstil imponierend gut verständlich, dabei aber trotzdem sehr ästhetisch ist und eine wunderbare Nähe zu den Protagonisten des Werkes herstellt. Vor allem mit der Hauptfigur, einem Ende 1943 im Krieg verwundeten österreichischen Soldaten, der das komplette Jahr 1944 am beschaulichen Mondsee zur Regeneration verbringen darf und sich mit jedem Tag inmitten dieser trügerischen Idylle mehr davor fürchtet, wieder als Kanonenfutter an der Front verheizt zu werden, freut und leidet man immens mit - und auch die Bruchstücke des alltäglichen Martyriums eines zunehmend jeder Würde und jeder Hoffnung beraubten Judens haben mich sehr berührt und irgendwo auch dahingehend beschämt. Das ist die große Stärke dieses Romans, dass er dem Leser nicht nur eine gut lesbare und interessante Geschichte aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs beschert, sondern ihn total authentisch wirkend in das Jahr 1944 und das Leben der Menschen zu dieser Zeit hineinzieht.

Ein sehr, sehr geschmackvoller Roman, auf den man sich einlassen muss, von dem man allerdings auch mit vielen tollen Dialogen, Formulierungen und Erzählpassagen belohnt wird. Exzellente Wahl für eine LK-Lektüre, da zeitgeschichtlich relevant (vielleicht etwas schade, dass wieder der Zweite Weltkrieg behandelt wird, aber okay), alles in allem gut verständlich geschrieben und dennoch anspruchsvoll und interpretatorisch an vielen Stellen offen genug, um viel Gesprächsstoff herzugeben. Sehr schöne Literatur mit viel Herz und Hirn.


Robert Seethaler - Der Trafikant (2012)

Der GK-Roman wiederum widmet sich dem Jugendlichen Franz Huchel, der im Österreich der Jahre 1937 und 1938 als Aushilfe in einer Wiener Trafik (das ist sowas wie ein Kiosk) beginnt und dabei nicht nur auf den alternden Sigmund Freud trifft, sondern auch seine Libido zu entdecken beginnt. Und dann ist da ja auch noch dieser Hitler und der zunehmend ärgere Hass auf Juden in seinem Umfeld, der für Franz so gar nicht greif- und nachvollziehbar ist, da seine jüdischen Kunden dem Schreckensbild überhaupt nicht entsprechen wollen. Ein schön geschriebenes, sehr leicht lesbares Buch, das einen guten Einblick in das Wien der letzten beiden Vorkriegsjahre ermöglicht, ohne dass der Roman allzu schwermütig daherkäme. Die Balance zwischen der jugendlichen Naivität und Weigerung, zeitgeistkonforme politische Parolen zu schwingen und der steinharten politischen Realität hält Seethaler hier wirklich gut, sodass "Der Trafikant" weder so richtig ein Jugendroman noch ein historischer Roman ist. Das ist ganz spannend, sehr leichtfüßig geschrieben und berührt einen auch wirklich.

Nicht ganz sicher bin mir bei der Figur des Sigmund Freuds. Einerseits bin ich froh darüber, dass Seethaler ihn hier nicht als den intellektuell omnipotenten Professor darstellt und er vor allem in der zweiten Romanhälfte immer mehr tragische Züge bekommt, andererseits haben die Dialoge zwischen ihm und Franz oft den Touch väterlicher Phrasen, die ein wenig seltsam gewöhnungsbedüftig sind. Ansonsten aber ein schön ausgewählteres, leichter konsumierbares und durchaus auch an vielen Stellen spaßiges Grundkurs-Pendant zu Geigers sehr melancholischem "Unter der Drachenwand". Auch eine wirklich gute Wahl als Lektüre - und wirklich auch ohne schulischen Kontext lesenswert (auch für Wenigleser).


