Allgemeine Diskussionen & TV-Sender, die in keines der anderen Foren passen (z.B. Tele 5, Eurosport, Comedy Central)
#1563101
„Warum haben die Straßenschuhe im Zimmer an?“ – So ähnlich könnten vor allem aufmerksame jüngere Mit-Zuschauer bei vielen Fernsehsendungen im Kinder- und Jugendprogramm fragen und damit eine unvermutet weitreichende Frage stellen.
Tatsächlich werden in Kinder- und Jugendserien bisher auffällig oft Schuhe anbehalten, wenn das nicht wirklich angebracht erscheint. Und das ist auch nicht nur auf Kinderprogramme beschränkt. Unabhängig wie man es selbst damit hält, ob zu Hause Schuhe anbehalten werden oder nicht, ist es zumindest zweifelhaft, ob Kinder warme Stiefel drinnen anbehalten würden oder bei Serien auf dem Land mit denselben Schuhen ins Zimmer kommen oder die Füße mit Schuhen hochlegen würden, die eben noch auf dem Hof getragen wurden. Es gibt großartige Serien, mit spannenden und relevanten Inhalten, talentierten Darstellenden, toller Kameraführung und Ausstattung und sehr viel Liebe zum Detail. Bis auf eben dieses Detail. Ob Schuhe zur Szene passend anbehalten werden, scheint sehr oft niemandem wichtig zu sein. Wenn in einer Folge eine Figur bestimmte Schuhe einmal anhat, bleibt es meist dabei - drinnen wie draußen, egal. Ausnahmen bedürfen schon einer Szene im Schlafanzug.
Bis hierhin könnte man es spießig finden, über dieses Thema nachzudenken. Aber wer auf das Problem mit den Schuhen einmal aufmerksam wird und dann in den Mediatheken in verschiedene Serien und Folgen mal reinschaut, könnte auch bemerken, dass etwa in der beliebten Serie „Die Pfefferkörner“ recht häufig Markenschuhe partiell abgeklebt wurden oder bemalt, um Logos etwa von Nike oder Adidas unkenntlich zu machen. In einer Folge „Sneakerfieber“ behandelt diese Serie sogar ausdrücklich selbst das Problem des Markenwahns am Beispiel von Sportschuhen. Tatsächlich kann von Schuhen ein kritischer Statussymbol-Einfluss ausgehen, ob sich insbesondere Kinder und Jugendliche als angesagt begreifen oder als Außenseiter. Was für Schuhe von den Protagonisten einer Serie getragen werden, hat, wie im echten Leben auch, nur hier nochmal potenziert Einfluss. Das Abkleben von Markenlogos nutzt aber nichts, wenn dennoch häufig Turnschuhe aber auch Stiefel verwendet werden, deren Markenzugehörigkeit auch ohne Logos schnell erkannt oder deren Stil mit Schuhen bestimmter Marken assoziiert werden kann. Da Product-Placement in Kindersendungen streng verboten ist, ist zumindest in der EU nicht davon auszugehen, dass Werbung für zum Beispiel Doc Martens, Timberland und Co. und geradezu inflationär oft „Chucks“ der Anlass ist, dass bestimmte Schuhe und Marken dabei mittlerweile so häufig auftauchen.
Schaut man in langlebige Fernsehserien - also mit vielen Staffeln über viele Generationen - fällt zudem auf, dass in frühen Folgen die Auswahl schon der Schuharten umfangreicher erscheint. Da gab es viel öfter Sandalen und andere Halbschuhe statt Stiefeln und Sneakern, die mittlerweile fast nur noch getragen werden. Viele von diesen anderen Schuhen entsprechen aber heute bereits veralteten Moden und ordnen die Folgen somit einer vergangenen Zeit zu. Die heute genutzten Turnschuhe und Halbstiefel wirken dagegen zeitlos aktuell und das macht für Wiederholungen wohl auch Sinn. So scheitert es jedenfalls nicht an der Schuhmode, dass Folgen auch in ein paar Jahre noch von kommenden Generationen als aktuell wahrgenommen werden könnten.
Inwieweit Schuhe in Serien Kinder heute tatsächlich beeinflussen, wird man nicht exakt messen können. Wenn bestimmte, immer wieder in Serien gezeigte Schuhe sich aber umgekehrt über Generationen in der Mode halten, kann man gewisse gegenseitige Effekte offenkundig nicht ausschließen.
Was könnte man tun, um das zu vermeiden? Scheint es, wie eingangs geschildert, bisher eher selten vorzukommen, dass die Charaktere in Szenen ohne besonderen Anlass einfach ohne Schuhe zu sehen sind, könnte man genau das künftig anders machen. Man dürfte viele Möglichkeiten finden, Szenen so anzulegen, dass die Darstellenden beim Drehen öfter keine Schuhe tragen oder nicht anbehalten.
