Allgemeine Diskussionen & TV-Sender, die in keines der anderen Foren passen (z.B. Tele 5, Eurosport, Comedy Central)
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von Rodon
#1350829
Hallo!

Ist euch auch aufgefallen, dass die Reichweiten und Marktanteile der großen Sender in dieser Saison besonders bei den Privatsendern ungewöhnlich schlecht sind? In den letzten Monaten habe ich bei einem Blick auf die Top-20-Reichweiten, speziell in den Zielgruppen, oft gedacht, wir haben wieder Sommer. In letzter Zeit knackt ja selten eine Sendung noch die 2-Mio.-Marke in der Zielgruppe 14-49.

Der gestrige Tag ist auch mal wieder ein Paradebeispiel. "CSI: Vegas" holte den Primetime-Tagessieg in der werberelevanten Zielgruppe mit lahmen 1,45 Mio. Zuschauern und 13,3% Marktanteil. Bei der Konkurrenz noch ernüchterndere Zahlen. Wo sind die Marktanteile hin? Machen sich die kleinen Sender immer mehr breit?

Und wie lassen sich die überschaubaren Reichweiten erklären? Liegt es am schlechter gewordenen TV-Programm oder schlägt der Interneteffekt immer stärker zu? Ich bin mir da etwas unschlüssig. Es gibt ja einige Formate wie den "Tatort", der sich trotz vereinzelt durchwachsenener Qualität und Abrufbarkeit in der Mediathek eher immer besser als schlechter entwickelt. Nur läuft der halt in der ARD. Bei den Privaten hingegen herrscht jetzt schon länger eine besonders heftige Durststrecke.

Woran liegt's eurer Meinung nach?
#1350839
Wie Du selbst ja schreibst, betrifft es in erster Linie die sogenannte Zielgruppe 14 - 49.
In dieser Gruppe befinden sich der weitaus größere Teil der Zuschauer von RTL, Pro7 und Co.
Der "Tatort" wiederum läuft in der ARD, die ja ähnlich wie das ZDF überwiegend von der Generation 40+ gesehen wird.

Nun ist es aber so, dass gerade in der "Zielgruppe" 14 - 49 seit geraumer Zeit immer öfter der TV mal ausbleibt,
und man sich anderen Dingen wie z.B. dem Internet widmet.
Bei der etwas älteren Generation kommt das bei weitem nicht so oft vor.
#1351034
Naja, die Marktanteile haben ja erstmal nichts damit zu tun, dass man die Sendung auch im Netz abrufen kann. Die Anteile berechnen sich allein aus den Leuten, die an diesem Abend Fernsehen schauen. Und so können 10% MA eben mal 1,3 Mio. Zuschauer oder auch 2 Mio. Zuschauer sein.

Interessanter ist die Beobachtung des allgemeinen Zuschauerschwunds. Und wenn das so stimmt: Ich glaube, hier kann man tatsächlich die Abrufbarkeit im Internet aufführen, aber auch die Tatsache, dass momentan ständig Fußballspiele parallel laufen. Insofern sind die Zuschauer stärker an eine Sendung gebunden, während die anderen stark abfallen. Und auf der anderen Seite: Wir hatten in den letzten Wochen richtig gutes Wetter mit sommerlichen Temperaturen.