Zudem hatte ich noch Anne Franks Tagebuch und John Grishams "Die Jury" gelesen. Hab aber jetzt keine Lust mehr, dazu auch noch was zu schreiben. ^^


Fohlen
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von Wolfsgesicht
#1548134
Bezweifle dass das deine Schüler ähnlich sehen werden. ^^ Vom letzten gibt es zumindest einen Film. Auch wenn sowas (aus eigener Erfahrung) missbraucht wird um sich vorm lesen zu drücken wenn er sehr ähnlich ist. :D
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von Fernsehfohlen
#1548138
Wolfsgesicht hat geschrieben: Mi 29. Jul 2020, 00:28 Bezweifle dass das deine Schüler ähnlich sehen werden
, weil...
Nicht, dass ich es ausschließen würde, aber was lässt dich das glauben?

Vom letzten gibt es zumindest einen Film. Auch wenn sowas (aus eigener Erfahrung) missbraucht wird um sich vorm lesen zu drücken wenn er sehr ähnlich ist. :D
Das verurteile ich zutiefst. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, solch eine infame...
Oh shit, ich hab hier ja schon zu Schülerzeiten gepostet. :grinning:
Na dann: Klar, hab ich selbst auch so gemacht - mit unterschiedlich großem Erfolg. ^^


Fohlen
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von Wolfsgesicht
#1548148
Fernsehfohlen hat geschrieben: Mi 29. Jul 2020, 01:53
Wolfsgesicht hat geschrieben: Mi 29. Jul 2020, 00:28 Bezweifle dass das deine Schüler ähnlich sehen werden
, weil...
Nicht, dass ich es ausschließen würde, aber was lässt dich das glauben?
Weil Lesen leider out ist, vor allem bei Jungs. Da wird man mit gesellschaftskritischer und/oder historischer Literatur im gehobenen Deutsch wenig reißen können. Man wird sie wohl eher noch vom lesen abschrecken. Finde ja man sollte bis zur 9. KIasse durchaus mehr lesen, dafür dann etwas gefälligeres, bestenfalls durch den Schüler selber ausgewählt. In der 10. kann man dann das harte Zeug rausholen. Dann lesen die vielleicht auch danach mehr als wenn das einzige was die je gelesen haben ein Dürrenmatt, Büchner und Co ist.
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von Fernsehfohlen
#1548163
Wolfsgesicht hat geschrieben:Weil Lesen leider out ist, vor allem bei Jungs. Da wird man mit gesellschaftskritischer und/oder historischer Literatur im gehobenen Deutsch wenig reißen können. Man wird sie wohl eher noch vom lesen abschrecken.
Ja gut, das ist natürlich nicht von der Hand zu weisen - war es aber ehrlicherweise auch schon zu meiner Schulzeit. Bei den oben genannten Büchern geht es aber um die Literatur, die für den schulischen "Endspurt" in der Oberstufe ausgewählt wurde und da sollten die behandelten Werke schon auch ein gewisses, dem Abitur angemessenes Niveau erreichen. Ich finds auch etwas schade, dass beide Werke wieder einmal zur NS-Zeit spielen (wobei man meiner Erfahrung nach damit und generell auch mit politischen Inhalten zumindest einige Jungen auch eher aktiviert bekommt als mit Dramen oder Liebesliteratur), aber beide Bücher sind erst ein paar Jährchen alt und in einem gut verständlichen, klaren Deutsch geschrieben. Also gegenüber "Effi Briest", was uns damals als Epik-Pflichtwerk vorgeschrieben wurde, ist das meines Erachtens schon ein ganz klarer Schritt in die auch von mir gewünschte Richtung.

Finde ja man sollte bis zur 9. KIasse durchaus mehr lesen, dafür dann etwas gefälligeres, bestenfalls durch den Schüler selber ausgewählt. In der 10. kann man dann das harte Zeug rausholen. Dann lesen die vielleicht auch danach mehr als wenn das einzige was die je gelesen haben ein Dürrenmatt, Büchner und Co ist.
Also zumindest an unserer Schule läuft das so ja auch schon - wenn denn überhaupt mal wieder in der Schule was läuft (Corona und so, aber das ist ein anderes Thema ^^). Da gibt es dann in jeder (naja, theoretisch zumindest) Klasse 2-3 "gefällige" Bücher im Klassensatz, die in Vertretungsstunden oder teilweise auch im Deutschunterricht gelesen werden. Und es gibt für den Deutschunterricht verschiedene Ansätze zum Führen eines Lesetagebuchs, teilweise mit der Erlaubnis seitens der Lehrkraft, dieses im Zuge des Lesens eines eigens ausgesuchten Buches zu erstellen.
Die Problematiken dabei: Manche SuS lesen wirklich so gut wie nichts selbst, sodass sie dann letztlich doch "Pflichtlektüre" bekommen, manche haben auch das Gefühl, dass jeder schulische Rahmen mit Aufgaben ihnen die Lektüre verleidet - kann ich auch irgendwo nachvollziehen. Und natürlich ist es für den Lehrer auch nicht ganz leicht, wenn er den Überblick bei 20 Lektüren behalten soll, von denen er viele selbst nicht kennt. :D