Etwa in Wohnungen wo Charaktere, die dort wohnen, Hausschuhe anhaben und wer zu Besuch ist, die Schuhe an der Tür ausgezogen hat. Auch in fremden Wohnungen, weil es von deren Bewohnern verlangt werden könnte oder weil es ungefragt geboten ist, um zum Beispiel älteren Leuten keine Zusatzarbeit beim Saubermachen ins Haus zu bringen. In Detektivgeschichten könnte man Juniordetektive, um keine Spuren oder Geräusche zu machen, auch mal auf Socken schleichen lassen. Und wenn Ganoven sie erwischt haben, könnten neben dem Handy auch die Schuhe konfisziert worden sein, um die Flucht zu erschweren, wenn man sie dann eingesperrt oder irgendwo festgebunden sitzen sieht. Hauptquartiere spielen in vielen Kinderserien eine wichtige Rolle. Ein gemütliches Lager mit Kissen oder einer Couch, wo man es zur Gewohnheit gestaltet, dass die Charaktere sich dort ihre Schuhe ausziehen, um es bequem zu haben und die Polster sauber zu halten. Das zeigt man ab und zu mal oder lässt kurz abgelegte Schuhe als Haufen ins Bild kommen und dann ist klar, warum die Darstellenden zum Beispiel auch auf dem Dachboden oder im Baumhaus in Strümpfen sitzen bzw. spielen könnten. Selbst für Außenszenen gäbe es Ideen, etwa bei Treffen auf der Picknickdecke. So bedarf es stets nur einer simplen Erklärung, warum die Schuhe fehlen. Kurz, viel ist denkbar, um Schuhe auch ohne Tricks der Kameraführung aus dem Bild zu holen.
Vermutlich ist es aber gar nicht mal der Königsweg, einfach weiter nur Schuhe seltener zu zeigen und Marken, die die Zielgruppe eh in der Schule täglich mitbekommen, dabei zu verstecken. Schuhe werden immer auftauchen. Und in den Köpfen der Zusehenden tragen die Protagonisten ja gedacht weiter jene Schuhe, die man irgendwann zumindest kurz gesehen hat, was bereits ausreichen kann, damit diese mit der Figur modisch verknüpft werden. Welche Schuhe „in“ sind oder werden, auch weil sie in der Serie von beliebten Charakteren getragen werden, kann man also in der Wirkung kaum beeinflussen. Die für die Rollen ausgewählten Schuhe dürfen schließlich - jedenfalls bei einer Serie, die auf ein Alltagsszenario aufbauen soll - nicht völlig ungewöhnlich sein, damit die Protagonisten für die Zusehenden glaubwürdig bleiben. Man sollte vielleicht im Fernsehen eher viel stärker als bisher darauf abstellen, dass Schuhe vor allem nicht fortlaufend getragen werden. Das Ausziehen selbst sollte dann Teil der Handlung werden. Es reichen entsprechende, aber dann regelmäßig angedeutete Bewegungen in Szenen an der Tür oder bevor sich jemand irgendwo bequem niederlässt. Es gilt zu zeigen, wie selbstverständlich sich auch Serienheldinnen und Helden dieser vermeintlichen Statussymbole in alltäglichen Situationen entledigen. Schuhe wirklich nur als ein temporäres Kleidungsstück, wie eine Jacke, statt sie wie bisher zum fixen Teil des „Outfit“ zu stilisieren. Die Fernsehserie kann dabei mehr als den Schulalltag abbilden, wo man die anderen meist stets in ihren Schuhen sieht.
Und vielleicht kann man gerade durch Szenen, bei denen sich die Protagonisten, auch wenn sie sich untereinander treffen, ihre Schuhe erkennbar ablegen, sogar im echten Leben erreichen, dass auch dort beim Zusammensein in der Zielgruppe in geeigneten Momenten öfter und selbstverständlicher Schuhe ausgezogen und weggelegt werden, womit all jenen, die nicht über die „angesagten“ Schuhe verfügen, vermehrt sozialadäquate Gelegenheit geboten würde, das fragwürdige Unterscheidungsmerkmal ganz wörtlich abzulegen. Und wenn auch die coolen Kids in der Serie mit den coolen Schuhen in der Schule diese in der Freizeit vielleicht gar nicht tragen dürfen, weil die Elternrollen sie zwingen, nicht die guten Schuhe zum ‚Spielen“ anzuziehen, kann man auch etwas tun, um den Statussymbol-Einfluss zu bekämpfen, vorausgesetzt man hat zuvor dafür gesorgt, dass die Schuhe von den Rollen nicht permanent in einer Folge anbehalten werden. Es gilt intelligent aber auch aktiv zu kompensieren, was an unvermeidlichem Einfluss, den die Produzenten mit besagten Abklebe-Aktionen ja längst selbst eingeräumt haben, von Schuhen in Filmen und Serien ausgeht.
