von P-Joker
#1523940
ZehnGrammZucker hat geschrieben: betrachtet man nur die Nummer-1-Hits in den Single- und Album-Charts: In den Album-Charts schafft es kaum ein Interpret mehr als eine Woche die Spitze zu besetzen. Und in den Single-Charts hat Capital Bra gerade seinen 6. Nummer-1-Hits in 4 Monaten.
[quote="ZehnGrammZucker
Oder macht Streaming und YouTube tatsächlich die Musikbranche so sehr kaputt, dass ein Nummer-1-Hit einfach keine Marke mehr ist, die tatsächlich etwas über den Erfolg eines Liedes aussagt?[/quote]

Das hängt irgendwie beides zusammen.

1. Früher hat ein Musiker ein Album aufgenommen und daraus einen Song als Single ausgekoppelt. Beides konnte dann in den entsprechenden Charts zur Nr. 1 werden.
Manchmal folgte auch noch ein zweiter Song hinterher, das war es aber auch schon.
Ausnahmen bildeten nur Leute z.B. Michael Jackson, der aus seinem Thriller-Album 6 Titel auskoppelte, und alle landeten ganz oben.

Heute aber werden viel weniger CDs oder LPs gekauft. Sie werden schlicht als Download gekauft. Das wiederum oft aber nicht einmal als komplettes lbum, sondern nur einige Titel davon.
Diese werden dann auch einzelne Songs gewertet für die Single-Charts. So kann es dann vorkommen, dass ein Musiker von einem Album gleichzeitg (!) mehrere Titel in diesen Charts vertreten hat.

2. Dabei fällt mir ein Zitat (eines der wenigen sinnvollen) von Dieter Bohlen ein. Im TV sagte er mal: "Früher mussten wir 25.000 Stück verkaufen um überhaupt in die Charts zu kommen, heute reichen 2.500 um Platz zu schaffen!"
Irgendwie scheint da was dran zu sein!
Benutzeravatar
von Fernsehfohlen
#1523943
Sofern nicht in jüngster Vergangenheit schon wieder was geändert wurde, bedarf es doch inzwischen nicht einmal eines klassischen "verkauften" Exemplars, um in die Single-Charts zu kommen - Streamings werden ja zumindest bei zahlenden Abonnenten auch in die Hitliste inkludiert. Wie genau, hat sich aber in den letzten Jahren tatsächlich mehrfach geändert, auch weil die stark streamingaffinen Acts in jüngerer Vergangenheit ein zunehmenderes Übergewicht zu verzeichnen hatten.

Und joar, ansonsten habt ihr beide da schon Recht. Ich glaube, wer sich in letzter Zeit mal die Entwicklung der Hitliste gegeben hat, wird kaum bestreiten können, dass Hip-Hop und Electro massiv überrepräsentiert sind. Und mir fehlt aus diesem Grund in letzter Zeit auch ein Markenzeichen, das die Charts meiner Erinnerung nach in den 00er-Jahren durchaus noch ausgezeichnet hat: Vielfalt. Und sicherlich droht auch die Relevanz der Charts abzuebben, wenn Nummer Einsen mit der "richtigen Konsumform" (vornehmlich Streaming aktuell) ziemlich leicht zu erzielen sind.
Und wer sich die Weekly-Charts von Spotify mal so zu Gemüte führt, wird sehen, dass diese Plattform aktuell sicherlich nicht allzu viel für eine vielfältige Popmusik-Kultur tut: https://kworb.net/spotify/country/de_weekly.html

Andererseits muss man eben schon sagen, dass gerade diese Deutschrap-Schiene derzeit plattformübergreifend ziemlich beliebt ist. Wenn dieses Zeug bei Spotify, YouTube, iTunes und Social Media durch die Decke schießt, dann neige ich schon ziemlich stark dazu zu sagen, dass es bei der Jugend grad ziemlich angesagt ist - und sich das vielleicht nur aufdringlicher zeigt als zu "unserer" (also meiner und ZGZ ^^) Jugend, weil es kaum mehr Schranken dafür gibt, Titel zu releasen und charten zu lassen.
Aber unreflektierte, alles konsumierende Fan-Teenies gab es auch schon vor zehn oder 15 Jahren. Sie konnten damit nur nicht die gesamte Hitliste vollpflastern.

