- Mo 10. Mär 2008, 08:55
#470134
So, nach eigentlich schon fast jahrelangem Mitlesen hier hab ich mich nun angemeldet und will mal meinen Senf dazu geben für alle, die vielleicht an Blind Justice interessiert sind.
Ich habe die Serie schon gesehen und freue mich, dass sie nun doch nicht im Kabel-eins-Archiv verrottet, wie zu befürchten war. Die Quotenmeter-Kritik beschreibt die Serie meiner Meinung nach ziemlich gut, wobei man das mit den "geschärften Sinnen" und der "Visionskraft" nicht gar so ernst nehmen sollte. Keine Angst, Dunbar wird nicht als zweiter Daredevil dargestellt, sondern die Handlung erscheint sehr realistisch. Für die Dreharbeiten wurde ein blinder Trainer engagiert, der mit dem Hauptdarsteller arbeitete und der in einem Interview versicherte, dass Jim Dunbar nichts tun würde, was nicht jeder intelligente, gut ausgebildete blinde Mensch auch tun könnte.
In den ersten ein, zwei Folgen wird noch versucht, Dunbars Eindrücke von Tatorten usw. mittels optischer Verfremdung visuell darzustellen. Für mich hat das nicht sonderlich gut funktioniert und so fand ich es erfreulich, dass dann ziemlich bald darauf verzichtet wurde. Die ganz normale Handlung ist spannend genug, so wird z. B. die Spannung innerhalb des Reviers thematisiert, die es in einem eingespielten Team gibt, wenn jemand neu hinzukommt und dann auch noch jemand, auf den Rücksicht genommen werden muss und der nicht so "funktioniert" wie alle anderen. Die Kriminalfälle sind gute, normale Durchschnittskost, keine extremen und kontruiert wirkenden Fälle à la CSI & Co.
Die einzige echte Schwachstelle ist der Handlungsstrang, der sich um Dunbars Waffe dreht. Nachdem er vor Gericht die Wiedereinsetzung in den aktiven Dienst erstritten hat, gilt er als "vollwertiger" Detectiv und darf somit auch eine Waffe tragen. Dies tut er auch und bietet somit verständlichen Anlass zu Diskussionen unter seinen neuen Kollegen. Mir ging es da wie vielen US-Zuschauern, die diesen Plot zu recht sehr unglaubwürdig fanden und daraufhin der ganzen Serien keine Chance gaben.
Zum Glück kann ich über solche Sachen großzügig hinweg sehen und das empfehle ich auch allen Interessierten. Bleibt dabei und schaut einem beeindruckend guten Hauptdarsteller bei der Arbeit zu! Ron Eldard gleitet nicht einem Moment in die Mitleidsnummer ab, sondern zeigt uns Jim Dunbar als einen Vollblutcop, der (zu?) verbissen darum kämpft, sein altes (Berufs)Leben wieder zu bekommen. Man merkt ihm an, wie viel mehr ihn der Berufsalltag nun an Kraft kostet, wie er sich konzentrieren muss, um alles mitzubekommen. Dunbar stellt dabei, oberflächlich betrachtet, fast immer ein abweisendes, unbewegtes Gesicht zur Schau, denn er hat stets den Nachteil, dass Andere in seinem Gesicht lesen könnten, er aber nicht in ihrem. Nur allerkleinste Regungen zeigen, wie es ihm wirklich gerade geht. Folge für Folge fühlt er sich jedoch sicherer im neuen Revier, im Job und mit den neuen Kollegen und wird damit auch allgemein lockerer. All das schafft Eldard ohne die berühmte "Augensprache" und irritierte damit seine Schauspielerkollegen anfänglich sehr, die erst lernen mussten, mit jemandem zu spielen, der einen so extrem unfokussierten Blick hat. Bei allem Drama gibts aber auch ein paar lustige Momente, denn Mr Eldard verfügt auch über ein solides komisches Talent. (Hat hier jemand "Bakersfield P.D." gesehen?)
Alles in allem kann ich also Blind Justice nur empfehlen und hoffe, dass es ein paar Leute ansehen werden. Für mich als Original-Gucker bleibt allerdings mal wieder die ewige Befürchtung, wie gut oder schlecht die Synchonisation gelungen ist.... :?
Lessa