Was den Tatort angeht, glaube ich, dass die starken Zahlen einerseits am gelernten Verhalten liegt: Der Tatort kommt seit Jahrzehnten immer zur gleichen Zeit, er hat eine ziemliche mediale Aufmerksamkeit in den öffentlich-rechtlichen Radiowellen und nicht zuletzt ist die Abrufbarkeit in der Mediathek auch beschränkt auf ein Zeitfenster. Insofern schaut man den Tatort eben live an, weil die Abrufbarkeit in der Mediathek komplizierter ist als bei anderen Sendungen - allein durch die Zeitbeschränkung.
#1351233
Auch der demographische Wandel kommt hinzu (was die Millionenzahlen betrifft). Anfang des Jahres war in der Zeitung groß zu lesen "Die Babyboomer werden 50". Was das für die Zielgruppe 14-49 bedeutet und in den nächsten Jahren noch bedeuten wird ist absehbar. Die Währung 14-49 wird in den nächsten 5-10 Jahren stark an Bedeutung verlieren. In gut 8 Jahren werden die letzten Jahrgänge in denen es noch mehr Geburten als Sterbefälle gab die Zielgruppe verlassen. Und die Langzeit-Tendenz ist auch negativ, da immer weniger junge nachkommen. Ich bin gespannt, wie das Privatfernsehen damit mittelfristig umgehen wird.
#1351237
Nicht viel derzeit. In einem dwdl-Interview heißt es:
Warum dennoch derzeit noch alle Marktteilnehmer die Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen nutzen? Es sei der "kleinste gemeinsame Nenner, um grundsätzliche Entwicklungen ablesen zu können. Aus Tradition hält man sich an diesen Vergleichswert, auch, weil eine Umstellung nur dann funktioniert, wenn der gesamte Markt mitmacht", erklärt der IP Deutschland-Geschäftsführer, der gleichzeitig betont, dass Werbekunden längst mit Blick auf sehr viel genauere Zielgruppen buchen.
Das Problem ist, dass der einzige Sinn dieser Zielgruppe im Vgl. zum Gesamtpublikum, darin liegt, dass sich die Privaten besser verkaufen können. Es gibt schon jetzt Privatsender, bei denen über die Hälfte der Zuschauer über 50 ist (Sat.1 + kabel eins), andererseits würde sich ProSieben von Platz 2 auf 4 verschlechtern (hinter Sat.1 + ARD) weshalb ProSiebenSat.1 dagegen sind. Ich schätze, dass ihnen vor allem ein Dorn im Auge ist, dass die öffentlich-rechtlichen dadurch an Bedeutung gewinnen würden.
#1351239
Nur was bringt das, wenn die Gruppe der 14 - 49-jährigen immer kleiner wird?
Das ist doch ursprünglich so gedacht gewesen, weil diese für die Werbung so wichtig sei,
da die eher von dieser beeinflussbar wäre.
Nun hat sich aber schon seit längerem herausgestellt, dass das meiste Geld von den 50 - 60-jährigen ausgegeben wird.
Zudem ist diese Gruppe inzwischen auch viel flexibler in Sachen wechselnder Einkäufe,
als noch in den 80er-Jahren.
#1351248
Im Wikipedia-Artikel zum Thema wird es mit Bezug auf einen Zapp-Beitrag so beschrieben:
In einem Beitrag des Medienmagazins Zapp des NDR Fernsehens im Jahr 2008 bezeichnete der ehemalige RTL-Vermarktungschef Uli Bellieno die Zielgruppenfestlegung als „wunderbaren Vermarktungstrick“ seines Programmdirektors im Wissen um die größtenteils älteren Zuschauer bei den erheblich quotenstärkeren Konkurrenzsendern und als „Verzweiflungstat“, um kommerziell erfolgreich gegen die anderen Sender zu bestehen. Dieser willkürlich eingeführte Gradmesser für den „Erfolg“ von Fernsehprogrammen habe bei dem damaligen Luxemburger Kleinstsender den Zuschaueranteil künstlich nach oben getrieben. „Es ist eigentlich eine ziemlich unsinnige Zielgruppe“, denn 49 Jahre sei „überhaupt kein richtiger Schnitt“. Schließlich arbeiten und konsumieren die Menschen üblich erheblich länger, sind also ebenfalls werberelevant „und zwischen 14, 25, 36 (Jahren) usw. liegen riesige Welten.“ Im selben Beitrag kommt der Werbeexperte Bernd M. Michael der Werbeagentur Grey zu Wort und nennt die Erschaffung der werberelevanten Zielgruppe eine „willkürliche Abgrenzung zu dem überwiegenden Teil derer, die die Öffentlich-Rechtlichen sehen“, eine „wunderbare Lüge“ und „könnte man nicht seriös begründen“. Durch die Begrenzung auf dieses Zuschaueralter hoffte RTL, die insgesamt stark unterdurchschnittlichen Zuschauerzahlen besser an die Werbebranche vermarkten zu können, da diese junge Zuschauergruppe im Vergleich zum Gesamtpublikum eher das eigene Programm einschaltete und der Sender so in einem eingegrenzten Altersspektrum höhere Marktanteile generieren konnte, als die über Jahrzehnte etablierten öffentlich-rechtlichen Sender.
Sagen wir's mal so; wer sich als Werbetreibender von "werberelevanten Zielgruppe" blenden lässt, tappt in die Marketing-Falle - und genau dafür ist die Zielgruppe da. Gute Werbetreibende (wahrscheinlich die Meisten) werden sich verschiedene Altersgruppen die für ihr Produkt erfolgsversprechend sind ansehen und entsprechend aussuchen und hoffentlich nicht nur die Sender in Betracht ziehen, die in der Rangfolge der angeblichen werberelevanten Zielgruppe weit genug oben stehen.
Zuletzt geändert von Säqirjënn am Do 10. Apr 2014, 23:44, insgesamt 1-mal geändert.
#1351251
Warten wirs mal ab. Wäre interessant, wenn Quotenmeter.de die erweiterte Zielgruppe in den Berichten auch mit angeben würde, dann könnte man die daraus resultierenden Veränderungen besser mitverfolgen.
#1351253
ZuschauerNr.80000000 hat geschrieben:Warten wirs mal ab. Wäre interessant, wenn Quotenmeter.de die erweiterte Zielgruppe in den Berichten auch mit angeben würde, dann könnte man die daraus resultierenden Veränderungen besser mitverfolgen.
Psst ... :lol: : dwdl führt in seinen Top 20 beide Altersgruppen aus. Ich hab das nicht intensiv verfolgt, aber was ich ab und an mal sehe, so wirkt es sich mal positiv und mal negativ aus.
#1351553
ZuschauerNr.80000000 hat geschrieben:Auch der demographische Wandel kommt hinzu (was die Millionenzahlen betrifft).
Das Argument habe ich so noch nicht in dem Zusammenhang gehört. Ich frage mich gerade, inwieweit ich das als Argument einordnen soll, auch weil doch die Haushalte für die Quotenermittlung nach bestimmten Faktoren ausgewählt werden. Und da ist doch Alter garantiert ein Fakt.
#1351566
Ja, man wird wohl auf das Alter der Teilnehmer achten um die Gesellschaft möglichst gut nachzubasteln; ob bei der Auswahl oder im Nachhinein durch Gewichtung. Daraus folgert dann ja auch, dass, wenn die Bevölkerung älter wird, auch die Panel-Population proportional älter wird und die zahlreichen Älteren zunehmend aus der Zielgruppe 14-49 ausscheiden; es also z.B. seltener werden wird, dass umgerechnet hier die 2-Mio.-Marke erreicht wird. Auf die Gesamtbevölkerung/Gesamtpanel gesehen dürfte der Effekt allerdings geringer bzw. langsamer ausfallen.