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Frankfurt/Main (dpa) - Fußball-Deutschland trauert um Jupp Derwall. Der ehemalige Bundestrainer starb am Dienstag nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 80 Jahren.

Der gebürtige Rheinländer, der seit Jahren im saarländischen St. Ingbert wohnte, hinterlässt Ehefrau Elisabeth, seine Kinder Manuela und Patrick sowie vier Enkelkinder. Jupp Derwall war vom 11. Oktober 1978 als Nachfolger von Helmut Schön bis zum 20. Juni 1984 als Vorgänger von Franz Beckenbauer Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Von 1970 bis 1978 wirkte er als Schön-Assistent und als Coach des Olympia-Teams.

«Jupp Derwall hatte in den 70er- und 80er-Jahren einen wesentlichen Anteil an den großen Erfolgen der deutschen Nationalmannschaft. Seine fachliche Kompetenz war immer unbestritten. Der DFB und der deutsche Fußball verlieren in ihm einen herausragenden Trainer, der in seiner Zeit eine hohe internationale Anerkennung hatte», würdigte DFB-Präsident Theo Zwanziger den Verstorbenen, der mit dem Gewinn der Europameisterschaft 1980 und der Vize-Weltmeisterschaft 1982 seine größten Erfolge feierte.

Den Bundestrainer-Rekord nimmt Jupp Derwall mit. 23 Länderspiele nacheinander hat die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft unter dem Europameister-Coach von 1980 nicht verloren - das hat kein anderer seiner neun Kollegen geschafft, die sich bisher um das deutsche Vorzeige-Team Nummer 1 kümmern durften. In 67 Länderspielen unter Derwalls Verantwortung gab es 45 Siege, elf Unentschieden und elf Niederlagen.

Mit dem türkischen Spitzenclub Galatasary gewann Derwall zwei Mal die türkische Meisterschaft und ein Mal den Pokal. Der Club bot ihm einen Vertrag auf Lebenszeit an. Die Universität Ankara verlieh ihm die Ehrendoktorwürde, in Deutschland erhielt er das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, der DFB verlieh ihm die Goldene Ehrennadel. 1994 wurde er Ehrenmitglied des Bundes Deutscher Fußball- Lehrer.

Der am Bosporus als «Fußball-Pascha» Gefeierte kehrte 1989 in die Bundesrepublik zurück, wo es mehr und mehr ruhiger um den Fußball- Rentner wurde. Auch weil er es nach einem Herzinfarkt 1991 langsamer angehen ließ. Gefragt war er weiterhin als Kolumnist des Fachmagazins «Kicker». Zum Tagesgeschäft Fußball war Derwall längst auf Distanz gegangen, auch wenn er noch gelegentlich Telefonkontakt zu den wichtigsten DFB-Leuten hatte.

«Länderspiele und Champions League verfolge ich natürlich. Die WM in Deutschland mit der Euphorie des Volkes und der Auftritt der deutschen Elf war eine ganz tolle Sache, was die Trainer Jürgen Klinsmann und Joachim Löw in Gang gesetzt haben», sagte er kurz vor seinem 80. Geburtstag am 10. März. Mit der Gelassenheit des Alters stellte «Häuptling Silberlocke» fest: «Ich bin mit mir im Reinen.»

«Mit seiner stets optimistischen und um Ausgleich bemühten Lebensart hatte er viele Freunde gewonnen» erklärte DFB-Chef Zwanziger. Nicht unbedingt der Freund der nahezu harmoniesüchtigen rheinischen Frohnatur war sein schwieriger Zögling Bernd Schuster, über den Derwall später ein wenig reuevoll sagte: «Ich hätte mehr auf ihn zugehen müssen.» Derwall, der von seinem lockeren Führungsstil nicht abwich, sagte aber auch: «Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu meinen Spielern. Auch wenn man mir die lange Leine oft vorgeworfen hat, würde ich es heute nicht anders machen.»

Eine dunkle Stunde in seiner Karriere war der unrühmliche «Nichtangriffspakt» bei der WM 1982 in Spanien. Von der Betreuerbank erlebte Derwall die «Schande von Gijon». Am 25. Juni 1982 hatten die Österreicher in der WM-Vorrunde mit 0:1 gegen Deutschland verloren, worauf beide Teams auf Kosten der punktgleichen Algerier dank des Torverhältnisses in die Zwischenrunde einzogen.

Die Karriere von Jupp Derwall:

Vereine als Spieler: Rhenania Würselen, Alemannia Aachen, Fortuna Düsseldorf

Erfolge als Spieler: 1953 DFB-Pokalfinale mit Aachen (1:2 gegen Rot-Weiss Essen), 1954 zwei Länderspiele gegen England und Portugal

Trainerstationen: 1970 bis 1978 Assistenztrainer der Nationalmannschaft, 1978 bis 1984 Bundestrainer, 1984 bis 1988 Trainer Galatasary Istanbul

Erfolge als Trainer: Europameister 1980, Vize-Weltmeister 1982

67 Länderspiele: 45 Siege, 11 Unentschieden, 11 Niederlagen

Serie von 23 Länderspielen ohne Niederlage

Zwei Mal türkischer Meister und ein Mal Pokalsieger mit Galatasaray Istanbul
von poppejam
#329686
Erst einmal: stolzes Alter mit 80. Ruhe in Frieden Jupp.

Dass er was von Fußball verstand, das bezweifelt wohl niemand. Dennoch klebte an ihm immer die Sache mit Schuster. Wäre er, und auch Schuster, nicht solche Dickköpfe gwesen, dann hätten die 80er noch glorreicher sein können.
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von Vega
#329711
Sehr, sehr traurig :cry: RIP.
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von Maxim de Winter
#329774
Ergänzend zu der schönen Würdigung im Ausgangspost muss man aber wohl noch sagen, dass Jupp Derwall der einzige Bundestrainer war, der nicht ganz freiwillig aus seinem Amt schied.
Alle anderen Nationaltrainer oder Teamchefs wie Schön, Beckenbauer, Vogts, Völler(den Derwall übrigens zum Nationalspieler machte) oder Klinsmann sind ja von sich aus zurückgetreten oder haben ihre festgeschriebene Amtszeit nicht verlängert.
Derwall aber wurde nach einer katastrophalen EM 1984 quasi gefeuert. Ich weiß zwar nicht mehr genau, ob's bei Erich Ribbeck nach der EM 2000 ähnlich war, aber ich glaube "Sir Erich" war ohnehin nur als Übergangslösung engagiert worden.
1984 suchte man aber nach einem neuen Heilsbringer, und Beckenbauer sagt ja immer gerne, dass er damals vom DFB regelrecht gezwungen wurde, das Amt von Derwall zu übernehmen.
Trotzdem weist Derwall wohl nach wie vor eine der erfolgreichsten Bilanzen der deutschen Länderspielgeschichte auf.

Mein Beileid!