logan99 hat geschrieben:Problem Nr.1 dürfte bei den meisten sein, dass sie wohl keine sonderliche Kenntnis über die Comics haben, denn vieles was bemängelt wird, entspricht dem, wie die Comics vorgeben. Es ist nunmal kein Nolan-Batman, der ohne Frage sehr sehr gut ist, aber dann doch sehr weit entfernt von dem ist, was wirklich die Comics erzählen/zeigen - halt eher ein Thriller mit Superheldeneinschlag. BvS geht in die andere Richtung.
Erstens: Ich würde mir gesteigerte Grundkenntnisse in Sachen Comics zusprechen. Zweitens: Eine Adaption muss funktionieren. Daher ist es eine Adaption und kein "Bonusmaterial" der Vorlage. Wenn "Dawn of Justice" etwa den eigentlichen Plot anhält, um mitten im Film auf Cyborg, Aquaman und Flash anzudeuten, verstehe ich, was Snyder wohl von mir will. Nämlich, dass ich denke: Oh, wow, in diesem Filmuniversum haben wir diese Figuren noch nicht getroffen, aber sie existieren bereits. Das ändert nichts daran, dass es ungelenk ist und dem Batman-Plot Wind aus den Segeln nimmt. Drittens: Würdest du dir nun bei jeder Buchadaption, jeder Theateradaption und jedem von einem Disney-Ride inspirierten Film vorher die Vorlage reinziehen, weil du davon ausgehst, dass die Filme anderweitig nicht funktionieren? In dem Fall hat das Medium Film aber ein gewaltiges Problem. Vorwissen sollte ein Bonus sein, keine Grundvoraussetzung. Natürlich ist es möglich, verschiedene Filme für verschiedene Zielgruppen zu machen. Aber wenn nun etwa die "Herr der Ringe"-Trilogie von Peter Jackson nur aus "Die Rückkehr des Königs" bestünde, fändest du es legitim, hätte Jackson dem irritierten Publikum gesagt: "Lest halt die Bücher!"? Viertens: Auch wenn Snyders Filme mythologischer und opernartiger sind als Nolans, sind sie noch immer ernster, langsamer erzählt und dramatischer als die meisten Marvel-Filme, und wenn alles so auf Charakterdrama gebürstet ist, wieso darf ich nicht hoffen, dass dies aufgeht?
logan99 hat geschrieben:Und um nochmal auf Avengers Age of Ultron zu kommen, das bezog sich allein auf dein Fazit, wo du den Film quasi zum NonPlusUltra der Superheldenfilme deklarierst.
Ein Fazit ist eine Zusammenfassung, ein Schlusspunkt einer Kritik. Und nicht die gesamte Kritik. Wenn du dich allein auf das Fazit beziehst, statt auf die in der Review angesprochenen Plus- und Minuspunkte, finde ich das schon arg kleinlich.
logan99 hat geschrieben:Mag ja für dich persönlich so sein, aber das ist für mich eben keine sonderlich neutrale und objektive Wertung
Nimm irgendeinen Film. Und frag dazu all deine Freunde in aller Ausführlichkeit. Und lies 100 Kritiken. Jeder wird irgendwo andere Schwerpunkte setzen und Schlüsse ziehen. Eine Filmkritik ist nicht "die TÜV-Routineprüfung für Filme", wo ich mich ins Auto setzen kann, die Scheibenwischer bedienen, den Zündschlüssel drehen usw. kann, um zu schauen, ob die Mechanik das tut, was sie tun soll. Eine Kritik kann versuchen, fair zu sein, und je nach Kontext kann man das gewiss objektiv nennen. Diese Wortklauberei habe ich
hier schon durchzuführen versucht.
Dennoch kannst du nicht erwarten, eine Kritik zu lesen, und zu hoffen, dass sie genau deine Meinung widerspiegelt. Natürlich wird es Kritiken geben, die deiner sehr nahe gehen, und es ist nur all zu menschlich, dann zu denken, "ja, die ist richtig!" Wichtiger ist aber, dass du anhand der Kritik erahnen kannst, was du denkst. Und dass eine Kritik eine (hoffentlich) professionelle Perspektive widerspiegelt. Trotzdem ist es möglich, dass zwei Kritiker gleichermaßen seriös vorgehen, und zu unterschiedlichen Urteilen kommen. So entsteht Konsens. Sonst würden ja bei allen Preisverleihungen durchweg die gleichen Filme in denselben Kategorien gewinnen, und allesamt mit 100% der Stimmen. Dann hätten Filme bei IMDb keinen Durchschnittswert, sondern eine Einheitswertung.
