Fernsehfohlen hat geschrieben:Trötenflöter hat geschrieben:Das in Kombination mit dem ist der Grund, warum jeder Versuch politischer Bildung und Unterhaltung bei den ÖR eine Farce ist.
Ich bin ganz ehrlich: Ich verstehe den Artikel in seiner Gesamtheit nicht und ich habe auch an der Petition teilgenommen, nachdem ich damals das Pelzig-Format sah und mich durch ein paar Artikel verschiedener Zeitungen klickte, die allesamt mehr oder minder klar aussagten, dass mit dieser Änderung der Verwirtschaftung der Wasserversorgung Tür und Tor offen stünde. Da ich der sehr, sehr, sehr, sehr liberalen FAZ in Anbetracht ihrer sehr wirtschaftsnahen Berichte bei neuen Diskussionen über die Ausbeutung von Billigjobbern gerne mal misstraue, würde ich schon gerne wissen, ob das Blatt diese Auffassung exklusiv hat.
Ansonsten fänd ich die deutliche Stimmungsmache gegen den Barnier-Vorschlag in manchen öffentlich-rechtlichen Medien schon durchaus auch zweifelhaft. Und ja, ich gebe zu, nach kurzer Recherche hier Barwasser alias Pelzig recht schnell geglaubt zu haben, da ich eine Privatisierung der Wasserversorgung skandalös gefunden hätte und ihn bei einem so eindringlichen Aufruf auch ernst nahm.
Fohlen
Der Spiegel sprach auch von einem Missverständnis und den wirst du wohl kaum als "sehr sehr sehr sehr liberal" (Sozialkundeunterricht 11. Klasse?) bezeichnen. Es spricht nicht wirklich für dich, dass du deine Unterschrift unter eine Petition leistest, deren Grundlage du nichtmal gelesen hast (ironischerweise sind das dann in der Regel die Leute, die nach mehr Volksentscheiden schreien).
Allein die
ersten beiden Seiten hätten genügt, um zu sehen, dass es einen Unterschied zwischen "EU privatisiert Wasserversorgung" und "EU möchte die Vergabepolitik von Konzessionen verbessern" gibt.
rosebowl hat geschrieben:Auch die Aussage "Der EU-Vertrag billigt den Kommunen ausdrücklich zu, wichtige Leistungen selbst zu erbringen" heißt ja nicht viel. Die grundsätzliche Kritik richtete sich ja darauf, dass zentrale Punkte der Daseinsvorsorge eben in staatlicher Hand sein und auch bleiben sollen. Dass man dann sagt "ja wenn die Kommune unbedingt will, kann sie ja die Kohle dafür ausgeben" finde ich doch etwas mager. Ziel muss doch vielmehr sein, dass solche Aufgaben gesichert in staatlicher Hand oder zumindest unter entsprechender Kontrolle sind - und zwar ohne, dass die Gemeinde, die halt so blöd ist, das selber zu übernehmen, dann halt auch mit einem erheblichen finanziellen Nachteil anderen gegenüber leben muss.
Es gibt auch heute schon private Wasserversorger (wenn auch verschwindend wenige), die Richtlinie hatte lediglich zum Ziel Transparenz in dem Bereich zu schaffen, v.a. vor diesem Hintergrund:
"4) Solide Verfahren
Die finanziellen Interessen, die auf dem Spiel stehen, und die Beziehungen zwischen
öffentlichem und privatem Sektor machen das Beschaffungswesen anfällig für unseriöse
Geschäftspraktiken, z. B. aufgrund von Interessenkonflikten, Günstlingswirtschaft und
Korruption. Die vorgeschlagene Richtlinie verbessert die bestehenden
Sicherheitsvorkehrungen zur Abwendung derartiger Risiken und gewährleistet einen
zusätzlichen Schutz." (Seite 14 im Link oben)
Hier geht es also viel mehr darum, dass Qualität und Preis unter untransparenten Vergabeprozessen leiden. Nochmal: Es ist nirgends erwähnt, dass hier private Unternehmen künftig bevorzugt (ginge auch gar nicht bei 98% Marktanteil der Öffentlichen in Deutschland) oder gar öffentliche Unternehmen privatisiert werden, es geht hier lediglich um eine EU-weite Unterbindung von untransparentem Gemauschel.
Hier übrigens noch zum Thema fehlende Kontrolle: "Sanktionierung von Verstößen gegen verbindliche sozial-, arbeits- oder umweltrechtliche Vorschriften: Nach der vorgeschlagenen Richtlinie kann eine Vergabestelle Wirtschaftsteilnehmer vom Verfahren ausschließen, wenn sie Verstöße gegen Verpflichtungen des EU-Sozial-, Arbeits- oder Umweltrechts oder gegen internationale arbeitsrechtliche Bestimmungen feststellt. Darüber hinaus werden die Vergabestellen verpflichtet, Angebote abzulehnen, wenn sie feststellen, dass diese ungewöhnlich niedrig sind, weil gegen sozial-, arbeits- und umweltrechtliche Vorschriften des Unionsrechts verstoßen wird." (Seite 13 im Link oben)
Alles in allem finde ich es auf jeden Fall gut, dass die Deutschen sich doch noch für politische Themen interessieren lassen und sich auch engagieren, das war mal eine wohltuende Ausnahme von der berühmten Politikverdrossenheit. Und die Aktion hat vielleicht auch einigen klar gemacht, dass Europapolitik uns eben doch auch sehr direkt betreffen kann und nicht so weit weg von unserem Alltag ist, wie die meisten immer glauben.
Du findest es gut, dass Leute sich nicht informieren und irgendeinen Quatsch unterzeichnen, weil sie mal im Fernsehen davon hörten? Das ist doch die gelebte Politikverdrossenheit.
Und sollte das ganze wirklich nur ein Missverständnis gewesen sein - was ich wie gesagt bezweifle - dann zeigt das auf jeden Fall eins: Politiker jeder Ebene sollten sich einfach deutlich mehr bemühen, sich so auszudrücken, dass die Bürger sie verstehen. Hätte man hier besser informiert, statt hinterher zu schmollen "so hab ich das gar nicht gesagt", wäre die Aktion sicher auch anders verlaufen.
Der "Meinungsmacher" ist hier aber nicht der Politiker, sondern die Medien, die irgendeinen Sachverhalt aufgreifen und falsch verstehen (wollen). Ganz gleich, ob man nun für oder gegen diese Richtlinie ist - es ist einfach unerträglich, wie sich öffentlich-rechtliche Redakteure (insb. des ZDF) immer wieder gegen Sachverhalte positionieren, die sie nicht verstehen. Dass Pelzig demonstrativ auch noch darauf hinweist, dass die "seriösen" (gemeint war eigentlich überparteilich und neutral) ÖR keine Werbung für private Organisationen machen dürfen, seine Medienpräsenz dann aber trotzdem für so ein unqualifiziertes Anliegen nutzt, ist direkt dreist.
Mich ärgert hier nicht die (zumindest im Wasserbereich) gekippte Richtlinie, sondern der Umgang unserer Medien damit.