Ausgerechnet Streaming Dienste mit amerikanischen Serie leben es schon vor, das konsequente Ausziehen von Schuhen. Zum Beispiel die Teenager Rolle der Miss Marvel macht das auf Disney+ immer wieder, wenn sie ein Haus betritt. Und auch bei den Paper Girls auf Amazon Prime wird gezeigt, wie sich nicht nur ein Charakter bei sich zu Hause die Schuhe abstreift sondern auch ihre Begleiterinnen darauf die Schuhe ausziehen und später in Szenen immer wieder in Strümpfen spielen.
Betrachtet man neue Folgen, könnte eine Wahrnehmung des Themas auch in Deutschland bereits im Gange sein. In der zuletzt veröffentlichten, mitten in der Pandemie gedrehten Staffel der „Pfefferkörner“ beispielsweise sieht man, dass die Darstellerin einer Mutterrolle in der Wohnung nur dicke Socken trägt. Wenn die Tochter daneben ihre Stiefel daheim aber anbehält, passt das nicht. Das schien im Laufe des Drehs aufgefallen zu sein, denn nach wenigen Episoden hatte auch die Tochter in den Wohnungsszenen auf einmal keine Schuhe mehr an. Dass man nun noch mitbekäme, dass die Schuhe beim Betreten der Wohnung - am in dieser Serie sogar oft vorhandenen Schuhschrank – bewusst ausgezogen werden, fehlt aber noch. Bisher bleibt so offen, ob der plötzliche Verzicht auf die Schuhe nun gewollt war oder eher nur eine geduldete Entscheidung der Darstellenden, die hier schlicht ihre Lockdown Erfahrung eingebracht haben könnten. Es gibt bereits ein Gruppenbild der kommenden Generation dieser Serie, die gerade gedreht wird. Darauf erkennt man die rosa Halbstiefel des Nesthäkchens der Kinderbande, weil es einen Fuß hochgestellt hat. Ein Markenschuh? Egal Hauptsache die Stiefel landen dann auch im Schuhschrank.
Fazit: Schuhe abkleben oder wegpixeln war gestern und albern, Schuhe ausziehen oder weglassen wäre der Weg, den deutsche Produktionen für das Kinder- und Jugendprogramm besser gehen sollten.
#1563144
In dem Beitrag erwähnte ich, dass die Werbewirkung von Schuhe, die von Rollen für die Zielgruppe in Serien des Jugendprogramm nicht exakt messbar sein dürfte. Der Einfluss ist aber messbar. So gaben in der Marken-Kinder Studie 2019 von KB&B, einer Marketingagentur spezialisiert auf Familien und Kinder, Kinder im Alter von 9 bis 12 Jahren mit bis zu 75 Prozent an, dass sie Marken über das Fernsehen kennenlernen. Erst ab 13 Jahren wird das Internet als Medium langsam wichtiger.
In der selben Studie beantworteten Kinder in der Zielgruppe 11 bis 14 Jahre auf die Frage, bei welchen Dingen es ihnen besonders wichtig sei, dass diese von einer bestimmten Marke stammen, mit deutlichem Abstand vor anderen Optionen "Kleidung" und "Schuhe".

Ähnliche Ergebnisse zeigen auch andere Untersuchungen auf, etwa hier https://de.statista.com/statistik/daten ... utschland/ Zitat: "Knapp die Hälfte der Kinder in Deutschland im Alter von 6 bis 9 Jahren achten auf die Marke von Sportschuhen. Laut des Kinder-Medien-Monitors 2021 gaben derweil rund 82 Prozent der befragten Kinder zwischen 10 und 13 Jahren an, dass ihnen die Marke bei Sportschuhen und Sneakern wichtig ist."
Schuhe mögen am Set und auf dem Bildschirm im Jugendprogramm also klein und bedeutungslos erscheinen, tatsächlich sind es ausgerechnet Schuhe gerade nicht.

Das zumindest eine Produktion, wie im Beitrag erwähnt, ja schon auf das Thema reagiert hat, ist löblich, die Frage ist, wie man damit richtig umgehen kann.
#1564668
Danke für den Artikel. Ich würde gerne weitere Artikel von dir lesen. Eigentlich habe ich im Internet nach dieser https://vernunftigewahl.de/buegelbrett-test/ Website gesucht, weil mein Freund möchte, dass ich ihm bei der Suche nach einem Bügelbrett helfe. Er möchte es für sich selbst kaufen, aber vorher möchte er es mit anderen vergleichen, und als ich online danach suchte, fand ich auch einen Link zu Ihrem Beitrag.