- So 1. Mär 2015, 15:48
#1416835
Ich habe meinen gestrigen Kater produktiv genutzt und die restlichen zehn Folgen am Stück geschaut. :lol:
Im Folgenden also Spoiler für die gesamte Staffel:
Ich habe die ersten beiden Staffeln recht gern geschaut, aber mehr als guter Durchschnitt (6/10) waren sie für mich nicht. Dafür waren die Nebenfiguren zu schlecht geschrieben, die politischen Aspekte zu oberflächlich und Frank zu übermächtig. Und zu meiner Überraschung war all das in der dritten Staffel (mit einigen Abstrichen) anders: Zum ersten Mal hatte Frank mit Petrov, Dunbar (und Claire...kind of) Gegenspieler, die im Vergleich nicht von Beginn an komplett unterlegen wirkten, zum ersten Mal bezog die Serie wirklich politisch Stellung anstatt Washington nur als Bühne für Intrigen zu benutzen, zum ersten Mal war House of Cards für mich nicht mehr nur die 2423. Variante eines Cable Dramas mit moralisch flexiblen Hauptfiguren.
Die größte Schwäche der Serie, die Nebenfiguren, sind aber auch weiterhin der Punkt, der für mich verhindert, dass House of Cards in einer Liga mit der aktuellen Top-Riege spielt. Eine Serie müss für mich keinen riesigen Cast haben, um zu überzeugen, wenn eine Serie jedoch so viel Screentime für Nebenfiguren erschöpft und es dabei in den meisten Fällen dennoch nicht schafft, diesen ein Profil, einen emotionalen Kern oder ein zufriedenstellendes Ende zu geben, dann ist das ein Problem für mich. Mit Peter Russo and Zoe hat die Serie es in der ersten Staffel durchaus geschafft, Figuren neben Claire und Frank zu etablieren, die sich wie vollwertige Charaktere, nicht wie Schachfiguren, anfühlten. Leider hat man das Potenzial in beiden Fällen für billige Schockeffekte verschwendet. Während die beiden folgenden Staffel nun komplett auf ein Peter Russo-Äquivalent verzichten, wurde Zoe durch eine ständiges Wechselspiel an austauschbaren Journalisten-Figuren ersetzt, das sich mir immer noch nicht erschließt. Ayla wurde in bester Good Wife-Manier völlig sang- und klanglos aus der Serie geschrieben, um Platz für Kim Dickens zu machen, die aber größtenteils genau so blass blieb.
Positiv möchte ich aber Paul Sparks als Thomas Yates, Elizabeth Marvel als Heather Dunbar und Molly Parker als Jackie Sharp hervorheben. Yates' Beziehung zu Frank fand ich sehr interessant mitanzusehen, da sich Frank teilweise wirklich geöffnet hat (das sieht man nicht oft in dieser Serie) und er meiner Meinung nach letztlich der Katalysator für Claires Entscheidung, Frank zu verlassen, war. Heather Dunbar wird sicherlich (das hoffe ich zumindest inständig) in der nächsten Staffel noch eine größere Rolle spielen, aber ich fand sie als Franks Gegenspielerin sehr überzeugend. Man hätte zwar noch mehr Einblicke in ihre Seite der Kamapgne oder ihres Privatlebens geben können, aber selbst mit der recht geringen Screentime hat man die Figur als kompetente Rivalin etablieren können. Das hat man mit Tusk in Season 2 auch nach einer ganzen Staffel nicht wirklich geschafft. Jackie war schon einer der wenigen Lichtblicke in der zweiten Staffel und die Figur hat sich auch in der dritten positiv entwickelt. Vor allem die Debatte und der Vorlauf dazu zählen für mich zu den Highlights der Staffel. Die übrigen sind natürlich die Szenen mit Lars Mikkelsen als Nicht-Putin. Wie bereits erwähnt sind 3x03 und 3x05 (Claires Rede vor den russischen Reportern!) meiner Meinung nach mit die besten Folgen der Staffel.
Auf der anderen Seite haben die aus Staffel 2 übriggebliebenen Handlungsfäden mit Doug, Super Crazy Hacker Guy und Rachel die gute Charakterarbeit der anderen Figuren fast wieder zerstört. Doug passt meiner Meinung nach einfach nicht in diese Serie. Ich verstehe zwar, dass Frank neben Claire noch andere Verbündete braucht, aber die Figur ist einfach nicht gut geschrieben. Meine größtes Problem war bei House of Cards schon immer die überzogene Art und Weise, wie sich Frank mit Dougs Hilfe seiner Probleme entledigt. Es wäre meiner Meinung nach schlauer gewesen, wenn Rachel ihn wirklich getötet hätte und man keine Zeit mehr mit dieser Storyline verschwendet hätte. Dass der Hacker noch lebt, gefällt mir auch gar nicht, weil das mit großer Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass er irgendwann wieder auftauchen wird. Dass man fast den kompletten Season-Opener und das Finale damit verbringt, zieht den Gesamteindruck der Staffel für mich auch wieder ziemlich nach unten.
Der eigentliche Star der dritten Staffel ist aber Robin Wright bzw. Claire, die fast in jeder Folge eine absolut fantastische Szene hatte. Ich schnappte aus diversen Internet-Foren schon wieder einiges an Hasstiraden über die Entwicklung der Figur auf, aber ich kann mir für die nächste Staffel nichts Spannenderes vorstellen, als das Bündnis Frank/Claire zu splitten. Ihre Entwicklung ist für mich persönlich auch vollkommen verständlich. Eine Frau wie Claire kann mit einer Stellung als First Lady, die letztlich nicht mehr als eine Trophy Wife ist, nicht zufrieden sein (sehr schön die Szene mit Yates beim Blutspenden: "You're literally giving your blood for him."). Vor allem da sie eine so wichtige Rolle darin spielte, Frank ins Oval Office zu hieven.
Also insgesamt ein großer Schritt nach vorn für House of Cards, der leider durch die Überbleibsel der letzten Staffel etwas gedämpft wurde. 8/10