- Sa 27. Jul 2019, 18:58
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Der König der Löwen (2019)
Die Remake- und Fortsetzungswelle macht auch vor meinem Lieblingsfilm nicht Halt und so bekommt nach dem "Dschungelbuch", "Dumbo", "Aladdin" und Co. auch "The Lion King" das unvermeidliche CGI-Remake, für das wie schon beim "Dschungelbuch" Jon Favreau verantwortlich zeichnet. Heraus kommt dabei ein Film mit mehr Licht als befürchtet, aber auch mehr Schatten als erhofft - womit er qualitativ unterm Strich nur ein sehr kleines Licht gegenüber dem wundervollen Original bleiben wird.
Die ganz große Crux eines fotorealistischen Films, der sich an einem Zeichentrickfilm orientiert, ist die Übertragung von Emotionen: Wo gezeichnete Figuren problemlos überzeichnet werden können und keiner eine adäquate Abbildung der Wirklichkeit erwartet, sollte man ihr bei einer Realverfilmung deutlich näher sein, sofern man sich seiner künstlerischen Existenzgrundlage nicht berauben will. Wie das ohne Verlust ganz wesentlicher emotionaler Momente gelingen kann? Die Antwort Favreaus lautet hier leider viel zu oft "gar nicht". Und da er sich hinsichtlich wesentlicher Dialoge, Storylines und Kameraeinstellungen sehr stark an der Vorlage von 1994 orientiert, hat man als Zuschauer leider häufig den Eindruck, man bekomme hier eine Light-Version vorgesetzt, die in dieser Hinsicht merkwürdig unfertig, roh und zahnlos anmutet.
Bezogen auf die wesentlichen Figuren der Geschichte empfand ich die Veränderungen insbesondere bei Scar als ziemlich krass. Im Original ist er wohl mein Lieblingscharakter, da ich seine freudvoll-sarkatische Boshaftigkeit auf diabolische Weise sehr anziehend fand, hier dagegen ist er eher ein durch und durch depressiv und grausam anmutender Tyrann, dem es an Charisma mangelt und der somit auf mich ziemlich eindimensional wirkt. Sein großer Song "Seid bereit" wurde auch von allen großen Nummern des Films am deutlichsten verändert bzw. verkürzt und ist sehr viel weniger verspielt und abgedreht, dafür umso düsterer geraten. Ist vielleicht ein Stück weit Geschmackssache, ich fand den neuen Scar eher enttäuschend - und das, obwohl der neue deutsche Synchronsprecher gar nicht mal so gravierend gegenüber dem großartigen Thomas Fritsch abgefallen ist, wie ich eigentlich erwartet hatte.
Nicht ganz konsequent fand ich im Zuge dessen die visuelle Darstellung Scars, der hier zwar deutlich erbärmlicher ausschaut als 1994, für meine Begriffe aber angesichts der deutlichen charakterlichen Veränderungen sogar noch eine Spur abgehalfterter und "kaputter" hätte dargestellt werden können. Alles in allem ist der Film aber visuell schon beeindruckend gut gelungen, viele Aufnahmen fand ich sogar noch deutlich schöner und mitreißender als im Original - diese Stärke des Fotorealismus' hat man also in weiten Teilen nutzen können. Problematisch wird es dagegen immer, sobald Nahaufnahmen der Figuren ins Spiel kommen, denn die Gesichter bzw. die Mimik wirken viel zu häufig viel zu starr, als dass man den Figuren ihre (selten wortgleiche, aber fast immer sinngleiche) Dialoge wirklich abnehmen würde. Das wirkt sich vor allem auf die Wirkung der Songs aus, insbesondere "Ich will jetzt gleich König sein" fehlt die Frivolität und Verspieltheit von 1994.
Die Story des Films bleibt nahezu unverändert, dennoch ist die Neuauflage etwa eine halbe Stunde länger. Das geschieht zum Einen dadurch, dass Favreau einige Szenen in die Länge zieht und vor allem optisch ausschmückt, was meines Erachtens in den meisten Fällen nicht zwingend nötig, aber zumindest ganz nette Goodies für die Fans ist und ganz selten einmal dem Verständnis der Bedeutung der jeweiligen Szene für das große Ganze dient. Darüber hinaus gibt es mit "Spirit" (Beyonce) einen neuen, recht okayen Filmsong und ein paar ganz neue Szenen, die aber auch eher die Rolle von Lückenfüllern einnehmen. Ist ganz nett und führt dazu, dass der Film zumindest ein wenig mehr ist als eine 1:1-Adaption des Klassikers - ein ganz klein wenig mehr.
Ansonsten aber ist "Der König der Löwen" in dieser Form leider kein Remake, das in irgendeiner Form wirklich nötig gewesen wäre. Vor allem die emotionale Kälte wertet Favreaus Interpretation im direkten Vergleich spürbar ab und da er sich nur viel zu schüchtern darum bemüht, an der Story zu feilen, tut man sich auch ungemein schwer damit, diesen Umstand als etwas Anderes denn ein Downgrade zu bezeichnen. Herausragend ist die visuelle Darstellung insbesondere der Großaufnahmen, die Filmmusik ist deutlich stärker als erwartet, aber eben auch nicht besser als 1994 und die Darstellung der Figuren ist liebevoll, sobald man ihnen nicht allzu tief ins Gesicht schaut. Ich hoffe, dass sich die ganz junge Generation nicht nur diesen Film anschaut, da ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass er in diesem Fall für die Kinder von heute auch nur ansatzweise so relevant ist und zum Klassiker reift wie das gute, alte Meisterwerk für die Kids der 90er-Jahre. Und "nett" ist für diese Marke halt irgendwie schon eine Beleidigung.
6,5/10
Fohlen