Zunächst mal:
dass du so krank warst, wusste ich natürlich nicht. Das tut mir auch sehr leid.
Ich bleibe aber bei meiner Aussage:
es ist völlig normal, dass einer Prominenten wie Monica Lierhaus viel Raum geboten wird, um ihre Geschichte zu erzählen oder sie selbst zu durchleuchten. Dafür ist bzw. war sie nunmal eine Person des öffentlichen Lebens und hat auch Fans - und natürlich wollen die wissen, wie es ihr geht.
Zweitens, und das ist noch wichtiger: Frau Lierhaus wird dadurch zu einem Symbol, zu einem Vorbild für alle, die in einer ähnlichen Situation sind, ihren Lebensmut verloren haben, des Kämpfens müde geworden sind. Dass sie dabei nicht alle erreicht, ist nun auch ziemlich natürlich. Nicht jeder wird sofort "Hurra" geschrien haben, als er die Lierhaus im Fernsehen sah. Aber es hat unbestreitbar einen psychologischen Effekt, wenn auch wohl erst eher nachhaltig. Und wenn sie verdammt nochmal nur einen "rettet", ist schon viel geholfen.
Und: der Auftritt war für sie wichtig, er hatte "therapeutische Wirkung", wie viele Mediziner sagten, von den ich unabhängig voneinander sah oder las. Für sie ist es ganz wichtig, jetzt stattzufinden und dass das Publikum sich mit ihr freut, Anteil nimmt. Das gibt ihr Kraft, auf dem Weg, weiter gesund zu werden.
Und da versteh ich echt nicht, wie du sagen kannst, das wäre ein Schlag ins Gesicht für andere Betroffene. Denn in dem Fall ist Monica Lierhaus nicht mehr nur die privilegierte Moderatorin, die wieder im Rampenlicht steht - sondern eine von denen, denen das Leben mal ganz übel mitgespielt hat.
Warst Du schonmal über ein Jahr im Krankenhaus und hast dort Leute einsam sterben sehen, die man einfach mal so rausgeschoben hat? Hast Du Leute gesehen, die es überlebt haben und ganz normal ohne viel TamTam ins normale Leben "zurückgeführt" wurden? Vermutlich nicht, aber ich.
Wieso vermutest du, dass ich das nicht erlebt habe? Weil ich eine andere Meinung hab als du?
Ich erlebte sowas Gott sei Dank noch nicht am eigenen Leib. Aber ich war fast ein Jahr Zivi im Krankenhaus. Da hab ich kranke Menschen einsam sterben sehen. Alte Menschen, die zwar Angehörige hatten, die aber trotzdem nicht besucht wurden. Der erste Patient, den ich aufnahm, war ein Herr von Mitte 50. Unheilbar krank. Ich war über zwei Wochen lang jeden Tag bei ihm, unterhielt mich mit ihm, guckte mit ihm Fußball, solche Dinge. Es war ein Schock, als er plötzlich starb. Ich sah eine ältere Dame, die 4 Monate bei uns lag, Krebs und einige andere Sachen. Ihr Mann saß im Rollstuhl. Ihre Tochter starb während dieser Zeit bei einem Verkehrsunfall. Ich bewunderte diese Frau, weil sie immer so fröhlich und freundlich war und so lebensklug. Jeder hätte verstanden, wenn sie gesagt hätte "Ich pack das jetzt nicht mehr" und sich aufgegeben hätte. Aber sie hat weitergemacht und sich ins Leben zurückgekämpft. Sie wurde sogar noch aus dem Krankenhaus entlassen und als sie ging, bedankte sie sich bei unserem Team, dass nur wir es waren, die ihr die Kraft gaben, weiterzumachen.
Und auch ich war schonmal in einer Situation, als ich nicht mehr konnte. Mein bester Freund brachte sich 2006 um, ich sprach über mehrere Wochen keinen Ton, ich aß kaum was, ich schließ wenig, ich ging nicht mehr ans Telefon. Es waren meine Familie und meine Freunde, die mich da rausgeholt haben. Ich hatte über Wochen nur den Wunsch, es meinem besten Freund gleichzutun, weil ich wieder bei ihm sein wollte, ich fand nur nicht den richtigen Weg. Und wenn ich dort keine Menschen gehabt hätte, die sich um mich kümmerten, wär ich sicher draufgegangen. Es waren zwar keine Promis - aber es waren so kleine Dinge, die mir immer wieder zeigten, dass es sich doch sehr stark zu leben lohnt. Und vor allem: dass ich nicht alleine bin und dass es Menschen gibt, die auch meine Hilfe brauchen und dass es auch immer noch Menschen gibt, denen es mindestens genauso schlecht geht wie mir.
Natürlich war die "Goldene Kamera" für Frau Lierhaus nur Mittel zum Zweck. Aber jeder weiß doch bitte, dass es da nicht um den Preis ging, sondern um die Botschaft, die sie für andere, vor allem aber für sich selbst aussenden musste: "Ich bin wieder da."
Und wer das nicht kapiert, muss schon ein sehr gefühlloses Arschloch sein.
"Das wär dein Lied gewesen, doch zu dir fällt mir einfach nichts ein. Das wär dein Lied gewesen, doch du reichst nichtmal für zweieinhalb Zeilen."