Im Grunde ist es für mich aber auch eine eher bittere Pointe, dass das Internet diese kommerziellen Monokulturen radikalisiert hat. Es bietet ja unglaubliche Chancen: Für Künstler, sich vom Goodwill der Plattenfirmen zu befreien und für Hörer, sich vom Goodwill der Radiostationen und Fernsehsender zu befreien. Aber diese Online-Hype-Dynamiken haben leider eher dazu geführt, dass die kommerziell orientierte Musik gleichgeschalteter wurde.
Hätte ich vor einigen Jahren auch nicht unbedingt gedacht.

Wobei zu betonen ist: Man war als Hörer selbst noch nie so unabhängig wie heute davon, was grad in irgendwelchen Hitlisten ganz oben steht.


Fohlen
Benutzeravatar
von Glenn
#1523951
Schönes Thema, denn mir geht es ähnlich. Auch ich erkenne seit etwa fünf Jahren in den Charts diesen seltsamen Trend - gerade in Bezug auf "Hit". Mal von ein paar Ausnahmen wie "Despacito" abgesehen, kennt die Allgemeinheit eigentlich kaum mehr die Songs, die sich in den Charts tummeln. Das war früher definitiv noch anders - da wusste man: wer oben in den Charts ist, wird im Radio gespielt, kommt auf die Bravo Hits, wird bei VIVA interviewt und tritt bei "Wetten, dass..?" auf. :wink: Aber wie ZehnGrammZucker schon richtig anmerkt, finden kaum noch klassische Popsongs statt. Auch ich wundere mich darüber, dass die Jugend scheinbar gar kein Interesse mehr an Pop oder gar Rock hat.

Ich halte es auch für keine gute Lösung, dass heutzutage Streaming einen so großen Einfluss auf die Charts hat. Nur weil jemand einen Song streamt, ohne dafür Geld auszugeben, sollte das nicht in die Wertung miteinfließen - das verfälscht das Bild meiner Ansicht nach extrem. Das sieht man immer daran, wenn von bestimmten Künstlern die Einzeltracks des neuen Albums die Singlecharts vollpflastern - besonders schön, wenn dann auch auf einmal ein Song namens "Intro" vertreten ist. :roll: In Großbritannien hat man mittlerweile wenigstens eine Begrenzung auf drei Songs pro Künstler eingeführt, damit nicht wie im Vorjahr 16 Songs aus der Top 20 von Ed Sheeran belegt werden können.

Davon abgesehen fehlen mir in den Singlecharts mittlerweile echt die großen Namen - man liest nur noch irgendwelche kryptischen Electro-Projekte und seltsame Rapper. In den Albumcharts sieht es dagegen schon besser aus, weil dort wohl noch echte Verkäufe ausschlaggebend sind.
Benutzeravatar
von Fernsehfohlen
#1524357
Ein kleiner Fernsehtipp meinerseits: Habe gerade die ZDF-Doku "Champions der Charts" geschaut, in der unter anderem einige aktuell erfolgreiche DJs wie Felix Jaehn und Gestört aber GeiL, aber auch Musik-Journalisten wie Markus Kavka und altbekannte deutsche Größen wie die Fantas oder Wolfgang Niedecken über den aktuellen kommerzorientierten Popsound sprechen - auch Spotify kommt zur Sprache.

Schade finde ich persönlich, dass man sich in der Doku so sehr auf die Dance-Musik beschränkt hat und den zweiten großen Hype unserer Zeit (Deutschrap) komplett ausklammert, den ich fast noch interessanter finde mit seiner starken Beschränkung auf das Internet (vor allem YouTube und Spotify), aber sehenswert ist die Doku dennoch.

https://www.zdf.de/kultur/musik-und-the ... s-100.html


Fohlen
  • 1
  • 142
  • 143
  • 144
  • 145
  • 146