Unsere Schule ist aber sicher in vielerlei Hinsicht und in der Unterstufe umso stärker nicht vergleichbar mit dem, was etwa an vielen Gymnasien vonstatten geht. Kann durchaus sein, dass da Shakespeare und Storm weiterhin schon in der 8. Klasse rausgekramt werden.


Fohlen
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von Fernsehfohlen
#1557460
William Golding - Herr der Fliegen (1956)

Ich habe noch in Erinnerung, dass ich vor Jahren die Verfilmung von 1963 gesehen und diese keinen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen hatte. Ganz anders der Roman, der die Geschichte um die gestrandeten Jungen fernab der Zivilisation wirklich fantastisch erzählt. Der Schreibstil ist zumindest in den Erzählpassagen äußerst poetisch und nicht immer ganz leicht zu greifen, die Dialoge zwischen den Kindern äußerst intensiv und der Prozess der schrittweisen Abkehr von sämtlichen zivilisatorischen Grundregeln sehr feinfühlig erzählt.

Ich habe mich sehr, sehr gut in die psychologischen und sozialen Prozesse hineindenken und -fühlen können und konnte ab etwa der Mitte des Romans Selbigen kaum mehr aus der Hand legen, so spannend fand ich es geschildert und so interessant sind die Figurenkonstellationen. Etwas schwerer ist es mir gefallen, mir die Insel vorzustellen, denn vor allem bei seinen Naturbeschreibungen neigt Golding meines Erachtens zu etwas ausschweifenden Ausführungen. Dennoch unterm Strich für mich ein literarisches Meisterwerk und zurecht ein moderner Klassiker, dessen Autor ja sogar den Literaturnobelpreis erhielt.

9/10


Fohlen
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von Fernsehfohlen
#1564931
Wow, hier steppt ja der Bär. :D
Ich störe die Totengräberstimmung mal kurz mit einem modernen Klassiker, den ich soeben erstmals zu Ende gelesen habe.


Patrick Süskind - Das Parfum (1985)

Ich hatte vom "Parfum" bereits die Verfilmung aus dem Jahr 2006 einmal relativ halbherzig geschaut, da mich der Film nicht recht zu packen vermochte. Ganz anders verhält es sich jedoch mit diesem meines Erachtens herausragenden Roman, der zwar mit seiner erzählerischen Dufterotik ganz gewiss nicht zu dünn aufträgt, es dabei aber hervorragend schafft, mich in die olfaktorisch dominierte Welt des Protagonisten Jean-Baptiste Grenouille eintauchen zu lassen. Seinen Lesern eine solch sinnliche Geruchswelt rein verbal aufzubauen, dass man sie glaubt nachempfinden zu können, ohne auch nur irgendetwas davon tatsächlich zu riechen, ist in meiner Nase hinreißende Erzählkunst.

Und ohne mich jetzt großartig mit der Rezeptionsgeschichte des Werkes auseinandergesetzt zu haben, habe ich innerhalb des Leseprozesses auch noch so viel mehr darin gelesen als die reine "Geschichte eines Mörders": Etwa die Geschichte eines Menschen, der sein Leben lang immer am Rande einer Gesellschaft steht und von dieser schamlos ausgenutzt wird. Eine (fiktive) Studie über Massenpsychologie und deren gefährliche Einfalt, sobald ein großer "Verführer" sie in ihren Bann zu ziehen vermag. Kritik an Kirche, Religion und (autoritär geführtem) Staat muss man auch sicher nicht allzu bemüht in dieses Werk hineinlesen. Und trotzdem wirken diese Elemente ziemlich organisch und überhaupt nicht angestrengt in die Geschichte eingeflochten, die darüber hinaus auch immer wieder mal ins Märchenhafte und/oder Mythologische abgleitet.

