- Mo 10. Apr 2006, 17:05
#123515
Hab den Artikel mal hier für alle:
Eine Perle im Programm versteckt
Vom Kritiker-Lob können sich Fernsehsender nichts kaufen, hier zählen nur die nackten Zuschauerzahlen. Und wenn die spärlich ausfallen, muss man entweder Ausdauer zeigen, Ausstrahlungstermin und PR-Einsatz überdenken - oder sich flott von der Produktion trennen. In den USA, wo die Serie "Veronica Mars" seit Spätsommer 2004 bei UPN, einem der kleineren Sender, läuft, entschied man sich für das Abwarten auf die Zuschauer. Das hat funktioniert: Die Serie hat ihr Publikum, ausreichend groß und sehr treu, gefunden.
Nachvollziehbar, denn "Veronica Mars" funktioniert nicht nur als Geschichte der von Kristen Bell überzeugend gespielten Titelfigur. Die Teenagerin hat genug damit zu tun, in der Kleinstadt Neptune mit den Problemen des Heranwachsens fertig zu werden, auch und weil sie nicht wirklich zu den populären Schul-Cliquen gehört. Das war mal anders: Bis vor einem Jahr war Veronica die Freundin von Duncan (Teddy Dunne), dem Spross der superreichen Familie Kane, und Veronicas Vater Keith (Enrico Colantoni) der angesehene Sheriff am Ort. Doch dann wurde Veronicas beste Freundin, Duncans Schwester Lilly, umgebracht. Sheriff Mars verlor über seinen Ermittlungen gegen die Kanes Job und Reputation und arbeitet jetzt als Privatdetektiv. Veronica hilft ihrem Vater als überaus talentierte Nachwuchs-Ermittlerin und beweist ansonsten einfallsreich, wie man nicht unter die Räder der lokalen Jugend-Gang oder des bösartigen Kane-Klans kommt.
Stilistisch mischt "Veronica Mars" Film Noir mit den Screwball-Komödien der Dreißiger, die Jugendkultur der 50er Jahre mit den geschniegelten Fassaden der Neuzeit und "Twin Peaks" mit modernen Jugendserien wie "Buffy" oder "Smallville." Das lässt sich sehen. Selbst die Synchronisation der ZDF-Ausstrahlung hätte schlimmer ausfallen können, die geschliffenen Dialoge und Veronicas Off-Kommentare wurden halbwegs vernünftig ins Deutsche übertragen.
Mehr Mühe wollte sich der Sender nicht geben und klatschte die US-Serie lieblos auf den Sonnabendnachmittag. Die Quittung kam prompt: Nur 650 000 Zuschauer (6,3 Prozent Marktanteil) sahen die Auftaktfolge vor neun Tagen, die zweite Folge verfolgten 480 000 Zuschauer, fünf Prozent Marktanteil. Das ZDF hatte wohl gehofft, Publikum von der Telenovela "Tessa" zu transplantieren, die wochentags den Sendeplatz belegt. Das hat nicht geklappt.
An "Veronica Mars" liegt der mangelnde Erfolg nicht, eher am Programm-Schema beim Zweiten: In den USA läuft die Serie am frühen Abend, doch solche Programmplätze gehören beim ZDF den älteren Herrschaften, der Information und den Eigenproduktionen. Insofern sabotiert sich das ZDF selbst, wenn es gefeierte US-Serien einkauft, aber keine geeigneten Sendeplätze schafft. Bedauerlich, denn "Veronica Mars" hätte jede Hilfe und jeden Zuschauer verdient.