Theologe hat geschrieben:Einzelkind hat geschrieben:Sicher, dass das David Lynch war? :lol: Ich glaube, ich habe ihn noch nie ohne Anzug gesehen.
Wahrscheinlich war es David Fincher.
David Lynch hat doch wirklich immer einen schwarzen Anzug an und variiert höchstens beim Hemd und ob mit oder ohne Krawatte.
Aber fast immer den obersten Knopf zu.
Hier kann ich Theologe fast 1:1 beipflichten - außer was Laura Dern angeht. Die ist eine unterschätzte Wucht. Mit Inland Empire hat sie mich umgehauen. Das war auch überhaupt der purste Lynch. Alle seine anderen Werke gehen bis ziemlich nah an die Halbzeit noch einem recht geordnet strukturierten Plotaufbau nach und entgleisen dann in der zweiten Hälfte immer stärker ins Surreale. Bei Inland Empire wird einem der Boden schon nach nichtmal 20 Minuten von seinen 3 Stunden Laufzeit unter den Füßen weggezogen und das wiederholt sich dann in ähnlichen Abständen. Das macht ihn wahnsinnig verstörend, dicht und faszinierend, weil man wirklich gezwungen wird alle Logik fahren zu lassen und sich einfach auf den irren Trip einzulassen. In meine Top 3 kommt er aber trotzdem nicht, weil es doch eine sehr anstrengende Erfahrung ist.
1.
Mulholland Drive auf meinem ersten Platz ist da zunächst Zugänglicher, erreicht aber auch Psycho-Horrorspitzen, die Inland Empire in nichts nachstehen. Und es hat greifbarere Charaktere, in die man sich noch etwas mehr einfühlen kann, plus einem grandios grotesken Blick auf Hollywood und das Star-System. "Es ist nicht mehr Ihr Film."
2.
Lost Highway auf der Zwei ist auch eine ganz klare Sache für mich. Der Film hat mehr movie magic als die meisten Regisseure in ihrer ganzen Laufbahn zusammenbringen; Szenen und Bilder, die sich ewig ins Gehirn brennen. Die Poolparty mit dem Mysterie Man ("Ich bin in Ihrem Haus. Rufen Sie mich an!"), der Erzählbruch in der Gefägniszelle, die brennende Hütte in der Wüste, Verführung im Autoscheinwerferlicht zu "Song of the Siren" und einem bitteren "You will never have me!" Lost Highway dürfte auch einer der am meisten akademisch beackerten Filme überhaupt sein. Als ich ihn mit in meine Liste für meine mündliche Abschlussprüfung aufgenommen habe, hätte ich nicht gedacht wie viele Referenzen und Artikel es quer durch Film-, Literatur-, Kulturwissenschaften bis hinein in die Psychologie dazu gibt. Dem Kanon der meisten kann ich mich nur anschließen: Referenzwerk des Postmodernen Kinos der 90er.
3.
Twin Peaks - Fire Walk With Me kommt in den Kritiken dafür viel zu schlecht weg. Wahrscheinlich weil es für die Hardcore-Fans der Serie doch einige Elemente und auch wesentliche Figuren zu sehr vermissen ließ. Agent Cooper nur in einer recht kleinen Rolle, dafür das Hauptgewicht auf Laura, die wir in der Serie ja nie wirklich kennen gerlernt haben und dann auch noch eine umbesetzte Donna. Da kann ich verstehen, dass Fans der Serie doch ein bisschen was abging. Aber für sich genommen ist das ein Wahnsinnsritt von einem Film. Obwohl er es gar nicht so sehr auf das Genre anlegt ist es für mich einer der effektivsten Horrorfilme überhaupt. BOB ist hier präsenter und gruseliger als in den meisten Folgen der Serie. Selbst wenn er nur neben einer Kommode in einer Ecke kauert und grinst, jagd mir das eine Heidenangst ein. Das Spiel mit dem Wissen um seine andere Identät ist schaurig brillant und die alptraumhaften Szenen wie Laura mit dem Bild und dem Ring oder schon am Anfang der krasse Gastauftritt von David Bowie haben mich wahnsinnig gepackt. Und wenn es dann zum letzten Tag im Leben der Laura Palmer kommt, war ich wirklich gefesselt von der Traurigkeit und Zwangsläufigkeit mit der Lynch alles auf den entsetzlichen Mord zulaufen ließ. Besonders dieser letzte mögliche Umkehr-Moment als Laura auf ihre beiden Freier wartend in Tränen ausbricht und wieder einer dieser schön kitsch-schummrigen Songs von Julee Cruise performt wird, hat eine einzigartige Atmosphäre. Kurzum: der Film packt mich emotional stark und nimmt mich jedesmal wieder richtig mit. Das Ende geht immer noch extrem unter die Haut und ich glaube das ist zusammen mit The Ring der letzte Film, von dem ich noch wirklich Alpträume bekommen habe. Für mich hat er den Geist der Serie jedenfalls sehr gut getroffen und den Fokus dankbarerweise sehr stark auf die dunkelsten Facetten des Mystery-Aspekts gelegt.
Ich glaube man merkt schon ein bisschen, dass ein ziemlicher Lynch Fanboy bin
Naja, abgesehen von seinem komischen Meditationskram.
Aber ich mag Interviews mit ihm. Dem könnte ich stundenlang zuhören. Auch seine Einstellung als echter Künstler und cleverer Cineast gefällt mir.
Und wo soll man demnach richtige Filme sehen? - Im Kino, vielleicht noch auf dem heimischen Fernseher, Aber
nicht...