Wenn du meine "Age of Ultron"-Kritik liest, und anhand der Beschreibung denkst "Nee, kein Bock, den zu sehen", ist die Kritik nicht falsch, bloß weil du den Film ja doof findest, das Fazit aber positiv ist. Dann macht die Kritik doch etwas richtig, weil du dir deine Meinung hast bilden können, basierend auf meiner Argumentation. Und wenn du im Idealfall auch noch die positive Sichtweise etwas besser nachvollziehen konntest, wo ist da das Problem? Geschmäcker sind nun einmal verschieden, jeder hat eine andere Vorbildung, und auch wenn man sich noch so sehr um Fairness bemüht, wird man manche Dinge anders verstehen oder auffassen als der andere. Wenn du erwartest, dass Kritiker immer deine Perspektive einnehmen, wirst du über kurz oder lang ziemlich viele verschleißen. Und wie gehst du mit Freunden um, die andere Meinungen haben als du? Gingen die dann auch immer nur unfair mit dem Film um?
logan99 hat geschrieben:wenn du dabei auf sehr viele und sehr deutliche Schwächen gar nicht eingehst bzw.
Bei "Age of Ultron" lobe ich ja nicht alles. Lies dir ruhig die ganze Kritik durch, statt nur das Fazit.
logan99 hat geschrieben:und bei BvS argumentierst du dann genau anderserum, weil der Film ja tonal etwas anderes sein will und daher diese Punkte auf einmal so viel wichtiger sein soll.
Dem ist nun einmal so. Ich kann ein Drama nicht verreißen, weil es nicht lustig ist, einen Erotikthriller nicht loben, wenn er familientauglich ist, und ein Musical nicht kritisieren, weil zu viel gesungen wird. "Age of Ultron" und "Dawn of Justice" sind beides Superheldenfilme. Ja. Da hören die Gemeinsamkeiten aber fast schon auf. Soll ich nun an "Schindlers Liste", "Inglourious Basterds" und "Das Leben ist schön" die selben Maßstäbe setzen, weil alle drei Filme während des Zweiten Weltkrieges/Holocausts spielen?
logan99 hat geschrieben:Kritik schön und gut, aber es liest sich für mich nunmal eher so, dass du die eine Art von Filmen gegenüber der anderen Art bevorzugst und daher deine Wertung entsprechend auch so weit auseinander geht.
Wie gesagt: "Man of Steel" habe ich positiv bewertet, und der ist stilistisch näher an "Dawn of Justice" als an "Age of Ultron". Klar, spielt ja auch im selben Filmuniversum und stammt vom selben Regisseur. Die ernsten Nolan-Filme finde ich allesamt top (zugegeben, das musst du nicht unbedingt wissen, ich habe ja nur Teil drei hier besprochen), "Thor 2" derweil kam nur so lala weg. Ich habe keinen Bias gegen den einen oder anderen Tonfall bei Superheldenfilmen. Ich sehe bei "Dawn of Justice" schlicht Mängel in der Umsetzung - und nicht im gewählten Pfad. Und so albern das "Guck mal, andere denken auch so!"-Argument sein mag: Da ich längst nicht allein mit dieser Meinung stehe (und zwar nicht nur unter Kritikern, sondern auch unter Kinogängern allgemein), hoffe ich, dass du mir allmählich etwas Glauben schenkst, dass ich nicht einfach drauf los poltere oder mit verschränkten Armen in der Pressevorführung gesessen habe und "Ich will aber Marvel sehen!" gewimmert habe.
Edit, zwecks Ergänzung: Und um den Bogen von der unvermeidlichen Vielfalt zurück zur Fairness/Objektivität/Professionalität zu schlagen: Sämtliche Filme des MCU haben bislang ein "Fresh" bei Rottentomatoes, während "Dawn of Justice" mittlerweile bei 29 Prozent rumkrebst. Was ist wahrscheinlicher: Dass ein Großteil der Kritiker den selben Geschmack hat und sich ganz unprofessionell von Marvel hat einlullen lassen? Dass die meisten Kritiker vielleicht sogar von Marvel geschmiert wurden? Oder könnte es sein, dass Marvel seine Sache bislang auf handwerklicher Ebene vielleicht doch gut gemacht hat, so dass die angeblich verbitterten, alle Unterhaltungsfilme hassenden Kritiker deren Blockbuster dann eben doch durchgewunken haben?