Was man eventuell kritisieren kann, sind einige Längen, da es manchmal schon so wirkt, als habe Süskind sich in der detailreichen Schilderung der Geruchswelt Grenouilles an einigen Stellen zu sehr seiner imaginierten olfaktorischen Erotik hingeben. Aber sonst wüsste ich nichts, was ich hier bemängeln sollte. Und selten bin ich mir so sicher wie hier, dass man sich im Zweifel eher für den Roman und gegen den Film entscheiden sollte. Großes Werk - und trotz vieler Fremdworte auch nichts, in das man sich als "Otto Normalleser" allzu angestrengt hineinkämpfen muss.

9/10


Fohlen
von Familie Tschiep
#1564948
Fernsehfohlen hat geschrieben: Di 28. Jul 2020, 20:23 Arno Geiger - Unter der Drachenwand (2018)

Das LK-Werk ist fast 500 Seiten lang, hat auch inhaltlich manchmal seine Längen und ist aufgrund der Vermengung von der eigentlichen Handlung aus der Sicht der Hauptfigur Veit Kolbe und den immer wieder eingeschobenen, visuell aber nicht gesondert markierten Briefen anderer Figuren stellenweise ziemlich anspruchsvoll zu lesen. Aber ich habe mich in diesen Roman nichtsdestotrotz ziemlich schnell verliebt, da Geigers Schreibstil imponierend gut verständlich, dabei aber trotzdem sehr ästhetisch ist und eine wunderbare Nähe zu den Protagonisten des Werkes herstellt. Vor allem mit der Hauptfigur, einem Ende 1943 im Krieg verwundeten österreichischen Soldaten, der das komplette Jahr 1944 am beschaulichen Mondsee zur Regeneration verbringen darf und sich mit jedem Tag inmitten dieser trügerischen Idylle mehr davor fürchtet, wieder als Kanonenfutter an der Front verheizt zu werden, freut und leidet man immens mit - und auch die Bruchstücke des alltäglichen Martyriums eines zunehmend jeder Würde und jeder Hoffnung beraubten Judens haben mich sehr berührt und irgendwo auch dahingehend beschämt. Das ist die große Stärke dieses Romans, dass er dem Leser nicht nur eine gut lesbare und interessante Geschichte aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs beschert, sondern ihn total authentisch wirkend in das Jahr 1944 und das Leben der Menschen zu dieser Zeit hineinzieht.

Ein sehr, sehr geschmackvoller Roman, auf den man sich einlassen muss, von dem man allerdings auch mit vielen tollen Dialogen, Formulierungen und Erzählpassagen belohnt wird. Exzellente Wahl für eine LK-Lektüre, da zeitgeschichtlich relevant (vielleicht etwas schade, dass wieder der Zweite Weltkrieg behandelt wird, aber okay), alles in allem gut verständlich geschrieben und dennoch anspruchsvoll und interpretatorisch an vielen Stellen offen genug, um viel Gesprächsstoff herzugeben. Sehr schöne Literatur mit viel Herz und Hirn.
Fohlen
Warum nicht der König in seinem Exil?
ES ist interessant, dass man keine heutigeren Stoffe auswählt.
Deine Schüler müssten doch schon im neuen Jahrtausend geboren worden sein.
Ja, gut, man kann Candy House nicht nehmen, weil eine Übersetzung.
NSA von Andreas Eschbach wäre vielleicht literarisch zu schwach, wobei es neben der Nazi-Thematik schon auf etwas hinweist, was moderner ist.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man sie mit dem Blutbuch eher begeistert.
Vielleicht noch eher Stuckrad-Barre mit Panikherz, aber kennt die Jugend noch Lindenberg, jetzt vieleicht ja, weil der mit Apache 207 zusammenarbeitet.
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